Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.
Text
Begründung
Strittig ist im vorliegenden Oppositionsverfahren allein, ob von der beklagten Unterhaltsberechtigten nach dem Wiener Sozialhilfegesetz (WSHG) bezogene Sozialhilfeleistungen ua für Lebensbedarf von Einfluss auf die Unterhaltspflicht des Klägers sind oder nicht.
In der Revision des Klägers wird die Anwendbarkeit der §§ 26 und 27 WSHG nicht angezweifelt. Wegen der Legalzession nach § 27 WSHG sei die Beklagte nicht mehr aktivlegitimiert; soweit der Sozialhilfeanspruch § 26 WSHG unterfalle, sei zu berücksichtigen, dass nach der Vereinbarung der Parteien im Unterhaltsvergleich die Beklagte verpflichtet sei, alle Möglichkeiten (auch Sozialhilfe) in Anspruch zu nehmen, bevor der Kläger unterhaltspflichtig werden sollte. Der Bezug von Sozialhilfe, der im Titelverfahren von keiner Partei ins Treffen geführt worden sei, könne daher mit Oppositionsklage geltend gemacht werden. Das Berufungsgericht habe übersehen, dass vom Erstgericht festgestellt worden sei, dass die bezogene Sozialhilfe nicht rückzahlbar sei, und sei auch von der Entscheidung zu 1 Ob 134/09a abgewichen; seine Rechtsansicht führe zu einer Verschiebung der Unterhaltslasten auf die Allgemeinheit bei gleichzeitiger ungerechtfertigter Doppelbefriedigung der Unterhaltsberechtigten.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision erweist sich - ungeachtet der nicht bindenden nachträglichen Zulassung (RIS-Justiz RS0042392 [T5]) - als unzulässig, weil es dem Kläger nicht gelingt, erhebliche Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen.
1. Das Rechtsmittel argumentiert in zweifacher Hinsicht aktenwidrig.
1.1. In den Feststellungen des Ersturteils findet sich keine Annahme, die bezogene Sozialhilfe sei nicht rückzahlbar. Davon ist nur im Rahmen der rechtlichen Beurteilung die Rede, sodass keinerlei Bindung daran besteht. Diese Rechtsansicht steht überdies im Widerspruch zur sowohl vom Erstgericht als auch vom Kläger in der Revision angenommenen Anwendbarkeit des § 26 WSHG auf die strittigen Sozialhilfeleistungen, der die Ersatzpflicht des Empfängers regelt.
1.2. Die Beklagte hat (als Klägerin) im Titelverfahren bereits in der Tagsatzung vom 29. Mai 2006, ON 45, AS 192, in ihrer Parteienaussage den Bezug von Sozialhilfe - neben der Notstandshilfe - zugestanden.
2. Zur Berücksichtigung der Sozialhilfeleistungen an die Beklagte:
2.1. Es besteht zwar der Grundsatz, dass eine Person, deren Unterhaltsbedürfnisse aufgrund einer öffentlichen Verpflichtung zur Gänze von einem Dritten gedeckt werden, keine Unterhaltsansprüche gegen einen zivilrechtlich Unterhaltspflichtigen stellen kann, weil ihr ein Anspruch auf Doppelversorgung nicht zusteht (vgl RIS-Justiz RS0080395). Nach ständiger Judikatur wird er aber dort nicht angewendet, wo der (Landes-)Gesetzgeber durch Anordnung einer Ersatzverpflichtung des Sozialhilfeempfängers, sobald er über ausreichendes Vermögen verfügt, oder einer (wegen Eintritts erst mit Anzeige an den leistungspflichtigen Dritten aufgeschobenen) Legalzession, die das Weiterbestehen des Anspruchs des Unterhaltsberechtigten voraussetzt, weil so die von der Judikatur befürchtete Doppelversorgung regelmäßig nicht eintritt (erstmals 4 Ob 560/87 = SZ 60/191; siehe auch 8 Ob 126/03t ua; RIS-Justiz RS0063121; RS0118565, zuletzt 1 Ob 202/09a; RS0057544 [T2] = RS0057530 [T1]).
