OGH 1Ob134/09a

OGH1Ob134/09a13.10.2009

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. Grohmann und Dr. E. Solé als weitere Richter in der Rechtssache der gefährdeten Partei Roswitha B*****, vertreten durch Dr. Michael Augustin, Mag. Peter Haslinger und Mag. Thomas Böchzelt, Rechtsanwälte in Leoben, wider den Gegner der gefährdeten Partei Klaus Michael B*****, vertreten durch MMag. Johannes Pfeifer, Rechtsanwalt in Liezen, wegen Erlassung einer einstweiligen Verfügung nach § 382 Abs 1 Z 8 lit a EO, infolge Revisionsrekurses des Gegners der gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Leoben als Rekursgericht vom 8. April 2009, GZ 2 R 113/09f-42, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Liezen vom 13. Februar 2009, GZ 1 C 66/08z-34, in der Hauptsache bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die Entscheidung unter Einschluss der bereits in Rechtskraft erwachsenen Teile zu lauten hat:

1. Dem Gegner der gefährdeten Partei wird aufgetragen, der gefährdeten Partei einen monatlichen einstweiligen Unterhalt zu zahlen, und zwar

a) vom 1. Oktober 2008 bis 31. Dezember 2008 von 93 EUR;

b) ab 1. Jänner 2009 bis zur rechtskräftigen Beendigung des Scheidungsverfahrens zu 1 C 40/08m das Bezirksgericht Liezen von 268 EUR abzüglich bereits erbrachter Unterhaltszahlungen, und zwar die bis zur Rechtskraft der einstweiligen Verfügung angefallenen Beträge binnen 14 Tagen, die in Hinkunft fälligen Beträge jeweils am Ersten eines jeden Monats im Vorhinein.

2. Das Mehrbegehren, dem Gegner der gefährdeten Partei möge aufgetragen werden, der gefährdeten Partei einen monatlichen vorläufigen Unterhalt zu zahlen

a) vom 6. August 2008 bis 30. September 2008 von 700 EUR,

b) vom 1. Oktober bis 31. Dezember 2008 von weiteren 607 EUR, und

c) ab 1. Jänner 2009 von weiteren 432 EUR

wird abgewiesen.

3. Der Gegner der gefährdeten Partei ist schuldig, der gefährdeten Partei einen Prozesskostenvorschuss in Höhe von 750 EUR binnen 14 Tagen zu zahlen.

Das Mehrbegehren, der Gegner der gefährdeten Partei sei schuldig, der gefährdeten Partei einen weiteren Prozesskostenvorschuss von 750 EUR zu leisten, wird abgewiesen.

4. Die gefährdete Partei, die die Kosten des Sicherungsverfahrens im Umfang der Stattgebung vorläufig und im Umfang der Abweisung endgültig selbst zu tragen hat, ist schuldig, dem Gegner der gefährdeten Partei die mit 3.777,22 EUR (darin enthalten 629,54 EUR USt) bestimmten Kosten des Sicherungsverfahrens aller drei Instanzen binnen 14 Tagen zu zahlen.

Text

Begründung

Die gefährdete Partei und der Gegner der gefährdeten Partei sind seit 7. Mai 1976 miteinander verheiratet. Im Jahr 2008 brachte die gefährdete Partei (im Folgenden: Frau) eine Scheidungsklage ein; das Scheidungsverfahren ist anhängig. Ende Mai 2008 kam es zur Trennung der Haushalte. Aus der Ehe entstammen drei selbsterhaltungsfähige Kinder. Der Gegner der gefährdeten Partei (im Folgenden: Mann) verdient als unselbstständig Erwerbstätiger monatlich netto 2.103 EUR zuzüglich einer Invaliditätspension von 572 EUR. Die nunmehr 50-jährige Frau führte während der gesamten Ehe den Haushalt. Sie arbeitete von 1989 bis 2001 bei der Volkshilfe als mobile Heimpflegerin. Nach Beendigung dieses Arbeitsverhältnisses pflegte sie von 2001 bis 2005 ihren Schwiegervater sowie zwei andere Personen. Zuletzt verdiente sie bis Mai 2008 mit Putzarbeiten etwa 100 EUR monatlich. Derzeit geht sie keiner Berufstätigkeit nach und bezieht monatlich ca 500 EUR Sozialhilfe nach dem Stmk Sozialhilfegesetz (StmkSHG). Bis einschließlich Dezember 2008 erhielt sie vom Mann monatlich 175 EUR an Unterhalt; seit Jänner 2009 leistet der Mann 53 EUR an monatlichem Unterhalt. Über weiteres Einkommen verfügt die Frau nicht. Die Streitteile schlossen am 9. Juli 2008 im Rahmen des Scheidungsverfahrens eine Vereinbarung, nach der die Frau in den darauffolgenden sechs Monaten das im jeweiligen Hälfteeigentum der Streitteile stehende eheliche Wohnhaus allein benutzen durfte, während der Mann die Betriebskosten sowie 175 EUR an monatlichem Geldunterhalt zahlen sollte. Es war vereinbart, dass er das Haus nur nach Vorankündigung betreten werde.

