OGH 1Ob151/15k

OGH1Ob151/15k22.12.2015

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer als weitere Richter in der Rechtssache der Antragsteller 1. J***** GmbH, ***** und 2. ***** Mag. J***** S*****, beide vertreten durch Dr. Josef Weixelbaum, Rechtsanwalt in Linz, gegen die Antragsgegnerin Republik Österreich (Bund), vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen Kostenersatz nach § 31, § 117 Abs 4 WRG (Streitwert 622.838,83 EUR), über den Revisionsrekurs der Antragsteller gegen den Zwischenbeschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom 9. Juni 2015, GZ 4 R 63/15k‑16, mit dem der Beschluss des Landesgerichts Linz vom 13. März 2015, GZ 4 Nc 5/14k‑12, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0010OB00151.15K.1222.000

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der Beschluss des Rekursgerichts wird aufgehoben und diesem eine neuerliche Entscheidung über den Rekurs aufgetragen.

Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Begründung

Zwischen 1939 und 1998 wurde auf einem bestimmten Grundstück, das nie im Eigentum eines der Antragsteller stand, eine Tankstelle betrieben, die von der Erstantragstellerin bzw deren Rechtsvorgängern mit Mineralölprodukten beliefert wurde. Der Zweitantragsteller war bis 2004 persönlich haftender Gesellschafter der Rechtsvorgängerin der Erstantragstellerin (einer KG); seit 1996 ist er Geschäftsführer der Erstantragstellerin. Da nach dem Tod des letzten Tankstellenbetreibers Ende 1996 keiner seiner Erben die Tankstelle weiterführen wollte, sollte diese geschlossen werden. Die Erstantragstellerin erklärte sich bereit, die Schließung der Tankstelle „abzuwickeln“ und zeigte deren Auflassung Anfang 1998 bei der Gewerbebehörde an. Mit dem daraufhin an die Erstantragstellerin gerichteten Bescheid vom 18. 5. 1998 wurden dieser gemäß § 83 GewO (letztmalige) Vorkehrungen aufgetragen, wobei unter Punkt 11. insbesondere die Anordnung erlassen wurde, alle im Tankstellenbereich vorhandenen bzw im Zuge der Auflassungsarbeiten entstehenden Verunreinigungen durch Mineralölprodukte nachhaltig zu beseitigen; in der Bescheidbegründung wurde insbesondere darauf hingewiesen, dass die vorgeschriebenen letztmaligen Vorkehrungen erforderlich seien, um den Schutz der in § 74 Abs 2 GewO umschriebenen Interessen zu gewährleisten. Obwohl die Umsetzung der erteilten Auflagen der Gewerbebehörde Ende 1998 angezeigt worden war, wurde im Jahr 2000 anlässlich der Neufestlegung eines Brunnenschutzgebiets in der näheren Umgebung eine hohe Konzentration von Benzol und einem weiteren Benzininhaltsstoff festgestellt, wobei als Quelle der Kontamination die ehemalige Tankstelle angesehen wurde. Nachdem weitgehende Sanierungsmaßnahmen durchgeführt worden waren, teilte Ende 2012 die Wasserrechtsbehörde den Antragstellern mit, dass nach der vorliegenden Sach‑ und Rechtslage von ihrer Verantwortlichkeit auszugehen sei und im Zeitraum von 30. 10. 2001 bis 17. 8. 2011 Sanierungskosten von rund 590.000 EUR angefallen seien. Abgesehen von diesen Informationen gab es während des Sanierungsverfahrens ‑ bis zum Kostenersatzbescheid ‑ keine behördlichen Aufforderungen oder Anweisungen an die Antragsteller.

