OGH 7Ob218/06v

OGH7Ob218/06v27.9.2006

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber als Vorsitzende sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H*****, vertreten durch Dr. Georg Maxwald und Dr. Georg Bauer, Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagte Partei U*****, vertreten durch Dr. Günther Klepp und andere Rechtsanwälte in Linz, wegen EUR 17.462,67 sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 26. Juni 2006, GZ 6 R 30/06h-15, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Linz vom 18. November 2005, GZ 2 Cg 244/04m-11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision der klagenden Partei wird zurückgewiesen. Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei zu Handen ihrer Vertreter binnen 14 Tagen die mit EUR 1.000,98 (hierin enthalten EUR 166,83 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

Text

Begründung

Der Versicherungsnehmer der Beklagten, Franz M*****, schloss mit dieser einen Vollkaskoversicherungsvertrag für seinen PKW ab, bezahlte jedoch nicht die Erstprämie fristgerecht ein. Nach einem Unfall mit dem Fahrzeug ließ er es in die Werkstätte der Klägerin zur Reparatur schleppen und verwies die Bedienstete der dortigen Reparaturannahme an den „Direktor" Hans-Jörg H***** der Beklagten. Dieser beantwortete deren Anruf mit der Frage nach Prämiendeckung und Selbstbehalt mit den Worten „dies geht in Ordnung, Deckung besteht und der Selbstbehalt beträgt EUR 300,--". Daraufhin wurde mit der Reparatur begonnen. Tatsächlich war H*****, der auch eine Besichtigung des Schadens durch einen Sachverständigen veranlasste, als bloßer Außendienstmitarbeiter nicht befugt, derartige Deckungszusagen abzugeben. Weil er jedoch in der Vergangenheit gegenüber der Klägerin bereits mehrfach solche abgegeben hatte und diese immer in Ordnung waren, wurde er als vertrauenswürdig eingestuft und seine Kompetenz von der Klägerin nicht näher hinterfragt. Nach Durchführung der Reparatur wurde das Fahrzeug an M***** ausgefolgt. Erst drei Monate später teilte H***** dem Geschäftsführer der Klägerin telefonisch mit, dass es ihm „leid tue", aber keine Deckung bestehe. Die Beklagte brauchte „aus organisatorischen Gründen" solange, um die Klägerin, aber auch den Versicherungsnehmer in Kenntnis zu setzen, zumal seitens der Beklagten (zunächst) im Raum stand, ihrem Versicherungsnehmer als Großkunden im Rahmen einer so genannten Qualitätspartnerschaft trotz nicht fristgerechter Prämienzahlung ausnahmsweise Deckung zu gewähren. Erst nach dieser Deckungsablehnung erhob die Klägerin gegen Franz M***** eine Mahnklage über die Reparaturkosten in Höhe von (brutto) EUR 21.315,20 sA, worüber ein rechtskräftiger Zahlungsbefehl erging; eine Exekutionsführung gegen M***** blieb jedoch erfolglos. Nunmehr begehrt die Klägerin die Verurteilung der Beklagten zur Bezahlung der Nettoreparaturkosten in Höhe von (außer Streit stehend) EUR 17.462,67 (abzüglich Selbstbehalt) sA. Diese schulde den Betrag auf Grund der abgegebenen Deckungszusage (konstitutives Anerkenntnis); weiters auf Grund einer Abtretung der Ansprüche des Franz M***** aus dem mit der Beklagten abgeschlossenen Versicherungsvertrag an die Klägerin; weiters aus dem Rechtsgrund des Schadenersatzes, weil die Beklagte durch die Erklärung, der Schadensfall sei gedeckt, den Eindruck hervorgerufen und aufrecht erhalten habe, dass die Reparaturkosten gedeckt seien und sie die Klägerin veranlasst habe, die Reparatur durchzuführen und das Fahrzeug nach erfolgter Reparatur an M***** herauszugeben. Die Beklagte habe es als Organisationsverschulden zu vertreten, dass sie mehr als drei Monate zur Abklärung der Deckung benötigt habe; schließlich aus dem Versicherungsvertrag als Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter, nämlich zu Gunsten des von Franz M***** beauftragten und der Beklagten bekannt gegebenen Reparaturunternehmens, also der Klägerin.

Beide Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren ab. Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, „da dem Berufungsgericht zur in der ... BGH-Judikatur bereits erörterten Frage, welchen Gehalt ein vertraglicher Anspruch des Geschädigten haben muss, damit ihm ein Schutzbedürfnis aus einem Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter versagt werden kann, höchstgerichtliche Judikatur nicht vorliegt."

Die auf den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte Revision der klagenden Partei mit dem Antrag, die bekämpfte Entscheidung im Sinne eine Klagestattgebung abzuändern (hilfsweise wird auch ein Aufhebungsantrag gestellt), ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof gemäß § 508a Abs 1 ZPO nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichtes nicht zulässig; gemäß § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO kann sich der Oberste Gerichtshof im Falle der Zurückweisung einer ordentlichen Revision auf die Wiedergabe der Zurückweisungsgründe beschränken.

Rechtliche Beurteilung

Zunächst ist vorauszuschicken, dass das Fehlen von Rechtsprechung durch den Obersten Gerichtshof gegenüber einer von einem ausländischen Höchstgericht vertretenen Rechtslösung grundsätzlich schon deshalb keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO darstellen kann, weil dem Obersten Gerichtshof insoweit keine Leitfunktion zukommt (7 Ob 183/00p; RIS-Justiz RS0042940). Da sich auch in der Revision - so wie schon im Berufungsverfahren - die Rechtsausführungen der Rechtsmittelwerberin ausschließlich auf den Rechtsgrund ihrer Einbeziehung in einen Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter (nämlich den zwischen M***** und der Beklagten geschlossenen, jedoch wegen Erstprämienverzuges nicht erfüllten Kaskoversicherungsvertrag) beschränken, ist weiters voranzustellen, dass dadurch der sonst geltende Grundsatz, dass bei gesetzmäßig ausgeführter Rechtsrüge die rechtliche Beurteilung allseitig zu überprüfen ist (RIS-Justiz RS0043352), eine Ausnahme und Einschränkung erfährt; insoweit ist nämlich ein Rechtsmittelgericht an eine solche Beschränkung der Klagegründe (oder auch Einwendungen) gebunden (RIS-Justiz RS0041570; zuletzt 8 ObA 21/06f; Zechner in Fasching/Konecny, ZPO2 Rz 190 zu § 503 mwN). Auf die (nur) in erster Instanz relevierten und zuvor bereits wiedergegebenen sonstigen Rechtsgründe ist daher nicht weiter einzugehen.

Um als einem Vertragsverhältnis Außenstehender in den Genuss von Schutzwirkungen als Dritter zu kommen, dürfen zunächst keine unmittelbaren Leistungspflichten zu Gunsten dieses Dritten seitens der eigentlichen Vertragspartner bestehen; darüber hinaus treffen solche Schutzpflichten den Schuldner nur gegenüber Personen, die der Erfüllung nahe stehen, durch sie besonders gefährdet werden und der Interessenssphäre eines Partners angehören. Ein Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter wird jedoch nicht angenommen, wenn der Dritte gegen einen der beiden Vertragspartner einen deckungsgleichen Anspruch aus einem von ihm selbst geschlossenen, also eigenem Vertrag hat (Koziol-Welser II12 135; Reischauer in Rummel, ABGB2 Rz 30 zu § 1295; Harrer in Schwimann, ABGB3 Rz 108 zu § 1295; RIS-Justiz RS0022814; 7 Ob 245/02h). Der aus einem Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter erwachsende eigene Schadenersatzanspruch kann demgemäß nie weiter reichen als ein eigener vertraglicher Schadenersatzanspruch des Gläubigers (RIS-Justiz RS0013961) - wovon hier zudem betraglich nicht auszugehen ist. Dies Rechtsfigur wurde entwickelt, um einem Geschädigten, dem sonst nur deliktische Ansprüche zustünden, auch Ersatzansprüche wegen Verletzung einer rechtlichen Sonderverbindung zu verschaffen (7 Ob 672/89 = SZ 62/173).

Letztere Fallkonstellation liegt hier aber nicht vor: Zwischen der klagenden Partei und Franz M***** war ein Werkvertrag zur Reparatur seines beschädigten PKWs geschlossen worden, woraus die Klägerin auf Grund dieser Vertragsbeziehung (also ex contractu) ihre Ansprüche gegen den Genannten zwischenzeitlich durch Erwirkung eines rechtskräftigen Zahlungsbefehles und damit Exekutionstitels durchsetzen, allerdings nicht befriedigend effektuieren konnte. Allein dieses wirtschaftliche Risiko auf die Beklagte zu überwälzen, vermag ihr nicht - auch nicht mit dem in der Revision mehrfach gebrauchten Argument der „Unbilligkeit" - die Einbeziehung in einen aus fremdem Vertrag geschützten Personenkreis zu verschaffen. Das Revisionsargument, dass vorliegender Sachverhalt Schutzwirkungsansprüche auslöse, andernfalls die Klägerin „ausschließlich auf deliktische Ansprüche nach § 1315 ABGB" gegenüber der Beklagten angewiesen wäre, ist in diesem Zusammenhang unberechtigt. Schließlich braucht auch das im Rechtsmittel verbreiterte „dreipersonale Verhältnis" zwischen M*****, Versicherung und der Klägerin nicht weiter vertiefend behandelt zu werden. Ob die Klägerin unter Umständen deliktische Schadenersatzansprüche gegenüber dem zu Deckungszusagen generell und wegen des ihm bekannten Prämienverzuges auch insbesondere in casu nicht befugten Außendienstmitarbeiter erheben kann, ist nicht Gegenstand dieses Verfahrens.

Zufolge Vorliegens ausreichender oberstgerichtlicher Rechtsprechung samt einschlägiger Haftpflichtliteratur, woran sich auch das Berufungsgericht ausgerichtet hat, ist die Revision der klagenden Partei sohin mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage gemäß § 502 Abs 1 ZPO als unzulässig zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Die beklagte Partei hat auf die Unzulässigketi des gegnerischen Rechtsmittels ausdrücklich hingewiesen.

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