Am 6. August 2008 beantragte die Frau die Zuerkennung von Provisorialunterhalt in Höhe von 700 EUR monatlich, eines Prozesskostenvorschusses von 1.500 EUR sowie einer Vorausleistung auf die Ausgleichszahlung nach den §§ 81 ff EheG in Höhe von 4.000 EUR.

Der Mann wendete - soweit für das Revisionsrekursverfahren noch wesentlich - ein, es ergebe sich rechnerisch kein Unterhaltsanspruch, weil sich die Unterhaltsbemessungsgrundlage um von ihm getragene Zahlungsverpflichtungen (Kreditraten, Prämien für Versicherungen, Kosten der getrennten Haushaltsführung, Kosten seiner PKW, Betriebskosten des ehelichen Wohnhauses etc) vermindere bzw diese Leistungen als Naturalunterhalt anrechenbar wären. Es liege keine „Hausfrauenehe" vor; die Frau sei arbeitsfähig und in der Lage, am Arbeitsmarkt ein Einkommen zu erzielen. Als Eigeneinkommen sei ihr nicht nur die tatsächlich bezogene Sozialhilfe zuzurechnen, sondern auch die „fiktive" Wohnbeihilfe, deren Beantragung sie bisher unterlassen habe.

Im zweiten Rechtsgang trug das Erstgericht dem Mann mit einstweiliger Verfügung eine monatliche Unterhaltsleistung von 265 EUR vom 6. August 2008 bis 31. Dezember 2008, von 387 EUR vom 1. Jänner 2009 bis 28. Februar 2009, und von 440 EUR ab 1. März 2009 auf; es erkannte den Mann schuldig, einen Prozesskostenvorschuss von 750 EUR zu zahlen. Das Mehrbegehren wies es ab.

Das Erstgericht traf über den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt hinaus noch die folgenden wesentlichen Feststellungen:

