OGH 1Ob94/24s

OGH1Ob94/24s8.10.2024

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Musger als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Korn und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei W* GmbH, *, vertreten durch die Baker McKenzie Rechtsanwälte LLP & Co KG in Wien, gegen die beklagte Partei Republik Österreich (Bund), vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen 235.878,55 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 21. Februar 2024, GZ 13 R 159/23g‑15, mit welchem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 24. April 2023, GZ 66 Cg 153/22p‑9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0010OB00094.24S.1008.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 2.648,45 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

[1] Die Klägerin beantragte am 11. 5. 2021 Kurzarbeitsbeihilfe gemäß § 37b Arbeitsmarktservicegesetz (AMSG) für den Zeitraum 1. 4. 2021 bis 30. 6. 2021. Ihr Antrag (dem auch der Entwurf einer Sozialpartnervereinbarung nach § 37b Abs 1 Z 3 AMSG beigeschlossen war) wurde am 17. 5. 2021 im System des Arbeitsmarktservice (AMS) angelegt und am 18. 5. 2021 automatisch an eine elektronische Plattform übermittelt, auf welche die Sozialpartner (Wirtschaftskammer und Gewerkschaft) Zugriff hatten. Die Wirtschaftskammer Wien (deren Mitglied die Klägerin ist) hatte bereits mit Schreiben an das AMS vom 29. 3. 2021 ihre pauschale Zustimmung zu sämtlichen Sozialpartnervereinbarungen gemäß § 37b Abs 1 Z 3 AMSG erteilt. Am 28. 5. 2021 erklärte der Bundessekretär der für die Arbeitnehmer der Klägerin zuständigen (Teil-)Gewerkschaft dem AMS per E‑Mail einen vorläufigen „Genehmigungsstopp“ unter anderem zum „Projekt“ (also dem Förderbegehren) der Klägerin. Am 7. 7. 2021 lehnte die Gewerkschaft ihre Zustimmung zur Sozialpartnervereinbarung betreffend den Förderantrag der Klägerin endgültig ab. Das AMS bewilligte den Antrag der Klägerin daher nicht.

[2] Die Klägerin begehrt vom beklagten Rechtsträger die Zahlung der ihr vom AMS angeblich zu Unrecht verweigerten Kurzarbeitsbeihilfe. Die bei Beantragung der Förderung geltende Kurzarbeits-Richtlinie des AMS („KA‑RL“) habe die bindende Zustimmung der Sozialpartner zur gesetzlich erforderlichen Sozialpartnervereinbarung für den Fall „fingiert“, dass ein Sozialpartner innerhalb von 72 Stunden zu einem ihm zur Kenntnis gebrachten Förderantrag keine Stellungnahme abgebe. Da sich die Gewerkschaft zum Antrag der Klägerin nicht fristgerecht geäußert habe, sei ihre Zustimmung zur Sozialpartnervereinbarung bindend erfolgt. Dass sie erstmals nach Ablauf der genannten Äußerungsfrist erklärt habe, dieser Vereinbarung (doch) nicht zuzustimmen, sei für die Zuerkennung der Förderung irrelevant.

[3] Die Beklagte entgegnete, dass die Klägerin mangels Zustimmung der Gewerkschaft zur Sozialpartnervereinbarung keinen gesetzlichen Anspruch auf Kurzarbeitsbeihilfe gehabt habe. Die KA‑RL sei nur ein interner Arbeitsbehelf des AMS ohne normativen Charakter, aus dem die Klägerin keine Rechtsansprüche ableiten könne. Es sei dort keine bindende (also unabänderbare) Zustimmung der Sozialpartner „fingiert“ worden, vielmehr habe die von der Klägerin ins Treffen geführte Bestimmung dieser Richtlinie nur eine Arbeitserleichterung bei der Förderungsabwicklung bezweckt. Gesetzliche Mitwirkungsrechte der Sozialpartner seien dadurch nicht ausgeschlossen oder beschränkt worden.

