OGH 1Ob188/21k

OGH1Ob188/21k25.1.2022

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen der klagenden Parteien 1. *-Verein *, vertreten durch die HSP Rechtsanwälte GmbH, Wien, sowie 2. Dr. M*, und 3. Dr. H*, beide vertreten durch Mag. Martin Gaugg, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei * Wirtschaftsprüfung GmbH, *, vertreten durch Dr. Alexander Russ, Rechtsanwalt in Wien, wegen 1.072.809 EUR (erstklagende Partei), 19.200 EUR (zweitklagende Partei) und 24.000 EUR (drittklagende Partei), über die Revisionen der erstklagenden Partei sowie der zweit- und drittklagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 31. Mai 2021, GZ 4 R 154/20a‑108, mit dem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 27. Juli 2020, GZ 39 Cg 90/20h‑99, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0010OB00188.21K.0125.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Die Revisionen werden zurückgewiesen.

Die klagenden Parteien sind schuldig, der beklagten Partei die mit 4.710,95 EUR (darin 785,16 EUR USt) bestimmten Kosten ihrer Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen anteilig zu ersetzen, und zwar die erstklagende Partei 4.528,60 EUR (darin 754,77 EUR USt), die zweitklagende Partei 81,05 EUR (darin 13,51 EUR USt) und die drittklagende Partei 101,30 EUR (darin 16,88 EUR USt).

 

Begründung:

[1] Die Beklagte ist eine österreichische Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. Sie prüfte einen von einer deutschen GmbH & Co KG („Emittentin“) erstellten Emissionsprospekt für ein in Österreich erfolgtes öffentliches Angebot zur Zeichnung von – von einer deutschen GmbH treuhändig gehaltenen – Kommanditbeteiligungen an der Emittentin und erteilte diesem am 28. 12. 2010 den Kontrollvermerk gemäß § 7 Kapitalmarktgesetz (nachfolgende Zitate des KMG beziehen sich jeweils auf die zu diesem Zeitpunkt geltende Fassung). Geschäftszweck der Emittentin war die Vergabe eines Darlehens in mehreren Tranchen gegen einen Fix- sowie „Bonuszins“ an eine deutsche Aktiengesellschaft („Darlehensnehmerin“), die damit (insbesondere) Immobiliengeschäfte finanzieren sollte. Über das Vermögen der Emittentin wurde 2013 das Insolvenzverfahren eröffnet.

[2] Die Kläger begehren von der Beklagten den Ersatz des investierten Kapitals abzüglich der auf die Kommanditbeteiligungen erfolgten Ausschüttungen. Sie stützen ihre Ersatzansprüche darauf, dass der Emissionsprospekt in mehreren Punkten unrichtig bzw unvollständig gewesen sei. Es hätten insbesondere Informationen für Veranlagungsgemeinschaften in Immobilien nach dem Schema D des KMG gefehlt und das Geschäftsmodell der Darlehensnehmerin sei entgegen der Darstellung im Prospekt wirtschaftlich nicht tragfähig gewesen. Der Beklagten hätten die unrichtigen bzw unvollständigen Prospektangaben auffallen müssen. Durch Erteilung des Kontrollvermerks habe sie ihre Pflichten als Prospektkontrollorin grob schuldhaft verletzt. Die Anleger hätten die nunmehr wertlosen Veranlagungen nicht erworben, wenn die Beklagte den Prospekt sorgfältig geprüft und keinen Kontrollvermerk erteilt hätte.

[3] Die Zweitklägerin und der Drittkläger erwarben selbst Kommanditbeteiligungen an der Emittentin, die Erstklägerin ließ sich Ersatzansprüche von Anlegern, die solche Beteiligungen erworben hatten, zum Inkasso abtreten.

[4] Die Vorinstanzen wiesen sämtliche Klagen ab, weil der Beklagten keine grob schuldhaft fehlerhafte Prospektkontrolle vorzuwerfen sei.

