European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0020OB00243.22G.0117.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Erbrecht und Verlassenschaftsverfahren
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Der Ersterbansprecher hat die Kosten der Revisionsrekursbeantwortung selbst zu tragen.
Begründung:
[1] Der am * 2011 verstorbene Erblasser war japanischer Staatsbürger und Eigentümer einer Eigentumswohnung in Wien, des einzigen inländischen Vermögens im Nachlass des Verstorbenen mit dem im Verlassenschaftsverfahren unstrittigen Wert von 26.000 EUR.
[2] Der Erblasser hinterließ seine Ehefrau, zwei leibliche Kinder (Dritt‑ und Vierterbansprecher) und eine Adoptivtochter (Zweiterbansprecherin). Die erbliche Witwe ist nach Abgabe einer unbedingten Erbantrittserklärung verstorben und hinterlässt den Ersterbansprecher als alleinigen gesetzlichen Erben. In seinem notariellen (in Japan errichteten) Testament vom 1. 4. 2009 führte der Erblasser seine in Japan belegenen Liegenschaften (Punkte 1. bis 6.), Spareinlagen und Kredite bei namentlich angeführten japanischen Banken (Punkte 7. bis 9.), sowie „alle Spareinlagen und Kredite in anderen Geldinstituten als 7. bis 9.“ (Punkt 10.) und „das gesamte sonstige Vermögen einschließlich Bargeld außer 1. bis 10.“ (Punkt 11.) an. Er nahm eine Verteilung des Vermögens dahin vor, dass den beiden leiblichen Kindern jeweils ein bestimmter Geldbetrag nach Auflösung der in den Punkten 7. bis 10. angeführten Vermögenswerten zugeteilt wurde. Das von der Ehefrau zu erbende Vermögen umfasst nach dem Testament die Punkte 1. bis 6. und 11., sowie das Vermögen der Punkte 7. bis 10. abzüglich des von den Kindern zu erbenden Vermögens. Hinsichtlich der Adoptivtochter verfügte der Erblasser, dass diese überhaupt nichts erben soll.
[3] Der Ersterbansprecher gab (erkennbar zum gesamten im Inland abzuhandelnden Nachlass) die unbedingte Erbantrittserklärung aus dem Titel des Testaments vom 1. 4. 2009 ab; hilfsweise stützte er sich auf die gesetzliche Erbfolge.
[4] Die Zweit‑ bis Vierterbansprecher gaben eine (auf das japanische Recht gestützte) unbedingte Erbantrittserklärung ab und beantragten, ihr Erbrecht je zu einem Drittel festzustellen, hilfsweise die Feststellung ihres Erbrechts zu je einem Sechstel und die Feststellung des Erbrechts des Ersterbansprechers zur Hälfte.
[5] Die Vorinstanzen stellten das Erbrecht des Ersterbansprechers aufgrund des Testaments vom 1. 4. 2009 zum im Inland gelegenen unbeweglichen Vermögen des Erblassers fest. Sie gingen davon aus, dass die Liegenschaft in Österreich von einer Teilungsanordnung im Testament erfasst sei, wonach die Liegenschaft in Österreich der Witwe zugeteilt worden sei. Daher sei das Erbrecht des Ersterbansprechers als ihres Rechtsnachfolgers festzustellen.
[6] Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs mangels Rechtsprechung zu den hier relevanten Fragen des japanischen Rechts zulässig sei.
[7] Mit ihrem Revisionsrekurs streben die Zweit‑ bis Vierterbansprecher die Feststellung ihres Erbrechts im Sinn ihres oben referierten Antrags an. Die Erbantrittserklärung des Ersterbansprechers möge zurück‑ bzw abgewiesen werden. Das Rechtsmittel stellt eine Teilungsanordnung im Testament ebenso wenig in Abrede wie den Umstand, dass der Ersterbansprecher als alleiniger gesetzlicher Erbe in die Rechtsposition der Witwe trat und auch nicht, dass die kollisionsrechtlichen Fragen nach dem IPRG zu klären sind (vgl Art 83 Abs 1 EuErbVO).
[8] Der Ersterbansprecher beantragt, den „Beschluss des Erstgerichts“ zu bestätigen.
Rechtliche Beurteilung
[9] 1. Der Revisionsrekurs ist ungeachtet des – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (RS0107859) – Zulassungsausspruchs des Rekursgerichts in Ermangelung von erheblichen Rechtsfragen nicht zulässig.
[10] 2. Das Fehlen von Rechtsprechung durch den Obersten Gerichtshof zum japanischen Erbrecht kann schon deshalb keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO darstellen, weil dem Obersten Gerichtshof insoweit keine Leitfunktion zukommt (RS0126988; RS0042940; 7 Ob 218/06v ua).
[11] 3. Eine für die Zulässigkeit erforderliche grobe Fehlbeurteilung des fremden Rechts (vgl RS0042948 [T3, T4]; RS0113594; RS0042940 [T9]) wird im Rechtsmittel weder mit dem Hinweis aufgezeigt, dass die „streitgegenständliche Liegenschaft“ gar nicht vom Testament erfasst sei noch mit dem Argument, dass die gesetzliche Erbfolge nach japanischem Recht nicht abänderbar sei.
[12] 4. Ob die Teilungsanordnung im Testament vom 1. 4. 2009 auch das österreichische Vermögen betraf, ist durch Auslegung zu ermitteln, die sich wegen § 28 Abs 1 IPRG nach japanischem Recht richtet (vgl 5 Ob 502/89; 7 Ob 610/92; 2 Ob 26/01i). Das Ergebnis der Vorinstanzen findet (schon wegen der vom Erblasser gewählten Auffangklausel) jedenfalls Deckung in den Auslegungsregeln des japanischen Erbrechts, wonach bei Auslegung von Testamenten der wirkliche Wille des Erblassers maßgeblich ist (Nagata-Vogelsang in Burandt/Rojahn, Erbrecht4 – Länderbericht Japan [2022] Rz 56 mit Hinweisen auf die japanische Rsp) und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks gehaftet werden soll (Sato in Ferid/Firsching/Hausmann, Internationales Erbrecht, Japan Rz 100).
[13] 5. Auch die Argumente, dass die Erbenstellung nach japanischem Recht unabänderlich sei, eine Erbteilungsanordnung diese nicht ändern könne und die Vorinstanzen mit der Feststellung des Erbrechts des Ersterbansprechers ihre Zuständigkeiten überschritten hätten, können die Zulässigkeit des Rechtsmittels nicht stützen. Die von den Vorinstanzen vorgenommene Feststellung des Erbrechts ist im engen Zusammenhang mit der von der Teilungsanordnung betroffenen Liegenschaft in Österreich zu sehen und reicht darüber nicht hinaus. Das korrespondiert mit dem Grundsatz, dass sich die Zuständigkeit der österreichischen Abhandlungspflege im Sinn des hier noch (in der Fassung vor dem ErbRÄG 2015) anzuwendenden § 106 Abs 1 Z 1 JN aF nur auf das in Österreich gelegene Vermögen erstreckt (RS0007308; RS0007372). Damit erfolgte (hinsichtlich des sonstigen Nachlassvermögens) auch keine Entscheidung über die Erbenstellung.
[14] 6. Der Revisionsrekurs ist somit ungeachtet seiner Zulassung durch das Rekursgericht zurückzuweisen.
[15] 7. Der Ersterbansprecher hat auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels nicht hingewiesen, daher hat er die Kosten seiner Rechtsmittelbeantwortung selbst zu tragen (RS0035962 [T21]; RS0035979 [T7]).
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