VwGH 2009/07/0110

VwGH2009/07/011026.1.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger und die Hofräte Dr. Hinterwirth, Dr. Enzenhofer, Dr. Sulzbacher und Dr. N. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pühringer, über die Beschwerde der J AG in B, vertreten durch Lambert Rechtsanwälte OEG in 1010 Wien, Kärntner Ring 12, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 22. Mai 2009, Zl. UVS-02/12/2788/2008- 9, betreffend Zurückweisung eines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und einer Maßnahmenbeschwerde in einer Angelegenheit des Wasserrechtes (weitere Partei: Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft), zu Recht erkannt:

Normen

VwGG §42 Abs2 Z1;
WRG 1959 §31 Abs3;
VwGG §42 Abs2 Z1;
WRG 1959 §31 Abs3;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 18. April 2005 wurde der "Jugoslawischen Flussschifffahrt, vertreten durch die Agentur Wien" als Eigentümerin von näher bezeichneten "Tankfahrzeugen" (Schiffen) gemäß § 31 Abs. 3 WRG 1959 ein wasserpolizeilicher Auftrag zur Entfernung von Verunreinigungen der Gewässersohle mit Rückstandsheizöl (Heizöl schwer) in einem näher genannten Bereich der N erteilt.

Gegen diesen Bescheid erhob die beschwerdeführende Partei Berufung an den Landeshauptmann von Wien.

In Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt wurde gegenüber einem Mitarbeiter der Beschwerdeführerin am 21. Juni 2005 durch den Magistrat der Stadt Wien gemäß § 31 Abs. 3 WRG 1959 folgende Anordnung erteilt:

"Die Verunreinigung der Gewässersohle mit Rückstandsheizöl (Heizöl schwer), die im Bereich der öffentlichen Lände der N zwischen N - km 0,6 bis N- km 0,8 vom Ufer der südlichen Lände bis zu einer Entfernung ca. 60 m vom südlichen Ufer festgestellt wurde, ist von hier beginnend zu entfernen. Die Verunreinigungen sind durch Baggerungen mittels Greiferbagger oder Saugbagger vom Gewässerboden zu entfernen. Der Abtrag hat soweit zu erfolgen, bis keine Ölphase mehr feststellbar ist und nur mehr Material mit einem Gehalt von Gesamtkohlenwasserstoffen von kleiner 1000 mg/kg angetroffen wird. Bei den Baggerarbeiten ist auf die vorhandene Rollierung der Gerinnesohle besonderes Augenmerk zu richten, um Beschädigungen zu vermeiden. Das ausgebaggerte Material ist in Übereinstimmung mit den Vorschriften des Abfallwirtschaftsgesetzes 2002, BGBl. I Nr. 102/2002 in der geltenden Fassung, nachweislich ordnungsgemäß zu entsorgen.

Innerhalb von drei Tagen ist der Behörde (MA 45 - GA) die Beauftragung eines entsprechenden Fachunternehmens nachzuweisen und ein Ablaufplan der geplanten Arbeitsabfolge zu ermitteln.

Mit den Sanierungsmaßnahmen ist jedenfalls innerhalb einer Frist von 14 Tagen zu beginnen, wobei der Beginn der Arbeiten der Behörde (MA 45 - GA) unverzüglich mitzuteilen ist."

In der Niederschrift vom 21. Juni 2005 begründete der Magistrat der Stadt Wien im Anschluss an die dargestellte Anordnung, warum nunmehr vom Vorliegen von Gefahr im Verzuge auszugehen sei.

Gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einer Beschwerde wegen der Anordnung der Maßnahmen vom 21. Juni 2005 beantragte die Beschwerdeführerin bei der belangten Behörde mit Schriftsatz vom 10. April 2008 die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und erhob unter einem gegen den Magistrat der Stadt Wien gemäß § 67a Abs. 1 Z. 2 AVG Beschwerde wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt.

Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 4. August 2005 wurde die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 18. April 2005 als unbegründet abgewiesen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 71 Abs. 1 AVG zurückgewiesen. Unter einem wurde die gegen die Anordnung der Maßnahmen vom 21. Juni 2005 erhobene Beschwerde "gemäß § 67a Abs. 1 Z. 2 iVm § 67c Abs. 3 AVG" als unzulässig zurückgewiesen.

Begründend führte die belangte Behörde aus, dass sich die Maßnahmenbeschwerde gegen die Aufforderung zur Beseitigung einer Gewässerverunreinigung gemäß § 31 Abs. 3 WRG 1959 bzw. das Verfahren vor dem Magistrat der Stadt Wien richte. Dieses Verfahren sei mit dem Berufungsbescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 4. August 2005 rechtskräftig abgeschlossen.

Die nochmalige Untersuchung derselben "Maßnahme" in einem gesonderten Maßnahmenbeschwerdeverfahren verstieße nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes gegen das Verbot der Eröffnung der Zwei- oder Mehrgleisigkeit für die Verfolgung ein und desselben Rechtsinstitutes. Daher sei das Anbringen der Beschwerdeführerin mangels Vorliegens eines Beschwerdegegenstandes ohne weiteres Verfahren als unzulässig zurückzuweisen.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird.

Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in ihrem subjektiven Recht auf "Durchführung eines Verfahrens und Entscheidung in der Sache" verletzt.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und nahm von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Mit Beschluss vom 16. Juli 2010, Zlen. 2008/07/0081, 0082, wies der Verwaltungsgerichtshof mangels rechtswirksamer Verpflichtung der beschwerdeführenden Partei zur Durchführung des wasserpolizeilichen Auftrages nach § 31 Abs. 3 WRG 1959 deren Beschwerde gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 4. August 2005 zurück.

Die Unzulässigkeit der Beschwerde begründet der Verwaltungsgerichtshof damit, dass sowohl mit dem Bescheid des Magistrats der Stadt Wien vom 18. April 2005 als auch mit dem Bescheid des Landeshauptmannes vom 4. August 2005 spruchgemäß die "jugoslawische Flussschiffahrt, vertreten durch die Agentur in Wien", zur Erfüllung eines wasserpolizeilichen Auftrages verpflichtet worden sei. Es fehle im Hinblick auf die von der Behörde erster Instanz eingeholte Auskunft vom Zentralgewerberegister vom 6. April 2006 an Anhaltspunkten dafür, dass ein derartiges Rechtssubjekt nach österreichischem Recht existiere.

Durch diese Bezeichnung der zur Ausführung des wasserpolizeilichen Auftrages verpflichteten Partei sei jedoch die beschwerdeführende Partei, eine nach eigener Bezeichnung nach serbischem Recht bestehende Aktiengesellschaft mit einer anders lautenden Bezeichnung in serbischer Sprache und mit Unternehmenssitz in B, nicht zur Durchführung des Auftrages nach § 31 Abs. 3 WRG 1959 verpflichtet. Folglich könne auch dahingestellt bleiben, ob die im Zuge des Verwaltungsverfahrens erfolgte Zustellung von Bescheiden an eine näher genannte Anschrift in Wien rechtswirksam gewesen sei. Der beschwerdeführenden Partei fehle es daher an der Legitimation zur Erhebung einer Beschwerde.

Damit erweist sich jedoch die Annahme der belangten Behörde, wonach das Verfahren betreffend "die Aufforderung zur Beseitigung einer Gewässerverunreinigung" bereits mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 4. August 2005 "rechtskräftig abgeschlossen" sei, als rechtswidrig. Dieser Bescheid des Landeshauptmannes ging vielmehr - wie bereits der Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 18. April 2005 - ins Leere. Von einem rechtskräftigen Abschluss gegenüber der von der Anordnung vom 21. Juni 2005 betroffenen beschwerdeführenden Partei kann keine Rede sein.

Der angefochtene Bescheid erweist sich jedoch noch aus einem weiteren Grund als nicht in Übereinstimmung mit der Rechtslage.

Gemäß § 31 Abs. 3 erster Satz WRG 1959 hat die Wasserrechtsbehörde, wenn die zur Vermeidung einer Gewässerverunreinigung erforderlichen Maßnahmen nicht oder nicht rechtzeitig getroffen werden, soweit nicht der unmittelbare Werksbereich eines Bergbaues betroffen wird, die entsprechenden Maßnahmen dem Verpflichteten aufzutragen oder bei Gefahr im Verzuge unmittelbar anzuordnen und gegen Ersatz der Kosten durch den Verpflichteten nötigenfalls unverzüglich durchführen zu lassen.

Diese Bestimmung sieht zwei Instrumente zur Vermeidung einer Gewässerverunreinigung vor, nämlich einerseits die Erlassung eines Bescheides und andererseits - bei Gefahr im Verzug - die Ausübung unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (vgl. dazu im Einzelnen das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 17. Jänner 1995, Zl. 93/07/0126, mwN).

Im vorliegenden Beschwerdefall führte der Magistrat der Stadt Wien in seiner Niederschrift vom 21. Juni 2005 aus, es habe sich im Zuge weiterer Untersuchungen im Mai 2005 an der Stelle der aufgefundenen Verunreinigungen gezeigt, dass das Schweröl doch eine höhere Wasserlöslichkeit als angenommen aufweise und Anteile dieses Schweröls auf der Wasseroberfläche "aufschwimmen" würden. Außerdem hätten sich bei der monatlichen Überprüfung der Horizontalfilterbrunnen im Bereich des Grundwasserwerkes L Kohlenwasserstoffe in den entnommenen Proben im Ausmaß bis zu 0,33 mg/l gezeigt. Demzufolge liege Gefahr im Verzug vor.

Hinzu kommt, dass die Anordnung vom 21. Juni 2005 auch einen "Sanierungszielwert" (Gehalt an Gesamtkohlenwasserstoffen) von "kleiner 1.000 mg/kg" vorsieht, während im Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 18. April 2005 ein Gehalt von "kleiner 5.000 mg/kg" angeordnet ist.

Damit unterscheiden sich die beiden Maßnahmen. Die Anordnung vom 21. Juni 2005 stellt - wie die Beschwerde im Ergebnis zutreffend ausführt - einen selbständigen normativen Akt dar, der auch eigenständig bekämpfbar ist.

Aus der im angefochtenen Bescheid zum "Verbot der Eröffnung der Zwei- oder Mehrgleisigkeit für die Verfolgung ein und desselben Rechtsinstitutes" zitierten hg. Rechtsprechung (die hg. Erkenntnisse vom 28. Jänner 1994, 93/11/0035, und vom 4. Oktober 1996, 96/02/0309) lässt sich für den vorliegenden Fall nichts gewinnen. So hat der Verwaltungsgerichtshof zwar anerkannt, dass die Regelungen über die sogenannte Maßnahmenbeschwerde nur der Schließung einer Lücke im Rechtsschutzsystem, nicht aber der Eröffnung einer Zweigleisigkeit für die Verfolgung ein und desselben Rechtes dienen (vgl. das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 28. Jänner 1994). Diese Argumente lassen sich jedoch nicht auf den vorliegenden Beschwerdefall übertragen, da hier zwei verschiedene und selbständige Aufträge - einmal in Bescheidform, einmal als Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt - bekämpft werden.

Mit einer solchen Begründung konnte die belangte Behörde weder den Wiedereinsetzungsantrag noch die Maßnahmenbeschwerde selbst zurückweisen.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 26. Jänner 2011

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