OGH 1Ob215/22g

OGH1Ob215/22g20.12.2022

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Musger als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Wessely‑Kristöfel und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Familienrechtssache der Antragstellerin T* M*, vertreten durch Dr. Karl Heiß, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen den Antragsgegner R* M*, vertreten durch Dr. Christian Pichler, Rechtsanwalt in Reutte, wegen Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 8. September 2022, GZ 52 R 50/22t‑16, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Reutte vom 21. März 2022, GZ 2 Fam 52/21v‑12, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0010OB00215.22G.1220.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiete: Familienrecht (ohne Unterhalt), Zivilverfahrensrecht

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben.

Dem Erstgericht wird die neuerliche Beschlussfassung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

 

Begründung:

[1] Die Ehe der Parteien wurde mit Urteil des Erstgerichts gemäß § 49 EheG unter Ausspruch gleichteiligen Verschuldens geschieden; dieses Urteil wurde den Parteien jeweils am 10. 6. 2020 zugestellt. Der dagegen erhobenen Berufung der Frau (nur) wegen des Verschuldensausspruchs wurde keine Folge gegeben.

[2] Im am 5. 7. 2021 beim Bezirksgericht Innsbruck, in dessen Sprengel die Frau wohnt, überreichten Antrag begehrte die Frau Verfahrenshilfe, „um Hilfe für [das] Aufteilungsverfahren nach der Scheidung“ zu erlangen. Weiters führte sie aus, „ich hätte gerne Hilfe beim Aufteilungsverfahren nach der Scheidung [...], da ich weder finanziell noch psychisch [...] in der Lage wäre[,] es alleine durchzuziehen“. Der Frau wurde daraufhin Verfahrenshilfe im Umfang des § 64 Abs 1 Z 1 lit a bis f, Z 2 und Z 3 ZPO „für ein Aufteilungsverfahren“ bewilligt. Mit Bescheid vom 18. 8. 2021 bestellte die zuständige Rechtsanwaltskammer den nunmehrigen Vertreter der Frau zum Verfahrenshelfer. Dieser Bescheid wurde – zusammen mit dem in Rechtskraft erwachsenen Verfahrenshilfebeschluss – dem Verfahrenshelfer am 19. 8. 2021 zugestellt.

[3] Nachdem zumindest ein Besprechungstermin am 6. 9. 2021 stattgefunden hatte, führten die Frau und der Verfahrenshelfer bis zur Antragstellung am 19. 10. 2021 eine regelmäßige E‑Mail‑Korrespondenz.

[4] Der Antrag der Frau auf Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse, mit dem sie eine Ausgleichszahlung von 100.000 EUR sA vom Mann begehrt und ihn auffordert, seine persönlichen Ersparnisse und eine Lebensversicherung vor Gericht offen zu legen, langte am 19. 10. 2021 beim Erstgericht ein.

[5] Die Frau brachte vor, dass ihr Verfahrenshilfeantrag ihr Aufteilungsbegehren ausreichend erkennen lasse; dadurch sei die einjährige Frist des § 95 EheG gewahrt worden. Sie habe auch das Verfahren „gehörig fortgesetzt“. Erster möglicher Besprechungstermin mit dem bestellten Verfahrenshelfer sei der 6. 9. 2021 gewesen. Der Verfahrenshelfer habe sich vom 8. 9. bis 20. 9. 2021 im Ausland (zur Hochzeit der Tochter und anschließend im Kurzurlaub) aufgehalten. Zwei Tage nach seiner Rückkehr habe er ihr eine schriftliche Einschätzung der Ansprüche übermittelt, diese nochmals korrigiert und weitere Unterlagen von ihr abgefordert. Dann habe am 1. 10. 2021 eine umfangreiche Besprechung stattgefunden, am 6. 10. 2021 habe der Verfahrenshelfer auch noch versucht, Kreditunterlagen von ihrem Verfahrenshelfer im Scheidungsverfahren zu erlangen. Letztlich habe er ihr am 15. 10. 2021 einen Entwurf des Aufteilungsantrags übermittelt und schließlich sei nach Freigabe der Antrag am 19. 10. 2021 beim Erstgericht eingebracht worden.