Bestandteil des Einkommens des Mannes ist eine Entschädigung von 552,78 EUR für jenen Aufwand, der ihm durch die An- und Abreise zu Baustellen mit dem eigenen PKW entsteht. Der Mann ist Alleineigentümer eines weiteren Wohnhauses, das er von seinen Eltern übertragen erhalten hatte, sowie eines Baugrundstücks, das er während der Ehe erwarb. Er leistet monatliche Rückzahlungsraten für drei Kredite, und zwar 735 EUR für einen Bankkredit, 203 EUR für ein Landesdarlehen, und 398,30 EUR für die Rückzahlung eines Bauspardarlehens. Der Bankkredit und das Landesdarlehen wurden für die Errichtung bzw den Ausbau des ehelichen Wohnhauses aufgenommen. Das Bauspardarlehen haftet mit etwa 83.000 EUR aus. Etwa 30.000 EUR wurden für die Renovierung des ehelichen Wohnhauses verwendet, 20.000 EUR für die (einvernehmliche) Tilgung von Schulden, die der gemeinsame Sohn verursacht hatte. Die restliche Kreditsumme verwendete der Mann für den Ankauf des Baugrundstücks. Er trägt die Betriebskosten für das eheliche Wohnhaus (jeweils monatlich für Müllabfuhr 55,60 EUR, für Fernseh- und Rundfunkgebühr 47,42 EUR, für den Rauchfangkehrer 8,12 EUR und an Stromkosten 62 EUR) sowie die Kosten der Sturmschaden- und Feuerversicherung von 53,48 EUR. Der Mann leistet 30 EUR monatlich für zwei für die Enkelkinder abgeschlossene Bausparverträge und 26,45 EUR an Prämien für eine Unfallversicherung für sich und seine Frau. Er ist außerdem mit den Betriebskosten für das ehemals elterliche Wohnhaus, mit Versicherungsprämien für zwei PKW, mit KFZ-Leasingraten und der Prämienzahlung für eine Bestattungsversicherung belastet. Während aufrechter ehelicher Lebensgemeinschaft war der Mann gegenüber der Frau gewalttätig und drohte ihr und den Kindern gegenüber mehrmals, er werde sie erschießen oder „alle in die Luft sprengen". Es kann nicht festgestellt werden, dass der Mann darauf beharrt hätte, dass die Frau nach Aufgabe ihrer Berufstätigkeit im Jahr 2001 weiterhin einer Vollzeitbeschäftigung nachgehe. Sie hatte damals gesundheitliche Probleme und empfand die Pflegearbeit als anstrengend. An die im Juli 2008 getroffene Vereinbarung hielt sich der Mann insofern nicht, als er mehrmals täglich und an mehreren Tagen in der Woche auch unangekündigt das Wohnhaus betrat und dabei die Frau wiederholt anschrie und unter psychischen Druck setzte. Aufgrund dieses Verhaltens zog die Frau im Oktober 2008 aus dem ehelichen Wohnhaus aus.

Das Erstgericht beurteilte die Ehe als „Hausfrauenehe" und bemaß den Unterhaltsanspruch mit 33 % des Nettoeinkommens des Mannes. Die gesonderte Wohnungnahme sei gerechtfertigt gewesen und könne der Frau unterhaltsrechtlich nicht zum Nachteil gereichen. Die vertragliche Unterhaltsvereinbarung sei dadurch hinfällig geworden, dass der Mann die Bedingung, die Wohnung nur nach Vorankündigung zu betreten, nicht eingehalten habe. Das Einkommen des Mannes von 2.675 EUR monatlich sei um die Aufwandsentschädigung sowie um die Hälfte der auch den Interessen der Frau dienenden Kreditrückzahlungen zu vermindern, sodass sich - ausgehend von einer Bemessungsgrundlage von 1.454,07 EUR und einem „Unterhaltsprozentsatz" von 33 % ein monatlicher Unterhaltsanspruch von 480 EUR errechne. Die Kosten der Sturmschaden- und Feuerversicherung seien zur Hälfte als Naturalunterhalt anrechenbar, nicht aber die übrigen Betriebskosten für das eheliche Wohnhaus (Strom, Müllabfuhr, Fernseh- und Rundfunkgebühr etc), weil der Mann der Frau dort das Wohnen durch sein unleidliches Verhalten unzumutbar gemacht habe. Auch die Zahlungen für die Bausparverträge der Enkelkinder stellten keinen Naturalunterhalt dar, wohl aber die halben Unfallversicherungskosten. Die Bestattungsversicherung diene nur der Vermögensbildung und sei daher nicht als Naturalunterhalt zu berücksichtigen. Zusammenfassend ergebe sich daher ein Geldunterhaltsanspruch von 440 EUR. Die von der Frau bezogene Sozialhilfe sei nicht als Eigeneinkommen anrechenbar, weil das Sozialhilfegesetz des Landes Steiermark die Legalzession eines allfälligen Unterhaltsanspruchs bzw eine Rückersatzpflicht des Sozialhilfeempfängers vorsehe. Die notwendigen Prozess- und Anwaltskosten stellten einen besonderen Unterhaltsbedarf dar, den die Frau nicht aus den laufenden Unterhaltsbeiträgen decken könne. Dem Mann sei die Leistung des festgesetzten Prozesskostenvorschusses zumutbar.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Mannes nicht, dem Rekurs der Frau nur im Kostenpunkt Folge. Es sprach letztlich aus, dass der Revisionsrekurs zulässig sei. Die Kreditrückzahlungsraten seien nicht als Abzugsposten von der Unterhaltsbemessungsgrundlage zu berücksichtigen, da es nicht den wirtschaftlichen Lebensverhältnissen der Frau entspräche und unbillig wäre, wenn der Mann auf Kosten des Unterhaltsanspruchs der Frau sein Vermögen durch die Kreditrückzahlungen erhalten könnte. Hingegen habe sich die Frau die nach dem Steiermärkischen Sozialhilfegesetz bezogene Sozialhilfe als Eigeneinkommen anrechnen zu lassen. Eine Anrechnung der fiktiven Wohnbeihilfe habe hingegen zu unterbleiben. Nähme man das Eigeneinkommen der Frau mit 600 EUR monatlich an, beliefe sich das Familieneinkommen auf rund 2.700 EUR. Setze man den Unterhaltsanspruch mit 40 % des Familieneinkommens an, betrage er nach Abzug des Eigeneinkommens 480 EUR. Berücksichtige man die halben Raten für Sturm-, Feuer- und Unfallversicherung als Naturalunterhalt, sei dieser Betrag auf 440 EUR zu reduzieren. Damit sei die Frau in der Lage, ihren Unterhaltsbedarf angemessen zu decken, ohne dass die finanzielle Leistungsfähigkeit des Mannes überschritten werde. Auch die Festsetzung eines Prozesskostenvorschusses von 750 EUR sei angemessen.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen vom Mann erhobene Revisionsrekurs ist zulässig und teilweise berechtigt.

