OGH 6Ob16/13s

OGH6Ob16/13s24.10.2013

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm und Dr. Gitschthaler, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Grohmann sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. P***** L*****, vertreten durch Kraft & Winternitz Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei U***** AG, *****, vertreten durch DLA Piper Weiss‑Tessbach Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 34.985,35 EUR sA, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 31. Oktober 2012, GZ 2 R 205/12z‑13, mit dem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 2. Juli 2012, GZ 54 Cg 220/11y‑9, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und in der Sache selbst zu Recht erkannt, dass das Urteil des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Der Kläger ist schuldig, der Beklagten die mit 10.354,51 EUR (darin 5.666,65 EUR Barauslagen und 781,31 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Beklagte ist Repräsentantin und Zahlstelle iSd § 25 Z 1 und 3 InvFG 1993 des nach dem Recht der Cayman Islands gegründeten Investmentfonds Primeo Fund, der unter anderem den Subfonds Primeo Executive Fund umfasst. Am 22. 12. 2004 kaufte der Kläger 337,16 Anteile an diesem Subfonds um 34.985,35 EUR. Im Jahr 2008 stellte sich heraus, dass auch dieser Subfonds bloß dazu gedient hatte, ein von Bernard L. Madoff aufgebautes betrügerisches „Schneeballsystem“ am Leben zu erhalten, indem neue Gelder für Zahlungen an frühere Anleger und zur persönlichen Bereicherung Bernard L. Madoffs und seines Netzwerks verwendet wurden.

Der Kläger begehrt mit der seit 15. 12. 2011 gerichtsanhängigen Klage von der Beklagten Zahlung von 34.985,35 EUR Zug um Zug gegen Übergabe der erworbenen Fondsanteile, in eventu die Feststellung, dass ihm die Beklagte für drohende Schäden aus diesem Wertpapiererwerb hafte. Er stützt sich insbesondere auf § 11 Abs 1 KMG, aber auch auf andere Bestimmungen, habe die Beklagte doch ihre Pflichten als Prospektkontrollor rechtswidrig und schuldhaft, ja sogar vorsätzlich verletzt.

Die Beklagte wendete unter anderem Ablauf der Präklusivfrist des § 11 Abs 7 KMG und Verjährung ein. Im Juni 2005 sei nach Prüfung durch die Beklagte und Billigung durch die Finanzmarktaufsicht ein weiterer Emissionsprospekt publiziert worden, womit das mit dem Prospekt vom Februar 2004 verbundene Angebot, auf dessen Basis der Kläger seine Investition vorgenommen gehabt habe, geendet habe.

Das Erstgericht schränkte das Verfahren auf die „Frage der Präklusivfrist“ ein und wies das Klagebegehren ‑ der Argumentation der Beklagten folgend ‑ ab.

Das Berufungsgericht hob das Ersturteil auf und verwies die Sache an das Erstgericht zurück; es erklärte den Rekurs an den Obersten Gerichtshof für zulässig, weil die Frage, wann die in § 11 Abs 7 KMG iVm § 26 Abs 2 InvFG 1993 verankerte Präklusivfrist in Bezug auf den Primeo Executive Fund zu laufen begann, Gegenstand zahlreicher Parallelverfahren sei.

In der Sache selbst vertrat das Berufungsgericht die Auffassung, die Präklusivfrist habe erst mit der Einstellung des Vertriebs des Funds im Dezember 2008 zu laufen begonnen. Die Ansprüche des Klägers seien daher nicht präkludiert.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zulässig; er ist auch berechtigt.

Der Kläger stützt seine Ansprüche auf eine Verletzung der der Beklagten obliegenden Prospektkontrollpflichten, die sie als Repräsentantin gemäß § 25 Z 1 und 3 InvFG 1993 des Investmentfonds Primeo Executive trafen. Im Verfahren vor dem Obersten Gerichtshof ist ausschließlich die Frage der von der Beklagten behaupteten Präklusion beziehungsweise Verjährung dieser Ansprüche zu prüfen.