[6] Inhaltlich stützte die Frau ihr Begehren auf Ausgleichszahlung auf das Liegenschaftsvermögen des Mannes und die Anschaffung eines Beherbergungsbetriebs mit Ferienwohnungen und Restaurant während aufrechter Ehe und zählte entsprechende Kreditverträge auf; sie habe wesentlich zum Aufbau der Existenzgrundlage beigetragen und zu einer erheblichen Reduzierung der aufgenommenen Kredite. Die übrigen Vermögenswerte, Kreditunterlagen und Ersparnisse seien ihr nicht ausreichend bekannt. Der Mann habe sie in finanziellen Belangen „vollkommen uninformiert“ gelassen.

[7] Der Mannwendete ein, der Aufteilungsantrag sei verspätet. Die Jahresfrist des § 95 EheG für den Aufteilungsanspruch laufe ab formeller Rechtskraft des Scheidungsurteils über die Auflösung der Ehe. Die Frau habe das gegenständliche Verfahren auch nicht gehörig fortgesetzt, weil sie den Aufteilungsantrag mehr als zwei Monate nach Bestellung des Verfahrenshelfers gestellt habe; der Antrag hätte schon unmittelbar nach der ersten Besprechung eingebracht werden können.

[8] Dem Aufteilungsanspruch hielt er im Wesentlichen entgegen, dass „unternehmerische Werte“ nicht der Aufteilung unterlägen und der von der Frau angenommene Liegenschaftswert auch weit überhöht sei. Sie habe auch nicht in seinem Betrieb gearbeitet.

[9] Das Erstgericht sprach aus, „der Anspruch auf Aufteilung ehelichen Gebrauchsvermögens und ehelicher Ersparnisse ist erloschen“ (Spruchpunkt 1.), und wies den Aufteilungsantrag ab (Spruchpunkt 2.). In analoger Anwendung des § 1497 ABGB sei die „gehörige Fortsetzung“ des Verfahrens (als Voraussetzung der Unterbrechungswirkung eines rechtzeitigen Aufteilungsantrags) nicht gegeben, weil die „Untätigkeitsumstände bzw Untätigkeitsgründe“ allesamt in der Sphäre der Frau gelegen wären und ihr daher auch zur Last fielen. Der Aufteilungsantrag müsse kein detailliertes Begehren enthalten oder zwingend das gesamte Vermögen erfassen, hätte also früher gestellt werden können. Dass die Frau über den tatsächlichen Beginn des Fristenlaufs nach § 95 EheG offenbar zunächst geirrt habe, ändere daran nichts.

[10] Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Frau in der Hauptsache nicht Folge. Rechtlich führte es aus, der Scheidungsausspruch sei mit Ablauf der Berufungsfrist – mit 9. 7. 2020 – formell rechtskräftig geworden, weil die Frau lediglich den Verschuldensausspruch angefochten habe. Mit diesem Datum habe die einjährige Präklusivfrist des § 95 EheG zu laufen begonnen. Den Verfahrenshilfeantrag habe die Frau noch innerhalb dieser Jahresfrist beim Bezirksgericht Innsbruck eingebracht. Sie habe aber im Verfahrenshilfeantrag keinen bereits (ausreichend individualisierten) Aufteilungsantrag gestellt. Aus der Wendung „Hilfe für das Aufteilungsverfahren nach der Scheidung“ „noch dazu im Zusammenhalt (auch) mit 'Hilfe für Unterhaltsanspruch' sei nicht eindeutig erkennbar, dass damit schon die gerichtliche Aufteilung angestrebt werde oder implizit eine Tatsachenbehauptung „in Richtung Vorhandensein von Aufteilungsvermögen“ erstattet worden sei. Viel eher gehe es im Verfahrenshilfeantrag (nur) „um Hilfe bei der außergerichtlichen/vorprozessualen Abklärung“ verschiedener möglicher – allenfalls gegebener – nachehelicher Ansprüche.

