European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0030OB00241.13G.0319.000
Spruch:
Den Rekursen der klagenden und der beklagten Partei wird nicht Folge gegeben.
Die Kosten des Rekursverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.
Begründung:
Die Ehe der Streitteile wurde im Jahr 1987 aus dem Alleinverschulden des Klägers geschieden. Mit Urteil aus dem Jahr 2005 wurde er zu einer monatlichen Unterhaltsleistung an die Beklagte von 1.491 EUR verpflichtet. Dieser wurden aufgrund dieses Exekutionstitels zur Hereinbringung eines nicht näher beschriebenen Unterhaltsrückstands von 15.738 EUR sowie des laufenden monatlichen Unterhalts von 1.491 EUR ab 1. Juli 2011 gegen den Kläger sowohl Fahrnis- und Forderungsexekution nach § 294a EO als auch eine sonstige Forderungsexekution bewilligt.
Gegen jede der beiden Exekutionen erhob der Kläger Oppositionsklagen, die zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden wurden, mit den Begehren, der betriebene Anspruch sei (in eventu per 1. Jänner 2006) erloschen. Die Beklagte habe mit einem anderen Mann seit zumindestens 2006 bis zu dessen Tod am 7. Jänner 2011 in Lebensgemeinschaft gelebt, den sie die letzten eineinhalb Jahre krankheitsbedingt gepflegt habe. Sie habe ihren Unterhaltsanspruch verwirkt, weil sie den Kläger jahrelang arglistig über das Vorliegen einer Lebensgemeinschaft und über eigenes Einkommen getäuscht und ihn veranlasst habe, Unterhaltszahlungen zu leisten, sodass sie sich iSd §§ 146 ff StGB schuldig gemacht habe. Der Kläger habe davon erst nach dem Tod des Mannes durch Zufall erfahren.
Die Beklagte bestritt das Eingehen einer Lebensgemeinschaft.
Das Erstgericht wies die Oppositionsklagen ab, weil es das Bestehen einer Lebensgemeinschaft verneinte. Zusammengefasst ging es dabei vom folgenden, chronologisch strukturierten und auf das Wesentliche zusammengefassten Sachverhalt aus:
Die Beklagte lernte den Mann zur Jahreswende 1998/99 kennen. Zwischen den beiden entwickelte sich eine intensive, enge und vertrauensvolle Beziehung bis zum Tod des Mannes am 7. Jänner 2011, in der es vorerst auch zu Intimitäten kam. Die Vertrautheit und Nähe der Beziehung fand ihren Ausdruck darin, dass der Mann die Beklagte zu seiner Alleinerbin bestimmte und sie als Verfügungsberechtigte in seiner Patientenverfügung festlegte. Beide wollten aber aus unterschiedlichen Gründen eine eheähnliche Lebensgemeinschaft gerade nicht eingehen. Die Beklagte erlebte den Mann primär als Seelenfreund, mit dem man Sorgen und Probleme, so auch die schwierige Beziehung zum Kläger, teilen und besprechen konnte.
Bis Oktober 2009 führten die beiden eine Art Wochenendbeziehung mit wechselseitigen Besuchen und Aufenthalten in der Schweiz, in Österreich und Deutschland; darüber hinaus ist in diesem Zeitraum ein gemeinsames Wohnen nicht feststellbar. In wirtschaftlicher Hinsicht hat die Beklagte den Mann in den Jahren 2001 und 2002 bei dessen höchstwahrscheinlich unredlichen Geschäftspraktiken unterstützt, indem sie - unter Inkaufnahme des Risikos einer Strafverfolgung und unter Einbeziehung einer Tochter - durch Abschluss von höchstwahrscheinlich Scheingeschäften daran mitwirkte, Vermögen vor dem Zugriff privater und öffentlicher Gläubiger des Mannes zu entziehen. Abgesehen von diesen Aktionen können wirtschaftliche Verflechtungen zwischen der Beklagten und dem Mann im Sinn einer gemeinsamen Haushaltsführung, eines gemeinsamen Wirtschaftens, gemeinsamer Konten, einer gemeinsamen Lebensplanung oder einer weitreichenden finanziellen Unterstützung der Beklagten durch den Mann nicht festgestellt werden.
