OGH 1Ob172/15y

OGH1Ob172/15y25.2.2016

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer als weitere Richter in der außerstreitigen Rechtssache der Antragstellerin E***** GmbH & Co KG, *****, vertreten durch Mag. Michael Tinzl, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die Antragsgegnerin Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1, Singerstraße 17‑19, wegen § 31 Abs 3, § 117 Abs 4 WRG (Streitwert: 127.297,23 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck vom 7. Juli 2015, GZ 1 R 80/15x‑19, mit dem der Beschluss des Landesgerichts Innsbruck vom 21. April 2015, GZ 60 Nc 53/14i‑15, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Begründung

Die Gemeinde G***** führte im Juni 2013 auf einem in ihrem Eigentum stehenden und als öffentliches Gut gewidmeten Gemeindeweg Straßensanierungsarbeiten durch, bei welchen ölkontaminiertes Erdreich vorgefunden wurde. Daraufhin ordnete die Wasserrechtsbehörde am 17. 6. 2013 an Ort und Stelle die Entfernung des kontaminierten Erdreichs an. Bei dieser Amtshandlung war der Bürgermeister als Vertreter der Gemeinde anwesend, wobei in dem über die Amtshandlung aufgenommenen Aktenvermerk der Wasserrechtsbehörde festgehalten wurde, dass die Auftragsvergabe zur Entfernung des kontaminierten Erdreichs durch die Gemeinde als Bauherrin erfolgt. Die Gemeinde machte in der Folge die Kosten der Sanierung gegenüber der Behörde geltend.

Mit Bescheid vom 25. 2. 2014 trug die Wasserrechtsbehörde der Antragstellerin, einer GmbH, gemäß § 31 Abs 3 iVm § 117 und § 98 Abs 1 WRG die Zahlung von 127.297,23 EUR als Kosten der behördlich verfügten Aufwendungen zur Sanierung des Ölunfalls auf.

Die Antragstellerin betreibt auf einer an den Gemeindeweg angrenzenden Liegenschaft eine Tankstelle. Sie begehrte gemäß § 117 Abs 4 WRG die gerichtliche Entscheidung darüber, dass sie keine Verpflichtung zum Ersatz der ihr verwaltungsbehördlich auferlegten Kosten treffe.

Das Rekursgericht bestätigte die dem Antrag stattgebende Entscheidung des Erstgerichts und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs nicht zu.

Dagegen richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragsgegnerin, die entgegen der Rechtsauffassung des Rekursgerichts die Antragsstellerin als Adressatin der Anordnung gemäß § 31 Abs 3 WRG sieht, die diese im Verwaltungsweg nicht bekämpft habe, weswegen sie und auch die Gerichte daran gebunden seien. Die Antragstellerin könne daher ihre Kostenersatzpflicht dem Grunde nach nicht mehr in Frage stellen. Mit diesen Ausführungen spricht die Revisionsrekurswerberin aber keine Rechtsfragen von der Bedeutung gemäß § 62 Abs 1 AußStrG an.

Rechtliche Beurteilung

1. Bei der Durchführung der behördlichen Sofortmaßnahme nach § 31 Abs 3 WRG handelt es sich um einen Anwendungsfall der Ausübung unmittelbarer behördlicher Befehls‑ und Zwangsgewalt (RIS‑Justiz RS0110310; RS0053659), von deren Rechtmäßigkeit auszugehen ist, wenn eine von dieser Maßnahme unmittelbar betroffene Partei die Erhebung einer Beschwerde unterlässt (RIS‑Justiz RS0128268).

2. Der erkennende Senat hat erst jüngst in der Entscheidung 1 Ob 151/15k unter Verweis auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs zu der von der Antragsgegnerin relevierten Rechtsfrage Stellung genommen und festgehalten, dass eine Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls‑ und Zwangsgewalt dann vorliegt, wenn Verwaltungsorgane im Rahmen einer Hoheitsverwaltung einseitig gegen individuelle, bestimmte Adressaten einen Befehl erteilen oder Zwang ausüben und damit unmittelbar in subjektive Rechte des Betroffenen eingreifen. Eine behördliche Anordnung für erforderlich gehaltener Maßnahmen und deren Durchführung richtet sich daher „unmittelbar“ nur dann gegen den gemäß § 31 WRG „Verpflichteten“, wenn mit den angeordneten Maßnahmen selbst in seine Rechte eingegriffen wird ‑ beispielsweise durch Inanspruchnahme seines Grundeigentums oder Entfernung von in seinem Eigentum stehenden Objekten. In dieser Entscheidung hat der Senat in Präzisierung des von der Revisionsrekurswerberin zitierten Judikats 1 Ob 208/14s auch dargelegt, dass die bloß möglicherweise drohende Kostenersatzpflicht nach § 31 Abs 3 WRG ‑ ohne dass die Maßnahme an sich in die Rechtssphäre der betroffenen Person eingegriffen hätte ‑ eine Legitimation zur Maßnahmenbeschwerde nicht zu begründen vermag, sodass ihr die Unterlassung einer solchen Beschwerde nicht schadet und die materiellen Voraussetzungen, ob eine Kostenersatzpflicht vorliegt, vom Gericht im Rahmen seiner sukzessiven Kompetenz zu prüfen sind.