[11] Selbst wenn man diese Einschätzung nicht teile, sondern „diese quasi‑verfahrenseinleitende Eingabe eine Ablaufshemmung“ bewirke, bedürfe es der „gehörigen Fortsetzung des Verfahrens“, die nicht gegeben sei. Die Frau nenne keine Gründe ihrer Untätigkeit oder der ihres Verfahrenshelfers, die vom Mann verursacht worden seien. Die „Terminprobleme“ zwischen ihr und ihrem Verfahrenshelfer, die Ortsabwesenheit des Verfahrenshelfers und seine Aufforderung an die Frau, Urkunden beizubringen, stünden mit einem Verhalten des Mannes in keinem Konnex. Im Aufteilungsantrag (vom 19. 10. 2021) habe die Frau (nur) den Kaufpreis der aufzuteilenden Liegenschaft (mit 150.000 EUR) beziffert, worüber sie aber wohl nie im Unklaren gewesen sein habe können, ansonsten nenne sie pfandrechtlich sichergestellte Kredite, die ihr wohl (ebenfalls) bekannt sein hätten müssen, sodass nicht erkennbar sei, „dass die Antragseinbringung erst sechs Wochen nach dem ersten Besprechungstermin innerhalb der noch zumutbaren Zeit erfolgt wäre“. Der Aufteilungsantrag sei daher verfristet.

[12] Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige, und der ordentliche Revisionsrekurs in der Hauptsache nicht zulässig sei, weil die Beurteilung von Zeit und Umständen einer „gehörigen Verfahrensfortsetzung“ einzelfallbezogen sei.

Rechtliche Beurteilung

[13] Der außerordentliche Revisionsrekurs der Frau, der nach Freistellung vom Mann beantwortet wurde, ist entgegen dem nach § 71 Abs 1 AußStrG nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichts zulässig, weil das Rekursgericht zum notwendigen Inhalt eines Aufteilungsantrags (und damit auch Verfahrenshilfeantrags) von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abgewichen ist und auch seinen Beurteilungsspielraum in der Frage der gehörigen Fortsetzung des Verfahrens überschritten hat. Er ist auch berechtigt.

[14] 1. Der Aufteilungsantrag wurde rechtzeitig gestellt.

[15] 1.1. Nach § 95 EheG erlischt der Anspruch auf Vermögensaufteilung, wenn er nicht binnen einem Jahr nach Eintritt der Rechtskraft der Scheidung geltend gemacht wird. Unter Rechtskraft ist dabei die formelle Rechtskraft nach § 411 ZPO zu verstehen (RS0041294; RS0057726 [T7]; RS0110013 [T5]). Auf diese Präklusivfrist sind die allgemeinen Verjährungsbestimmungen des § 1497 ABGB analog anzuwenden (RS0034613 [T1, T2]). Die Unterbrechungswirkung eines rechtzeitigen Aufteilungsantrags setzt in analoger Anwendung des § 1497 ABGB auch die „gehörige Fortsetzung“ des Verfahrens voraus (RS0034613 [T4]).

[16] 1.2. Im Verfahren nach den §§ 81 ff EheG können sich die Parteien darauf beschränken, im verfahrenseinleitenden Schriftsatz die Aufteilung der ehelichen Ersparnisse und des ehelichen Gebrauchsvermögens durch das Außerstreitgericht zu beantragen, ohne ein detaillierteres Begehren (Zuweisung bestimmter Gegenstände, Leistung einer bezifferten Ausgleichszahlung) stellen zu müssen (1 Ob 60/13z [Pkt 4.]; 1 Ob 111/14a [Pkt 5.] EF‑Z 2015/47, 83 [Gitschthaler]; 1 Ob 5/16s [Pkt 3.]). Nach gefestigter Judikatur des erkennenden Fachsenats können die Parteien zudem nach Ablauf der Jahresfrist des § 95 EheG zwar nicht die Zuweisung weiterer, nicht rechtzeitig behaupteter Vermögensgegenstände verlangen, dennoch aber – speziell unter Hinweis auf solche Vermögenswerte (1 Ob 158/08d) – (weitere) Ausgleichszahlungen fordern (RS0109615 [T5, T8]). Bei der Festsetzung der Ausgleichszahlung ist grundsätzlich das gesamte der Aufteilung unterliegende Vermögen zu erfassen (RS0109615 [T9]).

[17] 1.3. Zur Unterbrechung der einjährigen Präklusivfrist des § 95 EheG für die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens reicht es aus, wenn Verfahrenshilfe ohne weitere Detaillierung „in der Rechtssache wegen Aufteilung nach den §§ 81 ff EheG“ beantragt wird (RS0128863). Diese Angabe lässt im Sinn des § 9 Abs 1 AußStrG hinreichend erkennen, dass der Antragsteller die Aufteilung des gesamten ehelichen Vermögens begehrt (1 Ob 60/13z [Pkt 5.] = RS0128864, dazu zustimmend Oberhumer, Rechtsentwicklungen im Aufteilungsrecht [Teil II], Die Aufteilungsrechtsprechung der letzten drei Jahre im Überblick, EF‑Z 2016/5, 24 [30 f]). Ebenso ist ein Verfahrenshilfeantrag einer Antragstellerin „zur Weiterführung des Verfahrens für die nacheheliche Aufteilung“ als Antrag auf Aufteilung ehelichen Gebrauchsvermögens und ehelicher Ersparnisse anzusehen und unterbricht die Jahresfrist des § 95 EheG (1 Ob 200/18w EF‑Z 2019/42, 75 [Gitschthaler] = iFamZ 2019/34, 39 [Deixler‑Hübner]). In der Entscheidung zu 1 Ob 5/16s (iFamZ 2016/106, 177 [Deixler‑Hübner]) erachtete der Oberste Gerichtshof die Beurteilung des Rekursgerichts, dass ein Verfahrenshilfeantrag, der sich auf die „Klärung der gemeinsamen Schulden nach der Scheidung“ bezog und festhielt, „nach rk. Scheidung sind noch die Schulden + eheliches Gebrauchsvermögen und Ersparnisse zwischen den Ex‑Gatten aufzuteilen (ev. außergerichtliche Vereinbarung)“, deutlich erkennbar auf die vorprozessuale Klärung der Rechtslage abgestellt habe, was der Interpretation als verfahrenseinleitender Antrag im Sinn der §§ 81 ff EheG entgegenstehe, im konkreten Fall für vertretbar.

[18] 1.4. Im vorliegenden Fall bezieht sich der von der Frau innerhalb der Jahresfrist des § 95 EheG gestellte Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe auf die „Hilfe für [das] Aufteilungsverfahren nach der Scheidung“. Der Begriff „Aufteilungsverfahren“ lässt klar erkennen, dass die Frau die gerichtliche Aufteilung anstrebt und es ihr daher – entgegen der Rechtsansicht des Rekursgerichts – nicht um ein Begehren um Hilfe bei der außergerichtlichen Abklärung verschiedener möglicher nachehelicher Ansprüche geht. Der Ausdruck „Aufteilungsverfahren“ stellt eindeutig auf ein Gerichtsverfahren ab. Dass die Frau den Antrag, mit dem sie eine Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse erreichen wollte, beim Bezirksgericht Innsbruck, in dessen Sprengel sie ihren Wohnsitz hat, einbrachte, schadet nicht, weil die materiell‑rechtliche Frist des § 95 EheG auch gewahrt ist, wenn der verfahrenseinleitende Schriftsatz beim (unzuständigen) überweisenden Gericht vor ihrem Ablauf einlangt, aber erst nach Ablauf der Frist – durch die nach § 44 Abs 1 JN gebotene Überweisung, was in analoger Anwendung auch für den zugrundeliegenden Verfahrenshilfeantrag gilt (Mayr in Rechberger/Klicka 5§ 44 JN Rz 4; Schneider in Fasching/Konecny 3 I § 44 JN Rz 2) – beim Aufteilungsgericht (das wäre das Erstgericht) ankommt (3 Ob 23/10v; Garber in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang³ § 95 EheG Rz 27; Stabentheiner/Pierer in Rummel/Lukas 4 § 95 EheG Rz 14, jeweils mwN). Im Fall der vorzunehmenden Überweisung an das für das Aufteilungsverfahren zuständige Erstgericht wäre diesem Gericht die Tatsache der rechtskräftigen Scheidung bekannt gewesen. Das Begehren auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Einleitung des Aufteilungsverfahrens enthält implizit die Behauptung der Frau, dass überhaupt eine Aufteilungsmasse vorhanden sei (1 Ob 60/13z [Pkt 5.]). Ein weiteres Tatsachenvorbringen zur Darlegung ihres Aufteilungsanspruchs war demnach nicht notwendig, um die einjährige Frist des § 95 EheG zu wahren. Der am 5. 7. 2021 gestellte Verfahrenshilfeantrag unterbrach damit diese Jahresfrist.

[19] Zwar wurde in der Entscheidung zu 1 Ob 45/05g, die noch zum AußStrG 1854 erging, die Auffassung vertreten, dass ein Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe „für das Aufteilungsverfahren“, der weiteres Vorbringen nicht enthielt, die Voraussetzungen für die Unterbrechung der Frist des § 95 EheG nicht erfülle. Diese Rechtsansicht kann aber im Hinblick auf § 9 Abs 1 AußStrG 2005, wonach ein Antrag kein bestimmtes Begehren enthalten muss, sondern nur hinreichend erkennen lassen muss, welche Entscheidung oder sonstige gerichtliche Tätigkeiten der Antragsteller anstrebt und aus welchem Sachverhalt er dies ableitet, nicht aufrecht erhalten werden (1 Ob 60/13z).

[20] 1.5. Wie dargelegt, setzt die Unterbrechungswirkung eines rechtzeitigen Aufteilungsantrags die „gehörige Fortsetzung“ des Verfahrens voraus (RS0034613 [T4]). Bei der Beurteilung, ob eine solche vorliegt, kommt es nicht so sehr auf die längere oder kürzere Dauer der Untätigkeit an, sondern auf den Umstand, ob diese „gerechtfertigt“ war (RS0034710). Entscheidend ist demnach, ob das Verhalten eines Antragstellers ein mangelndes Interesse an der Verfahrensfortsetzung bekundet. (Nur) Unter diesem Gesichtspunkt kommt es auf die Dauer der Untätigkeit an (vgl RS0034710 [T4]; RS0034849). Eine gehörige Fortsetzung ist demnach vor allem dann auszuschließen, wenn eine ungewöhnliche Untätigkeit („beharrliche Nichtbetätigung“) an den Tag gelegt wird, die darauf schließen lässt, dass dem Anspruchswerber an der Erreichung seines Verfahrensziels nicht mehr gelegen ist (RS0034765). Ob dies der Fall ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls (RS0034805 [T6]), sodass auch keine „festen zeitlichen Grenzen“ gezogen werden können. Je kürzer die Untätigkeit, desto eher wird sie aber als üblich gewertet werden können, je länger sie dauert, umso beachtlicher müssen die Gründe für den Verfahrensstillstand sein, um die Untätigkeit noch als angemessen anzusehen (1 Ob 116/20w [Rz 4] iFamZ 2021/29, 49 [Deixler‑Hübner] mwN).

[21] 1.6. In der Rechtsprechung des erkennenden Fachsenats wurde in einem Fall, in dem der Verfahrenshelfer rund 14 Tage nach der Zustellung des Bescheids der zuständigen Rechtsanwaltskammer den Aufteilungsantrag beim Erstgericht einbrachte, keine grundlose, zu lange andauernde Untätigkeit einer Antragstellerin gesehen (1 Ob 60/13z [Pkt 6.]). Dagegen wurden Sachverhalte, in denen ein Antragsteller seit der Bestellung des Verfahrenshilfeanwalts fast vier Monate untätig blieb (rund dreieinhalb Monate nach Ablauf der Einjahresfrist des § 95 EheG), ohne dafür einen Grund anzugeben (1 Ob 200/18w [Pkt 2.]), und eine Antragstellerin nicht näher darlegte, aus welchen im Verhältnis zwischen den Verfahrensparteien liegenden Gründen ihr die Ausführung des Aufteilungsantrags im Zeitraum von siebeneinhalb Monaten nach Bestellung ihres Verfahrenshelfers (gut zwei Wochen nach Ablauf der Einjahresfrist des § 95 EheG) nicht möglich oder zumutbar gewesen sei (1 Ob 5/16s [Pkt 5.]), nicht mehr als „gehörige Fortsetzung“ des Verfahrens angesehen.

[22] Ganz allgemein wird in Verfahren, die während kurzer Präklusivfristen einzuleiten sind, trotz gebotener strenger Prüfung der „gehörigen Fortsetzung“ des Verfahrens bei einer zweimonatigen Untätigkeit eines Klägers bzw Antragstellers noch nicht der Schluss gezogen, dass dieser seinen Anspruch nicht weiterverfolgen wolle (6 Ob 85/07d [Pkt 2.]; vgl auch 1 Ob 115/00v; DeixlerHübner, Glosse zu 1 Ob 200/18w, iFamZ 2019/34, 39).

[23] 1.7. Hier wurde dem Verfahrenshelfer der Bestellungsbescheid am 19. 8. 2021 zugestellt. Er brachte den (erstmals näher begründeten) Aufteilungsantrag – zwei Monate später – am 19. 10. 2021 beim Erstgericht ein. In der Zwischenzeit fanden zwei Besprechungen statt und erfolgte laufend E‑Mail‑Korrespondenz zwischen der Frau und dem Verfahrenshelfer. Eine grundlose, zu lange andauernde Untätigkeit kann der Frau in diesem Fall – entgegen der Ansicht der Vorinstanzen und des Mannes – nicht vorgeworfen werden.

[24] 1.8. Da der Antrag der Frau auf Leistung einer Ausgleichszahlung aus diesen Erwägungen nicht verfristet ist, sind die Beschlüsse der Vorinstanzen insofern aufzuheben, und dem Erstgericht ist die inhaltliche Behandlung des Antrags aufzutragen.

[25] 2. Das Manifestationsbegehren ist im fortgesetzten Verfahren zu erörtern.

[26] 2.1. Im Aufteilungsantrag vom 19. 10. 2021 führte die Frau aus, dass sie der Mann in finanziellen Belangen „vollkommen uninformiert“ gelassen habe. Er habe über diverse (Spar‑)Konten bei Banken und zumindest eine Lebensversicherung verfügt. Was damit geschehen sei, sei ihr nicht bekannt. Sie führte bestimmte Konten bei diversen Kreditinstituten an, nannte eine Kreditkarte und verwies auf einen Lebensversicherungsvertrag. In ihrem Antrag forderte sie den Mann auf, „seine persönlichen Ersparnisse und [eine] Lebensversicherung, die er während der Ehe angespart hat,“ insbesondere bestimmte Konten, eine Kreditkarte und eine Lebensversicherung „durch Eid vor Gericht offen zu legen“. Eine rechtliche Grundlage für eine solche Verpflichtung des Mannes auf Auskunftserteilung nannte sie nicht.

[27] 2.2. Die Bestimmungen der §§ 81 ff EheG normieren zwar einen Anspruch der Ehegatten auf Aufteilung, mangels anderslautender Vereinbarung nicht aber einen solchen auf Rechnungslegung (RS0113334). Im nachehelichen Aufteilungsverfahren kann daher mangels materiell‑rechtlicher Verpflichtung zur Vermögensangabe kein Rechnungslegungsanspruch im Sinn des Art XLII Abs 2 erster Fall EGZPO erhoben werden. Dem Wesen des vom Grundsatz der Billigkeit beherrschten Aufteilungsverfahrens würde es widersprechen, wollte man den ehemaligen Ehepartner im Wege eines Manifestationsverfahrens zur Rechnungslegung möglicherweise über die gesamte Dauer der Ehe zwingen (RS0106019 [T1]).

[28] Im außerstreitigen Aufteilungsverfahren besteht nur ein Anspruch auf Auskunftserteilung in analoger Anwendung des Art XLII Abs 1 zweiter Fall EGZPO (RS0113334; 1 Ob 181/16y mwN). Voraussetzung dafür ist, dass der Gegner von der Verschweigung oder Verheimlichung des anzugebenden Vermögens vermutlich Kenntnis hat (8 Ob 255/99d = SZ 73/45) und damit der konkrete Verdacht auf Verschweigen oder Verheimlichen von Vermögensgegenständen besteht (RS0034823; Garber in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang³ § 85 EheG Rz 94 mwN). Die (eidliche) Auskunftspflicht (Offenlegung) kann sich im Aufteilungsverfahren nur auf jenes der Aufteilung unterliegende Vermögen beziehen, das im Aufteilungszeitpunkt – Zeitpunkt der Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft – noch vorhanden ist oder dessen Wert gemäß § 91 Abs 1 EheG in die Aufteilung einzubeziehen ist (8 Ob 255/99d; 1 Ob 181/16y; Gitschthaler in Schwimann/Kodek, ABGB5 § 85 EheG Rz 9 mwN).

[29] In einem Antrag auf Auskunftserteilung analog zu Art XLII Abs 1 zweiter Fall EGZPO muss jener Bestandteil der Aufteilungsmasse, den der andere Ehegatte vermutlich unrichtig, unvollständig oder gar nicht angegeben hat, soweit konkretisiert werden, dass in der beantragten Vermögensangabe nicht etwa ein bloßer Erkundungsbeweis zu erblicken ist (8 Ob 255/99d; 1 Ob 181/16y). Die bloße Behauptung, der andere Ehegatte würde Vermögen verheimlichen, reicht demnach nicht aus, sondern sie muss konkretisiert werden (vgl RS0113334; 8 Ob 255/99d; 1 Ob 181/16y). Zu detaillierte Auskünfte dürfen vom Auskunft begehrenden Ehegatten im Hinblick auf den Zweck des Auskunftsanspruchs aber nicht verlangt werden. Der Antragsteller hat so viele Tatsachen zu behaupten und zu bescheinigen, dass daraus die Wahrscheinlichkeit der Verschweigung bzw Verheimlichung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse durch den Antragsgegner abzuleiten ist (1 Ob 181/16y = RS0034823 [T5, T6]; Stabentheiner/Pierer in Rummel/Lukas 4 § 85 EheG Rz 31 mwN).

[30] 2.3. Die Frau begehrt vom Mann die Auskunftserteilung über „seine persönliche[n] Ersparnisse und [eine] Lebensversicherung, die er während der Ehe angespart hat“. Ein Anspruch auf Auskunftserteilung analog zu Art XLII Abs 1 zweiter Fall EGZPO setzt das Verschweigen oder Verheimlichen von Vermögen durch den Mann voraus; solches behauptet sie nur ansatzweise, wenn sie lediglich vorbringt, der Mann habe sie in finanziellen Belangen „vollkommen uninformiert“ gelassen. Sie erstattete kein Vorbringen, dass sie den Mann auf ein der ehelichen Aufteilung unterliegendes Vermögen angesprochen hätte und er ihr dieses verheimlicht oder verschwiegen hätte. Sie begehrt auch nicht zum Zeitpunkt der Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft eine Aufstellung seiner Ersparnisse bzw einer Lebensversicherung (vgl 1 Ob 181/16y), sondern nur unkonkret die Offenlegung der während der Dauer der Ehe vom Mann erworbenen Ersparnisse.

[31] Zur Vermeidung einer Überraschungsentscheidung (vgl RS0037300; RS0108816) ist ihr Gelegenheit zu geben, ausreichendes Vorbringen zur Schlüssigstellung eines allfälligen Anspruchs auf Auskunftserteilung analog zu Art XLII Abs 1 zweiter Fall EGZPO zu erstatten. Vom Erstgericht sind auf dieser Grundlage gegebenenfalls entsprechende Feststellungen zu treffen.

[32] 2.4. Einen solchen Anspruch auf Auskunftserteilung wegen Kenntnis vom Verschweigen oder Verheimlichen von Vermögen hätte die Frau nach Ablauf der einjährigen Präklusivfrist des § 95 EheG erhoben. Im Zusammenhang mit der Auskunft über eheliche Ersparnisse gilt die Präklusivfrist des § 95 EheG nicht auch für das entsprechende Manifestationsbegehren analog zu Art XLII Abs 1 zweiter Fall EGZPO (zuletzt offen gelassen in 1 Ob 14/21x [Rz 34]; vgl Leb, Das „Parken“ von Unternehmenserträgnissen in einer Privatstiftung lohnt sich, iFamZ 2021, 166 [167], die die fehlende „Klarstellung der Geltung der Präklusivfrist nach § 95 EheG für den Rechnungslegungsanspruch“ bedauert, ohne selbst einen Beitrag zur Klärung zu leisten).

[33] Dass der Ablauf der Frist des § 95 EheG einer Aufteilungsentscheidung nur insoweit entgegensteht, als es um die Zuweisung von Vermögensgegenständen geht, die nicht innerhalb der Jahresfrist zum Gegenstand des darauf abzielenden Antrags gemacht wurden, hat der erkennende Fachsenat bereits mehrmals ausgesprochen. Die Frage der Festsetzung einer allfälligen Ausgleichszahlung gemäß § 94 EheG bzw die Forderung einer solchen oder die Ausdehnung eines auf eine Ausgleichszahlung gerichteten Begehrens wird nach der gefestigten Judikatur des Fachsenats davon nicht berührt, handelt es sich doch beim – letztlich erst vom Gericht festzulegenden – Anspruch auf eine Ausgleichszahlung nicht um einen der Aufteilung unterliegenden Vermögensgegenstand, sondern vielmehr um ein Instrument, mit dem bei der realen Zuteilung (oder Belassung) des vorhandenen Vermögens verbleibende Unbilligkeiten ausgeglichen werden sollen (RS0057583 [T13]; RS0109615 [T5]). Bei der Festsetzung der Ausgleichszahlung ist aber grundsätzlich das gesamte nach den §§ 81 ff EheG der Aufteilung unterliegende Vermögen zu erfassen (RS0057583 [T15]; RS0109615 [T9]).

[34] Wenn die Frau trotz Ablaufs der Präklusivfrist des § 95 EheG noch eine weitere Ausgleichszahlung verlangen kann, spricht nichts dagegen, dass sie auch den entsprechenden Hilfsanspruch auf Auskunftserteilung analog zu Art XLII Abs 1 zweiter Fall EGZPO nach Fristablauf erheben kann.

[35] 2.5. Aus den zu 2.3. dargelegten Gründen sind die Entscheidungen der Vorinstanzen hinsichtlich des Manifestationsanspruchs der Frau aufzuheben und die Familienrechtssache ist auch insofern zur Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückzuverweisen.

2.6. Im Ergebnis ist festzuhalten:

[36] Im Rahmen eines Aufteilungsverfahrens nach §§ 81 ff EheG kann (nur) der Anspruch auf Auskunftserteilung analog zu Art XLII Abs 1 zweiter Fall EGZPO geltend gemacht werden.

[37] Im Fall eines rechtzeitig, innerhalb der einjährigen Präklusivfrist des § 95 EheG gestellten Aufteilungsantrags kann das Begehren auf Auskunftserteilung analog zu Art XLII Abs 1 zweiter Fall EGZPO im Hinblick auf eine mögliche Ausgleichszahlung auch noch nach Ablauf dieser Frist erhoben werden.

[38] 3. Der Kostenvorbehalt folgt aus einem Gegenschluss zu § 78 Abs 1 zweiter Satz erster Fall AußStrG. Da mit diesem Aufhebungsbeschluss die Rechtssache nicht erledigt wird, kommt der Ausspruch einer Kostenersatzpflicht nicht in Betracht, sondern ist ein Kostenvorbehalt auszusprechen (vgl RS0123011 [T5]).

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