[5] Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Auslegung des § 14 KMG (in der bei Erteilung des Kontrollvermerks geltenden Fassung) fehle und außerdem mehrere Verfahren geschädigter Anleger anhängig seien.

[6] Die dagegen sowohl von der Erstklägerin als auch von der Zweitklägerin und dem Drittkläger erhobenen Revisionen sind entgegen diesem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch mangels Darlegung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig. Aufgrund ihres engen inhaltlichen Zusammenhangs ist es zweckmäßig, beide Rechtsmittel gemeinsam zu behandeln.

Rechtliche Beurteilung

[7] 1. Prospekthaftungsansprüche bestehen, wenn ein Anleger durch falsche, unvollständige oder irreführende Prospektangaben zur Zeichnung einer Kapitalanlage bewogen wird. Es handelt sich dabei um eine typisierte Vertrauenshaftung aus Verschulden bei Vertragsabschluss. Der Prospekt bildet im Regelfall die Grundlage für den wirtschaftlich bedeutsamen und mit Risken verbundenen Beteiligungsentschluss. Aus diesem Grund muss sich der potentielle Kapitalanleger grundsätzlich auf die sachliche Richtigkeit und Vollständigkeit der im Prospekt enthaltenen Angaben verlassen dürfen (RIS‑Justiz RS0107352 [insb T1]). An diesem Zweck orientieren sich auch Inhalt und Umfang der in § 8 Abs 2 KMG geregelten Prüfpflicht (9 Ob 89/14z; 5 Ob 26/14f). Der Prospektkontrollor haftet gemäß § 11 KMG nicht für die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit des Prospekts, sondern nur für dessen unrichtige oder unvollständige Kontrolle (RS0107352 [T5, T15]).

[8] 2. § 11 Abs 1 Z 2a KMG beschränkt die Haftung des Kontrollors von Prospekten für Veranlagungen auf eigenes grobes Verschulden oder grobes Verschulden seiner Leute oder sonstiger Personen, deren Tätigkeit zur Prospektkontrolle herangezogen wurde. Grobe Fahrlässigkeit ist bei schlechthin unentschuldbaren Pflichtverletzungen (RS0030303 [T2, T3]) bzw bei außergewöhnlicher und auffallender Vernachlässigung einer Sorgfaltspflicht gegeben (RS0030644). Die Beurteilung des Verschuldensgrades hat jeweils aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls zu erfolgen und begründet typischerweise keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO (vgl RS0087606; RS0089215 [T1]).

[9] 3.1. Die Kläger werfen der Beklagten in dritter Instanz vor allem vor, bei der Prospektprüfung grob sorgfaltswidrig davon ausgegangen zu sein, dass der Emissionsprospekt keine zusätzlichen Angaben gemäß § 14 KMG für die Veranlagung in Immobilien nach Schema D des KMG enthalten musste. Aufgrund der Beschränkung der Haftung des Prospektkontrollors (bei Veranlagungen) auf grobes Verschulden, hat dieser nur für eine grob unvertretbare Verkennung der maßgeblichen Rechtslage einzustehen. Ob eine Rechtsansicht im Einzelfall unvertretbar war, begründet typischerweise keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO (vgl RS0049912 [T5, T11]; RS0049955 [T10]), umso weniger die einzelfallbezogene Abgrenzung von leichtem zu grobem Verschulden.