1. Zumutbarkeit einer Erwerbstätigkeit der Frau:

Nach § 94 Abs 1 ABGB haben die Ehegatten nach ihren Kräften und gemäß der Gestaltung ihrer ehelichen Lebensgemeinschaft zur Deckung der ihren Lebensverhältnissen angemessenen Bedürfnisse gemeinsam beizutragen. Nach § 94 Abs 2 ABGB hat derjenige Ehegatte, der den gemeinsamen Haushalt führt und dadurch seinen Beitrag iSd Abs 1 leistet, an den anderen einen Anspruch auf Unterhalt, wobei eigene Einkünfte angemessen zu berücksichtigen sind. Die (Negativ-)Feststellung, es könne nicht festgestellt werden, dass der Mann auf einer weiteren Vollzeitbeschäftigung der Frau beharrt hätte, ist ausschließlich dem Tatsachenbereich zuzuordnen und im Revisionsverfahren nicht mehr bekämpfbar (RIS-Justiz RS0043592); dies trifft auch auf die weiteren, zur „Hausfrauenehe" getroffenen (positiven) Feststellungen zu. Da die eheliche Lebensgemeinschaft der Streitteile während der letzten Jahre ihres Bestehens - zumindest schlüssig - dahin gestaltet worden war, dass die Frau den Haushalt führte und zuletzt nur geringfügig entlohnten Putztätigkeiten und damit einem vernachlässigbaren Erwerb nachging, besteht ihr voller Unterhaltsanspruch nach Auflösung der häuslichen Gemeinschaft gemäß § 94 Abs 2 Satz 2 ABGB unverändert weiter. Ob sie in der Lage wäre, einem Erwerb nachzugehen, ist daher ohne Belang. Eine weitere Anspannung ihrer Kräfte kann nicht gefordert werden. Dass nach der einvernehmlichen Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse auch bei aufrechter Lebensgemeinschaft eine Änderung hätte eintreten sollen, ist nicht erwiesen (RIS-Justiz RS0009609), sodass sich die Frau nicht auf die Möglichkeit der eigenen Erwerbsmöglichkeit verweisen zu lassen braucht (7 Ob 550/95; Schwimann/Kolmasch, Unterhaltsrecht4, 164 mwN).

2. Verwirkung des Unterhaltsanspruchs:

Bereits die Vorinstanzen haben die Verwirkung des Unterhaltsanspruchs und damit das Vorliegen eines Rechtsmissbrauchs infolge Auszugs der Frau aus der Ehewohnung bzw Erstattung einer polizeilichen Anzeige gegen den Mann verneint. Im Revisionsrekurs wird das diesbezügliche Vorbringen nicht mehr aufrecht erhalten, sodass dem Grunde nach vom Zurechtbestehen des Unterhaltsanspruchs der Frau auszugehen ist. Änderungen der maßgeblichen Voraussetzungen - insbesondere in Ansehung der Unterhaltsbedürftigkeit der Frau - sind aber auch nach Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft zu berücksichtigen und können die Unterhaltshöhe beeinflussen (§ 94 Abs 2 Satz 1 und 2 ABGB; Schwimann/Kolmasch aaO, 166).