[4] Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

[5] Die Gewährung der Kurzarbeitsbeihilfe setze eine Vereinbarung der Sozialpartner voraus, welche hier aber nicht zustande gekommen sei. Dem Förderansuchen der Klägerin sei daher zu Recht nicht entsprochen worden. Das AMS sei zwar an die KA‑RL gebunden. Die gesetzliche Voraussetzung einer Sozialpartnervereinbarung habe darin aber nicht wirksam „abbedungen“ werden können. Die in der KA‑RL vorgesehene Fiktion einer Zustimmung zur Sozialpartnervereinbarung könne daher nur so verstanden werden, dass zwar Förderansuchen, zu denen sich ein Sozialpartner nicht fristgerecht geäußert habe, ohne weiteres Abwarten einer solchen Äußerung bewilligt werden durften. Eine bis zur tatsächlichen Zuerkennung der Förderung erklärte Verweigerung der Zustimmung zu einer Sozialpartner-vereinbarung sei aber auch nach Ablauf der in der KA‑RL genannten Äußerungsfrist zu berücksichtigen gewesen.

[6] Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und ließ die ordentliche Revision zu.

[7] Die in der KA‑RL „fingierte“ Zustimmung zu einer Sozialpartnervereinbarung gelte schon nach dem Wortlaut dieser Richtlinie nicht ausnahmslos. Ihr Zweck sei bloß eine Vereinfachung und Beschleunigung der Entscheidungen über die Kurzarbeitsbeihilfe gewesen. Ein Ausschluss der Sozialpartner von ihrer gesetzlich vorgesehenen Mitwirkung bei der Kurzarbeitsförderung sei der KA‑RL nicht zu unterstellen und wäre auch nicht wirksam gewesen. Die von der Klägerin ins Treffen geführte Bestimmung der KA‑RL (Zustimmungsfiktion) habe bloß bewirkt, dass nach der dort genannten Äußerungsfrist keine weitere Erklärung eines Sozialpartners mehr abgewartet werden habe müssen. Habe dieser nach Ablauf der Äußerungsfrist (bis zur tatsächlichen Bewilligung der Beihilfe) seine Zustimmung zur Sozialpartnervereinbarung aber ausdrücklich verweigert, sei dies zu berücksichtigen gewesen. Dadurch sei das gesetzliche Mitwirkungsrecht des Sozialpartners im Einzelfall gewahrt worden.

[8] Die Revision sei mangels höchstgerichtlicher Rechtsprechung zur vorliegenden Fallkonstellation zulässig.

Rechtliche Beurteilung

[9] Die Revision der Klägerin ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig. Sie ist aber nicht berechtigt.

I. Zur behaupteten Nichtigkeit

[10] Nur die Teilnahme eines mit Erfolg abgelehnten Richters an der Entscheidung begründet eine Nichtigkeit (RS0007462). Wurde die Ablehnung hingegen – wie hier hinsichtlich eines Mitglieds des Berufungssenats – nicht für gerechtfertigt erkannt, liegt der Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs 1 Z 1 ZPO nicht vor (RS0007462 [T1]).

II. Inhaltliche Beurteilung des Klagebegehrens

1. Grundsätzliches zur Förderungsverwaltung

[11] Die öffentliche Förderungsverwaltung erfolgt in der Regel (und auch im Zweifel) durch privatrechtliche Handlungsformen (RS0049755; RS0049747). Förderungen werden überwiegend nicht durch Bescheid, sondern mit Mitteln des Privatrechts gewährt (RS0037100). Dabei stehen zweiseitig verbindliche Rechtsverhältnisse im Vordergrund (vgl RS0049862). Die Rechtsprechung definiert Subventionen (Fördermaßnahmen) als vermögenswerte Zuwendungen aus öffentlichen Mitteln, die ein Verwaltungsträger oder eine andere mit der Vergabe solcher Mittel betraute Institution einem Privatrechtssubjekt zukommen lässt, wobei sich der Subventionsempfänger zu einem im öffentlichen Interesse gelegenen subventionsgerechten Verhalten verpflichtet (RS0018996). Solche Förderungsmaßnahmen sind nach der Judikatur keine Zuwendungen ohne Gegenleistung (RS0018996 [T2]) sondern in der Regel entgeltliche Verträge (1 Ob 30/24d mwN).