Schließlich wurde ihnen mit Bescheid der zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde vom 5. 9. 2014 aufgetragen, die bei Durchführung der erforderlichen Sanierungsmaßnahmen zwischen dem 23. 7. 2001 und dem 10. 6. 2014 angefallenen Kosten von 622.838,83 EUR zu ersetzen. Dies wurde im Wesentlichen damit begründet, dass die Erstantragstellerin bereits im Jahr 1939 Adressatin der gewerberechtlichen Bewilligung zur Errichtung und zum Betrieb der Tankstelle gewesen sei. Sie sei auch fortlaufend gegenüber der Behörde als Konsenswerberin für Genehmigungen am Standort der Tankstelle aufgetreten. Im Jahr 1996 sei ihr zudem eine wasserrechtliche Bewilligung zur Einleitung der beim Betrieb der Tankstelle anfallenden Abwässer erteilt worden und schließlich habe sie auch im Jahr 1998 die Auflassung der Tankstelle angezeigt und seien ihr gegenüber verschiedene Maßnahmen und letztmalige Vorkehrungen angeordnet worden. Auch wenn ein Teil des behördlichen Schriftverkehrs mit dem Grundeigentümer erfolgt sei, stehe für die Wasserrechtsbehörde eindeutig fest, dass die Erstantragstellerin für die Tankstelle über weitreichende Rechte und vor allem über die wesentlichen verwaltungsbehördlichen Bewilligungen verfügt habe und daher als Verpflichtete im Sinne des § 31 Abs 3 WRG gelte. Die persönliche Haftung des Zweitantragstellers ergebe sich aus seiner Position als ehemaliger Geschäftsführer der Erstantragstellerin.

Gegen diesen Bescheid beantragten die Antragsteller in Wahrnehmung der sukzessiven Kompetenz nach § 117 Abs 4 WRG die gerichtliche Entscheidung, dass sie für die ihnen bescheidmäßig vorgeschriebenen Kosten nicht haften. Die Tankstelle sei stets von Dritten betrieben worden, die die Erstantragstellerin lediglich unterstützt habe.

Die Antragsgegnerin wandte dagegen im Wesentlichen ein, dass die Begründung im Kostenersatzbescheid der Bezirksverwaltungsbehörde zutreffe und die Erstantragstellerin als Anlagenbetreiberin anzusehen sei. Die Antragsteller hätten es auch versäumt, gegen die Sanierungsanordnung als Akt unmittelbarer verwaltungs-behördlicher Befehls‑ und Zwangsgewalt eine Maßnahmenbeschwerde zu erheben, weshalb sie angesichts des bindenden Verwaltungsakts ihre Kostenersatzpflicht nicht mehr in Frage stellen könnten.

Das Erstgericht sprach antragsgemäß aus, dass die Antragsteller keine Kostenersatzpflicht für die Sanierungsmaßnahmen treffe. Es ging dabei von detaillierten Sachverhaltsfeststellungen aus, die von der Antragsgegnerin in ihrem Rekurs weitgehend bekämpft, vom Berufungsgericht aber nicht überprüft wurden. Die Erstantragstellerin habe den Liegenschaftseigentümer und Tankstellenbetreiber zwar immer wieder bei der Abwicklung des Behördenverfahrens unterstützt und als dessen Vertreterin behördliche Genehmigungen beantragt, es habe sich aber von Beginn an um eine Eigentankstelle des Liegenschaftseigentümers gehandelt, die von diesem ‑ und später von seinem Sohn ‑ im eigenen Namen und auf eigene Rechnung betrieben worden sei. Die Erstantragstellerin sei nicht als Anlagenbetreiberin zu qualifizieren. Es habe lediglich ein Tankstellen-belieferungsvertrag bestanden, ohne dass den Antragstellern Weisungs‑ oder Kontrollrechte zugestanden wären. Die Erstantragstellerin sei auch zu keiner Zeit Eigentümerin der Tankstelle oder der Liegenschaft gewesen. Sie habe auch keine sonstige ‑ rechtliche oder faktische ‑ Möglichkeit gehabt, die Gefahr der Gewässerverunreinigung zu beherrschen. Die bloße Möglichkeit, die Belieferung einzustellen, sei vom Verpflichtetenbegriff des § 31 WRG nicht erfasst. Die letztmaligen Vorkehrungen anlässlich der Auflassung der Tankstelle seien zwar der Erstantragstellerin mit gewerbebehördlichem Bescheid aufgetragen worden. Aus diesem ergebe sich aber nicht zwingend eine Verpflichtung nach dem WRG. Auch die Vertretung in verschiedenen behördlichen Verfahren ändere an der Parteistellung nichts. Als Vertreter sei die Erstantragstellerin berechtigt gewesen, im Namen des Tankstellenbetreibers zu handeln, ohne dadurch selbst zum Beteiligten zu werden. Dabei schade es auch nicht, dass die Bescheide an die Erstantragstellerin adressiert gewesen seien, da Verfahrensakte zwar gegenüber dem Vertreter, aber mit Wirkung für die Partei, zu setzen seien.