[10] 3.2. § 14 KMG fordert unter anderem zusätzliche Prospektangaben nach Schema D für „Veranlagungsgemeinschaften in Immobilien“. Solche liegen nach dieser Bestimmung vor, wenn Veranlagungen von Emittenten ausgegeben werden, die mit dem investierten Kapital direkt oder indirekt nach Zweck oder tatsächlicher Übung überwiegend Erträge aus der Überlassung oder Übertragung von Immobilien an Dritte erwirtschaften. Wann eine „indirekte“ Erwirtschaftung solcher Erträge erfolgt, ergibt sich weder aus dem Gesetzeswortlaut noch aus den Gesetzesmaterialien (vgl ErläutRV 147 BlgNR 18. GP  21, wo bloß von „unterschiedlichsten gesellschaftsrechtlichen Konstruktionen“ bei der Veranlagung in Immobilien die Rede ist, nicht hingegen von zur Immobilienfinanzierung gewährten Darlehen; zu dem in § 1 Abs 1 Z 3 KMG verwendeten Begriff der „indirekten Investition“ erwähnen die Gesetzesmaterialien lediglich „Treuhandkonstruktionen“). Rechtsprechung zum Anwendungsbereich des § 14 KMG bestand zum Zeitpunkt der Prospektprüfung durch die Beklagte nicht. Entgegen der Behauptung der Revisionswerber ergibt sich auch aus der von ihnen ins Treffen geführten – zum Prüfungszeitpunkt gar nicht existenten – Literaturstelle (Oberndorfer, Die Prospektpflicht nach dem KMG [2014] 72 f [wohl gemeint: 136 f]) keine klare Abgrenzung des Begriffs der „Veranlagungsgemeinschaft in Immobilien“. Auch einschlägige „Fachgutachten“ der Berufsvereinigungen (der Wirtschaftsprüfer) bestanden nicht.

[11] 3.3. Die Beklagte holte daher zur Frage des Anwendungsbereichs des § 14 KMG die Rechtsauskunft eines Rechtsanwalts ein (mit dem Ergebnis, dass „es dazu nichts gebe“) und wog die für und gegen deren Anwendung auf die von ihr zu prüfende Veranlagung sprechenden Argumente ab. Für das Vorliegen einer Veranlagungsgemeinschaft in Immobilien sprach ihrer Ansicht nach nur das vom Immobiliengeschäft abhängige Bonitätsrisiko der Emittentin; dagegen sprach, dass die Erträge der Darlehensnehmerin neben dem Immobiliengeschäft auch aus „Forderungserwerben“ stammten; die überwiegend fixe Darlehensverzinsung; die fehlende Einflussmöglichkeit der Emittentin auf die Investitionen der Darlehensnehmerin; das Fehlen eines „Rechnungskreises betreffend Erträge aus Immobilien“; die Gläubigerstellung der Emittentin (also die Stellung als Fremdkapitalgeberin); sowie das Fehlen der Möglichkeit eines gesellschaftsrechtlichen „Durchgriffs“ auf die Darlehensnehmerin mangels unmittelbarer oder mittelbarer Beteiligung an dieser (Beilage ./62 [Pro- und Contra-Liste]; zur Berücksichtigung dieser Urkunde im Rechtsmittelverfahren vgl RS0121557). Die Beklagte gelangte aufgrund dieser Abwägung zum Ergebnis, dass § 14 KMG auf die vorliegende Veranlagung nicht anzuwenden sei. Sie ging auch davon aus, dass die zusätzlichen Prospektangaben gemäß Schema D bei den Anlegern den – aufgrund der Stellung der Emittentin als Darlehensgeberin – unrichtigen Eindruck erweckt hätten, sie würden tatsächlich in Immobilien investieren. Gegen eine Aufnahme der dort vorgesehenen Informationen in den Prospekt sprach nach Ansicht der Beklagten auch, dass aufgrund des „Blind‑Pool‑Konzepts“ der von der Darlehensnehmerin verfolgten Veranlagungsstrategie (die von ihr zu erwerbenden Immobilien waren bei Erstellung und Prüfung des Prospekts großteils noch nicht bekannt) zu wesentlichen Punkten dieses Schemas (betreffend die künftig zu erwerbenden Immobilien) keine Angaben gemacht werden hätten können.

[12] Im Prospekt wurde mehrmals dargelegt, dass der Anlagezweck darin liege, mit den Geldern der Anleger der genannten Aktiengesellschaft ein Darlehen zu gewähren, wobei die Fondsgesellschaft auf deren Investitionen keinen Einfluss habe. Die Aktiengesellschaft werde die Darlehensgelder an Tochtergesellschaften zur „mittelbaren Investition zB in Immobilien“ weiterleiten. Wiederholt wurde darauf hingewiesen, dass es zum Totalverlust der Einlage kommen kann, wobei die verschiedenen Risiken näher erläutert wurden. Das Beteiligungsangebot richte sich an „renditeorientierte“ Anleger und habe spekulativen Charakter.

[13] 3.4. Dass es das Berufungsgericht als zumindest nicht grob unvertretbar ansah, dass die Beklagte mangels klaren Gesetzeswortlaus sowie fehlender Rechtsprechung aufgrund dieser Erwägungen von keiner Veranlagungsgemeinschaft in Immobilien iSd § 14 KMG ausging und Prospektangaben gemäß Schema D KMG für nicht erforderlich hielt, begründet keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung. Warum das Fehlen von Rechtsprechung zum Anwendungsbereich des § 14 KMG (zum Zeitpunkt der Prospektprüfung) für die Frage der rechtlichen Vertretbarkeit derAuslegung dieser Bestimmung durch die Beklagte „völlig unerheblich“ gewesen sein soll, erschließt sich nicht. Soweit die Revisionswerber die Zulässigkeit ihrer Rechtsmittel daraus ableiten wollen, dass dazu (bis dato) keine höchstgerichtliche Rechtsprechung bestehe, verkennen sie den im vorliegenden Haftungsprozess anzulegenden Prüfungsmaßstab, in dem nur zu beurteilen ist, ob die Gesetzesauslegung durch die Beklagte (grob) unvertretbar war.

[14] 3.5. Das Gericht zweiter Instanz legte seiner rechtlichen Beurteilung erkennbar den (nicht zu überspannenden; vgl RS0026535) Sorgfaltsmaßstab des § 1299 ABGB zugrunde und stellte – entgegen der Behauptung der Revisionswerber – auf die übliche Sorgfalt jener Personen ab, welche die Tätigkeit der Prospektkontrolle berufsmäßig ausüben (vgl RS0026535 [T7, T9]). Die weitgehend substanzlose Kritik, das Berufungsgericht habe den von einem Prospektprüfer allgemein einzuhaltenden – in den Rechtsmitteln jedoch nicht näher beschriebenen – Sorgfaltsmaßstab nicht konkret dargelegt, geht ins Leere, weil die Sorgfaltspflichten eines gewissenhaften Prospektprüfers jeweils anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls zu beurteilen sind (vgl RS0130434 zu den Sorgfaltspflichten eines Abschlussprüfers).

[15] 3.6. Mit der Behauptung, die Beklagte habe es grob schuldhaft unterlassen, zur Anwendung des § 14 KMG auf den von ihr geprüften Emissionsprospekt eine Anfrage an die FMA zu richten, zeigen die Revisionswerber schon deshalb keine erhebliche Rechtsfrage auf, weil sie keine konkrete Rechtsgrundlage nennen, aus der sich eine Verpflichtung zur Einholung einer solchen – auch keinesfalls bindenden – Auskunft ableiten ließe. Aus der in den Revisionen ins Treffen geführten (Straf-)Bestimmung des § 16 KMG ergibt sich eine solche jedenfalls nicht. Auch zur unterlassenen Einholung eines Rechtsgutachtens (zum Anwendungsbereich des § 14 KMG) legen sie nicht dar, warum die Beklagte – zusätzlich zu der von einem Rechtsanwalt eingeholten Rechtsauskunft – ein solches erstellen lassen hätte müssen.

[16] 4.1. Die Kläger werfen der Beklagten aufgrund mehrerer Sorgfaltsverstöße bei der Prospektkontrolle auch „insgesamt“ ein grobes Verschulden bei der Prospektprüfung vor. Inwieweit sich dieses grobe „Gesamtverschulden“ auf einzelne unrichtige oder unvollständige Prospektangaben bezogen und daher auf die Investitionsentscheidung der Anleger ausgewirkt haben soll, kann den Revisionen jedoch nicht entnommen werden. Im Übrigen wirft die einzelfallbezogene Beurteilung, ob einzelne, für sich genommen nicht grob fahrlässige Handlungen in ihrer Gesamtheit die Annahme grober Fahrlässigkeit rechtfertigen, typischerweise keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 510 Abs 1 ZPO auf (vgl 3 Ob 73/15d). Eine solche vermögen auch die Revisionswerber nicht aufzuzeigen.

[17] 4.2. Zum Vorwurf, die Beklagte habe sich auf mündliche Angaben eines Mitarbeiters der Prospektverfasserin (einer Steuerberatungskanzlei) verlassen, behaupten die Revisionswerber nicht, dass diese – von ihnen nicht näher konkretisierten – Angaben überhaupt unrichtig gewesen seien. Warum sich die teilweise unvollständige (interne) Dokumentation der Prüfungshandlungen der Beklagten auf die Investitionsentscheidungen der Anleger ausgewirkt hätte, ist nicht ersichtlich.Zur behaupteten unzureichenden Auswahl von Stichproben (betreffend die von der Darlehensnehmerin bereits erworbenen Immobilien) sowie zu den „unzureichenden Prüfungshandlungen zum deutschen Immobilienmarkt und zu den vergleichbaren Konkurrenzprodukten“ zeigen die Revisionswerber nicht auf, inwiefern dies einen Einfluss auf die Richtigkeit und Vollständigkeit des Prospekts gehabt hätte; dies gilt auch für den der Beklagten angelasteten Fehler „bei der Ermittlung der Körperschafts- und Gewerbesteuer“, wozu ohnehin feststeht, dass sich dieser „nicht negativ auswirkte“. Warum es eine Sorgfaltswidrigkeit der Beklagten begründet haben soll, dass sie einen deutschen Prüfungsstandard(„IDW S4“) für unanwendbar hielt, ist angesichts der Feststellung, dass eine „Orientierung“ an diesem zwar „sinnvoll aber nicht zwingend“ gewesen wäre, nicht ersichtlich (vgl RS0119578, wonach die Frage nach dem Ausmaß und der „Tiefe“ einer [Abschluss-]Prüfung die Tatsachenebene betrifft). Die Revisionswerber legen auch nicht dar, welchen konkreten Prüfungsanforderungen die Beklagte nicht entsprochen haben soll. Insgesamt zeigen sie nicht auf, dass das Berufungsgericht mit seiner Rechtsansicht, wonach die der Beklagten vorgeworfenen Pflichtverletzungen auch in ihrer Gesamtheit nicht den Vorwurf grober Fahrlässigkeit bei der Prospektkontrolle begründen könnten, den ihm zukommenden Beurteilungsspielraum in korrekturbedürftiger Weise überschritten hätte.

[18] 5.1. Die Kläger stützen ihre Ersatzansprüche –neben § 11 Abs 1 Z 2a KMG – auch auf eine (bereits bei leichter Fahrlässigkeit bestehende) Haftung der Beklagten nach allgemeinem Zivilrecht. Sie führen dazu die Entscheidung zu 10 Ob 69/11m ins Treffen, wonach die Haftung des Prospektkontrollors neben § 11 KMG auch auf das allgemeine Zivilrecht („culpa in contrahendo“) gestützt werden könne. Zu 10 Ob 88/11f schränkte der Oberste Gerichtshof dies jedoch – unter Verweis auf eine gegenteilige Literaturstimme – ein und legte dar, dass die Haftungsbeschränkung(en) des § 11 KMG sowie die dort vorgesehene Präklusivfrist zur Geltendmachung von Prospekthaftungsansprüchen auch dann anzuwenden seien, wenn diese auf eine andere Grundlage als jene des § 11 KMG gestützt werden, weil die besondere Haftung des Prospektkontrollors sonst – unabhängig vom Bestehen einer rechtlichen Sonderbeziehung zu den Anlegern – auch bei leichter Fahrlässigkeit sowie ohne die in § 11 Abs 6 und 7 KMG vorgesehenen Beschränkungen geltend gemacht werden könnte (vgl auch 6 Ob 16/13s). Zu 1 Ob 71/14v (= ÖBA 2016/2241 [zustimmend Riss]) hob der Oberste Gerichtshof schließlich hervor, dass die Beschränkung der Haftung des Prospektkontrollors nach § 11 Abs 1 Z 2a KMG auf grobes Verschulden sinnlos wäre, wenn in Konkurrenz dazu stets ein Schadenersatzanspruch des Anlegers nach den Grundsätzen der Haftung für „culpa in contrahendo“ auch bei leichtem Verschulden bestünde.

[19] 5.2. Das Berufungsgericht berücksichtigte diese Rechtsprechung. Mit ihrer unzutreffenden Behauptung, die zu 1 Ob 71/14v vertretene Rechtsansicht wäredort bloß „obiter“ geäußert worden, zeigen die Revisionswerber keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf, zumal sie sich mit deren überzeugender Begründung nicht auseinandersetzen.

[20] 6. Soweit die Kläger in dritter Instanz behaupten, die Beklagte habe (hinsichtlich der unterbliebenen Prospektangaben gemäß dem Schema D) nicht nur für ihre Prospektprüfung, sondern auch für eine fehlerhafte Prospekterstellung einzustehen, weil sie an dieser (durch Beratung der Prospektverfasserin) mitgewirkt habe, ist ihnen zu entgegnen, dass sie ihre Ansprüche in erster Instanz nicht auf eine solche Anspruchsgrundlage gestützt haben. Ihr Rechtsmittelvorbringen verstößt daher gegen das Neuerungsverbot. Davon abgesehen legen die Revisionswerber auch nicht dar, auf welcher Rechtsgrundlage sich aus der behaupteten „Beratung“ des Prospektverfassers eine Haftung der Beklagten gegenüber den Anlegern ergeben sollte, zu denen sie in keinem rechtsgeschäftlichen Kontakt stand. Auch hätte der behauptete Beurteilungsfehler zur Frage der Maßgeblichkeit des § 14 KMG kein anderes Gewicht.

[21] 7. Die Revisionswerber vermögen auch mit ihrer Behauptung, das Erstgericht habe (vermeintlich) rechtlich relevante Feststellungen nicht getroffen, keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO darzulegen. Für die Beurteilung der Haftung der Beklagten spielt es keine Rolle, in welchem Umfang sie (im Hinblick auf § 8 Abs 2 KMG) eine Haftpflichtversicherung abschloss. Auch zur „Struktur“ einer anderen als der hier zu beurteilenden Veranlagung, bei der die Beklagte ebenfalls den Emissionsprospekt kontrollierte und § 14 KMG für anwendbar hielt, waren mangels rechtlicher Relevanz keine Feststellungen zu treffen, steht doch fest, dass sich beide Veranlagungen strukturell unterschieden. Feststellungen zur Kausalität der Prospektangaben für die Investitionsentscheidungen der Anleger konnten mangels grob schuldhaften Fehlverhaltens der Beklagten unterbleiben. Auch zu den übrigen behaupteten Feststellungsmängeln sprechen die Revisionswerber keine erhebliche Rechtsfrage an.

[22] 8. Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 iVm § 50 Abs 1 ZPO. Da die Beklagte auf die Unzulässigkeit beider Revisionen hingewiesen hat, steht ihr der Ersatz der Kosten ihrer als zweckentsprechend anzusehenden Revisionsbeantwortung zu (RS0112296). Die klagenden Parteien schulden den Kostenersatz nur entsprechend ihrem Anteil am Gesamtstreitwert (vgl RS0035949; 8 Ob 66/16p).

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte