European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0020OB00238.23Y.0123.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Klauselentscheidungen
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 2.639,40 EUR (darin enthalten 439,90 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
[1] Der Kläger ist ein gemäß § 29 Abs 1 KSchG zur Unterlassungsklage berechtigter Verband. Die beklagte Bank tritt als Unternehmerin regelmäßig in Österreich mit Verbrauchern im Sinn des § 1 KSchG in rechtsgeschäftlichen Kontakt, dem sie ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen zugrunde legt. Diese weisen unter dem Punkt „Konditionen“ ua folgenden Inhalt auf:
„Einmalige Bearbeitungsgebühr von 4,000% des Kreditbetrags, die dem Kreditkonto angelastet wird (Klausel 1).
Erhebungsspesen in Höhe von € 75,00 (Klausel 2a), Überweisungsspesen in Höhe von € 15,00 (Klausel 2b) und Kosten für Porto und Drucksorten in Höhe von € 25,00 (Klausel 2c), die vom Kreditauszahlungsbetrag abgezogen werden.
Kontoführungsgebühr: € 7,00 pro Quartal (Klausel 3)“
[2] Der Kläger begehrt – gestützt auf § 28 KSchG in Verbindung mit §§ 864a, 879 Abs 3 ABGB und § 6 Abs 3 KSchG – der Beklagten zu verbieten, im geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern in Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder von ihr verwendeten Vertragsformblättern die genannten Klauseln zu verwenden oder sich darauf zu berufen. Zudem erhob er ein Begehren auf Urteilsveröffentlichung.
[3] Das Erstgericht gab dem Klagebegehren vollinhaltlich statt und setzte – für das Verbot sowohl des Sich-Berufens als auch des Verwendens – eine Leistungsfrist von vier Monaten.
[4] Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung mit Ausnahme der Klausel 3 (Kontoführungsgebühr), die es – vom Kläger unangefochten – für zulässig hielt. Es ging im Zusammenhang mit der Bearbeitungsgebühr davon aus, dass diese entgegen der bisherigen Rechtsprechung (6 Ob 13/16d; RS0130662) in Anlehnung an 4 Ob 59/22p keine kontrollfreie Hauptleistung (mehr) darstelle und gröblich benachteiligend sei, weil sie in keiner Relation zum Bearbeitungsaufwand stehe und Tätigkeiten abgelte, die für den Vertragsabschluss ohnehin zwingend erforderlich seien. Die – einen jeweils selbstständigen Regelungsbereich betreffende – Vereinbarung von Erhebungsspesen, Überweisungsspesen und Kosten für Porto und Drucksorten sei intransparent, weil nicht klar sei, ob nur eine einmalige oder auch mehrfache Verrechnung in Betracht komme. Die vom Erstgericht festgesetzte Leistungsfrist von vier Monaten sei angemessen. Die ordentliche Revision ließ das Berufungsgericht zu, um zu klären, ob mit der Entscheidung 4 Ob 59/22p tatsächlich eine Abkehr von der Entscheidung 6 Ob 13/16d zur Frage der Zulässigkeit von Bearbeitungsgebühren bei Bankkrediten erfolgt sei.
Rechtliche Beurteilung
[5] Die Revision der Beklagten ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.
1. Kreditbearbeitungsgebühr (Klausel 1) – § 879 Abs 3 ABGB
[6] 1.1 Der EuGH (C-565/21 , Caixabank SA III) betont auch im Zusammenhang mit der Vereinbarung von Bearbeitungsentgelten – unabhängig davon, ob diese als Haupt- oder bloße Nebenleistung zu qualifizieren sind (vgl Rn 28 unter Hinweis darauf, dass Art 4 Abs 2 und Art 5 der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen gleiche Regelungen treffen) – das Transparenzerfordernis.