Das Rekursgericht änderte diese Entscheidung im Sinne eines Zwischenbeschlusses ab, mit dem es die Haftung der Antragsteller für die Sanierungskosten dem Grunde nach aussprach; den Revisionsrekurs erklärte es für zulässig. Ob die Erstantragstellerin als Betreiberin der Tankstellenanlage im Sinne des § 31 Abs 1 WRG zu qualifizieren sei, müsse nicht abschließend geklärt werden. Ihre Haftung ergebe sich schon daraus, dass den Antragstellern bereits mit Schreiben der Bezirksverwaltungsbehörde vom 16. 11. 2012 dargelegt worden sei, dass von ihrer Verantwortlichkeit für die durchgeführten Sofortmaßnahmen nach § 31 WRG ausgegangen werde. Damit sei ihnen bekannt geworden, dass sie von der Behörde im Nachhinein als Verpflichtete angesehen würden. Ab diesem Zeitpunkt hätten sie Kenntnis von der gegen sie gerichteten Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls‑ und Zwangsgewalt erlangt, womit die Frist zur Erhebung einer Beschwerde nach § 67c AVG aF zu laufen begonnen habe. Hätten es die Antragsteller nun unterlassen, die Maßnahme im dafür vorgesehenen Verwaltungsweg auf ihre Rechtmäßigkeit prüfen zu lassen, könnten auch die Gerichte die Rechtmäßigkeit nicht mehr überprüfen. Mangels Bekämpfung der behördlichen Maßnahmen liege für die Antragsteller ein bindender Verwaltungsakt im verwaltungsbehördlichen Verfahren vor, weshalb sie ihre Kostenersatzpflicht dem Grunde nach nicht mehr in Frage stellen könnten. Aber auch, wenn dies nicht der Fall wäre, könnte sich an einer Haftung der Antragsteller dem Grunde nach nichts ändern. Nachdem sich die Erstantragstellerin bereit erklärt hätte, die Schließung der Tankstelle abzuwickeln, seien ihr mit Bescheid vom 18. 5. 1998 Vorkehrungen aufgetragen worden. Da sie damit zur nachhaltigen Beseitigung aller im Tankstellenbereich vorhandenen bzw im Zuge der Auflassungsarbeiten entstehenden Verunreinigungen durch Mineralölprodukte verpflichtet worden sei und auch die Umsetzung der erteilten Auflagen veranlasst und angezeigt habe, habe sie die konkrete Gefahr einer Gewässerverunreinigung rechtlich und faktisch beherrschen können. Mit der Stilllegung einer solchen Anlage sei eine nachteilige Einwirkung auf Gewässer geradezu typisch verbunden; sie sei jedenfalls zu einer solchen Einwirkung konkret geeignet. Da auch bei Vorhandensein mehrerer ‑ auch zeitlich aufeinanderfolgender - Mitverursacher Solidarhaftung für den Ersatz der Sanierungskosten eintrete, komme es auf die Frage, wer während laufenden Tankstellenbetriebs Anlagenbetreiber war, nicht entscheidend an, weil sich allein daraus eine Haftung der Erstantragstellerin ergebe. Der Zweitantragsteller sei im Zeitpunkt der Stilllegung des Tankstellenbetriebs selbständig vertretungsbefugter Geschäftsführer gewesen und zähle als solcher zu den solidarisch verpflichteten Mitverursachern. Da somit schon aus diesen Gründen eine Haftung der Antragsteller dem Grunde nach zu bejahen sei, bedürfe es keiner Auseinandersetzung mit der Tatsachen‑ und Verfahrensrüge der Antragsgegnerin in ihrem Rekurs. Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil zur Frage, ob auch in Fällen, in denen erst im Nachhinein ein Verpflichteter im Sinne des § 31 Abs 1 WRG bekannt wird, von der Behörde angeordnete Sofortmaßnahmen im Sinne des § 31 Abs 3 WRG als Akt der unmittelbaren verwaltungsbehördlichen Befehls- und Zwangsgewalt zu werten und mangels Bekämpfung für das Gericht bindend seien, keine gesicherte oberstgerichtliche Rechtsprechung vorliege.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Antragsteller ist ‑ auch aus dem vom Rekursgericht genannten Grund ‑ zulässig und im Sinne einer Aufhebung der rekursgerichtlichen Entscheidung berechtigt.