Im Jahr 2009 wurde bei dem Mann eine Krebserkrankung diagnostiziert, die letztendlich zum Tod führte. Um sich dort behandeln zu lassen, zog der Mann im Oktober 2009 nach München in eine von ihm befristet gemietete Wohnung. Die Beklagte unterstützte den Mann, indem sie wochenweise, unterbrochen von verschiedenen Krankenhaus- und Therapieaufenthalten, bei ihm in München wohnte und ihn zumindest zeitweise pflegte. In der Endphase seiner Erkrankung nahm sie ihn im Herbst 2010 in ihrer Mietwohnung in Niederösterreich auf und pflegte ihn dort bis zu seinem Tod. Seit Oktober 2009 hatte sich die Beziehung damit zu einem Zusammenwohnen im Sinn einer „Pflegegemeinschaft und Sterbebegleitung“ gewandelt. Die Frage einer Intimgemeinschaft stellte sich in den letzten Jahren infolge der schweren Erkrankung des Mannes nicht mehr.
Bei der Aufnahme des Mannes in ein Krankenhaus am 5. Jänner 2011 wurde die Beklagte als „Lebensgefährtin“ angeführt. Nach seinem Tod am 7. Jänner 2011 organisierte die Beklagte die Beerdigung und besorgte die Traueranzeige, die von „Dankbarkeit für die gemeinsame Zeit“ spricht, und die Parte, die mit den Vornamen der Beklagten und ua ihrer beiden Töchter endet. Die Beklagte kümmerte sich auch um die Auflösung des Hausstands des Mannes in der Schweiz und die Rückgabe eines vom Mann geleasten PKW.
Nach dem Tod seiner Mutter am 25. Dezember 2010 erfuhr der Kläger im Zuge von Behördenwegen davon, dass zeitnah eine Person verstorben war, deren Lebensgefährtin die Beklagte gewesen sei.
Die vom Kläger gegen die Beklagte erhobene Strafanzeige wegen §§ 146 ff StGB wurde mit 8. Mai 2013 gemäß § 190 Z 2 StPO zurückgelegt.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers in der Hauptsache Folge. Es hob das Ersturteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof wurde für zulässig erklärt.
Es verneinte im Rahmen einer Gesamtschau das Bestehen einer Lebensgemeinschaft bis Oktober 2009, weil zwar eine innige, vorerst auch intime Beziehung samt seelischer Gemeinschaft und Zusammengehörigkeitsgefühl bestanden habe, über die vor mehr als zehn Jahren gewährte Hilfe bei der Gläubigerbenachteiligung hinaus aber keine weiteren wirtschaftlichen Verflechtungen und auch kein gemeinsames Wohnen festgestellt worden seien. Ab Oktober 2009 sei eine in der seelischen Verbundenheit wurzelnde Wohngemeinschaft begründet worden, in der die Beklagte dem Mann Beistand und Dienste geleistet habe, wie sie von Ehegatten erbracht würden, sodass eine eheähnliche Gemeinschaft entstanden sei. Eine Wirtschaftsgemeinschaft ergebe sich nicht nur aus den von der Beklagten erbrachten Pflegeleistungen, sondern auch in der wechselseitigen Zurverfügungstellung der Wohnungen während der gemeinsamen Aufenthalte in München und Niederösterreich. Bis zum Tod des Mannes habe daher eine Lebensgemeinschaft bestanden. Da der Oppositionsprozess nur die Frage zum Gegenstand habe, ob der Anspruch aus dem konkreten Exekutionstitel erloschen sei, jedoch unklar geblieben sei, für welchen Zeitraum der rückständige Unterhalt von 15.738 EUR betrieben werde, bedürfe es der Aufhebung des Ersturteils zur Klärung, für welchen Zeitraum und mit welchen monatlichen Beträgen der Rückstand von 15.738 EUR in Exekution gezogen worden sei. Im Übrigen sei zu bedenken, dass der Unterhaltsanspruch nach Beendigung der Lebensgemeinschaft nicht automatisch wieder auflebe, sondern eingefordert werden müsse.