[7] Zwar sei der Darlehensgeber nicht verpflichtet, in dem betreffenden Vertrag ausführliche Angaben zur Art aller Dienstleistungen zu machen, die als Gegenleistung für ein in einer oder mehreren Vertragsklauseln vorgesehenes Entgelt erbracht werden. Im Hinblick auf den Schutz, den die Richtlinie 93/13/EWG dem Verbraucher deshalb gewähren soll, weil er sich gegenüber dem Gewerbetreibenden in einer schwächeren Verhandlungsposition befindet und einen geringeren Informationsstand besitzt, sei es jedoch wichtig, dass die Art der tatsächlich erbrachten Dienstleistungen anhand des Vertrags als Ganzes angemessen verstanden oder daraus abgeleitet werden könne. Darüber hinaus müsse der Verbraucher in der Lage sein, zu überprüfen, ob sich verschiedene Entgelte oder damit vergütete Dienstleistungen nicht überschneiden (Rn 32).
[8] Der Begriff der Kreditbearbeitungsgebühr ist zwar für sich genommen ausreichend transparent, weil der Kreditnehmer schon aufgrund der Bezeichnung versteht, dass er die Gebühr für die Tätigkeit und den Aufwand bei der Bearbeitung und Bereitstellung des Kredits bezahlt (6 Ob 13/16d Pkt 7.3.; vgl auch Perner/Spitzer, Zulässigkeit [?] von Kreditbearbeitungsentgelten, ÖBA 2023, 779 [783]). Wird nur eine Kreditbearbeitungsgebühr vereinbart, kommen auch (intransparente) Überschneidungen nicht in Betracht.
[9] Um eine Überprüfung zu ermöglichen, ob sich Entgelte oder die damit vergüteten Dienstleistungen überschneiden, ist es aber erforderlich, dass der Verbraucher gemessen am gesamten Vertrag versteht, welche Leistung welchem Entgelt zugeordnet ist. Dies erfordert zwar nicht die Auflistung der jeweiligen Einzelleistungen. Allerdings muss zumindest die jeweilige Leistungskategorie (Art der tatsächlich erbrachten Dienstleistung) in Bezug auf das jeweilige Entgelt nachvollziehbar und somit voneinander abgrenzbar sein. Ist dies nicht der Fall, liegt Intransparenz vor.
[10] Die vom Kläger beanstandeten Klauseln verpflichten den Verbraucher nicht nur zur Zahlung einer Kreditbearbeitungsgebühr, sondern sehen auch weitere Entgelte in Form von Erhebungs- und Überweisungsspesen sowie Kosten für Drucksorten und Porto vor. Auch wenn man aus den Begriffen Erhebungsspesen, Überweisungsspesen und Kosten für Porto und Drucksorten die Art der verrechneten Leistung bzw des Aufwands gemessen am Vertrag (noch) ableiten kann, wird im Hinblick darauf, dass diese Leistungen – auch nach dem Vorbringen der Beklagten – typischerweise bei Kreditaufnahme anfallen, unklar, welche konkrete, darüberhinausgehende Leistungs- bzw Aufwandskategorie dann noch mit der Bearbeitungsgebühr abgegolten werden soll. Diese dient nämlich ebenso (pauschal) der Abgeltung der Tätigkeit und des Aufwands bei der Bearbeitung und Bereitstellung des Kredits und würde daher grundsätzlich auch die mit den Zusatzentgelten verrechneten Leistungen abdecken. Inwieweit es daher zu Überschneidungen oder Doppelverrechnungen zwischen der Kreditbearbeitungsgebühr und den weiteren Entgelten kommt, lässt sich für Verbraucher nicht mehr ausreichend klar überprüfen.
[11] Am Vertrag als Ganzes gemessen erweist sich daher die vereinbarte Bearbeitungsgebühr mangels Überprüfbarkeit von Überschneidungen mit den übrigen Entgelten als intransparent.