3. Sozialhilfe:

Als nach Aufhebung des gemeinsamen Haushalts eingetretene Änderung ist der Umstand der von der Frau bezogenen Sozialhilfe nach dem Steiermärkischen Sozialhilfegesetz (StmkSHG) idF LGBl 2008/119 zu berücksichtigen. Bei Ermittlung des angemessen zu berücksichtigenden Eigeneinkommens des Unterhaltsberechtigten ist unter „Einkommen" nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs grundsätzlich alles zu verstehen, was dem Unterhaltsberechtigten an Natural- oder Geldleistungen welcher Art immer aufgrund eines Anspruchs tatsächlich zukommt, sofern gesetzliche Bestimmungen die Anrechenbarkeit bestimmter Einkünfte auf den Unterhalt nicht ausschließen. Eigeneinkommen stellt demnach die Summe aller verfügbaren Mittel dar (1 Ob 570/95 = SZ 68/157; Gitschthaler, Unterhaltsrecht2, Rz 645 mwN; Schwimann/Kolmasch aaO, 177). Als solches ist auch die vom unterhaltsberechtigten Ehegatten tatsächlich bezogene Sozialhilfe nach dem StmkSHG anzusehen. Da dem Unterhaltsberechtigten mit der Sozialhilfe Leistungen erbracht werden, die Bedürfnisse abdecken, die ansonsten durch den Unterhalt zu decken wären, kann er im Umfang dieser Leistungen seinen Unterhaltsanspruch nicht geltend machen (RIS-Justiz RS0009583; RS0016227). Diese Rechtsprechung ist auch nach der jüngst zur Anrechenbarkeit der Ausgleichszulage auf den Unterhaltsanspruch ergangenen Entscheidung 3 Ob 160/08p aufrecht zu halten. In dieser Entscheidung wurde in Abkehr von der bisherigen Judikatur ausgesprochen, dass eine vom Unterhaltsberechtigten bezogene Ausgleichszulage (§ 292 Abs 1 ASVG) wegen ihres subsidiären Charakters kein unterhaltsminderndes Eigeneinkommen des Unterhaltsberechtigten darstelle. Diese Aussage bleibt aber auf den Bezug der Sozialhilfe nach dem StmkSHG ohne Auswirkung. Während bei der Ausgleichszulage nämlich zuerst eine Unterhaltsfestsetzung zu erfolgen hat und sich danach die Höhe der Ausgleichszulage bestimmt, ist für den Bezug der Sozialhilfe nach dem StmkSHG nicht relevant, ob bereits eine Bestimmung der (Unterhalts-)Ansprüche gegenüber dem Dritten erfolgte oder nicht, weil die nach dem StmkSHG bezogene Sozialhilfe wirtschaftlich als reine Vorschussleistung an den bedürftigen Ehegatten (allenfalls unter gleichzeitiger Rückzahlungspflicht durch den anderen Ehegatten) gewährt wird (§ 28 StmkSHG; 7 Ob 284/06z). An dieser Rechtslage hat sich auch durch die Novellierung des § 28 StmkSHG nichts geändert.

