European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0030OB00164.15M.0917.000
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig,
der zweitbeklagten Partei die mit 744,43 EUR bestimmten Kosten der Rechtsmittelbeantwortung (darin enthalten 124,07 EUR an USt) und
der drittbeklagten Partei die mit 744,43 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin enthalten 124,07 EUR an USt)
jeweils binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Die erstbeklagte Partei hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.
Begründung
Während das Erstgericht sowohl Haupt- und Eventualbegehren abwies, bestätigte das Berufungsgericht über Berufung der Klägerin die Abweisung des Hauptbegehrens gegen alle drei Beklagten und wies das Eventualbegehren gegen den Zweitbeklagten von Amts wegen zurück. Weiters änderte es das Ersturteil zum Eventualbegehren gegen den Erstbeklagten in einen Zuspruch ab, was von diesem unbekämpft blieb. Bei Bewertung des Streitgegenstands jeweils mit 30.000 EUR übersteigend erklärte es die „ordentliche Revision“ hinsichtlich jedes Beklagten für zulässig.
Sowohl gegen die Bestätigung der Abweisung des Hauptbegehrens gegen alle drei Beklagten als auch gegen die Zurückweisung des Eventualbegehrens gegen den Zweitbeklagten richtet sich die „Revision“ der Klägerin.
Da sich die Zulässigkeit einer Anfechtung allein nach der vom Gesetz vorgeschriebenen Entscheidungsform richtet (RIS-Justiz RS0041880) und somit für die Beurteilung, ob ein Urteil oder ein Beschluss vorliegt, nicht die tatsächlich gewählte, sondern die vom Gesetz vorgesehene Entscheidungsform maßgebend ist (RIS-Justiz RS0036324), muss die Zurückweisung des gegen den Zweitbeklagten erhobenen Eventualbegehrens als Beschluss des Berufungsgerichts und die auch dagegen erhobene „Revision“ als ‑ rechtzeitiger (vgl RIS-Justiz RS0002105; RS0041670) ‑ Vollrekurs behandelt werden (RIS-Justiz RS0116348).
Rechtliche Beurteilung
1. Zur Revision:
Die Klägerin zeigt keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf, weshalb die Revision ‑ ungeachtet des nicht bindenden Zulässigkeitsausspruchs (§ 508a Abs 1 ZPO) ‑ als nicht zulässig zurückzuweisen ist. Diese Zurückweisung kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO).
1.1. Trotz der ‑ nach § 88 Abs 1 EheG notwendigen und eine materiell-rechtliche Voraussetzung für die Zuweisung einer Dienstwohnung an den geschiedenen Ehegatten des Dienstnehmers bildenden (Gitschthaler in Schwimann/Kodek ABGB4 § 88 EheG Rz 7 mwN) ‑ Zustimmung der Bau-GmbH dazu, der Klägerin ein nur obligatorisches Wohnrecht einzuräumen, liegt dieser keine Vereinbarung der Parteien des Aufteilungsverfahrens (unter Einbeziehung der Bau‑GmbH) zugrunde. Vielmehr wurde es ‑ wie das Berufungsgericht zutreffend und unbeanstandet darlegte ‑ durch rechtsgestaltenden, auch für die Bau-GmbH wirksamen Beschluss zwischen der Klägerin und der Bau-GmbH rechtskräftig eingeräumt.
Die Frage, welchen rechtlich erheblichen Inhalt eine gerichtliche Entscheidung hat, ist eine Rechtsfrage, die aufgrund des Wortlauts des Spruchs und der Gründe der Entscheidung in Verbindung mit dem dadurch angewendeten Gesetz gelöst werden muss und nicht durch Erforschung des vermeintlichen Willens der am Zustandekommen der Entscheidung beteiligten Organwalter (RIS-Justiz RS0008802). Fragen der Auslegung eines gerichtlichen Beschlusses entziehen sich im Allgemeinen generellen Aussagen; ihnen kann daher keine Bedeutung als erhebliche Rechtsfrage zukommen, sofern nicht eine krasse Fehlbeurteilung zu erkennen ist (3 Ob 156/13g; vgl RIS-Justiz RS0118891). Auf die Absicht der Beteiligten des Aufteilungsverfahrens kommt es daher nicht an.
Das Auslegungsergebnis der Vorinstanzen, der Klägerin sei ein obligatorisches Wohnrecht (wie es nach herrschender Ansicht anerkannt ist: vgl nur RIS-Justiz RS0011659; RS0011840;
Memmer in Kletečka/Schauer , ABGB-ON 1.02 § 521 ABGB Rz 6; § 2 Abs 1 MRG) eingeräumt worden, ist nicht zu beanstanden.
1.2. Die Klägerin versucht in ihrer Revision, das zugesprochene Nutzungsrecht an der früheren Ehewohnung als einen entgeltlichen Mietvertrag zwischen der Bau-GmbH und ihr zu deuten, der sowohl dem MRG als auch den Beschränkungen des § 88 Abs 2 EheG unterliege und nach § 23 IO nicht aufgelöst worden sei.
Dazu genügt der Hinweis, dass sie in erster Instanz die Qualifikation des Nutzungsrechts als Bestandrecht ausdrücklich ausschloss (ON 11 S 3) und die Feststellung des Fortbestands eines Bestandvertrags auch nicht zum Gegenstand ihres Begehrens machte; das gilt auch für die weitere Rechtsansicht, sie könne die Feststellung begehren, dass sie als Hauptmieterin anerkannt werde.
Schließlich ist die Bezugnahme auf § 23 IO nicht nachvollziehbar, beschäftigt sich diese Bestimmung doch mit dem Bestandnehmerkonkurs.
1.3. Der Erstbeklagte wurde nicht Partei des durch gerichtliche Entscheidung begründeten Rechtsverhältnisses, sondern nur die Klägerin und die Bau-GmbH als bloß obligatorisch Berechtigte und Verpflichtete. Die vom Erstbeklagten gegenüber der Klägerin schon davor im Rahmen eines Unterhaltsvergleichs übernommene Verpflichtung zur Tragung sämtlicher Betriebs- und Instandhaltungskosten der von der Klägerin und deren Kindern bewohnten Ehewohnung ändert daran nichts, weil sie unabhängig von dem nunmehr strittigen Nutzungsrecht der Klägerin eingegangen wurde. Auch der Umstand, dass die Bau-GmbH den Erstbeklagten wegen der Nutzung der Wohnung durch die Klägerin mit einem Sachbezug belastete, nimmt keinen Einfluss auf das zwischen der Klägerin und der Bau-GmbH ausdrücklich als unentgeltlich angeordnete Rechtsverhältnis.
1.4. Zum ‑ auch gegenüber dem Zweitbeklagten zulässigen (vgl RIS-Justiz RS0065442) ‑ Hauptfeststellungs-begehren hat schon das Erstgericht zutreffend auf die ständige Rechtsprechung verwiesen, wonach ein nicht verbüchertes, wenn auch nach der Vereinbarung als dinglich verstandenes Wohnrecht § 14 IO unterliegt und mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens unwirksam wird (7 Ob 6/99d; RIS-Justiz RS0115899), sodass der aus dem (nur obligatorisch wirkenden) Wohnrecht Berechtigte darauf beschränkt ist, einen Geldanspruch gemäß § 14 Abs 1 IO im Insolvenzverfahren geltend zu machen (1 Ob 31/12h). Dagegen trägt die Revision nichts Substantielles vor, weil sie von einem Bestandvertrag ausgeht. Das obligatorische Wohnrecht ist somit jedenfalls seit dem 23. April 2014 gegenüber den Insolvenzgläubigern unwirksam.
1.5. Ein bloß obligatorisches Wohnrecht ist nicht schon dann gegenüber dem Einzelrechtsnachfolger (hier: der Drittbeklagte) wirksam, wenn er von diesem Recht wusste; der Einzelrechtsnachfolger tritt vielmehr in das obligatorische Schuldverhältnis nur im Wege der Vertragsübernahme ein. Eine im Gesetz angeordnete Vertragsübernahme eines Dauerschuldverhältnisses enthält nur § 1120 ABGB (RIS‑Justiz RS0011871 [T10]), der ausschließlich auf „echte“ Mietverträge anzuwenden ist (9 Ob 93/99p; 1 Ob 132/08f; RIS-Justiz RS0021161).
1.6. Das vom Berufungsgericht erzielte Ergebnis, (schon bei Klageeinbringung) habe das Wohnrecht gegenüber keinem der Beklagten (mehr) bestanden, trifft somit zu. Schon deshalb konnte dem Hauptbegehren kein Erfolg beschieden sein.
2. Zum Rekurs:
Der Rekurs ist nicht berechtigt.
Mit ihrem Eventualbegehren macht die Klägerin ‑ trotz der ohnehin erfolgten betraglichen, bestrittenen Anmeldung gemäß §§ 14 und 16 IO (vgl RIS‑Justiz RS0124734) ‑ die Haftung (auch) des Zweitbeklagten für künftige, aus der Unwirksamkeit des Wohnrechts in der Insolvenz resultierende Schäden im Sinn eines „gewöhnlichen“ Feststellungsbegehrens gemäß § 228 ZPO geltend, ohne dass diese auf die Feststellung des Bestands einer Insolvenzforderung in bestimmter Höhe gerichtet ist (vgl § 110 IO).
Die zweite Instanz verneinte die Zulässigkeit dieses Feststellungsbegehrens zutreffend: Eine Klage auf Feststellung iSv § 228 ZPO, dass die allgemeine Masse für zukünftige Schäden hafte, ist unzulässig (RIS-Justiz RS0128127). Diese Unzulässigkeit des Begehrens, auf dem die Klägerin auch noch im Rekurs beharrt, hätte durch die von ihr dort verlangte „Überweisung der Rechtssache an das zuständige Konkursgericht (§§ 44 ff JN)“ auch nicht beseitigt werden können, sodass schon deshalb nicht weiter darauf einzugehen ist.
Da im Rekurs eine allfällige Verletzung von Anleitungs- oder Erörterungspflichten des Berufungsgerichts nicht geltend gemacht wird, erübrigen sich auch weitere Überlegungen in diese Richtung.
3. Zur Kostenentscheidung:
3.1. Am Revisionsverfahren sind alle drei Beklagten beteiligt. Die zweit- und drittbeklagten Parteien haben in ihren Rechtsmittelbeantwortungen auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen (RIS‑Justiz RS0035979 [T16]), der Erstbeklagte hingegen nicht (RIS‑Justiz RS0035979; RS0035962).
3.2. Am Rekursverfahren ist nur der Zweitbeklagte beteiligt und blieb darin erfolgreich (§§ 41, 50 ZPO).
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