2. Einordnung der Kurzarbeitsbeihilfe:

[12] 2.1. Auch die Kurzarbeitsbeihilfe wird im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung gewährt. Kurzarbeit ist eine arbeitsmarktpolitisch geförderte Maßnahme zur Vermeidung von Arbeitslosigkeit, mit der Kündigungen bei vorübergehenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten vermieden werden sollen (1 Ob 30/24d mwN). Die Rahmenbedingungen, unter denen Kurzarbeitsbeihilfe beansprucht werden kann, regelt § 37b AMSG. Die für die Beurteilung des vorliegenden Falls maßgeblichen Teile dieser Bestimmung lauten (auch in der bei Antragstellung der Klägerin und Entscheidung des AMS über deren Förderantrag geltenden Fassung) wie folgt:

„(1) Kurzarbeitsbeihilfen können Arbeitgebern gewährt werden, die zur Vermeidung von Arbeitslosigkeit Kurzarbeit für Arbeitnehmer durchführen, wenn

[…]

3. zwischen den für den Wirtschaftszweig in Betracht kommenden kollektivvertragsfähigen Körperschaften der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer unabhängig vom Bestehen eines Betriebsrates Vereinbarungen über die Leistung einer Entschädigung während der Kurzarbeit (Kurzarbeitsunterstützung) und die näheren Bedingungen der Kurzarbeit sowie die Aufrechterhaltung des Beschäftigtenstandes getroffen werden.

(2) Die Vereinbarung gemäß Abs. 1 Z 3 muss auf bestimmte Zeit abgeschlossen werden. Durch die Vereinbarung muss zumindest hinsichtlich des von der Kurzarbeit erfassten Beschäftigtenstandes sichergestellt sein, dass während der Kurzarbeit und in einem allenfalls darüber hinaus zusätzlich vereinbarten Zeitraum nach deren Beendigung der Beschäftigtenstand aufrechterhalten wird, es sei denn, dass die regionale Organisation des Arbeitsmarktservice in besonderen Fällen eine Ausnahme bewilligt. Von der Kurzarbeit betroffenen Arbeitnehmern muss für die entfallenden Arbeitsstunden wegen der vorgesehenen Kurzarbeitsbeihilfe eine Kurzarbeitsunterstützung zumindest in der Höhe jenes Anteiles des Arbeitslosengeldes, der der Verringerung der Normalarbeitszeit entspricht, gewährt werden. […]

[...]

(4) Der Verwaltungsrat hat auf Vorschlag des Vorstandes eine Richtlinie über die näheren Voraussetzungen für die Gewährung von Kurzarbeitsbeihilfen unter Beachtung der maßgeblichen rechtlichen Vorschriften festzulegen. In der Richtlinie sind insbesondere Mindest- und Höchstdauer sowie Voraussetzungen für die Verlängerung der Beihilfengewährung, Mindest- und Höchstanteil des Arbeitszeitausfalles, Personenkreis, Höhe der Beihilfe, Beschäftigungsverpflichtung gemäß Abs. 2, Bedingungen für ein Absehen von einer Vereinbarung der Kollektivvertragspartner bei Katastrophen gemäß Abs. 2 sowie das Verhältnis zu anderen Beihilfen und Unterstützungsleistungen zu regeln. Die Dauer der Beihilfengewährung darf zunächst sechs Monate nicht übersteigen. Verlängerungen bis zu einer Gesamtdauer des Beihilfenbezuges von 24 Monaten, bei Vorliegen besonderer Umstände auch darüber hinaus, sind zulässig. Der Arbeitszeitausfall darf im Durchschnitt des Zeitraums, für den die Beihilfe oder deren Verlängerung bewilligt wurde, nicht unter zehn Prozent und nicht über 90 Prozent der gesetzlich oder kollektivvertraglich festgelegten oder, bei Teilzeitbeschäftigten, der vereinbarten Normalarbeitszeit betragen. Die Richtlinie bedarf der Bestätigung des Bundesministers für Arbeit im Einvernehmen mit der Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort sowie dem Bundesminister für Finanzen.“

[13] 2.2. Die auf § 37b Abs 4 AMSG beruhende KA‑RL des AMS enthält konkrete inhaltliche Vorgaben für die Beihilfengewährung sowie Verfahrensbestimmungen für die Subventionsvergabe (1 Ob 30/24d).

[14] Pkt 9.5 der KA‑RL lautet:

„[…] Die Verantwortung für die Einholung der Zustimmung aller notwendigen Partner liegt beim Begehrenssteller. Im Interesse eines raschen Bewilligungsverfahrens ist das AMS bei der Einholung der Zustimmung der kollektivvertragsfähigen Körperschaften behilflich. Die Verantwortung zur Einholung der Unterschriften obliegt nicht dem AMS.

Über eine Webportallösung werden den Sozialpartnern das Begehren, die Sozialpartnervereinbarung und die dazugehörigen Anhänge zur Verfügung gestellt.

Eine Zustimmung von Seiten der Gewerkschaften und der Wirtschaftskammer liegt grundsätzlich vor, wenn binnen 72 Stunden nach Kenntnisbringung keine Rückmeldung von diesen kollektivvertragsfähigen Körperschaften erfolgt. Davon ausgenommen sind Begehren, bei denen die Ausfallszeit von durchschnittlich 70% überschritten wird. In diesen Fällen ist eine Genehmigung erst zulässig, wenn von Gewerkschaft und Arbeitgeberverband eine positive Rückmeldung vorliegt. […]“

[15] Zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt „vereinbarte“ die Gewerkschaft mit dem AMS eine Verlängerung der in Pkt 9.5 KA‑RL vorgesehenen Frist von 72 Stunden auf fünf Werktage.

3. Zum Anspruch auf staatliche Förderung

[16] 3.1. Auf die Gewährung einer Subvention besteht vor Abschluss des Förderungsvertrags im Allgemeinen kein Rechtsanspruch. Ein solcher entsteht vielmehr erst, wenn die Förderung bescheidmäßig oder – wie hier im Bereich der privatwirtschaftlichen Förderungsverwaltung – durch Abschluss eines privatrechtlichen Rechtsgeschäfts zuerkannt wird (RS0018989). Dies ergibt sich für die Kurzarbeitsbeihilfe auch aus § 34 Abs 3 AMSG, was nach Ansicht des Senats per se keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet (1 Ob 30/24d).

[17] 3.2. Nach ständiger Judikatur des Obersten Gerichtshofs steht die öffentliche Hand aber auch bei ihrer privatrechtlichen Tätigkeit und gerade bei der Vergabe von Subventionen unter weitgehenden Anforderungen der Grundrechte und dabei vor allem des Gleichheitsgrundsatzes (RS0038110). Wer immer berufen wird, Geld oder geldwerte Leistungen aus Gemeinschaftsmitteln zur Förderung von Gemeinschaftsanliegen an Einzelrechtsträger zu deren förderungszielgerechten Verwendung zu verteilen, tritt mit Beginn des Verteilungsvorgangs gegenüber allen, die nach dem vorgegebenen Förderungsziel abstrakt als Empfänger in Betracht zu ziehen wären, in ein – der Art nach dem vorvertraglichen Schuldverhältnis vergleichbares – gesetzliches Schuldverhältnis, das nach der Herkunft der Mittel und der im Gemeinschaftsinteresse gelegenen Zielsetzung einer Bindung an den Gleichheitsgrundsatz unterliegt (RS0102013).

[18] 3.3. Diese Grundrechtsbindung zwingt den mit der Verteilung betrauten Rechtsträger auch bei der privatrechtlichen Subventionsvergabe nicht nur dazu, Förderungen ohne unsachliche Differenzierung, also grundsätzlich bei Vorliegen bestimmter typischer Voraussetzungen zu gewähren (Verbot der Ungleichbehandlung), sondern es muss auch die Festlegung der Fördervoraussetzungen (typischerweise in den Förderrichtlinien) und deren Anwendung (Auslegung) durch die mit der Subventionsvergabe betraute Einrichtung sachlichen Kriterien entsprechen. Diese darf insbesondere nicht willkürlich erfolgen (Sachlichkeitsgebot; Willkürverbot; vgl RS0038110 [insbesondere T1, T9, T17]; siehe zuletzt – ebenfalls zur Kurzarbeitsbeihilfe – auch 1 Ob 30/24s). Sowohl im Fall einer Ungleichbehandlung einzelner Förderungswerber im Vergleich zu anderen Subventionswerbern als auch bei einer – allenfalls auch sämtliche Förderungswerber gleichermaßen betreffenden – Entscheidung über Förderansuchen nach unsachlichen bzw willkürlichen Kriterien (die sich auch aus einer willkürlichen Auslegung der Förderrichtlinien ergeben können) besteht nach der Rechtsprechung ein durchsetzbarer Förderanspruch (RS0117458; RS0018989 [T2]; zuletzt etwa 1 Ob 30/24d mwN; in diesem Sinn – insbesondere auch zur Kurzarbeitsbeihilfe – etwa auch VfGH G202/2020 ua [Pkt 2.4.2.3]).

[19] 4. Ausgehend von diesen Prämissen gingen die Vorinstanzen im Ergebnis zu Recht davon aus, dass der Klägerin kein Anspruch auf Kurzarbeitsbeihilfe zukommt.

4.1. Keine Ungleichbehandlung

[20] Nach den erstinstanzlichen Feststellungen behandelte das AMS sämtliche Fälle, in denen während der in Pkt 9.5 der KA‑RL genannten (letztlich verlängerten) Frist eine Stellungnahme der Gewerkschaft zu einer (ihr im Entwurf vorliegenden) Sozialpartnervereinbarung unterblieb, diese aber danach – und noch vor Zuerkennung der Beihilfe – ihre Nichtzustimmung zu einer solchen Vereinbarung erklärte, in gleicher Weise, indem in allen diesen Fällen eine Beihilfe versagt wurde. Somit kann die Klägerin ihren Anspruch nicht daraus ableiten, dass sie bei der Vergabe der Kurzarbeitsbeihilfe gegenüber anderen Förderungswerbern (mit gleichen Anspruchsvoraussetzungen) diskriminiert worden wäre. Auf einen Verstoß des beklagten Rechtsträgers gegen den Gleichheitsgrundsatz in der Ausprägung des Benachteiligungsverbots kann sie sich daher nicht stützen.

[21] 4.2. Die Kurzarbeitsbeihilfe wurde auch sonst nicht aus unsachlichen Gründen verweigert.

[22] 4.2.1. Die Klägerin leitet ihren Anspruch daraus ab, dass das AMS Pkt 9.5 der KA‑RL einen rechtlich unvertretbaren – und somit willkürlichen – Inhalt unterstellt habe. Damit ist sie aber nicht im Recht.

[23] 4.2.2. Entgegen der Behauptung der Klägerin ergibt sich aus dem Wortlaut des Pkt 9.5 der KA‑RL nicht zwingend, dass das AMS auch dann eine Kurzarbeitsbeihilfe gewähren hätte müssen, wenn ein Sozialpartner der gemäß § 37b Abs 1 Z 3 AMSG erforderlichen Sozialpartnervereinbarung zwar nicht innerhalb der in Pkt 9.5 der KA‑RL genannten Frist, aber noch vor Zuerkennung der Förderung widersprach. Ob in diesem Fall eine Förderung zu gewähren gewesen wäre, blieb nach der Textierung in Pkt 9.5 der KA‑RL vielmehr ungeregelt.

