OGH 7Ob284/06z

OGH7Ob284/06z31.1.2007

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Maria S*****, vertreten durch Dr. Gerhard Strobich, Rechtsanwalt in Trofaiach, gegen die beklagte Partei Bernd K*****, vertreten durch Dr. Michael Augustin und andere Rechtsanwälte in Leoben, wegen Unterhalt, über „den Rekurs" (richtig die Revision und den Rekurs - Revisionsinteresse EUR 1.920,--, Rekursinteresse EUR 1.440,--) der klagenden Partei gegen das Teilurteil und den Beschluss des Landesgerichtes Leoben als Berufungsgericht vom 21. September 2006, GZ 2 R 106/06x-29, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Leoben vom 6. Juli 2006, GZ 19 C 33/04y-25, teilweise abgeändert und teilweise aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt und beschlossen:

 

Spruch:

Der Revision und dem Rekurs wird nicht Folge gegeben. Die Entscheidung über die Kosten des Revisions- und Rekursverfahrens wird der Endentscheidung vorbehalten.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Ehe der Streitteile, die 1994 geheiratet hatten, wurde mit Urteil des Erstgerichtes vom 29. 1. 2003 aus dem gleichteiligen Verschulden der Parteien geschieden. Der Scheidungsausspruch wurde am 2.7. 2003, der Ausspruch über das Verschulden am 9. 11. 2004 rechtskräftig. Der Ehe entstammen keine Kinder. Die Klägerin war während der Ehe als Hausfrau tätig und ging sonst keiner Beschäftigung nach. Der Beklagte bezieht seit 2004 eine monatliche Pension von EUR 1.627,18 netto (inklusive Sonderzahlungen). Er war auf Verlangen der Klägerin im Oktober 2001 aus der den Parteien je zur Hälfte gehörenden Ehewohnung ausgezogen, hatte aber die Betriebskosten von monatlich EUR 370,17 weiterhin (alleine) getragen. Die Klägerin bezog von Februar 2004 bis einschließlich Mai 2005 vom Sozialhilfeverband L***** eine sogenannte Überbrückungshilfe von insgesamt EUR 5.202,--.

Sie begehrte vom Beklagten ab Februar 2004 monatliche Unterhaltszahlungen von EUR 270,--, wobei sie zwar die vom Beklagten getragenen Betriebskosten berücksichtigte, auf die ihr gewährte Überbrückungshilfe aber nicht Bedacht nahm.

Der Beklagte beantragte Klagsabweisung. Die Überbrückungshilfe sei als Eigeneinkommen der Klägerin anzusehen. Durch die Tragung der Betriebskosten und durch das mietfreie Überlassen der früheren Ehewohnung erfülle er seine Unterhaltspflicht zur Gänze. Das Erstgericht verpflichtete den Beklagten, der Klägerin von 1. 2. 2004 bis 8. 11. 2004 monatlich EUR 170,-- und ab dem 9. 11. 2004 monatlich EUR 120,-- an Unterhalt zu zahlen. Das Mehrbegehren wurde abgewiesen. Das Erstgericht sah die Überbrückungshilfe nicht als Eigeneinkommen der Klägerin an und berücksichtigte lediglich die Betriebskostenzahlungen des Beklagten als Naturalunterhaltsleistung. Bis zur Rechtskraft des Scheidungsausspruches gebührten der Klägerin gemäß § 66 EheG bzw § 94 ABGB 33 % der Pension des Beklagten, danach gemäß § 68a Abs 2 EheG 30 %.

Die Abweisung des Mehrbegehrens durch das Erstgericht blieb unbekämpft und ist in Rechtskraft erwachsen.

Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil dahin ab, dass es mit Teilurteil (auch) das Klagebegehren, der Beklagte sei schuldig, der Klägerin monatliche Unterhaltszahlungen von EUR 170,-- von 1. 2. 2004 bis 8. 11. 2004 sowie von EUR 120,-- von 9. 11. 2004 bis 31. 5. 2005 zu leisten, abwies. Im Übrigen (hinsichtlich des Zuspruches von monatlich EUR 120,-- ab 1. 6. 2005) wurde das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Rechtssache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen. Das Berufungsgericht führte im Wesentlichen aus, ein späterer endgültiger Verschuldensausspruch wirke auf den Zeitpunkt der Rechtskraft des Scheidungsausspruches zurück. Daher gebühre der Klägerin schon ab Februar 2004 Unterhalt nicht nach § 66 EheG, sondern nur nach § 68a EheG. Die sogenannte Überbrückungshilfe sei als Eigeneinkommen der Klägerin zu berücksichtigen, weil Sozialleistungen, sofern sie nicht dem Ausgleich eines bestimmten Mehraufwandes für einen Sonderbedarf dienten, im Unterhaltsverfahren grundsätzlich als Einkommen behandelt würden; dies gelte insbesondere für Sozialhilfeleistungen nach dem steiermärkischen Sozialhilfegesetz (stmk SHG). Der Ausdruck „Überbrückungshilfe" finde sich im stmk SHG nicht. Dieses Gesetz unterscheide zwischen der Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes und der Hilfe in besonderen Lebenslagen. Erstere bestehe in der Gewährung von Lebensunterhalt für die regelmäßig vorhandenen Bedürfnisse und umfasse unter anderem fortlaufende monatliche Zahlungen in Richtsatzhöhe (§§ 7, 8 stmk SHG). Letztere werde unabhängig von einem Anspruch auf Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes gewährt und es bestehe auf sie kein Rechtsanspruch (§ 15 stmk SHG). Das Ziel der Hilfe in besonderen Lebenslagen sei es, dem Hilfeempfänger eine Lebensgrundlage zu schaffen, durch die voraussichtlich weitere Leistungen der Sozialhilfe in absehbarer Zeit nicht erforderlich seien. Die Überbrückungshilfe diene offenbar nicht dem Ausgleich eines bestimmten Mehraufwandes für einen Sonderbedarf, weshalb sie als Eigeneinkommen der Klägerin anzusehen sei. Daran könne auch der Umstand nichts ändern, dass die Klägerin unter bestimmten Umständen eine theoretische Rückersatzpflicht treffe. Berücksichtige man die von der Klägerin bezogene Überbrückungshilfe als deren Einkommen, so ergebe sich ein Familieneinkommen von rund EUR 1.952,-- monatlich. Der Unterhalt der Klägerin sei nach § 68a EheG zu bemessen und daher zwischen 15 und 33 % des Nettoeinkommens des Unterhaltsverpflichteten zu bestimmen. Daher reduziere sich der Geldunterhaltsanspruch der Klägerin für die Zeit bis Mai 2005 angesichts ihres Eigeneinkommens und der Naturalleistungen des Beklagten auf Null.

Für die Zeit ab Juni 2005 ergebe sich die Notwendigkeit zu erheben, welche Leistungen des Sozialhilfeverbandes L***** die Klägerin (weiterhin) bekommen habe. Dies werde Gegenstand des fortgesetzten Verfahrens sein.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision und der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig seien, „um die Frage der Berücksichtigung der Überbrückungshilfe als Eigeneinkommen der Klägerin an das Höchstgericht herantragen zu können."

Sowohl das Teilurteil als auch der aufhebende Teil der Berufungsentscheidung werden von der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung bekämpft. Die Klägerin begehrt eine Abänderung der angefochtenen Entscheidungen dahin, dass der Beklagte verpflichtet werde, ihr ab 1. 2. 2004 monatlich EUR 120,-- an Unterhalt zu leisten. Dass sie ihr Rechtsmittel nur als Rekurs - und nicht auch als Revision - bezeichnete, steht einer Behandlung auch der gegen das Teilurteil gerichteten Rechtsrüge nicht entgegen (RIS-Justiz RS0036258).

Der Beklagte fasst den Rekurs ebenfalls auch als Rechtsmittel gegen das Teilurteil auf. Er beantragt, das Rechtsmittel seiner Prozessgegnerin entweder als unzulässig zurückzuweisen oder ihm keine Folge zu geben.