[12] 1.2 Damit kommt es aber auf die Einordnung der Bearbeitungsgebühr als der Kontrolle des § 879 Abs 3 ABGB entzogene Haupt- oder kontrollunterworfene Nebenleistungspflicht, nicht entscheidend an, sodass insoweit schon mangels Präjudizialität keine Rechtsfrage der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO vorliegt (RS0088931).
2. Erhebungsspesen (Klausel 2a), Überweisungsspesen (Klausel 2b), Kosten für Porto und Drucksorten (Klausel 2c)
[13] 2.1 Im Verbandsprozess sind Klauseln im „kundenfeindlichsten“ Sinn auszulegen (RS0016590; RS0038205 [T11]). Das Transparenzgebot umfasst ein Gebot der Erkennbarkeit, Verständlichkeit, Bestimmtheit, Differenzierung, Richtigkeit und Vollständigkeit (RS0115219 [T12]). Die Pflicht zur Vollständigkeit wird dann verletzt, wenn die Auswirkungen einer Klausel für den Kunden unklar bleiben (RS0115219). Ziel des Transparenzgebots ist es, eine durchschaubare, möglichst klare und verständliche Formulierung Allgemeiner Vertragsbestimmungen sicherzustellen (RS0115219 [T9, T21]).
[14] 2.2 Wenn das Berufungsgericht die – einen jeweils materiell eigenständigen Regelungsbereich aufweisenden und daher selbstständigen (RS0121187 [T1]) – Klauseln deshalb als intransparent beurteilt hat, weil unklar bleibt, wie oft die Spesen verrechnet würden, ist dies nach obigen Grundsätzen zumindest vertretbar. Mag die Bezugnahme auf den Abzug vom Kreditauszahlungsbetrag zwar eine einmalige Verrechnung nahe legen, ist eine mehrfache Verrechnung nicht ausgeschlossen, weil derartige Spesen auch nach Kreditvertragsabschluss noch auflaufen können und anders als bei der Bearbeitungsgebühr gerade nicht auf die Einmaligkeit hingewiesen wird.
3. Leistungsfrist
[15] 3.1 Auch bei Unterlassungsklagen ist nach § 409 Abs 2 ZPO eine angemessene Leistungsfrist zu bestimmen, wenn die Unterlassung die Pflicht zur Änderung eines Zustands einschließt (RS0041265 [T2, T3]). Bei Festlegung der Leistungsfrist ist zu berücksichtigen, ob die Umsetzung des Unterlassungsgebots aktiver Vorkehrungen wie bestimmter betrieblicher und/oder organisatorischer Maßnahmen bedarf (vgl RS0041265 [T12]). Bedarf es einer Leistungsfrist für die Unterlassung des Sich-Berufens auf unzulässige Klauseln, wird darauf Bedacht zu nehmen sein, dass der Unternehmer seine Rechtsposition aus den rechtswidrigen Klauseln keinesfalls ohne Notwendigkeit aufrechterhalten können soll, was im Zweifel für eine knappere Bemessung der Frist sprechen wird (RS0041265 [T13]). Die Länge der Leistungsfrist ist einzelfallbezogen zu beurteilen (RS0041265 [T8]).
[16] Wenn die Vorinstanzen eine Frist von vier Monaten als angemessen erachtet haben, stellt dies schon deshalb keine aufzugreifende Fehlbeurteilung dar, weil die Beklagte gar nicht nachvollziehbar darlegt, dass die betrieblich notwendigen Umstellungen nicht auch innerhalb von vier Monaten durchgeführt werden können.
4 Urteilsveröffentlichung
[17] 4.1 Zweck der Urteilsveröffentlichung im Verbandsprozess ist es, über die Rechtsverletzung aufzuklären und den beteiligten Verkehrskreisen Gelegenheit zu geben, sich entsprechend zu informieren, um vor Nachteilen geschützt zu sein. Eine bloße mediale Berichterstattung oder die Bereitstellung einschlägiger Informationen auf einer Website der Verfahrensparteien wird dem Bedürfnis der Öffentlichkeit nach Aufklärung über die Verwendung bestimmter gesetzwidriger Vertragsbestandteile nicht gerecht (zuletzt 8 Ob 171/22p Rz 22 mwN). In der Regel ist die Urteilsveröffentlichung in einem solchen Umfang zuzusprechen, dass die Verkehrskreise, denen gegenüber die Rechtsverletzung wirksam geworden ist, über den wahren Sachverhalt bzw den Gesetzesverstoß aufgeklärt werden (RS0121963 [T9]).
