European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0010OB00078.19F.0829.000
Spruch:
Den Rekursen wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und dem Berufungsgericht die neuerliche Entscheidung über die Berufung der beklagten Partei aufgetragen.
Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Begründung:
Die Kläger erwarben über Vermittlung der Beklagten mit Beitrittserklärung vom 12. 3. 2004 mittelbare Kommanditbeteiligungen an einem (in den Niederlanden investierten) Immobilienfonds in Höhe von je 20.000 EUR. Die Beteiligungen wurden (mittelbar) über eine Treuhandgesellschaft gehalten. Dazu leisteten die Kläger je 20.000 EUR Kommanditeinlage und je 1.000 EUR an 5%igem Agio als Vermittlungsprovision der Beklagten. Die Beklagte erhielt neben diesem Agio für die Vermittlung vom Immobilienfonds eine weitere Provision von 3,125 %, die aus den jeweiligen Beteiligungsbeträgen der Kläger geleistet wurde.
Beide Kläger wollten sicher und jedenfalls auch kapitalerhaltend veranlagen; auch eine gute Rendite war ihnen wichtig. Ihnen wurden Verkaufsprospekte und Unterlagen mit näher festgestelltem Inhalt übergeben bzw von ihnen unterzeichnet. Die Kläger hätten ihre Beteiligung nicht gezeichnet, wenn sie gewusst hätten, dass die Beklagte neben dem Agio aus dem Beteiligungsnominale eine weitere Provision von 3,125 % erhält. In diesem Fall hätten sie das Geld kapitalerhaltend angelegt, nämlich auf einem Sparbuch mit einer jährlichen Verzinsung von 1,03 %. Von der zusätzlichen Provision erfuhren die Kläger erst im Jahr 2015.
Die Kläger begehrten mit ihrer am 3. 8. 2015 eingebrachten Klage zuletzt je 19.326,46 EUR samt Verzugszinsen sowie die Feststellung der Haftung der Beklagten für alle ihnen aus der am 12. 3. 2004 eingegangenen Beteiligung am Immobilienfonds entstehenden Schäden. Im Gegenzug erklärten sie sich bereit, alle für die Übertragung der Rechte aus der Beteiligung auf die Beklagte notwendigen Erklärungen abzugeben. Sie stützten ihre Schadenersatzansprüche auf mangelhafte Aufklärung in den Beratungsgesprächen durch ihren Kundenbetreuer. Sie hätten sich aufgrund dessen ausdrücklicher Empfehlung im Hinblick auf die prognostizierten Ausschüttungen von 7,5 % und die vermeintliche Sicherheit durch die dahinter stehenden Sachwerte zu dieser Veranlagung entschlossen. Eine Aufklärung über die mit dieser Veranlagung verbundenen besonderen Risiken, nämlich das Totalverlustrisiko sowie den Umstand, dass die Ausschüttungen, die sie für Erträge gehalten hätten, in Wahrheit Entnahmen aus ihrem Kommanditanteil darstellten, die ihre Kommanditistenhaftung wieder aufleben ließen, sei nicht erfolgt. Sie hätten auch nicht gewusst, dass durch die „Holland‑Steuer“ das Verlustrisiko sogar über einen Totalverlust hinausgehen könne. Die Kick‑Back‑Zahlungen von 3,125 % seien ihnen ebenso verschwiegen worden wie die Vertriebsspesen von mehr als 20 %. Die Veranlagungen seien jetzt wertlos. Einen Steuervorteil hätten sie daraus nicht lukriert. Wären sie über all diese Umstände ordnungsgemäß aufgeklärt worden, hätten sie von der Veranlagung Abstand genommen und alternativ eine kapitalerhaltende Anlageform gewählt, mit der sie zwischen 1,03 und 4,3 % Zinsen per anno erwirtschaftet hätten. Abzüglich der Ausschüttungen von je 6.678,28 EUR zuzüglich im November 2011 gezahlter Steuern von 193,65 EUR sowie der im August 2017 über Aufforderung des Insolvenzverwalters der Fondsgesellschaft geleisteten Rückzahlungen von je 4.811,09 EUR errechne sich ein Schaden von bisher je 19.326,46 EUR.
Die Beklagte wandte zusammengefasst ein, die Kläger wären spekulative Anleger, die über jahrzehntelange Anlageerfahrung verfügten und einen Totalverlust in Kauf genommen hätten. Bei der Veranlagung handle es sich nur um einen kleinen Teil ihres hohen Vermögens. Vor allem der Erstkläger habe als Prokurist namhafter Baugesellschaften und erfahrener Anleger gar keiner Beratung bedurft und es sei davon auszugehen gewesen, dass er die Interessen seiner Gattin ausreichend wahren würde. Im Übrigen seien die Kläger ohnedies richtig informiert worden. Sie treffe ein Mitverschulden durch ungelesenes Unterfertigen der Unterlagen. Allfällige Schadenersatzansprüche seien verjährt. Vor dem Inkrafttreten des WAG 2007 habe keine Aufklärungspflicht bezüglich der Innenprovision bestanden; sie hätte den Klägern den Immobilienfonds auch dann vermittelt, wenn sie für die Vermittlung zusätzlich zum Agio keine Innenprovision erhalten hätte. Sie habe den Vertrieb geschlossener Fonds ausschließlich wegen starker Kundennachfrage in ihr Portfolio aufgenommen. Ihre Kundenbetreuer und auch der die Kläger beratende Betreuer hätten keine Kenntnis von der Innenprovision gehabt. Die Kundenbetreuer wären in ihrer Entscheidung, welche Veranlagungen sie ihren Kunden vorstellen, frei gewesen; es habe diesbezüglich keine Vorgaben gegeben. Die Höhe der mit der Vermittlung von Veranlagungen lukrierten Entgelte sei für sie bei der Entscheidung über die Aufnahme des Vertriebs kein Kriterium gewesen. Jede Veranlagung sei mit einem Entgelt verbunden, der Großteil mit höheren Entgelten, beispielsweise ein von ihr aufgelegter Investmentfonds mit bis zu 18,5 % über zehn Jahre. Die Kosten für den Vertrieb wären auch durch das Agio allein gedeckt gewesen. Sie habe den Vertrieb anderer Beteiligungen abgelehnt, weil sie die von M***** emittierten geschlossenen Fonds als besser strukturiert beurteilt habe. Der mit der Innenprovision lukrierte Ertrag sei mit nur 0,12 % an den Betriebserträgen bzw 0,44 % an den Provisionserträgen wirtschaftlich vernachlässigbar. Da die Kläger jeweils den vom Insolvenzverwalter geforderten Betrag von je 4.811,09 EUR zurückgezahlt hätten, seien sämtliche Ansprüche der Gläubiger gegenüber ihnen endgültig bereinigt und verglichen. Daher sei ausgeschlossen, dass die Kläger zukünftige Zahlungsverpflichtungen im Zusammenhang mit diesen Beteiligungen treffen könnten, sodass ihr Feststellungsinteresse weggefallen sei.
Das Erstgericht gab (auch im zweiten Rechtsgang) dem Leistungs‑ und Feststellungsbegehren statt. Lediglich ein Zinsenmehrbegehren wies es unangefochten und damit rechtskräftig ab. Nicht festgestellt werden könne, dass die Beklagte den Immobilienfonds auch ohne zusätzliche Innenprovision vermittelt hätte. Daher sei das Nichtvorliegen einer Interessenkollision auf Seite der Beklagten „nicht zu attestieren“ und das Klagebegehren berechtigt. Der Schaden stehe im Rechtswidrigkeitszusammenhang mit der Pflichtverletzung der „Nichtoffenlegung“ der Innenprovision. Im Hinblick auf den auf das Unterbleiben der Aufklärung über die Innenprovision gestützten Schadenersatzanspruch gebe es kein Mitverschulden der Kläger. Ein allfällig sorgloses Verhalten der Kläger betreffend das Erkennen allfälliger Produkteigenschaften aus den Risikohinweisen in den Produktunterlagen könne insofern kein schadensminderndes Mitverschulden begründen, als diese Umstände außerhalb der Korrelation zum Aufklärungsfehler („Innenprovision“) lägen. Gerade bei mehreren Beratungsfehlern sei zu beachten, dass eine Minderung des Schadenersatzes nur in Betracht komme, wenn das sorglose Verhalten des Geschädigten auch in Korrelation zum jeweiligen Aufklärungsfehler stehe. Wäre bei einem bestimmten Beratungsfehler das Investment unterblieben, komme die Annahme eines relevanten Mitverschuldens schon grundsätzlich nur dann in Betracht, wenn den Klägern vorzuwerfen wäre, dass ihnen die Fehlerhaftigkeit (oder Unvollständigkeit) gerade dieser Aufklärung bereits vor/bei Vertragsabschluss auffallen hätte müssen. Feststellungen, ob die Fehlvorstellungen vom Produkt durch einen Beratungsfehler der Beklagten verursacht worden seien, seien vor diesem Hintergrund entbehrlich, zumal feststehe, dass die Kläger die Beteiligung nicht gezeichnet hätten, wenn sie von der zusätzlichen Innenprovision gewusst hätten. Auch das Feststellungsbegehren sei berechtigt, weil nicht auszuschließen sei, dass es weitere Gläubiger gebe, die noch auf die Kläger greifen könnten. Insbesondere die „Holland‑Steuer“ für 2012 sei noch nicht zur Gänze auf die Kläger überwälzt worden. Steuerschuldnerin sei die Treuhandgesellschaft, deren Insolvenz bislang nicht behauptet worden sei. Der Vergleich der Kläger mit dem Insolvenzverwalter der Kommanditgesellschaft schließe demnach weitere Ersatzansprüche der Kommanditistin (Treuhänderin) nicht aus.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten Folge, hob das erstinstanzliche Urteil in seinem klagestattgebenden Teil einschließlich der Kostenentscheidung auf und trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Es behandelte die Beweisrüge zur Negativfeststellung, wonach nicht festgestellt werden könne, dass die Beklagte den Klägern die Beteiligungen auch dann empfohlen oder angeboten hätte, wenn sie dafür keine zusätzliche Vergütung von 3,125 % (aus) der Beteiligungssumme (der Kläger) von ihrem Vertragspartner erhalten hätte, nicht. Rechtlich führte es aus, diesbezüglich habe das Erstgericht ein zu strenges Beweismaß zugrunde gelegt, nämlich nicht das reduzierte Beweismaß der überwiegenden Wahrscheinlichkeit, sondern unrichtig das Regelbeweismaß der hohen Wahrscheinlichkeit. Zudem sei nicht darauf abzustellen, ob die Beklagte den Immobilienfonds ohne Innenprovision überhaupt vertrieben hätte, was nichts über das Vorliegen einer Interessenkollision aussage. Es komme nämlich darauf an, ob die Provision so hoch gewesen sei, dass sie ein Anreiz für die Beklagte gewesen sein könnte, ihr Interesse am Provisionserhalt über das Interesse ihrer Kunden an einer anleger‑ und anlagegerechten Beratung zu stellen. Dafür sei entscheidend, ob sie die Beteiligung den Klägern auch ohne Innenprovision empfohlen hätte. Dass die Beteiligungsform in der „Produktpalette“ vorhanden gewesen und von der Beklagten vertrieben worden sei, sei dabei vorauszusetzen. Es bedürfe auch ergänzender Feststellungen, die eine abschließende Beurteilung des allfälligen Mitverschuldens der Kläger erlaubten. Weder die Innenprovision an sich noch eine Interessenkollision des Beraters/des beratenden Unternehmens seien eine Eigenschaft der Anlage und stellten daher auch keinen Schaden des Anlegers dar. Das Erfordernis einer Korrelation zwischen Beratungsfehler und allfälligem Mitverschulden sei zutreffend, wenn man „Beratungsfehler“ im Sinn von „Irrtum über eine gewünschte Eigenschaft“ verstehe. Präziser sei daher, eine Korrelation zwischen dem konkret eingetretenen Schaden und der Obliegenheitsverletzung zu verlangen, um ein den Ersatzanspruch minderndes Mitverschulden zu begründen. Bestehe der Schaden, wie hier behauptet, im Erwerb einer mit einem Verlustrisiko und dem „Ausschüttungsschwindel“ behafteten Anlage, so komme es darauf an, ob dieser Schaden durch eine Sorglosigkeit der Kläger in eigenen Angelegenheiten mitverursacht worden sei. Nach der getroffenen Feststellung, dass die Kläger sicher und jedenfalls kapitalerhaltend veranlagen wollten, und ihnen auch eine gute Rendite wichtig gewesen sei, könne dies zumindest im Sinn des Fehlens der gewünschten Eigenschaft „kein Verlustrisiko“ verstanden werden. Auch die Kausalität des Aufklärungsfehlers, nämlich des Verschweigens der Innenprovision, stehe fest, denn hätten die Kläger davon gewusst, hätten sie die Beteiligung nicht gezeichnet. Es komme aber darauf an, ob die Kläger diesen Schaden(= Erwerb einer Anlage, die nicht die gewünschte Eigenschaft „kein Verlustrisiko“ aufweise) im Sinn des Mitverschuldenseinwands durch eigene Sorglosigkeit mitverursacht hätten. Es seien daher ergänzende Feststellungen darüber zu treffen, ob der Inhalt des Beratungsgesprächs eine nähere Befassung der Kläger mit den schriftlichen Unterlagen nahegelegt hätte, um ein allfälliges Mitverschulden abschließend beurteilen zu können.
Das Feststellungsbegehren sei an sich berechtigt, weil eine Nachforderung der „Holland‑Steuer“ für 2012 keineswegs ausgeschlossen und schon damit das Weiterbestehen des Feststellungsinteresses zu bejahen sei.
Das Berufungsgericht erklärte den Rekurs gemäß § 519 Abs 2 ZPO für zulässig, weil mehrere Rechtsfragen in der bisherigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs nicht oder uneinheitlich gelöst worden seien. Es seien dies die Fragen,
ob im Zusammenhang mit einer nicht offen gelegten Innenprovision eine Interessenkollision schon dann vorliege, wenn das beratende Unternehmen diese Anlageform ohne die Innenprovision schon von vornherein nicht in seine Produktpalette aufgenommen hätte (oder dies nicht festgestellt werden kann),
ob hinsichtlich des in diesem Zusammenhang vom Schädiger zu erbringenden Nachweises des Nichtvorliegens einer Interessenkollision das reduzierte Beweismaß der bloß überwiegenden Wahrscheinlichkeit anzuwenden sei und
ob eine allfällige Sorglosigkeit der Anleger in eigenen Angelegenheiten nur dann haftungsbegründend als Mitverschulden berücksichtigt werden könne, wenn dieses Verhalten in Korrelation zum haftungsbegründenden Beratungsfehler (hier der „Nicht‑Offenlegung“ einer Innenprovision) stehe.
Rechtliche Beurteilung
Die Rekurse beider Parteien sind zulässig und im Sinn des im Abänderungsantrag enthaltenen (Kläger) und hilfsweise gestellten Aufhebungsantrags (Beklagte) auch berechtigt. Beide Rechtsmittel werden wegen ihres thematischen Zusammenhangs gemeinsam behandelt.
1. Der Oberste Gerichtshof hat in mehreren, vergleichbare Anlagen betreffenden Entscheidungen klargestellt, dass eine Aufklärungspflicht betreffend die Innenprovision schon vor Inkrafttreten des WAG 2007 bestand. Über Innenprovisionen ist gesondert aufzuklären, wenn der Anleger – etwa weil er (wie im vorliegenden Fall) ohnedies ein Agio leistet – nicht davon ausgehen muss, ein Wertpapierberater werde zusätzlich noch Zahlungen von dritter Seite erhalten (RIS‑Justiz RS0131382). Die Rechtswidrigkeit eines derartigen Aufklärungsmangels liegt im Verschweigen der damit in der Regel verbundenen Interessenkollision, die grundsätzlich unabhängig von der Höhe der Innenprovision besteht (1 Ob 137/18f mwN = RS0131382 [T5]).
Beide Kläger wurden vom beklagten Kreditinstitut nicht darüber aufgeklärt, dass dieses (zusätzlich zum vereinbarten Agio als Vermittlungsprovision) eine weitere Provision (Innenprovision) von 3,125 % aus dem von ihnen gezeichneten Beteiligungsnominale von der Emittentin erhielt. Die Kläger hätten ihre Beteiligung nicht gezeichnet, hätten sie von der zusätzlichen Innenprovision gewusst. In diesem Fall hätten sie das Geld kapitalerhaltend, nämlich auf einem Sparbuch, angelegt. Damit steht fest, dass die Verletzung der Aufklärungspflicht einen Schaden der Kläger verursachte. Zweck der im konkreten Fall verletzten Informationspflicht war die Aufklärung über eine allfällige Interessenkollision. Nach der zitierten Rechtsprechung hätte die Beklagte den Erhalt einer Innenprovision gegenüber den Klägern offenzulegen gehabt, was sie nicht tat. Insofern besteht auch ihr Verschulden, weil sie nicht damit rechnen durfte, dass den Klägern die (zusätzliche) Innenprovision bewusst war, nachdem diese selbst zur Zahlung eines Entgelts (Agio) verpflichtet waren (vgl nur 2 Ob 99/16x).
2. Eine Interessenkollision wäre im konkreten Fall dann zu verneinen, wenn die Beklagte die strittigen Beteiligungen auch dann empfohlen hätte, wenn sie dafür keine Vergütungen vom Immobilienfonds erhalten hätte. Die Beweislast für diesen Umstand trifft sie (RS0131382 [T2, T3]).
Das Erstgericht hat dazu die Negativfeststellung getroffen, es könne nicht festgestellt werden, dass die Beklagte den Klägern die strittigen Beteiligungen auch dann empfohlen oder angeboten hätte, wenn sie dafür (abgesehen vom Ausgabeaufschlag von 5 % der Beteiligungssumme) keine zusätzliche Vergütung von 3,125 % der Beteiligungssumme von ihrem Vertragspartner erhalten hätte. Diese Negativfeststellung bekämpfte die Beklagte in der Berufung mit Beweisrüge, die das Berufungsgericht nicht behandelte, weil es davon ausging, der Beklagten stünde als Schädigerin im Zusammenhang mit dem von ihr zu erbringenden Nachweis des Nichtvorliegens einer Interessenkollision das reduzierte Beweismaß der bloß überwiegenden Wahrscheinlichkeit zu. Das trifft – wie der Oberste Gerichtshof bereits zu 2 Ob 25/19v ([Punkt 1.2.]; zustimmend S. Schumacher in VbR 2019, 114 [Glosse zu 8 Ob 166/18x]) aussprach – nicht zu. Gründe für eine Beweiserleichterung sind nämlich nicht erkennbar. Das Regelbeweismaß der ZPO ist die hohe Wahrscheinlichkeit (RS0110701). Ein die Herabsetzung des Beweismaßes allenfalls rechtfertigender Beweisnotstand liegt nicht vor, weil die Beklagte einen hypothetischen Willensentschluss in ihrer eigenen Sphäre zu beweisen hat. Sie kann sich daher ebensowenig auf ein herabgesetztes Beweismaß berufen wie ein Anleger, der seine (hypothetische) Anlageentscheidung (also ebenfalls einen Willensentschluss) nachzuweisen hat (9 Ob 26/14k [Punkt I.7.]; 6 Ob 98/15b [Punkt 4.]; 10 Ob 57/16d [Punkt 1.1.]; 6 Ob 59/17w [Punkt 2.]; RS0110701 [T15]). Das Berufungsgericht wird daher im fortzusetzenden Verfahren die Beweisrüge der Beklagten zu dieser Feststellung zu erledigen haben.
3. Sollte die genannte Negativfeststellung Bestand haben, wäre der Beklagten der ihr obliegende Beweis des Fehlens einer konkreten Interessenkollision nicht gelungen (vgl 1 Ob 137/18f). Zwar stellte das Erstgericht fest, dass der Berater der Beklagten keine Kenntnis von der Innenprovision hatte, jedoch ist dieser Umstand schon deshalb irrelevant, weil sich die fragliche Feststellung auf die beklagte Bank bezieht, die als Vertragspartnerin der Kläger– durch alle ihre Beschäftigten – dafür zu sorgen hat, dass ein Konflikt mit ihren eigenen Interessen vermieden wird. Die getroffene Negativfeststellung lässt also auch die Möglichkeit offen, dass andere Mitarbeiter etwa durch vertriebsfördernde Maßnahmen Einfluss auf die Beratungstätigkeit und damit auf die Anlageentscheidung des Kunden genommen haben (vgl 8 Ob 166/18x [Punkt 2.2]; 2 Ob 25/19v [Punkt 1.1.]).
4.1. Hat der Geschädigte selbst durch sorgloses Verhalten eine Ursache gesetzt, die gleichermaßen wie die vom Schädiger gesetzte Ursache geeignet war, allein den Schaden herbeizuführen, haben beide gemeinsam für den Schaden einzustehen (7 Ob 95/17x [Punkt 10.1]). Das Mitverschulden des Geschädigten an der Herbeiführung seines eigenen Schadens im Sinn des § 1304 ABGB setzt die Sorglosigkeit gegenüber den eigenen Gütern voraus (RS0022681; RS0032045). Bei fehlerhafter Anlageberatung kann ein Mitverschulden nach den Umständen des Einzelfalls (RS0078931 [T5]; RS0102779 [T8]) in Betracht kommen, wenn dem Kunden die Unrichtigkeit der Beratung hätte auffallen müssen, sei es aufgrund eigener Fachkenntnisse oder weil er deutliche Risikohinweise nicht beachtet und Informationsmaterial nicht gelesen hat (RS0102779 [T6, T7]; zuletzt 9 Ob 94/18s [Punkt 1.] mwN).
4.2. In der Rechtsprechung wurde geschädigten Anlegern, deren Erwerb vergleichbarer Kommanditbeteiligungen an Immobilienfonds sowohl auf ihre Sorglosigkeit in Bezug (ua) auf einen sogenannten „Ausschüttungsschwindel“ als auch auf die unterbliebene Information über die Innenprovision zurückzuführen war, die die Anlage also sowohl bei Kenntnis des „Ausschüttungsschwindels“ als auch bei Kenntnis über die Innenprovision nicht erworben hätten, ein (gleichteiliges) Mitverschulden angelastet (2 Ob 99/16x; 7 Ob 95/17x; vgl auch 10 Ob 58/16a, in der die Frage des Aufklärungsfehlers über die Innenprovision noch offen blieb [ablehnend J. Kepplinger, ZFR 2017/244, 499]). Begründend wurde dazu – in Ablehnung von Kronthaler/Schwangler (Über „Innenprovisionen“ und verbotene „Kick‑back‑Zahlungen“ – Zugleich eine Besprechung von OGH 2 Ob 99/16x, VbR 2017/79, 121) und Dullinger (Schadenersatzpflicht wegen Verschweigens der Innenprovisionen für die Vermittlung von Vermögensanlageprodukten, JBl 2017, 585 Punkt VII sowie dieselbe, Rechtsfolgen unterlassener Aufklärung über Kick‑Back‑Provisionen bei der Vermögensanlage in Leupold [Hrsg], Forum Verbraucherrecht 2017, 33 ff Punkt IV.D.) – ausgeführt, dass das Verhalten des Geschädigten eine conditio sine qua non für den eingetretenen Schaden sein müsse. Es komme darauf an, welchen Anteil die Sorglosigkeit des Geschädigten gegenüber eigenen Rechtsgütern am Schadenseintritt und nicht an der vom Schädiger konkret zu vertretenden Aufklärungspflichtverletzung habe. Das Verhalten des erfahrenen und sachkundigen Anlegers, der im Zusammenhang mit dem Erwerb der Beteiligung entsprechende Unterlagen mit Risikohinweisen, etwa über die mögliche Verpflichtung zur Rückzahlung von Ausschüttungen, nicht gelesen habe, sei ebenfalls kausal für den Schaden, nämlich dem Erwerb einer nicht gewünschten Anlage (7 Ob 95/17x [Punkt 10.2], dazu kritisch J. Kepplinger, Mitverschulden von Anlegern bei mehrfach fehlerhafter Beratung – Zugleich eine Besprechung der Entscheidungen OGH 7 Ob 95/17x und 1 Ob 112/17b, ÖJZ 2018/70, 533; vgl RS0129706 [T3]).
4.3. Nach einem weiteren Standpunkt in der Rechtsprechung, den (allein) der 1. Senat bisher vertreten hat, kommt bei mehreren Beratungsfehlern eine Minderung des Schadenersatzes nur in Betracht, wenn das sorglose Verhalten des Geschädigten auch in „Korrelation“ zum bzw im Zusammenhang mit dem jeweiligen kausalen Aufklärungsfehler steht. Wäre bei einem bestimmten Beratungsfehler das Investment unterblieben, kommt die Annahme eines relevanten Mitverschuldens schon grundsätzlich nur dann in Betracht, wenn dem Anleger vorzuwerfen wäre, dass ihm die Fehlerhaftigkeit (oder Unvollständigkeit) gerade dieser Aufklärung bereits vor/bei Vertragsabschluss auffallen hätte müssen (1 Ob 112/17b = ZFR 2018/116, 235 [J. Kepplinger]; zustimmend J. Kepplinger, ÖJZ 2018/70, 533 ff; 1 Ob 137/18f = ZFR 2019/17, 39 [zustimmend J. Kepplinger]).
4.4. Nach neuerlicher Befassung mit dieser Frage schließt sich der erkennende Senat dem Ergebnis der übrigen Senate an. Zur Schadensteilung bei Mitverschulden bestimmt § 1304 ABGB, dass der Beschädiger den Schaden verhältnismäßig zu tragen hat, wenn bei einer Beschädigung zugleich ein Verschulden von Seite des Beschädigten eintritt. Es kommt also darauf an, ob auch dem Geschädigten der Vorwurf sorgfaltswidrigen Handelns (in seinen eigenen Angelegenheiten) gemacht werden kann und ob diese Nachlässigkeit ebenfalls für den Eintritt des konkreten Schadens ursächlich war. Für die Lösung der bisherigen Judikaturdivergenz ist somit entscheidend, ob sich die Sorgfaltswidrigkeit des Geschädigten auf denselben Schaden bezieht, für dessen Entstehen der Schädiger einzustehen hat, oder ob etwa unterschiedliche Schäden vorliegen.
Im vorliegenden Fall werfen die Kläger der Beklagten vor, sie rechtswidrigerweise über den Zufluss einer sogenannten Innenprovision nicht aufgeklärt zu haben; bei entsprechender Aufklärung wären sie die Kommanditbeteiligung nicht eingegangen. Die Beklagte erblickt ein Mitverschulden der Kläger darin, sich mit dem erhaltenen Informationsmaterial nicht näher auseinandergesetzt zu haben; hätten sie dies getan, hätten sie das mit einer solchen Beteiligung verbundene Risiko erkennen und sich gegen diese Art der Veranlagung entscheiden können. Nach den maßgeblichen Tatsachenfeststellungen der Vorinstanzen steht fest, dass die Kläger einerseits sicher und jedenfalls auch kapitalerhaltend veranlagen wollten und dass sie ihre Beteiligung nicht gezeichnet hätten, wenn sie gewusst hätten, dass die Beklagte die zusätzliche Provision erhält. Da weiters evident ist, dass diese Anlageform ihrem Wunsch nach einer sicheren und kapitalerhaltenden Anlage nicht entsprach, kann – auch nach ihrem eigenen Prozessvorbringen – nicht zweifelhaft sein, dass sie von dieser Anlage auch dann Abstand genommen hätten, wenn ihnen bewusst gewesen wäre, dass mit ihr ein nicht unerhebliches Risiko des Kapitalverlusts verbunden ist. Damit beziehen sich sowohl der Verschuldensvorwurf an die Beklagte als auch der Mitverschuldensvorwurf an die Kläger auf denselben Schaden. Nach herrschender Auffassung besteht der (reale) Schaden beim Erwerb eines Vermögensanlageprodukts darin, dass sich das Vermögen des Anlegers nach der (irregeleiteten) Anlageentscheidung anders zusammensetzt als dies nach seinem Anlagewillen der Fall sein sollte (vgl nur RS0022537 [T12, T24]; RS0129706 [T3]).
Hier waren die Kläger der unrichtigen Auffassung, die ihnen von der Beklagten angebotene Kommanditbeteiligung würde ihren Vorstellungen (in mehrfacher Hinsicht) entsprechen. Bei Kenntnis jedes einzelnen der für ihre Anlageentscheidung maßgeblichen Umstände hätten sie von dieser Investition Abstand genommen. Auch wenn sowohl die Umstände des Erwerbs als auch bestimmte „Produkteigenschaften“ für die hypothetische Entscheidung, vom Erwerb Abstand zu nehmen, von Bedeutung gewesen wären, liegt der (einheitliche) Schaden doch darin, dass die Kläger mit den eingesetzten Geldbeträgen ein bestimmtes Anlageprodukt erworben und diese nicht anderweitig (auf einem Sparbuch) angelegt haben (AA etwa J. Kepplinger, ÖJZ 2018, 535). Liegt dieser Anlageentscheidung – wie die Beklagte behauptet – auch eine den Klägern vorwerfbare Sorglosigkeit zugrunde, kommt grundsätzlich auch bei fehlender „Korrelation“ zum haftungsbegründenden Aufklärungsfehler eine Minderung des Ersatzes wegen Mitverschuldens in Betracht.
5. Maßgeblich ist daher die Erledigung der Beweisrüge der Beklagten in der Berufung zur Negativfeststellung über ihr hypothetisches Beratungsverhalten und damit eine (konkrete) Interessenkollision bzw deren Fehlen. Sollte diese Feststellung Bestand haben, wird im Rahmen der entsprechenden Einwendung der Beklagten das Vorliegen eines allfälligen Mitverschuldens der Kläger zu beurteilen und gegebenenfalls im Verhältnis zu den für die Anlageentscheidung kausalen Fehlern der Beklagten zu gewichten sein.
6. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.
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