Da Judikatur zur Frage des Eingehens einer Wohngemeinschaft ausschließlich zur Pflege- und Sterbebegleitung fehle, sei der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig.
Gegen den Aufhebungsbeschluss richten sich Rekurse sowohl des Klägers als auch der Beklagten . Der Kläger strebt die Abänderung im Sinn der Klagestattgebung, hilfsweise die Aufhebung und Zurückverweisung an die zweite Instanz an. Die Beklagte begehrt die Abänderung im Sinn der Wiederherstellung des Ersturteils.
Beide Seiten erstatteten Rekursbeantwortungen .
Rechtliche Beurteilung
I. Zum Rekurs des Klägers:
Der Kläger bekämpft die Rechtsansicht der Vorinstanzen zur Verneinung einer Lebensgemeinschaft bis Oktober 2009 als gegen die Gesetze der Logik und gegen jede menschliche Erfahrung verstoßend, weil das typische Erscheinungsbild eines ehelichen Zusammenlebens auch von 1998 bis Oktober 2009 bestanden habe. Da die Beklagte die Lebensgemeinschaft jahrelang verschwiegen und Unterhaltszahlungen des Klägers vereinnahmt habe, sei Verwirkung nach § 74 EheG eingetreten. Das Berufungsverfahren sei mangelhaft, weil das Berufungsgericht eine mit der Berufung vorgelegte, dem Kläger erst nach Schluss der Verhandlung in erster Instanz zugegangene Urkunde zur Darlegung des Berufungsgrundes der unrichtigen Tatsachenfeststellung in Folge unrichtiger Beweiswürdigung unbeachtet gelassen habe.
Das Rechtsmittel des erfolgreichen Berufungswerbers ist nicht absolut unzulässig, weil gegen einen Aufhebungsbeschluss im Berufungsverfahren auch jene Partei Rekurs erheben kann, die selbst die Aufhebung erwirkt hat. In diesem Fall genügt eine materielle Beschwer durch die Begründung der Entscheidung, weil das Erstgericht im zweiten Rechtsgang an die Rechtsansicht des Berufungsgerichts und an die auf dieser Basis erteilten Aufträge gebunden ist (RIS-Justiz RS0007094 [T5]).
Der Rekurs des Klägers ist zulässig , weil das Berufungsgericht zur vom Kläger behaupteten Verwirkung des Unterhaltsanspruchs durch die Beklagte nicht Stellung genommen hat. Er ist aber nicht berechtigt .
I.1. Werden erst im Berufungsverfahren neue Beweismittel vorgelegt, die die Unrichtigkeit einer entscheidungswesentlichen Tatsachenfeststellung belegen sollen, ist darin eine Verletzung des in § 482 Abs 2 ZPO geregelten Neuerungsverbots und nicht bloß eine erlaubte Dartuung eines geltend gemachten Berufungsgrundes zu erblicken (RIS-Justiz RS0105484). Zur Unterstützung des Berufungsgrundes der unrichtigen Tatsachenfeststellung und unrichtigen Beweiswürdigung dürfen nämlich neues Vorbringen und neue Beweismittel nicht vorgebracht werden (RIS-Justiz RS0041812 [T6]).
Der vom Berufungsgericht erkannte Verstoß gegen das Neuerungsverbot lag daher vor. Einer Prüfung, ob auch ein Verstoß gegen die Eventualmaxime verwirklicht wurde, bedarf es daher nicht mehr. Die behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens ist somit zu verneinen.