Sowohl die Revision als auch der Rekurs sind, weil eine Stellungnahme des Obersten Gerichtshofes zur Problematik der Überbrückungshilfe angezeigt erscheint, zulässig, aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Zur Bekämpfung des Teilurteiles:

Dass die der Klägerin von Februar 2004 bis einschließlich Mai 2005 vom Sozialhilfeverband Leoben gewährte Überbrückungshilfe von zusammen EUR 5.202,-- nicht dem Ausgleich eines bestimmten Mehraufwandes für einen Sonderbedarf diente, sondern eine Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes darstellte, bildet keinen Streitpunkt. Strittig ist allein, ob die Überbrückungshilfe als Einkommen der Klägerin anzusehen und insoferne unterhaltsanspruchsmindernd ist oder nicht. Während die Klägerin daran festhält, dass diese Zahlungen bei der Bestimmung der Unterhaltspflicht des Beklagten nicht zu berücksichtigen seien, weil es nicht angehe, dass der Unterhaltspflichtige dadurch entlastet werde, vertritt der Beklagte die gegenteilige Ansicht. Zur Frage der Anrechnung einer Sozialleistung als Eigeneinkommen liege einhellige oberstgerichtliche Judikatur vor, mit der die Entscheidung des Berufungsgerichtes im Einklang stehe.

Hiezu ist auszuführen:

Soweit die Unterhaltsbedürfnisse einer Person infolge einer öffentlich-rechtlichen Verpflichtung von einem Dritten gedeckt werden, bestehen nach ständiger Rechtsprechung keine Unterhaltsansprüche gegen einen nach Privatrecht Unterhaltspflichtigen, weil kein Anspruch auf Doppelversorgung besteht (SZ 22/118 uva). Deshalb werden auch Sozialleistungen, sofern sie nicht dem Ausgleich eines bestimmten Mehraufwandes für einen Sonderbedarf dienen (RIS-Justiz RS0009552) oder nach den gesetzlichen Bestimmungen auf den Unterhalt nicht anrechenbar sind, als Einkommen in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einbezogen (1 Ob 570/95, SZ 68/157; RIS-Justiz RS0080395 und RS0047456). Die öffentlich-rechtliche Leistung wird im Unterhaltsverfahren daher grundstätzlich als Einkommen behandelt, und zwar sowohl dann, wenn es um dasjenige des Unterhaltspflichtigen geht als auch dann, wenn es um das Einkommen des Unterhaltsberechtigten geht. Im zweiten Fall ist der Gesichtspunkt entscheidend, dass kein Anspruch auf Doppelversorgung besteht: Bereits mehrfach hat der Oberste Gerichtshof betont, dass bei der Frage, ob sich der Bezug einer laufenden Geldleistung im Rahmen der Sozialhilfe gegenüber dem (nach Privatrecht) Unterhaltspflichtigen unterhaltsmindernd auswirkt, die Erwägung, eine Doppelversorgung zu vermeiden, im Vordergrund stehen muss, wenn eine solche Doppelversorgung nicht dem Gesetzeszweck entspricht (7 Ob 225/04w mwN). Anhaltspunkte für die betreffende Absicht des Gesetzgebers bieten dabei die gesetzlichen Regelungen über den Rechtsübergang der Unterhaltsansprüche und über die Kostenbeitragspflicht des privatrechtlich Unterhaltsverpflichteten (7 Ob 225/04w mwN).