Es besteht Einigkeit darüber, dass bei Vorhandensein derartiger Rückersatz- oder Legalzessionsregelungen der Sozialhilfebezug für dessen Empfänger einen Unterhaltsanspruch nicht ausschließt. Nur wenn das jeweilige Sozialhilfegesetz keine den Sozialhilfeempfänger betreffende Rückzahlungsverpflichtung oder keine (aufgeschobene) Legalzession des Unterhaltsanspruchs vorsieht, also die einmal gewährte Sozialhilfe nicht zurückgefordert werden kann, ist sie als anrechenbares Eigeneinkommen des Unterhaltsberechtigten anzusehen. Das WSHG enthält sowohl eine den Empfänger der Sozialhilfe treffende Rückersatzverpflichtung (§ 26 Abs 1 WSHG) als auch die Geltendmachung gegenüber dem Unterhaltsverpflichteten im Wege der Legalzession durch Erklärung des Sozialhilfeträgers (§ 27 WSHG), weshalb die Sozialhilfe bei der Unterhaltsfestsetzung außer Betracht zu bleiben hat und kein frei verfügbares Einkommen der Unterhaltsberechtigten darstellt (1 Ob 200/05a mwN = RIS-Justiz RS0063121 [T2] = RS0118565 [T2] = Zak 2006/221 S 130 = FamZ 2006/19, 30 [zust Neumayr]).
Da die Geltung der §§ 26 und 27 WSHG für die hier von der Beklagten bezogenen Sozialhilfeleistungen nicht strittig ist, steht die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, diese blieben ohne Einfluss auf die Unterhaltspflicht des Klägers, im Einklang mit der Judikatur des Obersten Gerichtshofs.
2.2. Der Verweis auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zu 1 Ob 134/09a vermag einen Widerspruch der Berufungsentscheidung zu höchstgerichtlichen Judikatur nicht aufzuzeigen. Dieses Judikat betraf nämlich den Bezug von Sozialhilfe nach dem Steiermärkischen Sozialhilfegesetz (Stmk SHG) und ist deshalb wegen anderer landesgesetzlicher Regelung (beispielsweise keine Legalzession) nicht einschlägig (vgl 7 Ob 284/06z; RIS-Justiz RS0016227; RS0009583).
2.3. Soweit der Kläger die Beklagte wegen eingetretener Legalzession als nicht zur Exekutionsführung legitimiert ansieht, übersieht er die Abhängigkeit ihres Eintritts von einer Verständigung des Klägers durch den Sozialhilfeträger. Eine solche hat aber weder der Kläger behauptet, noch steht sie fest. Solange also der Sozialhilfeträger den Übergang des Unterhaltsanspruchs an ihn durch schriftliche Anzeige noch nicht bewirkt hat, kann der Unterhaltsberechtigte (hier die Beklagte) im eigenen Namen Unterhaltsansprüche geltend machen (4 Ob 560/87) und betreiben.
2.4. Die Argumentation zu § 26 WSHG, die darauf hinausläuft, der Wille der Parteien des Unterhaltsvergleichs sei es gewesen, eine Unterhaltspflicht des Klägers erst entstehen zu lassen, wenn die Beklagte trotz ihrer Bemühungen von dritter Seite keine Leistungen (auch nicht Sozialhilfe) erhalte und so in unverschuldete Not geraten sei, bildet keinen tauglichen Oppositionsgrund. Eine Oppositionsklage ist kein prozessuales Mittel zur Durchbrechung der Rechtskraft des Titels, sondern sie dient der Geltendmachung von Änderungen der Sachlage nach Abschluss des Titelverfahrens; als tauglicher Klagstatbestand kommt nur ein nach Entstehung des Titels verwirklichter Sachverhalt in Betracht, der nach der Rechtsordnung geeignet ist, den betriebenen Anspruch aufzuheben oder seine Fälligkeit hinauszuschieben (RIS-Justiz RS0122879). Das trifft auf die Absicht der Vergleichsparteien bei dessen Abschluss lange vor dem Titelverfahren nicht zu.
3. Die Beklagte hat in ihrer Revisionsbeantwortung nicht auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen und hat deshalb deren Kosten selbst zu tragen (§§ 41, 50 ZPO; RIS-Justiz RS0035962).
Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).
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