1. Der Oberste Gerichtshof hat bereits ganz grundsätzlich in einem von einem Anleger gegen die Beklagte geführten und gescheiterte Veranlagungen in deren (ähnliche) Investmentfonds betreffenden Verfahren (10 Ob 69/11m ÖBA 2012/1841) festgehalten, dass das Investmentfondsgesetz 1993 für ausländische Kapitalanlagefonds eine eigenständige Prospektpflicht und Prospektkontrolle kannte. Eine der wichtigsten Pflichten des Repräsentanten lag dabei in der Kontrolle des Emissionsprospekts. § 26 Abs 2 InvFG 1993 normierte, dass (im Gegensatz zu inländischen Kapitalanlagefonds) der Prospekt des ausländischen Kapitalanlagefonds der Kontrolle durch einen unabhängigen Prospektkontrollor unterlag. Der Prospekt war vom Repräsentanten als Prospektkontrollor auf seine Richtigkeit und Vollständigkeit zu kontrollieren, wobei hinsichtlich der Erstellung, Änderung, Kontrolle und Verantwortung für den Inhalt des Prospekts auch für den Prospektkontrollor die Vorschriften des Kapitalmarktgesetzes sinngemäß galten (vgl §§ 6, 8 und insbesondere § 11 KMG).

2. Nach § 11 Abs 7 KMG idF vor 10. 8. 2005 mussten Ansprüche der Anleger nach diesem Bundesgesetz bei sonstigem Ausschlusse binnen fünf Jahren nach Beendigung des prospektpflichtigen Angebots gerichtlich geltend gemacht werden. Bei dieser Frist handelte es sich um eine Präklusivfrist (10 Ob 88/11f RWZ 2012/84 [Wenger] = GesRZ 2013, 44 [Oppitz]; ebenso Kalss/Oppitz/Zollner, Kapitalmarktrecht I [2005] § 11 KMG Rz 55; Lorenz in Zib/Russ/Lorenz, KMG [2008] § 11 Rz 33 ff), die auf alle vor dem 10. 8. 2005 entstandenen Ansprüche anzuwenden ist (10 Ob 88/11f unter Hinweis auf Absatz 6 des Kundmachungspatents des ABGB). Dass ‑ wie der Kläger in seiner Rekursbeantwortung meint ‑ diese Präklusivfrist auf eine Daueremission wie den Primeo Fund nicht anwendbar wäre, lässt sich der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs nicht entnehmen; der Kläger vermag auch eine für seinen Standpunkt sprechende Literatur nicht ins Treffen zu führen. Vielmehr ist darauf hinzuweisen, dass § 26 Abs 2 vorletzter Satz InvFG 1993 ausdrücklich die sinngemäße Anwendung der Vorschriften des Kapitalmarktgesetzes unter anderem für „die Verantwortung für den Inhalt des Prospekts […] auch für den Prospektkontrollor“ anordnete. Warum davon gerade § 11 Abs 7 KMG ausgenommen gewesen sein sollte, ist nicht nachvollziehbar (vgl nunmehr § 177 InvFG 2011, der ausdrücklich und unmittelbar auf § 11 KMG verweist, womit der Gesetzgeber nach den ErläutRV nur eine „Verdeutlichung“ vornehmen wollte [1254 BlgNR XXIV. GP 79]).

3. Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass die Präklusivfrist nach § 11 Abs 7 KMG idgF in der Dauer von zehn Jahren mit Dezember 2008 zu laufen begonnen habe; damals sei der Vertrieb des Fonds eingestellt worden. Demgegenüber halten die Beklagte und das Erstgericht die Publikation des Emissionsprospekts Stand Juni 2005 für fristauslösend; damit sei es nämlich zu einer Beendigung des vom Kläger angenommenen Zeichnungsanbots gemäß Emissionsprospekt Stand Februar 2004 gekommen.

§ 11 Abs 7 KMG stellt auf die „Beendigung des prospektpflichtigen Angebots“ als fristauslösendes Moment ab; weder den Materialien zum Investmentfondsgesetz 1993 noch jenen zum Kapitalmarktgesetz sind Hinweise auf die Bedeutung dieser Formulierung zu entnehmen.

3.1. Brawenz (Prospektpflicht und Prospekthaftung nach dem neuen Kapitalmarktgesetz, ÖBA 1992, 189 [195]) lehnt eine formale Abgrenzung der Dauer des Angebots nach der Länge der vom Anbieter festgelegten Zeichnungsfrist ab. Vielmehr sollen verschiedene Kriterien im Rahmen eines beweglichen Systems herangezogen werden: Werden die Anlageprodukte nach wie vor über die ursprünglichen Vertriebswege veräußert? Sind die Bedingungen und Preise udgl gleich geblieben? Werden die Anleger durch die ursprüngliche oder fortgesetzte Publikumswerbung erreicht und zum Erwerb veranlasst? Tragen der Emittent oder der ursprüngliche Anbieter noch immer das wirtschaftliche Risiko des Absatzes?

