European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0040OB00174.24B.1119.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)
Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 3.027,84 EUR (darin 504,64 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
[1] Die Parteien schlossen 2006 und 2007 zwei Fremdwährungskredite über Schweizer Franken (CHF) im Gegenwert von 350.000 EUR bzw 122.000 EUR mit Laufzeitende 31. 8. 2026 bzw 28. 2. 2027 ab. Es handelt sich dabei um endfällige Kredite, die von der Klägerin als Unternehmerin aufgenommen wurden, bei denen während der Laufzeit nur die Zinsen bezahlt werden und die gesamte Kreditsumme (erst) nach Ablauf der Laufzeit (mithilfe von Tilgungsträgern) zurückbezahlt wird. Am 10. 8. 2015 wurden die Rückzahlungsmodalitäten bei einem der Kredite dahin modifiziert, dass zusätzlich zu den Zinszahlungen auch eine Kreditrückführung in Form von vierteljährlichen Kapitalraten in bestimmter Höhe (810 CHF) vereinbart wurde.
[2] Die anwaltlich vertretene Klägerin teilte der Beklagten 2017 mit, dass zu hohe Zinsen verrechnet würden und die Zinssätze nicht nachvollziehbar seien. Auch nach mehreren Gesprächen über die Zinsen, Anpassungen und der Vorlage der Zinsenberechnungsgrundlage durch die Beklagte war im ersten Quartal 2018 die Berechnung für den Rechtsvertreter der Klägerin nach wie vor nicht nachvollziehbar bzw überhöht. Die Beklagte erklärte, dass die Zinsen berechtigt vorgeschrieben worden seien.
[3] Über das Vermögen der Klägerin wurde am 9. 8. 2018 das Insolvenzverfahren eröffnet. Die Beklagte stellte im Oktober 2018 daraufhin die bis zu diesem Zeitpunkt offenen Forderungen aus dem Kreditverhältnis („Saldo … inkl Zinsen und Spesen“) fällig und meldete am 25. 10. 2018 nach Vornahme einer Konvertierung im Insolvenzverfahren eine Gesamtforderung von (insgesamt) 851.135,15 EUR (unstrittig: beinhaltend auch Zinsen) als unbedingte Forderung aus dem Saldo der Verträge mit der Geltendmachung von Absonderungsrechten an. Durch Rückkauf der Tilgungsträger (Lebensversicherungen) flossen der Beklagten spätestens am 3. 4. 2019 daraus 421.260,01 EUR zu, weshalb die Beklagte ihre Forderung im Insolvenzverfahren auf 429.875,14 EUR einschränkte. Diese (eingeschränkte) Forderung wurde vom Insolvenzverwalter anerkannt und weder von der Klägerin noch von anderen Gläubigern bestritten. Am 13. 6. 2019 wurde der am 28. 5. 2019 zwischen der Schuldnerin und deren Gläubigern abgeschlossene Sanierungsplan vom Insolvenzgericht rechtskräftig bestätigt, was zur Aufhebung des Insolvenzverfahrens führte (§ 152b Abs 2 IO). Danach erstellte das Insolvenzgericht am 10. 7. 2019 einen entsprechenden (vollstreckbaren) Auszug aus dem Anmeldungsverzeichnis über die festgestellte (Rest-)Forderung der Beklagten.
[4] Es ist unstrittig, dass in weiterer Folge sämtliche offenen Kreditverbindlichkeiten schließlich durch Umschuldung am 27. 8. 2019 erfüllt wurden.
[5] Mit ihrer am 24. 8. 2022 eingebrachten Klage begehrt die Klägerin die Rückzahlung von vereinbarungswidrig überhöht verrechneten Kreditzinsen für den Zeitraum „Quartal 1 2009 bis einschließlich Oktober 2018“ im Betrag von 171.573,05 CHF samt Zinsen seit 31. 3. 2008. Es bestehe ein bereicherungs- bzw schadenersatzrechtlicher Rückforderungsanspruch, weil die Kreditzinsen von der Beklagten nicht wie vereinbart, sondern überhöht bzw nicht nachvollziehbar vorgeschrieben worden seien. Bei den Zinsanpassungsklauseln habe die Beklagte auch gegen § 864a ABGB und § 879 Abs 3 ABGB verstoßen.
[6] Die Beklagte machte eine Bindungswirkung der Forderungsfeststellung im Insolvenzverfahren geltend. Das Anerkenntnis des Insolvenzverwalters beziehe sich nicht nur auf damals im Insolvenzverfahren noch offene Zinsen, sondern auch auf die bereits in der Vergangenheit entrichteten Zinszahlungen. Die Forderungen seien bereits verjährt. Zudem seien sämtliche Zinsanpassungen vertragskonform aufgrund von wirksamen Zinsanpassungsklauseln erfolgt.
[7] Das Erstgericht wies die Klage ab. Aufgrund des Anerkenntnisses des Insolvenzverwalters bestehe für bereits gezahlte bzw nicht mehr offene Zinsen zwar keine Bindungswirkung an die Forderungsfeststellung. Allerdings seien – unter Bedachtnahme auf die gesetzliche Tilgungsregel des § 1416 ABGB und den Umstand, dass es sich um einen endfälligen Kredit handle – sämtliche Kreditzinsen spätestens mit der Zahlung im April 2019 (Rückkäufe von Lebensversicherungen) gezahlt worden, sodass die bereicherungsrechtlichen Rückforderungsansprüche bei Einbringung der Klage am 24. 8. 2022 bereits verjährt gewesen seien. Auch die Verjährung eines allfälligen Schadenersatzanspruchs habe spätestens im April 2019 zu laufen begonnen, sodass die Klage auch diesbezüglich verjährt sei.
[8] Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil im Ergebnis, ohne Fragen zur Verjährung zu prüfen. Es verwies aber auf die Feststellung der Forderungen der Beklagten im Insolvenzverfahren. Diese Feststellung habe die Wirkung einer rechtskräftigen Entscheidung über den Bestand der Forderung. Die rechtskraftähnliche Wirkung der Forderungsfeststellung erfasse auch die Eigenschaft als Insolvenzforderung. Damit sei eine konkursüberdauernde Inhaltsveränderung der jeweiligen Forderung verbunden. Diese Bindungswirkung stehe dem Vorbringen der Klägerin, sie habe (vertragswidrig) überhöhte Zinszahlungen geleistet, entgegen. Die im Insolvenzverfahren angemeldete offene Forderung der Beklagten habe den von ihr errechneten jeweiligen Saldo der beiden Kreditverhältnisse betroffen. Noch vor Insolvenzeröffnung habe die Klägerin behauptet, zu hohe Zinsen bezahlt zu haben, was damals von der Beklagten bestritten worden sei. Das Anerkenntnis des jeweiligen Saldos (als Differenz zwischen Gutschriften und Belastungen) durch den Insolvenzverwalter habe zwingend auch die Berechtigung der bis dahin entrichteten Zinsen als Grundlage für die Errechnung des Saldos umfasst. Bindend stehe per Juli 2019 fest, dass zwischen den Parteien aus den Kreditverträgen ein offener Saldo von 429.875,14 EUR zugunsten der Beklagten bestanden habe, welcher in der Folge beglichen worden sei. Mit der Forderungsfeststellung sei eine Inhaltsveränderung des zuvor strittigen Rechtsverhältnisses erfolgt. Die Rückforderung einer Überzahlung aus diesen Kreditverhältnissen, sei es aus dem Rechtsgrund der Bereicherung, sei es aus dem Rechtsgrund des Schadenersatzes, mit der Behauptung, die Beklagte habe vertragswidrig zu hohe Zinsen verrechnet, widerspreche der Bindungswirkung, weshalb die Klage vom Erstgericht im Ergebnis zu Recht abgewiesen worden sei.
[9] Die ordentliche Revision wurde vom Berufungsgericht zur Frage der Reichweite der Bindungswirkung des Anerkenntnisses einer Saldoforderung aus einem Kreditverhältnis durch den Insolvenzverwalter zugelassen. Zudem stelle sich die Frage, wann die Bereicherung eintrete, wenn während der Kreditlaufzeit nur die Zinsen fällig werden.
[10] Dagegen richtet sich die Revision der Klägerin mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im stattgebenden Sinn abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
[11] Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise dem Rechtsmittel nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
[12] Die Revision ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig. Das Rechtsmittel ist aber nicht berechtigt.
A. Zur Bindungswirkung:
[13] 1.1 Die Feststellung einer Forderung im Insolvenzverfahren hat die Wirkung einer rechtskräftigen Entscheidung über den Bestand der Forderung (RS0041131 [T6]), die sich notwendigerweise auf die Beziehung zwischen den Personen bezieht, die von der Wirkung der Eintragung erfasst werden, also auf den Schuldner und die Insolvenzgläubiger (RS0041131 [T7]). Die Feststellung nach § 109 IO äußert daher eine streitabschneidende Wirkung, die sich nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens bei Nichtbestreitung durch den Schuldner zur Bindungswirkung verdichtet; sie zieht keine volle Rechtskraftwirkung nach sich, doch ergibt § 60 Abs 2 IO, dass sie eine der Rechtskraftwirkung nahekommende Tragweite hat (RS0064720; allgemein Konecny in Konecny/Schubert § 109 KO Rz 18). Sie entfaltet somit gegenüber späteren Leistungsklagen zwar keine Einmaligkeitswirkung, wohl aber Bindungswirkung (RS0064716 [T3]), die der materiellen Rechtskraft im Prozess gleichkommt (Jelinek/Nunner‑Krautgasser in Konecny/Schubert, § 60 KO Rz 40; Katzmayr in KLS² § 60 IO Rz 4 ua). Mit der Forderungsfeststellung im Insolvenzverfahren wird daher ein Entscheidungssurrogat geschaffen (RS0113041; RS0064720 [T2, T3]; RS0065463 [T4]).
[14] 1.2 Die der materiellen Rechtskraft gleiche Bindungswirkung tritt mit rechtskräftiger Aufhebung des Insolvenzverfahrens ein (RS0064720 [T4]; Jelinek, Forderungsfeststellung und Wiederaufnahme im Konkursverfahren, in FS Fasching [1988] 249 f). Es ist im Anlassfall unstrittig, dass das Insolvenzverfahren im Juli 2019 rechtskräftig aufgehoben wurde, sodass (auch amtswegig, vgl RS0074226; RS0132136; RS0039968 [T7]) zu prüfen ist, inwieweit sich die Bindungswirkung der Forderungsfeststellung auf die hier klagsgegenständlichen Ansprüche auswirkt.
[15] 2. Wegen der Verwandtschaft der Bindungswirkung einer Forderungsfeststellung mit der Bindungswirkung einer Entscheidung im Prozess liegt es nahe, die dort zu den objektiven Grenzen der materiellen Rechtskraft entwickelten Grundsätze anzuwenden (Jelinek/Nunner-Krautgasser in Konecny/Schubert, § 60 KO Rz 42). Das umso mehr, als bezüglich der Geltendmachung von Insolvenzforderungen die prozessualen Ansichten zum Streitgegenstand herangezogen werden (siehe nur Jelinek in KLS² § 106 Rz 2, § 110 Rz 39 f mwN). Gegenstand des Prüfungsverfahrens ist – im Sinne der von der Judikatur zum Streitgegenstand entwickelten (vgl RS0039255; RS0040064; RS0039347) und damit auch die Bindungswirkung bestimmenden (vgl RS0041572) Grundsätze – somit nur die angemeldete Insolvenzforderung, die durch den begehrten Betrag und die rechtserheblichen Tatsachen abgegrenzt wird. In diesem Sinn weist die Klägerin zutreffend darauf hin, dass grundsätzlich nur der Restbetrag von 429.875,14 EUR inklusive (allfälliger) offener Zinsen festgestellt wurde.
[16] 3. Strittig ist, ob und inwieweit der eingeklagte Zinsenbetrag von der Feststellung gemäß § 60 IO mitumfasst wird. Dabei ist zu differenzieren.
[17] 3.1 Die hier zu klärende Fragestellung entspricht der Problematik Spitzenbetrag/Sockelbetrag bei der materiellen Rechtskraft in einem Zivilprozess. Dazu wird nach zutreffender Ansicht vertreten, dass ein Sockelbetrag nicht dem Grund und der Höhe nach festgestellt wird, wenn nur der übrige Restbetrag eingeklagt wurde (Klicka in Fasching/Konecny³ § 411 ZPO Rz 66 mwN; vgl auch 8 Ob 108/76; 8 Ob 18/84; 5 Ob 75/09d; RS0041266). Bei sinngemäßer Anwendung dieser Grundsätze (§ 252 IO) ist daher nur der Anspruch auf den Restbetrag von 429.875,14 EUR bindend festgestellt, nicht aber der Anspruch auf die davor der beklagten Bank bereits zugeflossenen Beträge. Zutreffend weist die Revision darauf hin, dass die Anerkennung der Insolvenzforderung eine damals bereits bestandene (aber nicht eingewandte) Gegenforderung der Klägerin inhaltlich nicht tangierte.
[18] 3.2 Die zum Zeitpunkt der Forderungsfeststellung bereits entrichteten Zinsen sind daher nicht von der Feststellung nach § 60 IO umfasst. Dieser Umstand steht einer erfolgreichen Klagsführung insoweit nicht entgegen (zur Verjährung, siehe unten). Der vom Berufungsgericht in diesem Zusammenhang zitierte Rechtssatz RS0131661 bezieht sich auf die (hier nicht in Rede stehende) Verfestigung der Umwandlung einer Naturalforderung in eine Geldforderung nach § 14 IO durch einen Sanierungsplan und ist für die hier vorliegende Konstellation daher nicht einschlägig.
[19] 3.3 Damit steht den Rückforderungsansprüchen der Klägerin keine Bindungswirkung hinsichtlich der Vorfrage entgegen, ob der Beklagten ein Anspruch auf die im Zeitpunkt der Forderungsfeststellung bereits gezahlten Beträge zustand.
[20] 3.4 Hinsichtlich jener im Insolvenzverfahren allenfalls noch offen gewesenen Kreditzinsforderungen der Beklagten, die auch von der Forderungsfeststellung über 429.875,14 EUR umfasst wurden, ist die Bindungswirkung hingegen zu bejahen. Nur insoweit in diesem Betrag (damals) noch offene Kreditzinsforderungen der Beklagten enthalten waren, stünde im Sinne der oben referierten Grundsätze die Bindungswirkung der Forderungsfeststellung den insoweit geltend gemachten Bereicherungs- und Schadenersatz‑ansprüchen entgegen. Waren zB die Zinsen für Juli 2018 zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung noch offen und Teil der (eingeschränkten) Forderungsanmeldung und damit vom Anerkenntnis umfasst, könnte sich die Klägerin (nur) in diesem Umfang wegen der Bindungswirkung nicht auf Bereicherung oder Schadenersatz wegen überhöhter Kreditzinsen berufen (vgl auch RS0016737 [Verneinung von Bereicherungs- und Schadenersatzansprüchen wegen Bindung an ein rechtskräftiges Urteil]).
[21] Daran ändert auch nichts der Umstand, dass die Klage auf Rückzahlung von CHF gerichtet ist. Die Beklagte hat den Kredit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens in EUR konvertiert und eine eingeschränkte Forderung von 429.875,14 EUR angemeldet, die anerkannt und zur Gänze befriedigt wurde. Die oben bejahte Bindungswirkung hinsichtlich der (allenfalls) darin enthaltenen (und in EUR bezahlten) Kreditzinsen kann nicht dadurch umgangen werden, dass beim entsprechenden Rückforderungsanspruch die Klage auf CHF gerichtet ist.
[22] 4. Auf Grundlage der bisherigen Feststellungen kann zwar nicht abschließend beurteilt werden, inwieweit in der (eingeschränkten) Forderungsanmeldung überhaupt Kreditzinsforderungen im Allgemeinen und solche Forderungen im Besonderen enthalten waren, die vom Klagebegehren umfasst sind. Eine Aufhebung der Entscheidungen zur Verfahrensergänzung kann jedoch unterbleiben. Es kann vielmehr dahinstehen, ob von der Beklagten im Insolvenzverfahren angemeldete Zinsen auch von der Klagsforderung umfasst sind. Ist das zu bejahen, wäre die Klage insoweit wegen der Bindungswirkung unberechtigt. Wenn man das aber verneint, ist – wie das Erstgericht – davon auszugehen, dass sämtliche Kreditzinsen dann jedenfalls spätestens im April 2019 (bzw vor der Insolvenzeröffnung) bezahlt wurden, sodass ein Rückforderungsanspruch der Klägerin diesbezüglich dann an der eingetretenen Verjährung scheitert (vgl sogleich).
B. Zur Verjährung:
5. Zur Verjährungsfrist des Bereicherungsanspruchs:
[23] Grundsätzlich verjährt der bereicherungsrechtliche Anspruch des Kreditschuldners auf Rückzahlung zu Unrecht eingehobener periodisch wiederkehrender Zahlungen (ua zu viel gezahlter Kreditzinsen) nach drei Jahren (RS0117773). Diese Rechtsprechung ist ungeachtet teilweiser Kritik in der Literatur (zB S. Kietaibl, Zinsgleitklauseln beim Unternehmerkredit, ÖJZ 2019/2, 9; Vollmaier in Klang3 § 1480 ABGB Rz 16) als gefestigt anzusehen (idS zB 3 Ob 47/16g; 7 Ob 11/20y). Daran ist weiterhin festzuhalten. Der von der Klägerin lediglich „aus anwaltlicher Vorsicht“ vertretene Standpunkt, dass ein „nachlässiger“ Kreditgeber von der Privilegierung des § 1480 ABGB auszuschließen sei, wenn der Kreditnehmer infolge der Zinsvorschreibung des Kreditgebers irrtümlich zu viel leistet, verfängt nicht. Mehrere Entscheidungen haben die kurze Verjährungsfrist auch und insbesondere dann angewandt, wenn die klagende Partei dem beklagten Kreditgeber bezüglich der Bildung bzw Anpassung der Kreditzinsen Gesetzesverstöße (und insofern auch „Nachlässigkeit“) vorwarf, die mit dem streitgegenständlichen Vorbringen der Klägerin durchaus vergleichbar sind (zB 2 Ob 106/03g; 1 Ob 241/07h; 1 Ob 51/08v; uva). Davon abgesehen, stützt die Rechtsprechung die kurze Verjährungsfrist (auch) auf eine analoge Anwendung des § 27 Abs 3 MRG.
6. Zum Beginn der Verjährungsfrist des Bereicherungsanspruchs:
[24] 6.1.1 Bei Annuitäten tritt nach der Rechtsprechung die Bereicherung des Darlehensgebers wegen vom Darlehensnehmer diesem überhöht verrechneter und von diesem geleisteter Darlehenszinsen erst mit der Tilgung aller Rückzahlungsansprüche des Darlehensgebers ein (3 Ob 234/04i; 7 Ob 222/04d; anders noch 4 Ob 73/03v). Es handelt sich bei Annuitäten um gleichbleibende Leistungen zur Verzinsung und Tilgung des Kapitals, also um Pauschalraten, bei denen sich Zinsenbezug und Kapitalrückzahlung immer auf denselben Betrag ergänzen, sodass bei fortschreitender Tilgung der in den einzelnen Annuitäten enthaltene Zinsenbetrag ständig fällt, während die darin enthaltene Tilgungsrate wächst (7 Ob 222/04d). Änderungen des Zinssatzes werden nur durch eine Verlängerung oder Verkürzung der Tilgungsdauer an den Kunden weitergegeben (Riss, Zur Verjährung schadenersatzrechtlicher Ansprüche auf Rückzahlung überhöhter Kreditzinsen, ÖBA 2005, 784). Jeder überhöhte Zinsansatz führt bei Annuitäten bzw fixen Pauschalraten damit nur zu einer falschen Verrechnung zwischen Zinsen und Kapital. Mit jeder Rate wird eine bestehende Schuld getilgt (Rummel, JBl 2005, 387 [Entscheidungsanm]).
[25] 6.1.2 Ein Darlehensnehmer, der eine zu hoch berechnete fixe Kreditrate leistet, kann die Überzahlung daher nicht zurückfordern; diese wird bloß schuldtilgend auf das Kapital angerechnet (Koziol/Spitzer in KBB7 § 1434 ABGB Rz 2). Dem liegt zugrunde, dass – bewusst oder irrtümlich – vor Fälligkeit erbrachte Leistungen nicht rückforderbar sind (§ 1434 Satz 2 ABGB). Auch wenn der Darlehensnehmer des Annuitätenkredits durch die überhöhte Zinsenberechnung mit jeder Rate – insofern „aufsummierend“ – zu viel leistet, kann dies den Darlehensgeber daher erst dann ungerechtfertigt bereichern, wenn die Kapitalschuld bei richtiger Kreditzinsenberechnung bereits getilgt wäre (7 Ob 222/04d; vgl auch Rummel, JBl 2005, 387 [Entscheidungsanm]: „erst wenn der Kunde wegen überhöhter Zinsen länger als geschuldet zahlen würde, wäre das rechtsgrundlos“).
[26] 6.1.3 Die Verjährung von bereicherungsrechtlichen Rückforderungsansprüchen des Darlehensnehmers beginnt in einer solchen Konstellation (also bei Pauschalraten) daher nicht vor der Tilgung aller Rückzahlungsansprüche des Darlehensgebers (3 Ob 234/04i; RS0119813 [T1, T4]). Allfällige Rückforderungsansprüche wegen zu hoch berechneter Zinsen entstehen bei Zahlung von Annuitäten daher nicht schon mit Zahlung der monatlichen (Pauschal-)Raten, sondern erst ab „Überzahlung“ (7 Ob 222/04d; 7 Ob 190/04y; 6 Ob 172/05w; 4 Ob 208/08d). Leistungen, die den tatsächlich geschuldeten Betrag übersteigen, können (dann) über § 1431 ABGB herausverlangt werden (3 Ob 234/04i). Die Verjährung der Rückforderung beginnt dann ebenso erst ab diesem Zeitpunkt (3 Ob 234/04i; Rummel, JBl 2005, 387 [Entscheidungsanm]).
[27] 6.2 Das Gesagte gilt allerdings nicht bei variablen Kreditraten, wenn also der Darlehensvertrag die Erhöhung bzw Senkung der Raten entsprechend der Entwicklung des Zinssatzes vorsieht. Die Überzahlung ist hier nämlich entsprechend dem in der Darlehensvereinbarung zum Ausdruck kommenden Parteiwillen gerade nicht für die Tilgung des Kapitals gewidmet, die ja dem ursprünglichen Tilgungsplan entsprechen soll, sondern ausschließlich der Abdeckung des vermeintlich infolge Erhöhung der Kreditzinsen angestiegenen Zinsenanteils (vgl 7 Ob 222/04d [zur sofortigen Bereicherung durch überhöhte Zinsen bei einer gesonderten Zinsenberechnung]). Daher liegt nach zutreffender Ansicht hier keine Zahlung auf eine bestehende, aber noch nicht fällige Schuld, nämlich den Darlehensrest, vor (Dullinger, Zur Verjährung der Rückforderung überhöhter Kreditzinsen, FS Welser [2004] 129 ff; Iro, Rückforderung überhöhter Kreditzinsen: OGH zum Verjährungsbeginn, RdW 2005/243; Kerschner/Geretschläger in Klang3 § 1434 ABGB Rz 14; Koziol, ÖBA 2004, 59 f [Entscheidungsanm]; Koziol/Spitzer in KBB7 § 1434 ABGB Rz 2; Lackner, Anspruchsverjährung anhand von Leistungskondiktionen, Verwendungsansprüchen und Regressansprüchen [2010] 78; R. Madl in ABGB-ON1.07 § 1480 Rz 11; Riss, ÖBA 2005, 784; Rummel, JBl 2005, 387 [Entscheidungsanm]; Rummel, ÖBA 2006, 452 f [Entscheidungsanm]; aA Beclin, Noch ausständige Entwicklungen im Zinsenstreit – Bemerkungen zu drei aktuellen Entscheidungen, ecolex 2006, 377; Leitner, Wann beginnt die Verjährungsfrist des Rückforderungsanspruchs wegen überhöhter Zinsenzahlungen? ecolex 2004, 265; Stadlmayr, Zinsenstreit: Zeitpunkt des Eintritts der Bereicherung, ecolex 2005, 435).
[28] 6.3.1 Im Anlassfall lag gerade kein Tilgungsdarlehen mit konstanten Rückzahlungsbeträgen (Pauschalraten) vor, also kein Annuitätendarlehen bei dem sich die Annuitätenrate aus einem Zins- und einem Tilgungsanteil zusammensetzt. Die Klägerin hat vielmehr aufgrund der endfälligen Kreditbeträge (zunächst) ausschließlich Zinszahlungen zu leisten gehabt, die nicht zur Tilgung der Kreditsumme bestimmt waren. Die allenfalls von der Beklagten verrechneten überhöhten Zinsen berühren damit die Kapitalstilgung nicht weiter. Die Zinszahlungen beglichen nur die (behauptetermaßen überhöhten) Zinsforderungen der jeweiligen Zeiträume.
[29] 6.3.2 Daran ändert auch nichts der Umstand, dass hinsichtlich eines der Darlehensverhältnisse ab 2015 eine betraglich bestimmt definierte und insofern neben die Zinszahlung tretende Tilgungsrate vereinbart wurde, zumal die damit verbundenen (zusätzlichen) Zahlungen nicht Gegenstand der Rückforderungsklage (wegen überhöhter Zinsen) sind.
[30] 6.4 Im gegenständlichen Fall waren die allenfalls überhöhten Zinszahlungen jedenfalls nicht einer bestehenden Forderung gewidmet; damit liegt insoweit eine Zahlung einer Nichtschuld iSd § 1431 ABGB vor, ungeachtet dessen, dass dem beklagten Darlehensgeber zum damaligen Zeitpunkt eine andere noch nicht fällige Forderung gegen die klagende Darlehensnehmerin zustand (vgl Dullinger in FS Welser 131). Damit liegen aber hinsichtlich der behaupteten Überzahlungen bei den Zinsen tatsächlich eigenständige Ansprüche der Klägerin vor. In einem solchen Fall (also bei Fälligkeit nur der Zinsen während der Darlehenslaufzeit) tritt die Verjährung bereits bei Überzahlung jenes Anteils ein, der auf die variablen Zinsen fällt (vgl 7 Ob 222/04d). Bei den in Rede stehenden bereicherungsrechtlichen Ansprüchen der Klägerin ist der Beginn der Verjährungsfrist daher mit der Zahlung der jeweils (angeblich) überhöhten Zinsbeträge anzusetzen.
[31] 6.5 Die zu „gemeinen Raten“ – also zu gleichmäßigen Kapitalsbeträgen, die in aufeinanderfolgenden Zeitabschnitten zur Tilgung der Schuld bis zu ihrer gänzlichen Berichtigung zu zahlen sind – in der Entscheidung 1 Ob 68/05i obiter vertretene Rechtsansicht ist für die hier vorliegende Konstellation nicht einschlägig.
[32] 6.6 Schon wegen Verjährung müssen daher allfällige Bereichungsansprüche, die sich auf länger als drei Jahre vor der Klagseinbringung (24. 8. 2022) zurückliegende Zahlungen für angeblich überhöhte Kreditzinsen beziehen, scheitern. Die innerhalb von drei Jahren vor Klagseinbringung bezahlten Darlehenszinsen könnten im Anlassfall einen Bereicherungsanspruch nur dann stützen, wenn diese nicht von der oben (Punkt A.) beschriebenen Bindungswirkung der Forderungsfeststellung im Insolvenzverfahren umfasst sind. Letzteres trifft für die im August 2019 erfolgten Zahlungen (im Wege der Umschuldung) zu. Selbst wenn die (eingeschränkte) Forderungsanmeldung und in weiterer Folge die entsprechende Feststellung im Ausmaß von 429.875,14 EUR (auch) verfahrensgegenständliche Kreditzinsforderungen enthalten haben, kann sich ein bereicherungs- oder schadenersatzrechtlicher Rückforderungsanspruch wegen der insolvenzrechtlichen Forderungsfeststellung nicht auf diese Zahlung stützen. Bei allen anderen Zahlungen, etwa bei der Tilgung im April 2019 und bei allen vor der Insolvenzeröffnung erfolgten Kreditzinszahlungen, muss aber ein bereicherungsrechtlicher Rückforderungsanspruch an der Verjährung scheitern.