3. Auch im vorliegenden Fall liegt ein Eingriff in die Rechte der Antragstellerin durch die bei der Amtshandlung vom 17. 6. 2013 angeordneten Maßnahmen zweifellos nicht vor, steht doch fest, dass sie nicht Eigentümerin der von den Sanierungsmaßnahmen betroffenen Straßenliegenschaft war. Auch sonst ist ein unmittelbarer Eingriff in ihre Rechtssphäre nicht zu erkennen, weswegen entgegen der Ansicht der Revisionsrekurswerberin auch nicht aus der Unterlassung einer Maßnahmenbeschwerde (dem Grunde nach) eine Kostenersatzpflicht der Antragstellerin abgeleitet werden kann. Die von der Behörde angeordneten Sanierungsarbeiten betrafen ausschließlich das Straßengrundstück der Gemeinde, die bei dieser Amtshandlung durch ihren Bürgermeister vertreten war. Es begründet daher keine vom Obersten Gerichtshof im Einzelfall aufzugreifende Fehlbeurteilung des Rekursgerichts, wenn es bei dieser Sachlage die Gemeinde als Grundstückseigentümerin und/oder Bauführerin als einzig möglich verbleibende Adressatin einer in Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls‑ und Zwangsgewalt angeordneten Sanierungsmaßnahme beurteilte.

4. Die Revisionsrekurswerberin legt zutreffend dar, dass § 31 Abs 3 Satz 1 zweiter Fall WRG bei Gefahr im Verzug der Behörde ein zweistufiges Vorgehen ermöglicht. Sie hat zunächst die zur Gefahrenbeseitigung erforderliche Sanierungsmaßnahme anzuordnen. Wird dieser Anordnung entsprochen, hat es damit sein Bewenden. Wird sie hingegen nicht sofort befolgt, hat die Behörde die Anordnung unverzüglich durchführen zu lassen (VwGH 93/07/0126 = VwSlg 14193 A/1995; 2009/07/0110; Oberleitner/Berge r, Wasserrechtsgesetz 3 § 31 Rz 23). Im vorliegenden Fall hatte die Liegenschaftseigentümerin bereits der in Ausübung unmittelbarer Befehls‑ und Zwangsgewalt erfolgten Anordnung entsprochen und die Entsorgung des kontaminierten Erdreichs in Auftrag gegeben. Ohne dass untersucht werden müsste, ob damit eine Inanspruchnahme der Gemeinde im Sinne des § 31 Abs 4 WRG erfolgte, bedurfte es keines Vorgehens im Sinne der zweiten Stufe des § 31 Abs 3 Satz 1 zweiter Fall WRG. Damit hat jedenfalls nicht die Behörde den gesetzmäßigen Zustand hergestellt (vgl dazu 1 Ob 36/92 = SZ 66/37), sondern die Gemeinde als Dritte in Entsprechung einer behördlichen Anordnung.

5. Es entspricht nun ganz herrschender Ansicht, dass einem Dritten, der die wegen Gefahr im Verzug erforderliche Maßnahme auf seine Kosten durchführen lässt und damit einen Aufwand trägt, den sonst der nach § 31 Abs 1 WRG Verpflichtete zu tragen hätte, der Anspruch auf Rückersatz der Kosten gemäß § 1042 ABGB zusteht (RIS‑Justiz RS0110307; RS0020131). Das gilt auch für Länder und Gemeinden, wenn sie die Kosten für Gewässerschutzmaßnahmen im Sinne des § 31 WRG vorläufig getragen haben ( Oberleitner/Berger aaO Rz 28). Zur Entscheidung über das Begehren auf Ersatz eines solchen Aufwands sind die ordentlichen Gerichte berufen. § 31 Abs 3 WRG bietet keine Grundlage, die der Gemeinde als Liegenschaftseigentümerin in Umsetzung der von der Wasserrechtsbehörde angeordneten Maßnahme erwachsenen Kosten ‑ als öffentlich‑rechtliche Forderung ‑ bescheidmäßig einem Verursacher im Sinne des § 31 WRG vorzuschreiben.

6. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).

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