I.2. Soweit der Kläger einen Verstoß gegen die Gesetze der Logik geltend macht, zielt er auf die Bekämpfung der tatsächlichen Feststellungen als Grundlage für die rechtliche Beurteilung ab; mit der Rechtsrüge können tatsächliche Feststellungen nämlich insoweit angefochten werden, als sie auf Schlussfolgerungen beruhen, die mit den Gesetzen der Logik und der Erfahrung unvereinbar sind. Ein Verstoß gegen die Denkgesetze liegt nur vor, wenn der Schluss des Richters logisch unmöglich ist (RIS-Justiz RS0043356 [T3]), wie zB im Fall eines Rechenfehlers (RIS‑Justiz RS0043706). Derartiges wird aber vom Kläger nicht aufgezeigt, geht es doch nicht um mathematische Operationen, sondern um die Feststellung von Lebensumständen. Auch die Anwendung von Erfahrungssätzen ist Beweisfrage, wenn sie der Weg ist, aus dem aus einem vorliegenden Tatbestand weitere Tatsachen erschlossen werden sollen (RIS-Justiz RS0043503 [T1]). Tatfragen sind jedoch in dritter Instanz unbekämpfbar (RIS‑Justiz RS0042903 [T5, T7] ua).
I.3. Nur die Beantwortung der Frage auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen, ob und allenfalls seit wann zwischen der Beklagten und dem Mann eine Lebensgemeinschaft bestanden hat, die der Kläger als von den Vorinstanzen lebensfremd gelöst erachtet, stellt eine revisible rechtliche Beurteilung dar.
I.3.1. Für das Vorliegen einer Lebensgemeinschaft spielt neben der Eheähnlichkeit auch eine gewisse Dauer, auf die sie eingerichtet ist, und das Zusammenspiel der Elemente Wohn-, Wirtschafts- und Geschlechtsgemeinschaft eine Rolle, wobei anerkannt ist, dass im Sinn eines beweglichen Systems nicht stets alle drei Merkmale vorhanden sein müssen, sondern der Wegfall eines Kriteriums durch das Vorliegen der anderen oder die Umstände des Einzelfalls gerechtfertigt sein kann (RIS‑Justiz RS0047000). Wie die maßgeblichen Kriterien für die Annahme einer Lebensgemeinschaft im konkreten Fall zu gewichten sind, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab und begründet daher regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage (3 Ob 139/13g mwN). Auch die Beurteilung, ob das Bestehen einer Lebensgemeinschaft zu bejahen ist, stellt grundsätzlich keine vom Obersten Gerichtshof zu lösende Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung dar (RIS-Justiz RS0047000 [T9]).
I.3.2. Im Anlassfall ist für den Zeitraum bis Herbst 2009 von einer auch intimen, jedenfalls aber engen wechselseitigen Beziehung der Beklagten zu dem Mann und auch von einer allerdings sehr eingeschränkten Wohngemeinschaft („Wochenendbeziehung“) auszugehen. Wesentliche Bedeutung kommt daher dem Bestehen einer Wirtschaftsgemeinschaft zu.
I.3.3. Der Begriff der Wirtschaftsgemeinschaft beschränkt sich nicht auf die rein materielle Seite; darunter wird verstanden, dass die beiden Partner Freud und Leid miteinander teilen, einander Beistand und Dienste leisten und einander an den zur Bestreitung des Unterhalts, der Zerstreuung und der Erholung dienenden gemeinsamen Gütern teilnehmen lassen, dass also sich die Parteien im Kampf gegen alle Nöte des Lebens beistehen und daher auch gemeinsam an den zur Bestreitung des Unterhalts verfügbaren Gütern teilhaben (RIS-Justiz RS0047035; RS0021733; 3 Ob 237/11s). Sie ist daher sowohl von einer zwischenmenschlichen als auch einer wirtschaftlichen Komponente geprägt. Auch die Wirtschaftsgemeinschaft ist kein unbedingt notwendiges Kriterium für die Annahme einer Lebensgemeinschaft, genügt andererseits aber allein auch noch nicht (RIS-Justiz RS0021733; RS0047130). Wenn ein Abstellen allein auf materielle Aspekte unter Ausblendung der seelischen Gemeinschaft unzulässig ist, dürfen die materiellen Aspekte dennoch nicht völlig vernachlässigt werden, weil sonst ein Zustand, wie er für das Zusammenleben von Ehegatten typisch ist, nicht mehr angenommen werden darf und die wirtschaftliche Bedeutung der Ehe für die Gatten nicht mehr ausreichend bedacht würde; ein Mindestmaß an wirtschaftlicher Gemeinschaft ist daher unverzichtbar (3 Ob 237/11s mwN).