7. Zur Verjährung der Schadenersatzansprüche:
[33] 7.1 Bei der Prüfung des Schadenseintritts können die oben angeführten Grundsätze zum Eintritt der Bereicherung entsprechend angewandt werden. Auch für den Schadenseintritt ist an die jeweilige Zahlung der (angeblich) überhöhten Kreditzinsen anzusetzen, weil die zu Annuitäten entwickelte Rechtsprechung (RS0117773 [T3]; RS0119813 [T3]) in der hier vorliegenden Konstellation nicht anwendbar ist. Analog zu den Ausführungen zum Eintritt der Bereicherung der beklagten Bank würde ein Schaden beim klagenden Darlehensnehmer bereits mit der Zahlung der (angeblich) überhöhten Zinsen entstehen.
[34] 7.2.1 Die (dreijährige) Verjährungsfrist des § 1489 ABGB für Schadenersatzansprüche beginnt mit dem Zeitpunkt zu laufen, in dem dem Geschädigten sowohl der Schaden als auch die Person des Schädigers bekannt geworden sind. Nach ständiger Rechtsprechung müssen dem Ersatzberechtigten Schaden und Schädiger soweit bekannt sein, dass er eine Klage mit Aussicht auf Erfolg erheben kann, wobei aber die Erkundigungspflicht des Geschädigten nicht überspannt werden darf (RS0034327; RS0034524 [T48]; RS0034603 [T22]). Der Geschädigte darf sich allerdings nicht einfach passiv verhalten und es darauf ankommen lassen, dass er von der Person des Ersatzpflichtigen bzw vom Schaden eines Tages zufällig Kenntnis erhält. Dabei hat auch eine Wissenszurechnung allfälliger „Wissensvertreter“ zu erfolgen (RS0065360).
[35] 7.2.2 Die aufgezeigten Grundsätze gelten auch für Schadenersatzansprüche wegen zu Unrecht verrechneter Kreditzinsen (vgl 10 Ob 23/04m; 7 Ob 204/05h; 6 Ob 172/05w; 9 Ob 23/07h; 8 Ob 98/09h). Auch die Erkundigungsobliegenheit eines Darlehensnehmers darf nicht überspannt werden. Sofern nicht ausnahmsweise konkrete Verdachtsmomente bestehen, kann der Darlehensnehmer einer Bank darauf vertrauen, dass diese keine nach der Rechtslage unzweifelhaft nichtige Vertragsklauseln verwendet (7 Ob 204/05h). Erst wenn der Kreditnehmer dahingehende konkrete Verdachtsmomente hat, aus denen er schließen kann, dass diese Verhaltenspflicht von der Bank nicht eingehalten worden sein könnte, kommt seine Erkundigungsobliegenheit zum Tragen und es ist von ihm zu verlangen, dass er Maßnahmen setzt, um das Verhalten der Bank zu kontrollieren (7 Ob 204/05h).
[36] 7.2.3 Da der Klägerin bzw ihrem Rechtsvertreter nach den Feststellungen spätestens im ersten Quartal 2018 die Berechnungsgrundlagen der Beklagten zur Verfügung standen und sie die Zinsberechnung – trotz entgegenstehender Behauptungen der Beklagten – weiter bemängelte, ist zum damaligen Zeitpunkt die Kenntnis vom Schaden bzw eine entsprechende Erkundigungsobliegenheit hinsichtlich der früher als drei Jahre vor der Klagseinbringung bezahlten Zinsen zu bejahen (inkl der Tilgung im April 2019), sodass ein allfälliger darauf bezogener Schadenersatzanspruch mit der Klagseinbringung im August 2022 insoweit verjährt wäre.
[37] Innerhalb von drei Jahren vor Klagseinbringung wurde die Beklagte nur im August 2019 durch die Umschuldung im Ausmaß der anerkannten Insolvenzforderung befriedigt. Ein darauf gestützter Schadenersatzanspruch muss aber im Sinne der obigen Ausführungen zu A. an der Bindungswirkung der Forderungsfeststellung scheitern.
[38] 8. Zusammengefasst ist damit davon auszugehen, dass die Rückforderungsansprüche jedenfalls scheitern müssen, weil diese entweder verjährt oder von der Bindungswirkung der Forderungsfeststellung umfasst sind. Der Revision der Klägerin ist daher nicht Folge zu geben und die Entscheidungen der Vorinstanzen im Ergebnis zu bestätigen.
[39] 9. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.
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