1. Das Rekursgericht hat eine Ersatzpflicht der Antragsteller in erster Linie daraus abgeleitet, dass sie eine Maßnahmenbeschwerde nach § 67c AVG unterlassen hätten, obwohl sie von der gegen sie gerichteten Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls‑ und Zwangsgewalt Kenntnis erlangt hätten; damit liege für die Antragsteller ein bindender Verwaltungsakt vor, dessen Rechtmäßigkeit nicht mehr überprüft werden könne.

Richtig ist, dass es sich bei der Durchführung der behördlichen Sofortmaßnahmen nach § 31 Abs 3 WRG um einen Anwendungsfall der Ausübung unmittelbarer behördlicher Befehls‑ und Zwangsgewalt handelt (RIS‑Justiz RS0110310; RS0053659), von deren Rechtmäßigkeit auszugehen ist, wenn eine von dieser Maßnahme unmittelbar betroffene Partei die Erhebung einer Beschwerde unterlässt (RIS‑Justiz RS0128268). Damit lässt sich aber im vorliegenden Fall eine Haftung der Antragsteller nicht begründen, steht die Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns doch gar nicht in Frage. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass die unmittelbar angeordneten Sanierungsmaßnahmen nicht im Sinne des § 31 Abs 3 erster Satz WRG erforderlich gewesen wären, womit kein sachlicher Grund dafür bestanden hätte, die Maßnahme über eine Beschwerde der Antragsteller für rechtswidrig zu erklären.

Allgemein liegt eine Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls‑ und Zwangsgewalt dann vor, wenn Verwaltungsorgane im Rahmen der Hoheitsverwaltung einseitig gegen individuelle bestimmte Adressaten einen Befehl erteilen oder Zwang ausüben und damit unmittelbar in subjektive Rechte des Betroffenen eingreifen (vgl nur VwGH 2011/17/0333 mwN). Eine behördliche Anordnung für erforderlich gehaltener Maßnahmen und deren Durchführung richtet sich daher „unmittelbar“ nur dann gegen den gemäß § 31 WRG „Verpflichteten“, wenn mit den angeordneten Maßnahmen selbst in seine Rechte eingegriffen wird ‑ beispielsweise durch Inanspruchnahme seines Grundeigentums oder Entfernung in seinem Eigentum stehender Objekte (vgl VwGH 82/07/0156, 0177). Ein derartiger (rechtswidriger) Eingriff in die Rechte der Antragsteller liegt aber zweifellos nicht vor, steht doch fest, dass sie nicht Eigentümerin der von den Sanierungsmaßnahmen betroffenen Liegenschaften waren, und ist auch sonst ein unmittelbarer Eingriff in deren Rechtssphäre nicht zu erkennen. Eine möglicherweise drohende Kostenersatzpflicht nach § 31 Abs 3 WRG ‑ ohne dass die Maßnahme an sich in die Rechtssphäre der betroffenen Person eingegriffen hätte ‑ vermag eine Beschwerdelegitimation nicht zu begründen, kann dann doch gerade nicht behauptet werden, durch die Maßnahme in einem Recht verletzt worden zu sein (VwGH 87/07/0182 = ZfVB 1991/1863). Die Frage, ob für bestimmte Sanierungsmaßnahmen Kostenersatz zu leisten ist und wer diesen zu leisten hat, ist im verwaltungsbehördlichen Verfahren nicht zu prüfen. Wird schließlich ein Kostenersatzbescheid erlassen, fällt die Klärung der Frage, ob die Wasserrechtsbehörde den richtigen Adressaten (materiell Verpflichteten) herangezogen hat, ausschließlich in die Kompetenz der ordentlichen Gerichte im Verfahren nach § 117 Abs 1 WRG (VwGH 95/07/0009, 2013/07/0292).

Wenn also der erkennende Senat in der vom Rekursgericht zitierten Entscheidung zu 1 Ob 208/14s unter bestimmten Voraussetzungen eine Bindung an unbekämpfte Verwaltungsakte angenommen hat ‑ in dem dort beurteilten Fall hatte die Wasserrechtsbehörde vorher konkrete Aufträge zur Behebung der Verunreinigung an die spätere Antragstellerin gerichtet ‑, ist seine Rechtsansicht im Sinne der nunmehr präzisierten Darlegungen zu verstehen. Will eine Partei nicht eine inhaltliche Rechtswidrigkeit des Verwaltungshandelns (hier: Vornahme von Sanierungsarbeiten) geltend machen, sondern sich lediglich gegen die Annahme der Verwaltungsbehörde im Kostenersatzbescheid wenden, Zahlungspflichtige nach § 31 Abs 3 WRG zu sein, kann ihr die Unterlassung einer Maßnahmenbeschwerde nicht schaden. Ob die materiellen Voraussetzungen für ihre Ersatzpflicht vorliegen, ist vom Gericht im Rahmen seiner sukzessiven Kompetenz zu prüfen.

Auf die Unterlassung einer Maßnahmenbeschwerde kann die Ersatzpflicht der Antragsteller daher nicht gestützt werden.

2. Im vorliegenden Fall hat die Behörde die Sanierungsarbeiten im Sinne des § 31 Abs 3 Satz 2 WRG unmittelbar angeordnet und durchführen lassen, woraus eine Kostenersatzpflicht des (nach Abs 1) Verpflichteten folgt. Nach dieser Bestimmung kann sich die Ersatzpflicht aus dem Betrieb einer Anlage oder aus sonstigen Maßnahmen oder Unterlassungen einer Person ergeben, die nachteilige Einwirkungen auf Gewässer herbeigeführt haben. Das Rekursgericht hat nun ‑ in Ansehung der Erstantragstellerin zu Recht ‑ eine haftungsbegründende Unterlassung darin gesehen, dass ihr mit dem Bescheid vom 18. 5. 1998 Vorkehrungen aufgetragen wurden, mit denen sie insbesondere zur nachhaltigen Beseitigung aller im Tankstellenbereich vorhandenen (bzw im Zuge der Auflassungsarbeiten entstehenden) Verunreinigungen durch Mineralölprodukte verpflichtet wurde, und sie die aufgetragene Sanierung nicht (vollständig) vorgenommen habe. Dieser Bescheid ist mangels Anfechtung in Rechtskraft erwachsen und hat damit ‑ ungeachtet der materiellen Rechtslage ‑ jedenfalls die Verpflichtung der Erstantragstellerin begründet, bereits vorhandene Verunreinigungen zu beseitigen und damit eine (weitere) Gefährdung des Grundwassers hintanzuhalten. Die von den Revisionsrekurswerbern dazu vertretene Auffassung, der Bescheid habe sich gar nicht an die Erstantragstellerin gerichtet, sondern sei dahin umzudeuten, dass Bescheidadressat eine andere, von der bevollmächtigten Erstantragstellerin vertretene Person sei, ist angesichts des völlig eindeutigen Wortlauts des Bescheids unhaltbar, mit dem explizit der Erstantragstellerin ‑ die sich auch im eigenen Namen gegenüber der Behörde dazu bereit erklärt hatte, die Schließung der Tankstelle abzuwickeln ‑ verschiedene Maßnahmen aufgetragen wurden.