Der Rechtssatz, dass eine Person, deren Unterhaltsbedürfnisse auf Grund einer öffentlichen Verpflichtung zur Gänze von einem Dritten abgedeckt werden, schon deswegen keine Unterhaltsansprüche gegen einen zivilrechtlich Unterhaltspflichtigen stellen kann, weil ihr ein Anspruch auf Doppelversorgung nicht zusteht, kann zwar dort nicht angewendet werden, wo der Gesetzgeber durch Anordnung (aufgeschobener) Legalzession ausdrücklich das Weiterbestehen des Anspruches des Unterhaltsberechtigten vorausgesetzt hat (RIS-Justiz RS0063121). Wie der Oberste Gerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen hat, trifft aber diese Voraussetzung - anders als etwa nach dem oberösterreichischen Sozialhilfegesetz und dem Tiroler Sozialhilfegesetz - für das steiermärkische Sozialhilfegesetz, LGBl 29/1998 idgF (wie auch schon für das stmk SHG LGBl 1977/1) nicht zu. Dieses stellt im § 28 Z 4 (der dem § 39 Z 4 des stmk SHG 1977 im Wesentlichen unverändert entspricht) nur allgemein auf Rechtsansprüche oder Forderungen gegen Dritte ab. Es ist also nach der Textierung dieser landesgesetzlichen Regelung weder entscheidend, ob bereits eine Bestimmung der Ansprüche erfolgte, noch ob diese der Deckung jenes Bedarfes (Unterhaltsbedarfes) dienen, der durch die Sozialhilfe abgedeckt wurde. Es kann sich also nach dem Gesetzestext um ganz andere Ansprüche handeln (8 Ob 126/03t). In einhelliger Judikatur ging der Oberste Gerichtshof bei dieser Bestimmung daher davon aus, dass keine Legalzession der Unterhaltsansprüche vorgesehen sei und die Sozialhilfe wirtschaftlich als reine Vorschussleistung an den bedürftigen Ehegatten (allenfalls unter gleichzeitiger Rückzahlungspflicht durch den anderen Ehegatten) gewährt werde (1 Ob 562/88; 6 Ob 561/94 [6 Ob 1568/94]; 1 Ob 108/01s; vgl 8 Ob 126/03t). Dagegen wird von der Revisionswerberin nichts Stichhältiges vorgebracht. Es ist daher daran festzuhalten, dass soweit die Lebensbedürfnisse eines Unterhaltsberechtigten durch Leistungen nach dem stmk SHG abdeckbar sind, kein von einem gesetzlich Unterhaltspflichtigen abzudeckender offener Bedarf besteht. Die Sozialhilfeleistung wirkt insofern unterhaltsanspruchsmindernd (RIS-Justiz RS0016227). Erbringt der steiermärkische Sozialhilfeträger dem Unterhaltsberechtigten Leistungen, die - wie hier - Bedürfnisse decken, die durch den Unterhalt zu decken wären, so kann der Unterhaltsberechtigte im Umfange dieser Leistungen seinen Unterhaltsanspruch nicht geltend machen (RIS-Justiz RS0009583). Das Berufungsgericht hat demnach die der Klägerin im Zeitraum Februar 2004 bis Mai 2005 geleistete Überbrückungshilfe zu Recht als deren Eigeneinkommen berücksichtigt. Dass sich auch unter Bedachtnahme auf dieses Einkommen eine Unterhaltszahlungspflicht der Beklagten für die Zeit von 1. 2. 2004 bis 31. 5. 2005 ergäbe, wird von der Klägerin gar nicht behauptet. Die Revision gegen das Teilurteil muss daher erfolglos bleiben.

Zum Rekurs:

Ausgehend davon, dass der Klägerin vom Sozialhilfeverband als Überbrückungshilfe geleistete Zahlungen deren (auf § 68a Abs 2 EheG gegründeten) Unterhaltsanspruch also entsprechend vermindern, ist auch dem Rekurs ein Erfolg zu versagen. Ob die vom Berufungsgericht angeordnete Verfahrensergänzung erforderlich ist, ist einer Nachprüfung durch den Obersten Gerichtshof, der nicht Tatsacheninstanz ist, entzogen. Zweck des Rekurses ist nur die Überprüfung der Rechtsansicht der zweiten Instanz durch den Obersten Gerichtshof in jeder Richtung (Kodek in Rechberger2 Rz 5 zu § 519). Ist die dem Aufhebungsbeschluss zugrundeliegende Rechtsansicht - wie hier - richtig, kann der Oberste Gerichtshof nicht überprüfen, ob und inwieweit die Verfahrensergänzung tatsächlich notwendig ist (Kodek aaO mwN; 7 Ob 281/04f; 7 Ob 54/06a; RIS-Justiz RS0042179; RS 0042333 [T1]; RS0043414 [T8]; RS0113643 [T2]).

Der Vorbehalt der Kosten des Revisions- und des Rekursverfahrens gründet sich jeweils auf § 52 Abs 1 ZPO.

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