Welser (Prospektkontrolle und Prospekthaftung nach dem KMG, ecolex 1992, 301 [308]) und Lorenz (in Zib/Russ/Lorenz, KMG [2008] § 11 Rz 33 ff) setzen die Beendigung des prospektpflichtigen Angebots hingegen mit dem Ende der Zeichnungsfrist gleich, wobei Welser die Auffassung von Brawenz als mit der Definition des öffentlichen Angebots in § 1 Abs 11 Z 1 KMG für schwer vereinbar hält; die Auffassung von Brawenz würde zu großen Unsicherheiten führen, die der Praktikabilität des Gesetzes entgegenstünden.

Nach Zivny (KMG-Kurzkommentar [2007] § 11 Rz 58) tritt die Beendigung des prospektpflichtigen Angebots mit dem Ende der Nachtragsverpflichtung gemäß § 6 Abs 1 KMG ein, somit zum Ende der Zeichnungsfrist oder, wenn dies früher gegeben sein sollte, zum Ende der Zulassung zum Handel an einem geregelten Markt. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass § 6 KMG durch die ‑ hier noch nicht anzuwendende ‑ KMG-Novelle 2005 geändert wurde, deren ErläutRV ausführten, dass das öffentliche Angebot spätestens dann ende, wenn die Platzierung abgeschlossen ist, und dass dies jedenfalls dann gegeben sei, wenn die vom Anbieter insgesamt verkaufte Anzahl von Wertpapieren der Gesamtanzahl der Wertpapiere der Emission entspricht.

Das Oberlandesgericht Wien hat etwa zu 5 R 130/12t (nicht rechtskräftig) ausgeführt, die Veröffentlichung eines neuen Prospekts ändere grundsätzlich nichts daran, dass das Wertpapier weiter öffentlich angeboten werde. In der hier angefochtenen Entscheidung 2 R 205/12z setzte es das Ende der Zeichnungsfrist, die fristauslösend sein soll, mit der Beendigung des Vertriebs gleich.

3.2.1. Zwischen den Parteien herrscht zutreffend Übereinstimmung darin, dass § 11 Abs 7 KMG vor allem die im Anwendungsbereich des Kapitalmarktgesetzes typische Primäremission vor Augen hatte, bei der die Laufzeit des Angebots regelmäßig zeitlich begrenzt und der im Prospekt anzugebende Zeichnungszeitraum regelmäßig überschaubar ist. Vor diesem Hintergrund könnte jenen Stimmen in der Literatur beigepflichtet werden, die das Ende der Zeichnungsfrist als fristauslösend ansehen (Welser, Lorenz, insoweit Zivny). Eine Fristauslösung zu einem erst aufgrund einer Mehrzahl von Umständen, die für den Anleger regelmäßig auch nicht so ohne weiteres ermittelbar sind, feststellbaren Zeitpunkt (Brawenz) ist hingegen jedenfalls abzulehnen; auch § 11 Abs 7 KMG sollte unter anderem der Absicherung der Anleger und der Haftenden dienen (GP XVIII 147 dB 21), womit der Lauf der Präklusivfrist aber eindeutig und möglichst einfach feststellbar sein muss.