Ein solches Mindestmaß an wirtschaftlicher Gemeinschaft haben die Vorinstanzen hier für den Zeitraum bis Oktober 2009 auf Basis der den Obersten Gerichtshof bindenden Feststellungen zu Recht verneint. Denn in materieller Hinsicht ist - abgesehen von den Aktionen zur Gläubigerbenachteiligung im Zeitraum 2001/2002 - davon auszugehen, dass gar keine wirtschaftlichen Verflechtungen zwischen der Beklagten und dem Mann im Sinn einer gemeinsamen Haushaltsführung, eines gemeinsamen Wirtschaftens, gemeinsamer Konten, einer gemeinsamen Lebensplanung oder einer weitreichenden gegenseitigen finanziellen Unterstützung bestanden.
Das Verhalten der Beklagten zugunsten des Mannes im Zeitraum 2001/2002 kann aber durchaus als ‑ wenn auch bedenklicher ‑ Ausdruck der engen persönlichen Beziehung, also der zwischenmenschlichen Komponente, interpretiert werden, weil der festgestellte Sachverhalt keinen Hinweis darauf bietet, die Beklagte persönlich habe davon finanziell profitiert. Abgesehen davon wurden diese Aktivitäten ‑ bezogen auf den Schluss der Verhandlung erster Instanz am 22. Mai 2013 ‑ vor mehr als elf Jahren gesetzt, sodass auch deren Beurteilung als wirtschaftliche Verflechtung zwischen der Beklagten und dem Mann wegen des zeitlich begrenzten Zeitraums die Annahme einer nachfolgenden Lebensgemeinschaft bis Oktober 2009 nicht rechtfertigen könnte.
I.3.4. Zusammengefasst haben die Vorinstanzen somit den ihnen eingeräumten Ermessensspielraum bei der Gewichtung der maßgeblichen Elemente einer Lebensgemeinschaft im vorliegenden, außergewöhnlichen Einzelfall ungeachtet der Dauer und Intensität der persönlichen Beziehung (noch) nicht überschritten, indem sie dem Fehlen jeder Wirtschaftsgemeinschaft im materiellen Sinn entscheidendes Gewicht beimaßen und deshalb eine Lebensgemeinschaft bis Oktober 2009 verneinten.
I.4. Dem Kläger ist zuzugestehen, dass das Berufungsgericht zu der von ihm geltend gemachten Verwirkung des Unterhaltsanspruchs durch die Beklagte nicht Stellung genommen hat, obwohl es - wie noch zu zeigen sein wird, durchaus vertretbar - für die Zeit ab Oktober 2009 das Bestehen einer Lebensgemeinschaft bejahte.
Der Oberste Gerichtshof hat aber bereits nicht nur ausgesprochen, dass im Führen einer Lebensgemeinschaft allein kein ehrloser oder unsittlicher Lebenswandel liegt (RIS-Justiz RS0114056), sondern auch, dass das mit bedingtem Schädigungsvorsatz erfolgte Inanspruchnehmen eines (nach der Rechtsprechung) wegen einer Lebensgemeinschaft ruhenden Unterhalts für die Verwirkung des Unterhaltsanspruchs nicht ausreicht (3 Ob 209/99b; 3 Ob 245/05h). Davon abzugehen besteht im vorliegenden Fall kein Anlass. Es wird nämlich der Vorwurf eines Verschweigens einer Lebensgemeinschaft mit Rücksicht auf den mit der Anwendung eines beweglichen Systems verbundenen Ermessensspielraum bei der Gewichtung der einzelnen Elemente, der ‑ wie die unterschiedliche Einschätzung der beiden Vorinstanzen plakativ zeigt ‑ eine sichere Beurteilung erschwert, relativiert; das gilt im Besonderen für den Anlassfall, der eine keineswegs alltägliche Konstellation darstellt.
I.5. Dem Rekurs des Klägers ist daher nicht Folge zu geben.
II. Zum Rekurs der Beklagten:
Sie wendet sich gegen die Annahme einer Lebensgemeinschaft seit Oktober 2009 mit den Argumenten, eine Wohngemeinschaft sei zu verneinen, weil beide ihre Wohnsitze nicht aufgegeben hätten und alleiniger Zweck des ‑ ohnehin durch zahlreiche Krankenhausaufenthalte unterbrochenen ‑ Lebens unter einem Dach die Pflege des Mannes und eine Art Sterbebegleitung gewesen sei. Auch ein Mindestmaß an Wirtschaftsgemeinschaft liege nicht vor, weil die Beibehaltung der Wohnsitze zur Folge gehabt habe, dass beide deshalb keine Ersparnis an Wohnungskosten gehabt hätten; es sei auch nicht zur wechselseitigen Erbringung von Diensten gekommen, weil der Mann keine Gegendienste für die Beklagte geleistet habe. Weiters mangle es an einer Geschlechtsgemeinschaft. Im Hinblick auf das absehbar baldige Ableben des Mannes könne nicht von einer von vornherein auf Dauer angelegten Beziehung ausgegangen werden. Nach den Feststellungen habe es beiden Personen an einem Bindungswillen gefehlt.
Der Rekurs der Beklagten ist zwar zwecks Klarstellung zulässig , er ist aber nicht berechtigt .
II.1. Zu den allgemeinen Kriterien für die Annahme einer Lebensgemeinschaft ist auf Punkt I.3. zu verweisen.
II.2. Eine Wohngemeinschaft liegt grundsätzlich vor, wenn die Lebensgefährten tatsächlich in einer Wohnung leben, die ihr dauernder gemeinsamer Lebensmittelpunkt sein soll (3 Ob 237/11s).
Zum Kriterium der Dauerhaftigkeit wurde bereits ausgesprochen, dass diese „Dauer“ nicht nach Monaten oder Jahren zu konkretisieren und zu bemessen ist, sondern danach, ob die Gemeinschaft auf gewisse zeitliche Dauer eingerichtet ist (RIS-Justiz RS0047000 [T8]).
Die Annahme einer Wohngemeinschaft durch das Berufungsgericht trifft zu. Seit Oktober 2009 fand - anders als davor - ein dauerndes gemeinsames Leben vorerst in München, später in Niederösterreich statt; dessen Unterbrechungen durch Krankenhausaufenthalte erzwingen keine andere Beurteilung, weil diese keine freiwillige Aufgabe des neuen Lebensstils bedeuten, sondern durch die Erkrankung des Mannes notwendig wurden. Mag auch die Erkrankung des Mannes Anlass für die Aufnahme einer häuslichen Gemeinschaft gewesen sein, so ändert dies nichts am Eintritt des Faktums eines nunmehr gegebenen gemeinsamen Lebensmittelpunkts. In der Aufnahme der Pflegetätigkeit, die in eine Sterbebegleitung mündete, kommt auch die Absicht zum Ausdruck, die nunmehr begründete häusliche Gemeinschaft ‑ soweit dies medizinisch möglich ist ‑ bis zum Tod des Mannes, also auf eine wenn auch ungewisse zeitliche Dauer, aufrecht zu erhalten, weshalb auch das Kriterium der Dauerhaftigkeit als erfüllt angesehen werden kann.
II.3. Die Pflege und Begleitung des Mannes bis zu seinem Tod über mehr als ein Jahr ist im vorliegenden Fall zweifellos durch die Erkrankung bedingte Folge und Ausdruck der aus einer seelischen Gemeinschaft und dem Zusammengehörigkeitsgefühl heraus entstandenen emotionalen Bindung (vgl RIS-Justiz RS0047064). Diesen Umstand lässt die Beklagte außer Acht, wenn sie die Pflege als einzigen Zweck des Wohnens unter einem Dach ansieht; es ist deshalb unzulässig, sie auf die bloße Erbringung von Dienstleistungen wie einem Fremden gegenüber zu reduzieren. Die Beklagte leistete damit dem Mann, mit dem sie emotional sehr verbunden war, vielmehr Beistand und Pflege, wie es zwischen Ehegatten typisch ist. Diese permanent erbrachten persönlichen Dienste vermittelten daher nicht nur das Bild einer eheähnlichen Gemeinschaft, sondern wandelten die Beziehung von einer vor allem durch zwischenmenschliche Aspekte geprägten Gemeinschaft zu einer auch materiellen Gemeinschaft; denn dadurch ersparte sich der Mann die Bezahlung eines Entgelts, wie es für derartige Pflegedienste regelmäßig zu leisten ist, worauf schon das Berufungsgericht ‑ vom Rekurs unwidersprochen -hingewiesen hat. Auf die Ersparnis von Wohnkosten kommt es daher gar nicht mehr an.
Die Annahme einer seit Oktober 2009 bestehenden Wirtschaftsgemeinschaft erweist sich daher als zutreffend, zumal der von der Beklagten dagegen ins Treffen geführte Umstand, der Mann habe keine Gegendienste erbracht, seine Ursache offensichtlich in dessen Erkrankung hatte und deshalb durch die Umstände erzwungen war; abgesehen davon kann eine Wirtschaftsgemeinschaft auch dann angenommen werden, wenn nur einer dem anderen Leistungen erbringt und für den Lebensunterhalt aufkommt (2 Ob 258/97y).
II.4. Das Erfordernis einer Geschlechtsgemeinschaft kann bei älteren Personen (RIS‑Justiz RS0047017) oder angesichts des Gesundheitszustands eines Partners (5 Ob 70/06i) verzichtbar sein, was dem Wesen eines beweglichen Systems entspricht. Deren Fehlen in der hier zu beurteilenden Phase der Beziehung schließt die Bejahung einer Lebensgemeinschaft also nicht aus.
II.5. Dem fehlenden Bindungswillen der Partner kommt keine Bedeutung zu, wenn ‑ im Widerspruch dazu -eine Lebensgemeinschaft tatsächlich gelebt wird. Das hat das Berufungsgericht hier für die Zeit ab Oktober 2009 zu Recht angenommen, weil seither eine gravierende Änderung der Gestaltung der Beziehung der Beklagten zu dem Mann eingetreten ist, die in einer Gesamtschau ungeachtet einer nicht mehr bestehenden Geschlechtsgemeinschaft eine andere Beurteilung als für die Zeit davor erlaubt. Dieses Ergebnis entspricht auch den ‑ von der Beklagten vollkommen übergangenen ‑ Feststellungen zur letzten Aufnahme des Mannes in ein Krankenhaus und zu den Aktivitäten der Beklagten nach dessen Tod.
II.6. Jene Ausführungen des Berufungsgerichts, nach denen als Folge der für die Zeit von Oktober 2009 bis zum Tod des Mannes angenommenen Lebensgemeinschaft die Klärung, für welchen Zeitraum und mit welchen monatlichen Beträgen der Unterhaltsrückstand von 15.738 EUR in Exekution gezogen wurde, notwendig ist, blieben von beiden Seiten unbeanstandet und sind zutreffend. Gegenstand des Oppositionsurteils kann nur der betriebene Anspruch sein (3 Ob 167/13z mwN), der somit zu klären ist.
II.7. Somit ist auch dem Rekurs der Beklagten nicht Folge zu geben.
III. Die Kostenentscheidung beruht angesichts der Erfolglosigkeit der zulässigen Rekurse auf § 52 Abs 1 ZPO (RIS‑Justiz RS0035976).
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