OGH 3Ob73/15d

OGH3Ob73/15d17.6.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hoch als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin Dr. Lovrek, die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch und die Hofrätin Dr. A. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei C***** GmbH, *****, vertreten durch Mag. Udo Hansmann, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei T*****, vertreten durch Prof. Haslinger & Partner, Rechtsanwälte in Linz, sowie der Nebenintervenienten auf Seiten der beklagten Partei 1. S*****, vertreten durch Schmidberger-Kassmannhuber-Schwager, Rechtsanwalts‑Partnerschaft in Steyr, und 2. J*****, vertreten durch Dr. Christoph Rogler, Rechtsanwalt in Steyr, wegen 9.919,15 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Wels als Berufungsgericht vom 10. Dezember 2014, GZ 22 R 307/14z‑28, womit das Urteil des Bezirksgerichts Wels vom 4. August 2014, GZ 13 C 1543/13h‑22, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0030OB00073.15D.0617.000

 

Spruch:

Die Revision und die Revisionsbeantwortung werden zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Die ordentliche Revision des Beklagten ist ungeachtet der nicht bindenden (nachträglichen) Zulassung durch das Berufungsgericht nicht zulässig. Deren Zurückweisung wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO):

1. Ob eine Vereinbarung richtig ausgelegt wurde, kann nur im Fall einer ‑ hier nicht gegebenen ‑ unvertretbaren, also auffallenden Fehlbeurteilung durch das Berufungsgericht als erhebliche Rechtsfrage qualifiziert werden (RIS‑Justiz RS0042936; RS0044358 [T20]).

1.1. Der Beklagte (als Mieter eines LKW) tritt der ‑ zutreffenden ‑ Auslegung des Berufungsgerichts, er hafte nach dem Mietvertrag für Schäden, die nicht von einer Kaskoversicherung gedeckt werden, so als ob eine Kaskoversicherung abgeschlossen wäre, nicht entgegen, sondern legt sie seinen Überlegungen selbst zugrunde.

1.2. Auch die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, der Beklagte als Bestandnehmer hafte gesetzlich nach § 1111 ABGB ua auch für das Verschulden für Personen, denen der Unterbestandnehmer die Benützung der Sache überlassen hat ( Würth in Rummel ³ § 1111 ABGB Rz 3), blieb unbeanstandet.

Die ‑ erstmals in der Revision erhobene - Forderung, den Mietvertrag im Sinn einer Einschränkung dieser gesetzlichen Haftung dahin auszulegen, dass der Beklagte nur für das Verhalten seines direkten Unterbestandnehmers hafte, nicht jedoch für einen von diesem oder einem weiteren Mieter eingesetzten Lenker, überzeugt nicht; war doch beim vorliegenden Mietvertrag zwischen Autovermietern für diese offenkundig, dass das Fahrzeug (auch mehrfach hintereinander) weitervermietet wird und dass es zur Überlassung des Fahrzeugs an einen Lenker (der nicht Untermieter ist) kommen kann. Dieser auf Weitergabe gerichtete Vertragszweck steht mit der geforderten Interpretation im Widerspruch. Das Ergebnis der berufungsgerichtlichen Interpretation, der Beklagte als Mieter hafte für das Verschulden des von ihm nicht unmittelbar, sondern vom „Unterunterbestandnehmer“ eingesetzten Lenkers (des 2. Nebenintervenienten auf der Seite des Beklagten), ist daher nicht zu beanstanden.

1.3. Das Argument des Beklagten, er habe als redlicher Erklärungsempfänger davon ausgehen können, dass er durch ein grob fahrlässiges Verhalten eines Dritten seinen Versicherungsschutz (gemeint: aus einer von der Klägerin als Vermieterin abgeschlossenen Vollkasko-Versicherung für den gemieteten LKW) nicht verliere, verkennt, dass der Mieter eines Kraftfahrzeugs nicht Mitversicherter der Kaskoversicherung ist, sondern Dritter, gegen den ein Regressanspruch nach § 67 Abs 1 VersVG erhoben werden kann (RIS‑Justiz RS0080645 [T1]; RS0081503; vgl auch RS0122126 und RS0122127 [wonach der Kfz‑Kaskoversicherer ‑ trotz Regressverzichts für den „berechtigten Lenker“ ‑ beim Reparaturunternehmer Regress für Schäden bei Probefahrten nehmen kann]), der grobes Verschulden nicht erfordert (RIS‑Justiz RS0081364; 7 Ob 14/87).

Bei einer Haftung des Beklagten für einen Schaden am gemieteten LKW gegenüber der Klägerin nach § 1111 ABGB musste er daher auch im Fall einer Kaskodeckung ‑ über die Verpflichtung, der Klägerin den Selbstbehalt ersetzen zu müssen, hinaus ‑ damit rechnen, dass die Kaskoversicherung an ihm Regress nach § 67 VersVG nehmen werde (worauf bereits die zweite Instanz zu Recht hingewiesen hat). § 61 VersVG (Leistungsfreiheit des Versicherers bei vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalls durch den Versicherungsnehmer) bildet somit keine Grundlage für ein Verständnis der strittigen Vertragsklausel nach dem Standpunkt des Beklagten, er würde auch im Fall des Einstehenmüssens für grob fahrlässige Verursachung des Schadens am gemieteten LKW den (weiteren) Schaden nicht zu tragen haben. Das Verhältnis von § 61 VersVG zu § 1111 ABGB ist daher nicht zu untersuchen.

2. Ob eine Fehlhandlung wegen ihres besonderen Gewichts oder einzelne, für sich genommen nicht grob fahrlässige Handlungen in ihrer Gesamtheit und Häufung die Annahme grober Fahrlässigkeit rechtfertigen, bildet bei Vertretbarkeit der immer von den Umständen des Einzelfalls abhängigen Beurteilung grundsätzlich keine Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO. Die Revision wäre nur dann zulässig, wenn der Sachverhalt auch bei weitester Auslegung den von der Judikatur für die Annahme oder die Verneinung grober Fahrlässigkeit aufgestellten Kriterien nicht entspräche (RIS‑Justiz RS0044262 [T48, T50]; RS0030644 [T47]; RS0087606 [T8, T19, T22]).

Davon kann hier angesichts einer Überschreitung der zulässigen Fahrzeughöhe von 2,4 m um 80 cm beim Befahren der Bahnunterführung mit dem LKW unter Missachtung der Fahrverbote sowohl nach § 52 lit a Z 7a StVO (für Lastkraftfahrzeuge) als auch nach § 52 lit a Z 9b StVO (für über 2,4 m hohe Fahrzeuge) keine Rede sein, selbst wenn der Lenker mit Fahrzeugen dieser Art nicht vertraut gewesen sein sollte; war er doch in dieser Situation umso eher verhalten, mit dem für ihn ungewohnt hohen Gefährt besondere Vorsicht bei Brückendurchfahrten walten zu lassen (7 Ob 289/98w).

3. Die Revisionsbeantwortung der Klägerin, die nach Freistellung durch das Berufungsgericht gemäß § 507a Abs 3 Z 2 ZPO bei diesem einzubringen gewesen wäre, dort aber erst verspätet einlangte, ist zurückzuweisen.

3.1. Der Rechtsmittelschriftsatz wurde im Weg des ERV beim Erstgericht eingebracht, das den Akt an das Berufungsgericht (das über keine gemeinsame Einlaufstelle mit dem Erstgericht verfügt) weiterleitete, wo er am 9. April 2015 einlangte. Die durch Zustellung der Mitteilung über die Freistellung am 10. März 2015 beginnende (§ 507a Abs 2 Z 2 ZPO) vierwöchige Frist für die Revisionsbeantwortung war zu diesem Zeitpunkt aber bereits abgelaufen (Fristende: Ablauf des 7. April 2015).

3.2. Die Einbringung der Prozesshandlung beim unzuständigen Gericht hat zur Folge, dass die Zeit der Übersendung in die zur Verfügung stehende Frist einzurechnen ist. Daher wäre die Prozesshandlung nur dann rechtzeitig gewesen, wenn die Revisionsbeantwortung der Klägern noch innerhalb offener Frist beim zuständigen Gericht eingelangt wäre (RIS‑Justiz RS0041584 [T3, T13, T14, T22]).

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