4. Wohnbeihilfe:

An sich ist auch eine tatsächlich bezogene Wohnbeihilfe als unterhaltsminderndes Eigeneinkommen anzusehen (RIS-Justiz RS0080404). Es wurde aber bereits ausgesprochen, dass der Unterhaltspflichtige den Unterhaltsberechtigten zwecks Abwehr dessen Unterhaltsanspruchs auf eine bisher noch gar nicht in Anspruch genommene Sozialhilfeleistung (Wohnbeihilfe) nicht verweisen kann (6 Ob 642/94 zur Notstandshilfe). In der vom Revisionsrekurswerber für seinen gegenteiligen Rechtsstandpunkt ins Treffen geführten Entscheidung 6 Ob 108/08p wurde zur Anrechnung fiktiver Wohnbeihilfe als Eigeneinkommen des Unterhaltsberechtigten nicht Stellung genommen. Ausgeführt wurde nur, dass eine Anrechnung fiktiver Sozialhilfe jedenfalls dann nicht in Betracht komme, wenn dem Sozialhilfeträger im Hinblick auf bereits tatsächlich zur Auszahlung gebrachte Leistungen gegenüber dem (unterhaltsberechtigten) Empfänger Ersatzansprüche zukämen, zu deren Durchsetzung bereits eine Hypothek auf der Liegenschaft des Empfängers einverleibt wurde.

Ein Anspruch auf Wohnbeihilfe könnte freilich dann die Anrechnung rechtfertigen, wenn ihn der Unterhaltsberechtigte rechtsmissbräuchlich nicht realisiert hätte. Dies findet seine Begründung darin, dass der Anspannungsgrundsatz in eingeschränktem Maß auch für den Unterhaltsberechtigten zum Tragen kommt, wenn diesem wegen schuldhafter Verletzung des in § 94 Abs 1 ABGB festgelegten Grundsatzes ausnahmsweise ein „fiktives Einkommen" zu unterstellen ist (RIS-Justiz RS0047550; 3 Ob 25/07h). Nach der klaren Anordnung des § 94 Abs 2 ABGB sollen aber lediglich Missbrauchsfälle erfasst werden, in denen schuldhaft die zumutbare Erzielung von (höherem) Einkommen versäumt wird, um einen (erhöhten) Unterhaltsanspruch zu gewinnen (Schwimann/Kolmasch aaO, 178). Dafür, dass die Frau im vorliegenden Fall die Wohnbeihilfe nicht beantragt hätte, um vorsätzlich oder grob fahrlässig ihre Unterhaltsbedürftigkeit herbeizuführen, bestehen jedoch keine Anhaltspunkte.

Nicht als (unterhaltsminderndes) Eigeneinkommen anrechenbar sind jene von der Frau mit Putztätigkeiten einstmals verdienten 100 EUR monatlich. Diese Tätigkeiten wurden im Mai 2008 beendet; hier begehrt sie Unterhalt aber erst für einen nach Mai 2008 liegenden Zeitraum.

5. Kreditrückzahlungen:

Zur Kredittilgung aufgewendete Beträge werden lediglich dann als einkommensmindernd anerkannt, wenn die Verschuldung der Finanzierung existenznotwendiger Bedürfnisse, unabwendbarer außergewöhnlicher Belastungen oder der Erhaltung der Arbeitskraft des Unterhaltsschuldners diente (7 Ob 129/02z; 1 Ob 8/98b ua). Ob Kredittilgungen im konkreten Einzelfall abzugsfähig sind, ist im Rahmen einer Interessenabwägung zu ermitteln, wobei der Zeitpunkt und die Art der Entstehung der Schulden, der Zweck, für den sie aufgenommen wurden, das Einverständnis des Ehepartners zur konkreten Schuldenaufnahme während aufrechter Gemeinschaft, das Interesse an einer Schuldentilgung, um die Verbindlichkeiten nicht weiter anwachsen zu lassen, sowie ein etwaiger Vorteil des Unterhaltsberechtigten nach billigem Ermessen zu berücksichtigen sind (1 Ob 8/98b ua).

Ausgehend von diesen Grundsätzen wird die Unterhaltsbemessungsgrundlage durch Abzug der Hälfte der Kreditrückzahlungsraten zur Tilgung jener Kredite geschmälert, die für die Errichtung und Renovierung des im gemeinsamen Eigentum stehenden ehelichen Wohnhauses aufgenommen wurden. Diese Aufwendungen erfolgen (auch) im Interesse der Frau; zudem dient die Zahlung der Kreditraten der im Aufteilungsverfahren zu berücksichtigenden Vermögensbildung (vgl 1 Ob 237/99f). Die Raten zur Tilgung des Bankkredits und des Landesdarlehens vermindern demnach zur Hälfte die Bemessungsgrundlage. Dies trifft auch auf jenen Teil der Kreditsumme des Bauspardarlehens zu, der für die Renovierung des Ehehauses verwendet wurde. Ebenso sind die für dieses Darlehen geleisteten Rückzahlungsraten zur Hälfte als Abzugsposten zu berücksichtigen, soweit sie zur Tilgung jenes Teils der Kreditsumme dienen, der mit Einverständnis der Frau zur Abdeckung von Schulden des gemeinsamen Sohnes Verwendung fand. Soweit die Rückzahlung des Bauspardarlehens der Schaffung eigenen Vermögens des Mannes (zum Ankauf eines Baugrundstücks) dient, sind die Raten hingegen nicht abzugsfähig.

6. Bausparverträge der Enkelkinder:

Da die vom Mann auf die Bausparverträge der Enkelkinder geleisteten Zahlungen nicht der Frau zugutekommen, mindern sie deren Unterhaltsanspruch nicht. Zudem steht nicht fest, dass der Mann diese Bausparverträge auf Wunsch der Frau abgeschlossen hätte.

7. Die Unterhaltsbemessunggrundlage ist sohin wie folgt zu errechnen:

Einkommen des Mannes 2.675,00 EUR

abzüglich Aufwandsentschädigung - 552,78 EUR

2.122,22 EUR

Raten des Bankkredits 735,00 EUR

Raten für Landesdarlehen 203,00 EUR

2/3 der Kreditraten

für das Bauspardarlehen 265,00 EUR

1.203,00 EUR

davon die Hälfte 601,50 EUR

2.122,22 EUR

- 601,50 EUR

1.520,72 EUR

Geht man davon aus, dass die der Frau gewährte Sozialhilfe ein ihren Unterhaltsanspruch minderndes Eigeneinkommen darstellt, steht ihr nicht - wie einem haushaltsführenden Ehegatten ohne Eigeneinkommen - ein Drittel der Bemessungsgrundlage zu, sondern ist als Ausgangswert 40 % des Familieneinkommens heranzuziehen, von dem die eigenen Einkünfte des Anspruchstellers abzuziehen sind (Koch in KBB2 § 94 Rz 18).

Dies ergibt folgende Berechnung:

1.520,72 EUR

zuzüglich Eigeneinkommen + 500,00 EUR

2.020,72 EUR

davon 40 % 808,28 EUR

abzüglich Eigeneinkommen - 500,00 EUR

308,28 EUR

Von diesen 308,28 EUR ist der von der Frau unbekämpft gebliebene Naturalunterhalt von 40 EUR (für Feuer-, Sturm- und Unfallversicherungsprämien) in Abzug zu bringen, sodass sich ein vorläufiger monatlicher Unterhaltsbetrag von gerundet 268 EUR errechnet.

8. Zum Zeitraum ab Einbringung des Antrags auf Erlassung der einstweiligen Verfügung bis Oktober 2008 (= bis zum Auszug der Frau aus dem ehelichen Wohnhaus) bzw Ende November 2008:

Der Revisionsrekurswerber wendet sich nicht gegen die Ansicht, die Rechtswirkungen der zwischen den Streitteilen geschlossenen Vereinbarung vom Juli 2008 seien zufolge seines unleidlichen Verhaltens gar nicht eingetreten bzw hinfällig geworden. Er bringt aber vor, die von ihm bis zum Auszug der Frau geleisteten Betriebskosten für das eheliche Wohnhaus seien als Naturalunterhalt zu berücksichtigen. Diesem Standpunkt kommt Berechtigung zu. Es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass Betriebskosten - wie zB Fernseh-, Rundfunk- und Telefongebühren sowie Energiekosten - für den Unterhaltsberechtigten Naturalunterhalt darstellen. Dieser ist vom Geldunterhaltsanspruch abzuziehen, sofern - wie hier - der Unterhaltsberechtigte zumindest schlüssig seine Zustimmung zur Tragung der Betriebskosten durch den Unterhaltsverpflichteten erteilt (Gitschthaler aaO Rz 578 mwN). Die monatlichen Zahlungen des Mannes für Müllabfuhr (55,60 EUR), Rundfunk und Fernsehen (47,42 EUR), Rauchfangkehrer (8,12 EUR) sowie Strom (62 EUR), insgesamt somit 173,14 EUR, sind demnach im August und September 2008 zumindest zur Hälfte als den Geldunterhaltsanspruch mindernder Naturalunterhalt zu berücksichtigen. Ausgehend von dem errechneten monatlichen Geldunterhaltsanspruch von 268 EUR ergibt sich nach Abzug der Naturalunterhaltsleistung kein relevanter restlicher Geldunterhaltsanspruch, zumal der Mann in diesem Zeitraum bereits 175 EUR monatlich an Geldunterhalt leistete. Das Provisorialbegehren für August und September 2008 ist daher zur Gänze abzuweisen.

Von Oktober bis Dezember 2008 ergibt sich unter Berücksichtigung der bereits geleisteten 175 EUR ein restlicher Geldunterhaltsanspruch von (nur) 93 EUR.

9. Kosten der getrennten Haushaltsführung können den Unterhaltsanspruch der Frau nicht weiter reduzieren. Zieht man die Gründe der Vereinbarung über die gesonderte Wohnungnahme in Betracht (Gewalt und Drohungen gegenüber der Frau), wäre es unbillig, den Unterhaltsanspruch der Frau im Hinblick darauf (weiter) zu kürzen, dass der Mann die Betriebskosten desjenigen Hauses zu tragen hatte, in dem er Wohnung nahm.

10. Prozesskostenvorschuss:

Zum Grund und zur Höhe des Anspruchs auf Prozesskostenvorschuss enthält der Revisionsrekurs keine substanziellen Darlegungen. Die Ausführungen der Vorinstanzen sind insoweit frei von Rechtsirrtum.

11. Kostenentscheidung:

Gelingt dem Antragsgegner die Abwehr des Sicherungsantrags, dann ist die Entscheidung über seine Kosten des Provisorialverfahrens nicht vorzubehalten. Er hat vielmehr Anspruch auf Ersatz dieser Kosten gemäß den §§ 78, 402 EO, §§ 41, 52 Abs 1 ZPO. Kann er nur einen Teil des Sicherungsantrags abwehren, dann sind zufolge § 393 Abs 1 EO, der einen Zuspruch von Kosten an die gefährdete Partei im Provisorialverfahren nicht ermöglicht, die Vorschriften der ZPO über die Kostenteilung nicht anzuwenden. Der Antragsgegner hat vielmehr Anspruch auf Ersatz der Kosten in jenem Ausmaß, in dem er im Provisorialverfahren erfolgreich war (1 Ob 14/04x; 7 Ob 613/95; RIS-Justiz RS0005667; Kodek in Angst, EO2 § 393 Rz 5). Ihm stehen daher die Kosten des Provisorialverfahrens im Ausmaß der erfolgreichen Abwehr des Unterhaltsbegehrens auf der Basis des einfachen Jahresbetrags (§ 9 Abs 3 RATG) der Differenz zwischen dem Begehren der gefährdeten Partei und den durch die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zuerkannten vorläufigen Unterhaltsbeträgen zu. In erster Instanz beträgt diese Differenz 432 EUR pro Monat. In zweiter und dritter Instanz hat der Antragsgegner nur mehr 172 EUR pro Monat abgewehrt. Dies ergibt unter Anwendung des § 9 Abs 3 RATG für den Unterhaltsanspruch eine Bemessungsgrundlage von 5.184 EUR für die erste Instanz und von 2.064 EUR für die zweite - ausgenommen die Rekursbeantwortung des Mannes, bei dem sich die Bemessungsgrundlage nach dem Streitwert für den von der Frau erhobenen Rekurs (3.870 EUR) richtet - und dritte Instanz. Ebenso stehen dem Antragsgegner Kosten im Ausmaß der erfolgreichen Abwehr der Auferlegung eines Prozesskostenvorschusses (750 EUR) und des Begehrens einer Vorauszahlung auf die Ausgleichszahlung (4.000 EUR) zu. In diesem Umfang hat er Anspruch auf Ersatz seiner im Provisorialverfahren entstandenen Kosten. Für den Revisionsrekurs ist auch im Provisorialverfahren keine Pauschalgebühr zu entrichten (Anm 1 zu TP3 GGG; Obermaier, Kostenhandbuch, Rz 784).

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