3.2.2. Trotz der Konzeption des § 11 Abs 7 KMG vor allem für Primäremissionen ordnete § 26 Abs 2 InvFG 1993 dessen sinngemäße Anwendung auch auf Daueremissionen an (2.). Auch in diesem Zusammenhang ist daher die zu 3.2.1. erörterte Frage der Rechtssicherheit für alle Beteiligten von Bedeutung. Dies hat bereits Welser (ecolex 1992, 301 [308]) erkannt, als er die Haftungsbegrenzung von (damals) fünf Jahren für „sinnvoll [hielt], weil man nach Ablauf einer so langen Zeit die für die Haftung wichtigsten Beweise, nämlich ob die Angaben im Prospekt auf einer Fehleinschätzung beruhen, ob sich der Anleger wirklich von ihnen hat leiten lassen und wie er sonst disponiert hätte, selten mit einiger Gewissheit feststellen kann. Es [sei] auch zu bedenken, dass sich Entwicklungen auf dem Kapitalmarkt, die nach längerer Zeit eintreten, nur schwer weit zurückliegenden Ursachen zuordnen lassen“. Da durch die Präklusion Klarheit darüber verschafft werden soll, ob noch Ansprüche gestellt werden können (Lorenz in Zib/Russ/Lorenz, KMG [2008] § 11 Rz 33 ff), hat eine sinngemäße Anwendung des § 11 Abs 7 KMG auf Daueremissionen nach dem Investmentfondsgesetz zu einem möglichst zeitnahen Fristenlauf zu führen; eine Auslegung von § 11 Abs 7 KMG iVm § 26 Abs 2 InvFG 1993 mit dem (möglichen) Ergebnis, dass die Präklusionsfrist unter Umständen erst Jahrzehnte nach der konkreten Zeichnung zu laufen beginnt, wie dies offensichtlich dem Berufungsgericht und dem Kläger vorschwebt, lässt sich mit den erkennbaren Vorstellungen des Gesetzgebers hingegen nicht in Einklang bringen.

3.2.3. § 11 Abs 7 KMG legt den Fristbeginn mit der Beendigung des Angebots fest, verknüpft damit aber auch noch den Begriff „prospektpflichtig“. Da sowohl § 2 KMG als auch § 26 InvFG 1993 die Veröffentlichung eines Emissionsprospekts als zwingende Voraussetzung für ein Zeichnungsangebot vorsehen, wäre es denkbar, die ausdrückliche Anführung des Eigenschaftsworts „prospektpflichtig“ als maßgeblich auch im Zusammenhang mit dem Beginn der Präklusivfrist anzusehen.

Dies ließe sich auch damit begründen, dass die konkrete Zeichnung (auch) einer Daueremission aufgrund des zu diesem Zeitpunkt gültigen Emissionsprospekts erfolgt, was sich schon allein aus § 6 KMG idF vor 10. 8. 2005, vor allem aber auch aus § 6 KMG idF nach 10. 8. 2005 ergibt: Änderungen der Verhältnisse, die geeignet waren, die Beurteilung der öffentlich angebotenen Wertpapiere oder Veranlagungen zu beeinflussen, waren unverzüglich zu veröffentlichen, solange das prospektpflichtige Angebot aufrecht war. Waren diese Veröffentlichungen erfolgt, musste sie sich ein neuer Anleger entgegenhalten lassen. Abs 2 idF nach 10. 8. 2005 machte dies in weiterer Folge noch deutlicher und ermöglichte einem Anleger unter bestimmten Umständen die Zurückziehung seiner Zusage nach Veröffentlichung des Nachtrags.

Löste man bei einer Daueremission die konkrete Zeichnung von dem zu diesem Zeitpunkt gültigen Emissionsprospekt, wie dies dem Kläger offensichtlich vorschwebt, hätte dies in haftungsrechtlicher Sicht absurde Folgen: Auf der einen Seite könnte sich ein Anleger auf einen unrichtigen oder unvollständigen alten Prospekt berufen, obwohl zum Zeitpunkt seiner Zeichnung bereits ein richtiger und vollständiger Prospekt vorlag. Auf der anderen Seite könnten sich aber der Prospektemittent und der Prospektkontrollor darauf berufen, dass der Prospekt zwar zum Zeitpunkt der Zeichnung unrichtig oder unvollständig war, es jedoch Jahre zuvor einen Prospekt gegeben hatte, der richtig und vollständig gewesen war. Mit der vom Gesetzgeber gewünschten Rechtssicherheit (3.2.1.) hätte eine solche Auslegung von Kapitalmarktgesetz und Investmentfondsgesetz nichts zu tun.

3.2.4. Damit erscheint aber die vom Erstgericht und von der Beklagten dargelegte Auffassung durchaus vertretbar, wonach bei Daueremissionen die Frist des § 11 Abs 7 KMG mit der Veröffentlichung des der konkreten Zeichnung folgenden Emissionsprospekts zu laufen beginnt. Für diese Auffassung würden die Nähe des Beginns dieser (objektiven [vgl 10 Ob 88/11f]) Frist zur Zeichnung der Emission, die bereits mehrfach erörterte Rechtssicherheit und die Vermeidung einer (schon in sich widersprüchlichen) jahrzehntelangen Präklusionsfrist, wenn die Daueremission entsprechend lang gezeichnet werden konnte, sprechen.

3.2.5. Die dagegen in der Rekursbeantwortung ins Treffen geführten Überlegungen überzeugen nicht:

Der Anleger mag zwar den konkreten Zeitpunkt der Veröffentlichung des seiner Zeichnung nachfolgenden Prospekts nicht ständig parat haben; dies gilt aber noch viel mehr für das Ende der Zeichnungsfrist. Während ersterer Zeitpunkt aufgrund § 6a Abs 1 KMG idF nach 10. 8. 2005 längstens ein Jahr nach der Zeichnung eintreten muss, war und ist letzterer hingegen völlig unbestimmt und von reinen Zufällen abhängig. Die Überlegung des Klägers, es „würde dem fundamentalen Grundsatz, dass gerade Verjährungsfristen klar und eindeutig für den Normadressaten aus dem Gesetz und in seiner Sphäre erkennbar und feststellbar sein müssen“, widersprechen, wollte man auf den „willkürlichen Zeitpunkt“ der Prospektaktualisierung abstellen, spricht somit zumindest ebenso gegen sein eigenes Auslegungsergebnis.

Wird unmittelbar nach der konkreten Zeichnung ein neuer Prospekt veröffentlicht, beginnt die Präklusivfrist bereits knapp nach der Zeichnung. Gerade dies ist aber auch bei Primäremissionen der Fall, auf die § 11 Abs 7 KMG unmittelbar anwendbar ist. Vor diesem Hintergrund überzeugt dann aber auch nicht das Argument, der Emittent könnte sofort nach der Zeichnung einen neuen Prospekt auflegen, um die Präklusivfrist kurz zu halten.

Die von Zivny (KMG-Kurzkommentar [2007] § 11 Rz 58) vertretene Auffassung, die Beendigung des prospektpflichtigen Angebots trete mit dem Ende der Nachtragsverpflichtung gemäß § 6 Abs 1 KMG ein, somit zum Ende der Zeichnungsfrist oder, wenn dies früher gegeben sein sollte, zum Ende der Zulassung zum Handel an einem geregelten Markt, wäre hier allein schon deshalb nicht entscheidungsrelevant, weil § 6 KMG idF der KMG‑Novelle 2005 noch nicht anzuwenden ist. Darüber hinaus führten deren ErläutRV lediglich aus, dass das öffentliche Angebot „spätestens“ dann ende, wenn die Platzierung abgeschlossen ist. Ein früherer Fristbeginn würde dadurch nicht ausgeschlossen.

4. Nach der Entscheidung 10 Ob 69/11m bleibt neben der Haftung nach § 11 KMG bei Verkaufsprospekten ausländischer Fonds kumulativ die allgemein anerkannte zivilrechtliche Haftung aus culpa in contrahendo aufrecht (einschränkend jedoch 10 Ob 88/11f; diese Frage ausdrücklich offen lassend 6 Ob 190/12b). In gleicher Weise wie die (objektiven, von der Kenntnis des Schadens und Schädigers unabhängigen) Fristen gemäß § 275 Abs 5 UGB und § 44 AktG analog auf die Dritthaftung eines Abschluss‑ oder Gründungs-(Sacheinlagen‑)prüfers anzuwenden sind, wäre aber auch die Präklusivfrist des § 11 Abs 7 KMG für die Verfristung der besonderen Haftung des Prospektkontrollors nach allgemeinen Grundsätzen des Zivilrechts maßgebend. Diese Frist wäre somit auch auf jene Ansprüche anzuwenden, mit denen der Prospektkontrollor aus der Haftung für einen durch seine drittgerichtete Erklärung geschaffenen besonderen zusätzlichen Vertrauenstatbestand in Anspruch genommen wird (10 Ob 88/11f; vgl auch Welser, ecolex 1992, 301; Wilhelm, Zur Prospekthaftung nach dem Kapitalmarktgesetz, ecolex 1992, 11; Koziol, Die Konkurrenz zwischen allgemeinem Zivilrecht, KMG und BörseG bei der Prospekthaftung, ÖBA 1992, 886; Iro/Riss, Die Haftung des Prospektkontrollors nach allgemeinen Grundsätzen, RdW 2012/478).

Da der Kläger seine Ansprüche insgesamt aus dem Umstand ableitet, dass die Beklagte als Repräsentant die maßgeblichen Emissionsprospekte mit dem Prüfvermerk versehen hat, gilt für das gesamte Klagebegehren die Präklusivfrist des § 11 Abs 7 KMG. Soweit der Kläger in der Rekursbeantwortung etwa auf das UWG oder die „Sitztheorie“ verweist, so hat er damit nur weitere Anspruchsgrundlagen aufgezeigt. Dass nach § 11 Abs 8 KMG Schadenersatzansprüche aus der Verletzung anderer gesetzlicher Vorschriften oder aus der Verletzung von Verträgen hievon (also von der Geltendmachung von Ansprüchen nach § 11 Abs 1 und 2 KMG) unberührt blieben, bedeutet nicht, dass damit die Präklusivfrist unbeachtlich ist, wenn Kern des Vorwurfs die mangelhafte Propektkontrolle ist (in diesem Sinn auch 10 Ob 88/11f).

5. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen zeichnete der Kläger jene Fondsanteile, aus denen er nunmehr seine Ansprüche ableitet, am 22. 12. 2004; zu diesem Zeitpunkt war der Emissionsprospekt Stand Februar 2004 aktuell und damit maßgeblich. Im Juni 2005 erschien ein neuer Emissionsprospekt. Folgt man der zu 3. dargestellten Auffassung, so hätte die damals fünfjährige Präklusivfrist am 30. 6. 2010 geendet. Die seit 15. 12. 2011 gerichtsanhängige Klage wäre somit nach § 11 Abs 7 KMG präkludiert, womit die abweisliche Entscheidung des Erstgerichts wiederherzustellen wäre.

6. In der Literatur (vgl etwa Lorenz in Zib/Russ/Lorenz, KMG [2008] § 11 Rz 34) wird ‑ zur Vermeidung einer Ungleichbehandlung der Anleger bei Daueremissionen einerseits und sonstigen Emissionen andererseits ‑ auch die Auffassung vertreten, der Beginn der Präklusionsfrist sei tatsächlich an den konkreten Anteilsscheinerwerb gebunden. Darauf braucht hier jedoch nicht näher eingegangen zu werden, weil bereits bei Zugrundelegung der vom Erstgericht und der Beklagten vertretenen Auffassung die Ansprüche des Klägers präkludiert sind.

7. Der Kläger weist in seiner Rekursbeantwortung unter anderem darauf hin, dass er sein Begehren auch auf eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung durch die Beklagte gestützt habe. Tatsächlich ist nach nunmehr ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs die Verjährungsfrist des § 275 Abs 2 UGB für Schadenersatzansprüche gegen den Abschlussprüfer eine objektive, von der Kenntnis des Schadens und des Schädigers unabhängige Frist, die die Fristen des § 1489 ABGB verdrängt (RIS‑Justiz RS0128616); dies gilt auch für die Frist des § 11 Abs 7 KMG (10 Ob 88/11f). Diese Objektivität ist aber nur auf die Fälle fahrlässiger Schadensverursachung durch den Abschlussprüfer beziehungsweise den Prospektkontrollor anzuwenden; für die vorsätzliche Schadenszufügung im Sinn auch eines einfachen Vorsatzes, ohne dass die Voraussetzungen der zweiten Variante des § 1489 Satz 2 ABGB vorliegen, ist die Verjährungsfrist eine subjektive (10 Ob 58/12w; RIS‑Justiz RS0128616). Es kommt somit auf den Zeitpunkt der Kenntnis von Schaden und Schädiger an.

Allerdings wird im Unternehmensgesetzbuch nur die Verjährungsfrist geregelt und der Fristbeginn offen gelassen („Ansprüche […] verjähren in 5 Jahren“), während § 11 Abs 7 KMG bezüglich des Fristbeginns objektiv an ein bestimmtes Ereignis anknüpft („Ende des prospektpflichtigen Anbots“); eine Anknüpfung nach subjektiven Maßstäben scheidet somit hier aus.

8. Damit war aber die Entscheidung des Erstgerichts wiederherzustellen.

Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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