[18] Auch die Beklagte räumt in ihrer Revision ein, ihre Geschäftstätigkeit nur überwiegend, aber nicht ausschließlich auf Wien und Niederösterreich zu beschränken. Dies entspricht der von ihr ausdrücklich außer Streit gestellten Behauptung des Klägers, sie werde bundesweit mit Schwerpunkt Wien tätig.
[19] Wenn die Vorinstanzen daher eine Urteilsveröffentlichung in einer bundesweiten Ausgabe der Samstags-Ausgabe der auflagenstärksten österreichweit vertriebenen Zeitung angeordnet und eine Veröffentlichung nur auf der Website der Beklagten oder im Rechtsinformationssystem als nicht dem Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit entsprechend erachtet haben, ist dies jedenfalls vertretbar.
5. Gegenveröffentlichungsbegehren
[20] 5.1 Die Urteilsveröffentlichung im Falle der (teilweisen) Abweisung des Unterlassungsbegehrens beruht auf dem Gedanken, dem zu Unrecht Verdächtigten die Möglichkeit einer Information der Öffentlichkeit zu bieten (RS0079624). Eine Veröffentlichung des klagsabweisenden Teils („Gegenveröffentlichung“), die die Beklagte hier begehrt, ist an strengere Voraussetzungen geknüpft als die Urteilsveröffentlichung zugunsten des obsiegenden Klägers (RS0079624 [T14]). Ein berechtigtes Interesse des teilweise obsiegenden Beklagten an der Urteilsveröffentlichung ist dann gegeben, wenn der Rechtsstreit eine gewisse Publizität erlangt hat (RS0079511), etwa wenn das Infragestellen von Klauseln einem breiten Publikum bekannt geworden ist oder die Entscheidung in einem öffentlich ausgetragenen Meinungsstreit von allgemeinem Interesse ist (RS0079624 [T8]). Ein Veröffentlichungsanspruch des Beklagten kann auch bei teilweisem Obsiegen des Klägers dann zu bejahen sein, wenn durch die Veröffentlichung lediglich des stattgebenden Teils des Urteils in der Öffentlichkeit der falsche Eindruck entstehen sollte, dass der bekannt gewordene Rechtsstreit zur Gänze zugunsten des Klägers ausgegangen ist (RS0079511). Im Fall eines nur geringfügigen Obsiegens muss dem Beklagten aber nicht generell die gleiche Möglichkeit einer Information der Öffentlichkeit geboten werden, wie dem Kläger (RS0079624 [T9]). Auch hier gilt, dass der Frage, ob und in welchem Umfang eine Veröffentlichung des Urteils nach den Umständen des Falls zur Aufklärung des Publikums geboten ist, im Regelfall keine erhebliche Bedeutung zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung zukommt (9 Ob 81/21h Rz 52).
[21] Wenn die Vorinstanzen im Hinblick darauf, dass die Beklagte lediglich mit einer von mehreren Klauseln obsiegt hat, die – auch nach den Behauptungen der Revision anders als die Zulässigkeit von Kreditbearbeitungsgebühren – nicht im Mittelpunkt der öffentlichen Diskussion steht, ein berechtigtes Interesse an einer Gegenveröffentlichung verneint haben, ist dies nicht korrekturbedürftig.
[22] 6. Insgesamt gelingt es der Beklagten daher nicht, eine Rechtsfrage der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen.
[23] 7. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Der Kläger hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.
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