Eine (haftungsbegründende) Unterlassung liegt insbesondere dann vor, wenn jemand eine Verpflichtung verletzt, die entweder auf dem Gesetz oder auf einer behördlichen Vorschreibung beruht (so zutr Oberleitner/Berger, WRG3 § 31 Rz 4). Dass die bescheidmäßig begründete Verpflichtung im vorliegenden Fall von der Gewerbebehörde ausgesprochen wurde, ändert nichts an der Maßgeblichkeit der Unterlassung als mögliche Haftungsgrundlage, beruhte die entsprechende Auflage doch erkennbar gerade auch auf dem beabsichtigten Schutz des Grundwassers vor (weiteren) Verunreinigungen. Als Grundlage für die aufgetragenen Vorkehrungen wird im betreffenden Bescheid auf § 83 GewO verwiesen und in der Bescheidbegründung betont, dass die vorgeschriebenen letztmaligen Vorkehrungen erforderlich gewesen seien, um den Schutz der in § 74 Abs 2 GewO umschriebene Interessen zu gewährleisten. Zu diesem gehört nun insbesondere auch die Verhinderung von nachteiligen Einwirkungen auf die Beschaffenheit der Gewässer (§ 74 Abs 2 Z 5 GewO in der damals geltenden Fassung).

Wurde die Erstantragstellerin nun bescheidmäßig zur Beseitigung im Tankstellenbereich vorhandener Verunreinigungen durch Mineralölprodukte verpflichtet, weil damit eine (weitere) Verunreinigung des Grundwassers hintangehalten werden sollte, und sollte sie diese Verpflichtung nicht oder nicht vollständig erfüllt haben, wäre ihr eine Unterlassung im Sinne des § 31 Abs 1 WRG vorzuwerfen, die zu ihrer Haftung für die dadurch verursachten Sanierungskosten führte, ohne dass es zusätzlich darauf ankäme, ob sie die Verunreinigungen durch konkrete Handlungen oder durch den Betrieb einer Anlage verursacht hat. Die Annahme des Berufungsgerichts, die Stilllegungsarbeiten hätten zu (weiteren) Kontaminationen geführt, ist jedoch von den getroffenen Feststellungen nicht gedeckt.

Zu beachten ist allerdings, dass sich die durch den rechtskräftigen Bescheid ‑ wenn auch wohl ohne gesetzliche Deckung (vgl VwGH 97/04/0121) ‑ begründete Verpflichtung zur Beseitigung der bereits vorhandenen Verunreinigungen auf den „Tankstellenbereich“ beschränkt hat. Berücksichtigt man, dass es sich hier um eine Anordnung der Gewerbebehörde handelt, die sich in der Regel auf den eigentlichen Standort der Betriebsanlage beziehen soll, ist sie dahin auszulegen, dass damit nur Verunreinigungen auf jener Liegenschaft gemeint sind, auf der sich die Tankstelle befunden hat. Ein solches (enges) Verständnis liegt auch schon deshalb nahe, weil Vorkehrungen nach § 83 GewO an sich gar nicht mit dem Zweck vorgeschrieben werden dürfen, bereits vor der Auflassung durch den Betrieb eingetretene Einwirkungen auf die Umwelt rückgängig zu machen (VwGH 97/04/0121). Ob sich auf der Betriebsliegenschaft noch Verunreinigungen befunden haben, die aufgrund der bescheidmäßigen Anordnung von der Erstantragstellerin zu beseitigen gewesen wären, steht aber ebensowenig fest wie, ob das Unterlassen der Beseitigungspflicht zu (weiteren) Kontaminationen benachbarter Liegenschaften geführt hat, die Sanierungsmaßnahmen erforderlich gemacht hätten, die bei pflichtgemäßem Verhalten der Erstantragstellerin nicht notwendig gewesen wären. Die insoweit maßgeblichen Umstände werden im fortgesetzten Verfahren zu ermitteln sein, sofern sich nicht ohnehin eine umfassende Haftung der Erstantragstellerin aus ihrer (behaupteten) Qualifikation als Betreiberin (dazu RIS‑Justiz RS0108332: Als Anlagenbetreiber ist grundsätzlich derjenige anzusehen, der die wirtschaftliche Verfügungsmacht über die Anlage hat und auf dessen Rechnung sie betrieben wird.) der Tankstelle ergeben sollte. Sollte Letzteres nicht der Fall sein, hätte die Erstantragstellerin für jene Sanierungskosten nicht zu haften, die bereits vor der Stilllegung der Anlage vorhandene Kontaminationen auf anderen Liegenschaften betroffen haben.

Eine Haftung des Zweitantragstellers kann allerdings aus einer unterbliebenen oder unvollständigen Erfüllung der Verpflichtungen aus dem Bescheid vom 18. 5. 1998 durch die Erstantragstellerin nicht abgeleitet werden, wurde die genannte Handlungspflicht doch ausschließlich gegenüber Letzterer ausgesprochen. Mangels ihn treffender Handlungspflicht könnte ihm daher auch nicht die Herbeiführung einer Gewässergefährdung durch Unterlassung vorgeworfen werden; dies umso weniger, als es der behördlichen Beseitigungsanordnung ‑ wie dargelegt ‑ an einer gesetzlichen Grundlage mangelte.

3. Um beurteilen zu können, ob die Erstantragstellerin eine (umfassende) Haftung für den Ersatz der Sanierungskosten als Anlagenbetreiberin trifft, wird sich das Rekursgericht mit der Beweisrüge im Rekurs auseinanderzusetzen haben. Sollten sich danach die erstgerichtlichen Feststellungen als zutreffend erweisen, nach denen die Erstantragstellerin nicht Betreiberin der Tankstelle war, wäre auch eine Haftung des Zweitantragstellers zu verneinen, wurde diese doch ausschließlich darauf gestützt, dass er für die Geschäftstätigkeit der Erstantragstellerin verantwortlich gewesen sei, wogegen ihm im Übrigen schadensstiftende Handlungen nicht konkret vorgeworfen werden.

Sollte sich hingegen ein Betrieb der Tankstelle durch die Erstantragstellerin im oben dargestellten Sinn herausstellen, käme eine Haftung (auch) des Zweitantragstellers in Betracht, soweit er im Rahmen seiner Tätigkeit für die Erstantragstellerin dafür verantwortlich war, dass eine Gewässerverunreinigung durch Austreten von Mineralöl vermieden wird.

Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin kann aus der jüngeren Judikatur des Senats aber nicht abgeleitet werden, dass der Geschäftsführer ohne weitere Voraussetzungen im Falle einer Haftung der von ihm vertretenen juristischen Person stets und ohne weiteres als solidarisch Mithaftender zu betrachten wäre. Die beiden vermeintlich einschlägigen Judikate beschäftigten sich in erster Linie mit der Frage, unter welchen Voraussetzungen sich die subsidiäre Zahlungspflicht des Liegenschafts-eigentümers gemäß § 31 Abs 4 WRG realisiert, dem nur dann der Kostenersatz auferlegt werden kann, wenn ein nach Abs 1 Verpflichteter (Anlagenbetreiber oder jemand, dessen Maßnahmen oder ‑ pflichtwidrige ‑ Unterlassungen die Gefahr einer Gewässerverunreinigung herbeigeführt haben) nicht herangezogen werden kann. In den genannten Fällen wurde eine Verpflichtung des Liegenschaftseigentümers einerseits mit der Begründung verneint, die Behörde habe gar nicht versucht, als unmittelbare Verursacher in Betracht kommende natürliche Personen zu ermitteln und zum Kostenersatz heranzuziehen (1 Ob 65/08b) und nur ganz allgemein ausgeführt, dass zu prüfen sei, ob etwa den Geschäftsführern der seinerzeitigen Anlagenbetreiberin ‑ oder auch anderen Mitarbeitern ‑ die schädliche Einwirkung zuzurechnen wäre, die dann als „unmittelbare Täter“ hafteten. Zu 1 Ob 152/10z wurde explizit darauf hingewiesen, dass den Geschäftsführern das Problem der ‑ die Sanierungsmaßnahmen herbeiführenden ‑ konsenswidrigen Lagerung bewusst gewesen sein musste, weil es insoweit mehrfach Beanstandungen durch die Liegenschaftseigentümerin und die zuständige Behörde gegeben habe; die Geschäftsführer wären auch deshalb verpflichtet gewesen, die zur Vermeidung einer Gewässerverunreinigung erforderlichen Maßnahmen zu treffen, weil evident sei, dass die konsenswidrige Lagerung nicht ohne deren Willen vorgenommen (und aufrecht erhalten) worden sei. Auch wenn in der zuletzt genannten Entscheidung abschließend darauf hingewiesen wurde, dass der Gesetzgeber durch Verwendung des Worts „jedermann“ eine sehr weitgehende Formulierung für die Abgrenzung des Kreises der möglicherweise als Verpflichtete bzw Haftende in Betracht kommenden Personen gewählt hat, wurde inhaltlich doch darauf abgestellt, inwieweit Personen, die nicht selbst Betreiber einer Anlage sind, im Rahmen ihrer Geschäftsführungsmaßnahmen eine mögliche Einflussnahme auf eine Gewässerverunreinigung oder deren Vermeidung zukommt. Eine (Mit‑)Haftung käme insbesondere in Betracht, wenn die betreffende Person im Rahmen ihrer Tätigkeit für den Anlagenbetreiber Maßnahmen vorgenommen oder angeordnet habe, die letztlich die Notwendigkeit von kostenverursachenden Sanierungsmaßnahmen ausgelöst haben. In diesem Sinne hat etwa der Verwaltungsgerichtshof die (Mit‑)Verantwortlichkeit eines Mitarbeiters eines Unternehmens angenommen, der ‑ offenbar als Hausmeister bzw Haustechniker ‑ für die Heizungsanlage verantwortlich war und einen Pumpvorgang nicht ausreichend überwacht hatte, weshalb Öl in einen Regenwasserkanal und in der Folge in einen Fluss gelangen konnte (VwGH 85/07/0302). Ebenso wurde jemand als Handlungspflichtiger nach § 31 Abs 2 WRG betrachtet, dem ‑ als „faktischer Geschäftsführer“ ‑ aufgrund seiner dominanten Stellung im Betrieb das Vorhandensein einer Kontamination und der Notwendigkeit, weitere Schritte zu setzen, bekannt war (VwGH 2002/07/0018).

Ob und inwieweit dem Zweitantragsteller bestimmte Maßnahmen im Sinne des § 31 Abs 1 WRG persönlich zugerechnet werden können, die zu den festgestellten Kontaminationen geführt haben, kann nach den erstgerichtlichen Feststellungen nicht beurteilt werden. Die Antragsgegnerin wird ihr Vorbringen insoweit auch zu präzisieren und konkret anzugeben haben, was ihrer Ansicht nach die persönliche Verantwortlichkeit des Zweitantragstellers begründen soll. Gegebenenfalls wird dann auch eine Ergänzung der Tatsachenfeststellungen ‑ durch das Erstgericht oder das Rekursgericht ‑ erforderlich sein.

4. Der Kostenvorbehalt beruht darauf, dass das Verfahren mit dieser Entscheidung nicht im Sinne des § 78 Abs 2 AußStrG endgültig erledigt wird.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte