European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0010OB00137.18F.0829.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1.1. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist über Innenprovisionen dann gesondert aufzuklären, wenn der Anleger – etwa weil er (wie im vorliegenden Fall) ohnedies ein Agio leistet – nicht davon ausgehen muss, ein Wertpapierberater werde zusätzlich noch Zahlungen von dritter Seite erhalten (RIS‑Justiz RS0131382). Die Rechtswidrigkeit eines derartigen Aufklärungsmangels liegt im Verschweigen der damit verbundenen Interessenkollision (2 Ob 99/16x [Punkt 2.3.b und 2.3.e]), die grundsätzlich unabhängig von der Höhe der Innenprovision besteht (7 Ob 95/17x [Punkt 7.5.]; 4 Ob 94/17b [Punkt 3.9. f]; 4 Ob 8/18g [Punkt 6.4.]).
1.2. Der Kläger wurde von der beklagten Anlageberaterin nicht darüber aufgeklärt, dass sie (zusätzlich zum vereinbarten Agio von 3,5 %) eine Innenprovision von 1 % aus seinem Beteiligungsnominale von der Emittentin erhielt. Der Kläger hätte das Produkt nicht gezeichnet, hätte er von der zusätzlichen Innenprovision erfahren. Die Beklagte hätte wiederum die Beteiligung nicht empfohlen, hätte sie keine zusätzliche Innenprovision erhalten.
Die Beurteilung der Vorinstanzen, dass die Verletzung der Aufklärungspflicht betreffend die Innenprovision den Schaden des Klägers verursachte, dieser im Rechtswidrigkeitszusammenhang mit der Pflichtverletzung steht und eine Interessenkollision vorlag, ist nicht korrekturbedürftig. Entgegen der Meinung der Beklagten kommt es auf die Höhe der Innenprovision nicht an. Vielmehr ergibt sich aus der Feststellung, dass sie ohne zusätzliche Innenprovision die konkrete Beteiligungsform nicht vertrieben hätte, gerade das Bestehen einer Interessenkollision.
Wenn die Beklagte auf deutsche Rechtsprechung Bezug nimmt, wonach eine von einer konkreten Interessenkollision unabhängige Informationspflicht erst dann besteht, wenn die Vertriebskosten eine erhebliche Höhe erreichen und der BGH (zB III ZR 170/10 = NJW‑RR 2011, 913) in diesem Zusammenhang (bei Vertriebsprovisionen) eine Grenze von etwa 15 % annimmt, so spricht sie die hier nicht relevante Frage an, ob und inwiefern auch ohne konkrete Interessenkollision eine Pflicht zur Information über solche Provisionen bestand. Nach der oben zitierten Rechtsprechung hätte die beklagte Anlageberaterin ihre tatsächlich bestehende Interessenkollision durch die Aufklärung über die Zahlung einer Innenprovision offen zu legen gehabt, was sie nicht tat. Insofern besteht auch ihr Verschulden, weil sie nicht damit rechnen durfte, dass dem Kläger die (zusätzliche) Innenprovision bewusst war, nachdem er selbst zur Zahlung eines Entgelts (Agio) verpflichtet war (vgl nur 2 Ob 99/16x).
2.1. Bei mehreren Beratungsfehlern kommt eine Minderung des Schadenersatzes nur in Betracht, wenn das sorglose Verhalten des Geschädigten auch in Korrelation zum jeweiligen kausalen Aufklärungsfehler steht. Wäre bei einem bestimmten Beratungsfehler das Investment unterblieben, kommt die Annahme eines relevanten Mitverschuldens schon grundsätzlich nur dann in Betracht, wenn dem Kläger vorzuwerfen wäre, dass ihm die Fehlerhaftigkeit (oder Unvollständigkeit) gerade dieser Aufklärung bereits vor/bei Vertragsabschluss auffallen hätte müssen (1 Ob 112/17b = ZFR 2018/116, 235 [J. Kepplinger]; zustimmend J. Kepplinger, Mitverschulden von Anlegern bei mehrfach fehlerhafter Beratung – Zugleich eine Besprechung der Entscheidungen OGH 7 Ob 95/17x und 1 Ob 112/17b, ÖJZ 2018/70, 533 ff). Inwieweit sich ein Anleger ein Mitverschulden am Scheitern seiner Veranlagung anrechnen lassen muss, etwa weil er Risikohinweise nicht beachtet hat, oder eine grobe Pflichtverletzung des Beraters dieses in den Hintergrund treten lässt, ist aufgrund der Umstände des Einzelfalls zu beurteilen und begründet daher im Regelfall keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO (RIS‑Justiz RS0078931 [T5]; RS0102779 [T8]).
2.2. Die Verneinung eines Mitverschuldens des Klägers durch die Vorinstanzen begegnet im vorliegenden Einzelfall keinen Bedenken. In den Unterlagen, die der Kläger beim Vertragsabschluss von der Beklagten erhielt, war kein Hinweis auf die von ihr bezogene Innenprovision enthalten. Ein Mitverschulden des Klägers kann entgegen der Ansicht der Beklagten nicht daraus abgeleitet werden, dass er eine unternehmerisch riskante Beteiligungsform gezeichnet hat, entstand doch der im Erwerb konkreter Anlageprodukte liegende Schaden durch die Verletzung der Aufklärungspflicht über die Innenprovision, ohne die er die Anlage nicht erworben, sondern vielmehr anderweitig und kapitalerhaltend investiert hätte.
3. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).
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