[24] 4.2.3. Mangels eindeutigen Wortsinns von Pkt 9.5 KA‑RL kommt es für die Auslegung dieser Bestimmung – und daher für die Beurteilung der vom AMS vorgenommenen Interpretation als (nicht) willkürlich – maßgeblich auf deren Zweck an (vgl RS0017756; RS0000406). Dieser besteht zweifellos – wovon auch die Klägerin ausgeht – in einer Vereinfachung und Beschleunigung der (aufgrund der COVID‑19-Pandemie zahlreichen) Verfahren über die Kurzarbeitsbeihilfe. Die Auslegung der genannten Bestimmung durch das AMS, wonach diese (nur) bewirken sollte, dass nach Ablauf der dort genannten (in der Folge verlängerten) Frist bei fehlender Stellungnahme eines Sozialpartners eine Förderung zuerkannt werden dürfe, steht mit diesem Zweck in Einklang.

[25] 4.2.4. Der Klägerin ist zuzugestehen, dass die von ihr vertretene Auslegung, wonach eine Förderung auch dann zu gewähren gewesen wäre, wenn ein Sozialpartner einer Sozialpartnervereinbarung – wie hier – „verspätet“ (also nicht innerhalb der in Pkt 9.5 genannten Frist) widersprach, eine noch weitergehende Vereinfachung des Bewilligungsverfahrens ermöglicht hätte. Dabei handelt es sich aber nicht um das allein maßgebliche Kriterium, an dem sich die Auslegung von Pkt 9.5 der KA‑RL zu orientieren hat. Vielmehr sind vor allem die (gemäß § 37b Abs 4 AMSG bei Festlegung der Richtlinie zu beachtenden) gesetzlichen Vorgaben des § 37b AMSG sowie die allgemeinen Ziele der Kurzarbeitsförderung zu berücksichtigen.

[26] 4.2.5. Gemäß § 37b Abs 1 Z 3 und Abs 2 AMSG stehen den kollektivvertragsfähigen Körperschaften der Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Zusammenhang mit der Kurzarbeit inhaltliche Mitwirkungsrechte zu. Demnach wird als Voraussetzung für die Subventionsvergabe der Abschluss einer Sozialpartnervereinbarung mit einem bestimmten – ua der Aufrechterhaltung des Beschäftigtenstands und somit der Vermeidung von Arbeitslosigkeit dienenden – Inhalt gefordert. Die von der Klägerin angestrebte Auslegung hätte dieses weitgehende Mitwirkungsrecht der Sozialpartner an der Erfüllung der durch die Kurzarbeit verfolgten Ziele zeitlich erheblich beschränkt. Demgegenüber gab das AMS einer Auslegung den Vorzug, welche die gesetzlichen Mitwirkungsrechte der Sozialpartner in einem (im Rahmen des Wortlauts der KA‑RL) möglichst weitgehenden Ausmaß bestehen ließ. Eine solche Interpretation ist keineswegs unsachlich im Sinn des die Beklagte bei der Förderungsvergabe bindenden Gleichheitsgrundsatzes, die darauf gestützte Entscheidung des AMS über das Förderbegehren der Klägerin daher nicht willkürlich.

5. Ergebnis

[27] 5.1. Zusammengefasst kann dem AMS weder eine Ungleichbehandlung der Klägerin im Vergleich zu anderen Förderungswerbern vorgeworfen werden noch eine – allenfalls alle Subventionswerber gleichermaßen betreffende – unsachliche (willkürliche) Anwendung (Auslegung) von Pkt 9.5 der KA‑RL. Die Vorinstanzen haben den Anspruch der Klägerin auf Kurzarbeitsbeihilfe daher im Ergebnis zu Recht verneint. Der dagegen gerichteten Revision ist somit keine Folge zu geben.

[28] 5.2. Die diese Entscheidung tragenden Erwägungen lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Die Auslegung von Punkt 9.5 der – aufgrund von § 37b Abs 4 AMSG erlassenen – KA‑RL dahin, dass bei einem erst nach Ablauf der in dieser Bestimmung vorgesehenen Äußerungsfrist erklärten Widerspruch eines Sozialpartners zur Sozialpartnervereinbarung die Gewährung der Kurzarbeitsbeihilfe verweigert werden durfte, verstößt nicht gegen das den Rechtsträger auch bei der privatwirtschaftlichen Förderungsverwaltung bindende Sachlichkeitsgebot.

[29] 6. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41 und 50 ZPO.

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