OGH 1Ob150/22y

OGH1Ob150/22y5.3.2024

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Musger als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Wessely‑Kristöfel und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. Dr. G*, vertreten durch Dr. Erwin Köll ua, Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die beklagte Partei P* GmbH & Co KG, *, vertreten durch die Pressl Endl Heinrich Bamberger Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, wegen Aufhebung eines Kaufvertrags und 39.000 EUR sA sowie Feststellung (Streitwert 5.000 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 30. Jänner 2019, GZ 10 R 66/18h‑69, mit dem das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 23. Juli 2018, GZ 10 Cg 1/16m‑60, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0010OB00150.22Y.0305.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

I. Das mit Beschluss vom 26. März 2020 zu 1 Ob 56/19w unterbrochene Verfahren wird fortgesetzt.

II. Die Eingabe der klagenden Partei vom 6. Mai 2020 wird zurückgewiesen.

III. Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Rechtssache wird zur Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

 

Begründung:

[1] Die Beklagte ist Generalimporteurin für Fahrzeuge der Marke Seat. Der Kläger kaufte bei der Beklagten am 10. 2. 2014 einen PKW Seat Alhambra GT TDI CR 4Drive um 39.000 EUR. Das am 9. 5. 2014 zugelassene Fahrzeug wurde ihm am 5. 5. 2014 übergeben. Es fällt unstrittig in den Anwendungsbereich der VO (EG) Nr 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2007 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen für Fahrzeuge (ABl L 171/1 vom 29. 6. 2007, kurz: VO 715/2007/EG ). Das Fahrzeug des Klägers ist mit einem Dieselmotor des Typs EA189 Euro 5 ausgestattet.

[2] Im Fahrzeug war von der Herstellerin eine „Umschaltlogik“ mit zwei Modi eingebaut worden, die zwischen Prüfstand und Realbetrieb unterschied. Diese „Logik“ bestand aus einer Software, die die Funktion des Emissionskontrollsystems veränderte und die Wirksamkeit dieses Systems unter Bedingungen, die bei normalem Fahrzeugbetrieb vernünftigerweise zu erwarten sind, verringerte. Die Software verfügte über zwei unterschiedliche Betriebsmodi, die die Abgasrückführung steuerten. Im ersten Modus, der (nur) im „Neuen Europäischen Fahrzyklus“ (also im Emissionsprüfungsverfahren unter Laborbedingungen) aktiv war, kam es zu einer höheren Abgasrückführungsrate. Unter realen Fahrbedingungen im normalen Straßenverkehr (zweiter Modus „0“) kam es zu einer geringeren Abgasrückführungsrate. Die Software erkannte, wenn sich das Fahrzeug nicht mehr am Prüfstand befand, und schaltete dann auf den Modus 0 um, in dem eine geringere Abgasrückführungsrate erreicht wurde. Im realen Fahrbetrieb befand sich das Fahrzeug also ständig im Modus 0. Diese „Umschaltlogik“ diente dazu, im Prüfstandverfahren bessere Ergebnisse zu erzielen als bei der Verwendung des Fahrzeugs im Realbetrieb tatsächlich erzielbar waren. Das deutsche Kraftfahrt-Bundesamt qualifizierte die „Umschaltlogik“ als unzulässige Abschalteinrichtung iSd VO 715/2007/EG .

[3] Weder der Kläger noch die Beklagte wussten bei Vertragsabschluss, dass im Fahrzeug des Klägers eine solche „Umschaltlogik“ implementiert war. Hätte der Kläger davon Kenntnis gehabt, hätte er das Fahrzeug nicht erworben. Er wollte ursprünglich ein Fahrzeug mit einem Benzinmotor kaufen, weil dieses nach seiner damaligen Meinung weniger umweltschädlich sei. Der Verkäufer der Beklagten erklärte ihm, dass Fahrzeuge mit der neuesten Dieselmotorgeneration von der Umweltbelastung her mit Benzinmotoren vergleichbar seien. Die vorgeschriebenen Grenzwerte würden von diesen weit unterschritten, es müsse nur regelmäßig eine zusätzliche Flüssigkeit (AdBlue) eingefüllt werden. Der Kläger erwarb das Fahrzeug, weil er sich davon überzeugen ließ, dass Dieselfahrzeuge der neuesten Generation „sehr umweltfreundlich“ seien. Über konkrete Emissionswerte wurde vor und bei Vertragsabschluss nicht gesprochen. Zum weiteren Inhalt der Vertragsgespräche traf das Erstgericht weitgehende Negativfeststellungen.

[4] Mit Schreiben vom 8. 10. 2015 informierte die S* GmbH den Kläger erstmals davon, dass sein Fahrzeug vom „Diesel- und Abgasskandal“ betroffen sei und dass an diesem daher „Nacharbeiten“ erforderlich wären. Gleichzeitig wurde ihm zugesichert, dass sein Fahrzeug technisch sicher und fahrbereit sei. Es würde „mit größtem Einsatz“ daran gearbeitet, eine mit den Behörden abgestimmte – für den Kläger mit keinen Kosten verbundene – „technische Lösung“ zu entwickeln. Dies werde aber noch einige Zeit in Anspruch nehmen. Der Kläger werde verständigt, sobald „die technischen Maßnahmen“ zur Verfügung stünden.

[5] Das deutsche Kraftfahrt-Bundesamt teilte in einem (an die Fahrzeugherstellerin gerichteten) Schreiben vom 20. 12. 2016 mit, dass die S* S.A. mit Bescheid dieser Behörde vom 14. 10. 2015 dazu verpflichtet worden sei, bei allen betroffenen Fahrzeugen mit dem Aggregat EA189 Euro 5 – somit auch beim Fahrzeug des Klägers – die unzulässige Abschalteinrichtung (die „Umschaltlogik“) zu entfernen und dafür geeignete Nachweise beizubringen. Die dem Kraftfahrt-Bundesamt für die betroffenen Fahrzeuge der S* S.A. vorgestellte Änderung der Applikationsdaten sei geeignet, die Vorschriftsmäßigkeit der genannten Fahrzeuge herzustellen.

[6] Das Fahrzeug des Klägers ist von dem in diesem Schreiben angesprochenen „Freigabebescheid“ des deutschen Kraftfahrt-Bundesamts vom 14. 10. 2015 erfasst.

[7] Der Kläger ließ an seinem Fahrzeug am 24. 5. 2017 ein ihm angebotenes Software-Update, mit dem die „Umschaltlogik“ entfernt wurde, „unter Vorbehalt seiner Ansprüche“ durchführen. Auf die (Motor‑)Leistung, das Drehmoment, die „Elastizität“ und die Abgasemissionen im Realbetrieb hat das Software-Update keine (negativen) Auswirkungen. Hinsichtlich des Kraftstoffverbrauchs kommt es durch dieses Update zu keinen „signifikanten“ Änderungen. Ob das Software-Update Auswirkungen auf die Gesamtlaufleistung des Fahrzeugs, die Verkokung des Abgasrückführungssystems, das Partikelfilter-Regenerationsintervall, die Dauerhaltbarkeit einzelner Komponenten oder den Wert des Fahrzeugs habe, konnte vom Erstgericht nicht festgestellt werden. Auch zur konkreten Funktionsweise des Software-Updates und dessen Wirkungen traf das Erstgericht eine Negativfeststellung.

[8] Der Klägermacht Ansprüche aus Irrtumsanfechtung, Gewährleistung und Schadenersatz geltend.

[9] Er begehrt primär – gestützt auf alle drei Rechtsgrundlagen – die Aufhebung des Kaufvertrags sowie Zahlung von 39.000 EUR Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs. Hilfsweise begehrt er die Aufhebung des Kaufvertrags und Rückzahlung des Kaufpreises von 39.000 EUR Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs, wobei sich die Beklagte von ihrer Zahlungsverpflichtung dadurch befreien könne, dass sie dem Kläger ein mangelfreies neues Fahrzeug desselben Typs übergebe; wiederum hilfsweise habe die Beklagte dem Kläger Zug um Zug gegen Rückgabe seines Fahrzeugs ein neues mangelfreies Fahrzeug desselben Typs zu übergeben. Ein weiteres (drittes) Eventualbegehren ist auf die Zahlung von 5.000 EUR aus dem Titel der Preisminderung gerichtet. Der Kläger begehrte außerdem die Feststellung der Haftung der Beklagten für sämtliche künftigen Schäden aus dem Kauf „und der Verwendung“ des von ihr erworbenen Fahrzeugs.

[10] Der Kläger habe darüber geirrt, ein manipulationsfreies, den gesetzlichen Vorschriften entsprechendes Fahrzeug zu erwerben. Tatsächlich habe das gekaufte Fahrzeug dieser Annahme nicht entsprochen, weil es mit einer iSv Art 5 Abs 2 der VO 715/2007/EG unzulässigen Abschalteinrichtung (der „Umschaltlogik“) ausgestattet gewesen sei. Diese habe – außerhalb eines Betriebs am Prüfstand – zu über den offiziellen Angaben des Herstellers liegenden (gesundheits- und klimaschädlichen) CO2‑ und Stickstoffemissionen geführt. Der Irrtum sei von der Beklagten veranlasst worden, jedenfalls liege ein zur Vertragsaufhebung berechtigender gemeinsamer Irrtum vor. Soweit die Beklagte einwende, sie habe die unzulässige Abschalteinrichtung durch das Software-Update entfernt, weshalb der Kläger insoweit klaglos gestellt worden sei, könne dies seine auf Irrtumsanfechtung gestützten Ansprüche nicht beseitigen. Einerseits sei durch dieses – tatsächlich (allerdings nur unter Vorbehalt der Ansprüche des Klägers) erfolgte – Update nicht der ursprünglich angenommene Zustand eines manipulationsfreien und den gesetzlichen Vorschriften entsprechenden Fahrzeugs hergestellt worden. Andererseits sei das Software-Update selbst mit negativen Auswirkungen auf das Fahrzeug, insbesondere dessen Kraftstoffverbrauch, die CO2-und NOX‑Emissionen, die Motorleistung, das Drehmoment sowie die Geräuschemissionen verbunden. Der Kläger sei außerdem zum Aufspielen des Software-Updates „verpflichtet“ gewesen, weil seinem Fahrzeug sonst die Zulassung entzogen worden wäre.

[11] Das Fahrzeug sei aufgrund der in der „Umschaltlogik“ gelegenen unzulässigen Abschalteinrichtung auch mangelhaft gewesen. Durch das Software-Update sei der Mangel nicht behoben worden. Auch aufgrund der mit diesem Update verbundenen negativen Auswirkungen auf bestimmte Fahrzeugeigenschaften sei keine ausreichende Verbesserung erfolgt. Sollte eine solche durch das Software-Update tatsächlich gelungen sein, wäre die Mängelbehebung jedenfalls auch nicht in angemessener Frist erfolgt. Der Kläger sei von der Beklagten – seit Bekanntwerden der (auch) in seinem Fahrzeug verbauten Manipulationssoftware – mehr als eineinhalb Jahre „vertröstet“ worden, ohne dass wirksame Maßnahmen zur Mängelbehebung gesetzt worden seien. Die Beklagte, die ausreichend Zeit gehabt habe, um den Mangel zu beheben, habe ihre Verbesserungschance somit „verwirkt“, weshalb dem Kläger auch aus diesem Grund sekundäre Gewährleistungsbehelfe zustünden. Auf die – in der Sphäre der Beklagten gelegenen – Gründe, aus denen das letztlich vorgenommene Software-Update erst lange Zeit nach Bekanntwerden des Mangels (der Abschalteinrichtung) erfolgt sei, komme es nicht an.

[12] Der Kläger habe gegen die Beklagte auch einen auf Naturalrestitution und somit ebenfalls auf Vertragsaufhebung gerichteten Schadenersatzanspruch. Das Verschulden der Herstellerin des Fahrzeugs, die von der „Umschaltlogik“ zweifelsfrei Kenntnis gehabt habe, sei der Beklagten zuzurechnen, weil zwischen diesen „personelle Verflechtungen“ bestünden.

[13] Dem Kläger sei auch – sowohl in der Werbung als auch im Verkaufsgespräch durch Mitarbeiter der Beklagten – zugesagt worden, dass das von ihm erworbene Fahrzeug (dieser Fahrzeugtyp) die gesetzlich normierten Abgasgrenzwerte „weit“ unterschreite und es sich um ein besonders emissionsarmes Auto handle. Dies sei für seine Kaufentscheidung maßgeblich gewesen, weil er Wert auf den Erwerb eines umweltfreundlichen Fahrzeugs gelegt habe. Tatsächlich habe das vom Kläger erworbene Fahrzeug (auch im Realbetrieb) weder die gesetzlich zulässigen Emissionsgrenzwerte – wie ihm dies vertraglich zugesichert worden sei – „weit“ unterschritten, noch diese überhaupt eingehalten. Auch durch das Software-Update seien die tatsächlichen Emissionen nicht gesenkt worden, sondern – im Gegenteil – gestiegen. Die Klageansprüche bestünden daher auch aus diesem Grund zu Recht.

[14] Das Feststellungsbegehren wurde insbesondere auf einen künftig erhöhten Treibstoffverbrauch gestützt; außerdem auf künftige Kosten für die Behebung des Mangels und einen – sich bei einem künftigen Verkauf realisierenden –Minderwert des Fahrzeugs.

[15] Die Beklagte bestritt, dass es sich bei der „Umschaltlogik“ um eine unzulässige Abschalteinrichtung iSd VO 715/2007/EG gehandelt habe. Sämtliche Fahrzeuge mit dem – auch im Fahrzeug des Klägers verwendeten – Dieselmotor des Typs EA189 seien technisch sicher sowie fahrbereit und könnten uneingeschränkt benützt werden. Auch die Typengenehmigung sei weiterhin aufrecht.

[16] Ein allfälliger Mangel sei bloß geringfügig, jedenfalls aber verbesserungsfähig gewesen. Die Beklagte habe den behaupteten Mangel durch das Software-Update behoben. Dieses sei mit keinen negativen Auswirkungen – insbesondere hinsichtlich der Schadstoffemissionen sowie des Kraftstoffverbrauchs – verbunden. Auch die Motorleistung, das (maximale) Drehmoment und die bisherigen Geräuschemissionswerte würden durch das Update nicht verändert. Die Verbesserung durch das – in Abstimmung mit dem deutschen Kraftfahrt-Bundesamt erstellte – Software-Update sei innerhalb angemessener Frist erfolgt und dem Kläger seit 10. 1. 2017 zur Verfügung gestanden. Das Update habe von dieser Behörde auch genehmigt werden müssen, was erst am 20. 12. 2016 erfolgt sei. Aufgrund der Vielzahl der betroffenen Fahrzeuge habe die Implementierung des Software-Updates einer aufwändigen Gesamtkoordination bedurft und daher eine gewisse Zeit in Anspruch genommen.

[17] Einen allfälligen Irrtum des Klägers über das Bestehen der Abschalteinrichtung habe die Beklagte nicht veranlasst. Der Kläger sei hinsichtlich des von ihm behaupteten Irrtums durch das Software-Update auch klaglos gestellt worden.

[18] Da die Beklagte nicht Herstellerin des Fahrzeugs sondern lediglich Händlerin sei, kämen auf Verschulden gestützte (Ersatz-)Ansprüche nicht in Betracht.

[19] Die Einhaltung konkreter – unter den gesetzlichen Grenzwerten liegender – Emissionswerte sei dem Kläger weder in der Werbung noch im Verkaufsgespräch (wirksam) zugesagt worden. Die gesetzlichen Grenzwerte würden ohnehin – sowohl vor als auch nach dem Software-Update – eingehalten.

[20] Das Erstgericht wies sämtliche – auch hilfsweise erhobenen – Leistungsbegehren ab und gab dem Feststellungsbegehren statt.

[21] Es stellte fest, dass die „Umschaltlogik“ keinen Einfluss auf die Fahr- und Betriebssicherheit gehabt habe. Die konkrete Funktionsweise des Software-Updates und dessen Wirkungen hätten zwar nicht festgestellt werden können, weil diese vom Hersteller nicht offengelegt worden seien. Das Fahrzeug des Klägers sei aber auch vor dem Software-Update gebrauchsfähig, technisch sicher und fahrbereit gewesen. Es verfüge über eine aufrechte Zulassung nach der Abgasnorm Euro 5 und es bestünden keine Einschränkungen für dessen Nutzung. Die Typengenehmigung sei weiterhin aufrecht.

[22] Der Verkäufer der Beklagten habe dem Kläger zwar zugesichert, dass das Fahrzeug die zulässigen (Abgas‑)Grenzwerte „weit“ unterschreite. Ob die (nur) in der „Bestätigung über die ordnungsgemäße Berechnung und Abfuhr der NoVa“ (und nicht etwa auch im Kaufvertrag) zum Fahrzeug angegebenen Abgaswerte (also auch der dort mit 0,1103 g/km angegebene NOX‑Wert) tatsächlich (vor dem Software-Update) eingehalten worden seien, habe jedoch nicht festgestellt werden können. Das Update habe „nach derzeitigen Kenntnissen“ keine negativen Auswirkungen auf (unter anderem) die Abgasemissionen des gegenständlichen Motortyps gehabt.

[23] Ein Irrtum des Klägers betreffend die „Umschaltlogik“ sei durch die Beklagte nicht verursacht worden. Ein solcher Irrtum hätte ihr auch nicht auffallen müssen. Ein allfälliger gemeinsamer Irrtum der Parteien berechtige den Kläger nicht zur Vertragsaufhebung. Zu den Abgasemissionen habe der Kläger auch keine „konkreten Erwartungen“ gehabt. An das Nichtvorhandensein einer „Umschaltsoftware“ habe er nicht gedacht. Bei einer allfälligen Fehlvorstellung des Klägers über diese Umstände hätte es sich nur um einen unbeachtlichen Motivirrtum gehandelt. Der Kläger sei jedenfalls klaglos gestellt worden, weil sein Fahrzeug aufgrund des Software-Updates keine unzulässige Abschalteinrichtung mehr aufweise.

[24] Zur Gewährleistung führte das Erstgericht aus, dass es sich bei der „Umschaltlogik“ um eine unzulässige Abschalteinrichtung iSd Art 3 Z 10 der VO (EG) Nr 715/2007 gehandelt habe und das Fahrzeug des Klägers daher mangelhaft gewesen sei. Der Mangel sei jedoch durch das Software-Update behoben worden. Dieses stelle eine „akzeptable und taugliche“ Verbesserung dar. Somit stünden dem Kläger auch keine Gewährleistungsansprüche zu.

[25] Auf Schadenersatz gestützte Ansprüche des Klägers bestünden mangels Nachweises eines Verschuldens der Beklagten am Einbau der „Umschaltlogik“ nicht. Die Herstellerin sei nicht deren Erfüllungsgehilfin und deren Verhalten der Beklagten daher nicht zuzurechnen.

[26] Da nicht feststehe, ob das Software-Update Auswirkungen auf bestimmte Eigenschaften des Fahrzeugs (insbesondere dessen Gesamtlaufleistung, eine Verkokung des Abgasrückführungssystems, das Partikelfilter-Regenerationsintervall oder die Dauerhaltbarkeit einzelner Komponenten) oder dessen Wert habe, könnten künftige Nachteile des Klägers nicht ausgeschlossen werden. Dem Feststellungsbegehren komme daher Berechtigung zu.

[27] Das von beiden Parteien angerufene Berufungsgericht bestätigte das erstinstanzliche Urteil in seinem klageabweisenden Teil. Im Übrigen änderte es dieses insoweit ab, als es auch das Feststellungsbegehren abwies. Die ordentliche Revision ließ es nicht zu.

[28] Die Beklagte habe einen Irrtum des Klägers über die unzulässige Abschalteinrichtung, von der sie keine Kenntnis gehabt habe und auch nicht haben hätte müssen, weder verursacht, noch hätte ihr ein solcher Irrtum auffallen müssen. Der Kläger sei durch das Software-Update auch klaglos gestellt worden, weil die zuvor bestehende Umschaltlogik dadurch beseitigt worden sei. Mit diesem Update seien keine negativen Auswirkungen auf bestimmte Fahrzeugeigenschaften (etwa den Kraftstoffverbrauch oder die Motorleistung) verbunden. Da der Kläger durch das Software-Update so gestellt worden sei, als hätte er nicht über das ursprüngliche Bestehen der Umschaltlogik geirrt, komme auch eine Vertragsanfechtung wegen eines „gemeinsamen Irrtums“ nicht in Betracht.

[29] Auch Gewährleistungsansprüche stünden dem Kläger nicht zu. Zwar habe es sich bei der ursprünglichen Abschalteinrichtung um keinen bloß „geringfügigen“ Mangel iSd § 932 Abs 4 erster Satz ABGB gehandelt. Allerdings sei der Kläger nicht schon deshalb zur Wandlung berechtigt, weil die Beklagte diesen Mangel nicht sofort behoben habe. Dieser sei vielmehr zuzugestehen gewesen, die Behebungsmaßnahme des Herstellers (die Entwicklung des Software-Updates) abzuwarten. Die Verbesserung sei in „angemessener Frist“ iSd § 932 Abs 3 ABGB erfolgt, weshalb keine sekundären Gewährleistungsansprüche bestünden. Der Kläger habe die Verbesserung auch erst rund fünf Monate nach jenem Zeitpunkt zugelassen, zu dem das Software-Update erstmals zur Verfügung gestanden sei. Bis dahin sei ihm eine Nutzung seines Fahrzeugs uneingeschränkt möglich gewesen. Aufgrund der (in angemessener Frist erfolgten) Behebung des ursprünglichen – im Bestehen der Abschalteinrichtung gelegenen – Mangels sei der Kläger weder zur Wandlung noch zur Preisminderung berechtigt.

[30] Schließlich seien die Ansprüche des Klägers auch insoweit unberechtigt, als diese auf eine schadenersatzrechtliche Anspruchsgrundlage gestützt wurden. Die Beklagte habe kein Verschulden am Einbau der ihr unbekannten Abschalteinrichtung getroffen und sie habe von dieser auch keine Kenntnis haben müssen. Das Verhalten der Herstellerin sei ihr nicht zuzurechnen. Aus diesem Grund sei auch das schadenersatzrechtliche Feststellungsbegehren abzuweisen.

[31] Zur Frage, ob das Fahrzeug – wie von einem Verkäufer der Beklagten zugesagt – die zulässigen Abgasgrenzwerte „weit“ unterschreite, übernahm das Berufungsgericht die vom Kläger bekämpfte Feststellung, wonach nicht festgestellt werden konnte, ob die „bei der Berechnung der Normverbrauchsabgabe“ (in den „technischen Daten“) angegebenen Werte (unter anderem auch der dort genannte NOX‑Wert von 0,1103 g/km) tatsächlich – gemeint: vor dem Software-Update – eingehalten wurden. In (Werbe‑)Prospekten enthaltene Angaben zu den Emissionswerten seien im Kaufvertrag als unverbindlich bezeichnet und daher nicht Vertragsbestandteil geworden. Es stehe außerdem fest, dass die NOX‑Emissionen bei dem im Fahrzeug des Klägers verwendeten Motortyp vor und nach dem Software-Update unter dem zulässigen Grenzwert lägen.

[32] Die ordentliche Revision sei mangels erheblicher Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

[33] Die von der Beklagten beantwortete Revision des Klägers ist entgegen diesem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Berufungsgerichts zulässig. Sie ist mit ihrem im Abänderungsantrag enthaltenen Aufhebungsantrag (RS0041774 [T1]) auch berechtigt:

Zu Punkt I:

[34] Das vorliegende Verfahren wurde mit Beschluss vom 26. 3. 2020, 1 Ob 56/19w (nunmehr 1 Ob 150/22y), bis zur Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs über den vom Obersten Gerichtshof am 17. 3. 2020 zu 10 Ob 44/19x gestellten Antrag auf Vorabentscheidung unterbrochen. Der Europäische Gerichtshof hat darüber mit Urteil vom 14. 7. 2022 zu C‑145/20 , Porsche Inter Auto und Volkswagen, entschieden. Das Verfahren über die Revision des Klägers ist daher fortzusetzen.

Zu Punkt II:

[35] Die Eingabe („Mitteilung“) des Klägers vom 6. 5. 2020 verstößt gegen den Grundsatz der Einmaligkeit des Rechtsmittels, nach dem auch Nachträge oder Ergänzungen unzulässig sind (RS0041666).

Zu Punkt III:

[36] 1. Dass das Fahrzeug des Klägers in den Anwendungsbereich der VO (EG) Nr 715/2007 fällt, ist nicht strittig.

[37] 2. Das Vorhandensein der „Umschaltlogik“ im Übergabezeitpunkt begründet einen Sachmangel:

[38] 2.1. Mit Urteil vom 14. 7. 2022, C‑145/20 , Porsche Inter Auto und Volkswagen, hat der Europäische Gerichtshof die ihm im Verfahren zu 10 Ob 44/19x des Obersten Gerichtshofs gestellten Fragen wie folgt beantwortet:

„1. Art. 2 Abs. 2 Buchst. d der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Mai 1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter ist dahin auszulegen, dass ein Kraftfahrzeug, das in den Anwendungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2007 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen für Fahrzeuge fällt, nicht die Qualität aufweist, die bei Gütern der gleichen Art üblich ist und die der Verbraucher vernünftigerweise erwarten kann, wenn es, obwohl es über eine gültige EG-Typgenehmigung verfügt und daher im Straßenverkehr verwendet werden kann, mit einer Abschalteinrichtung ausgestattet ist, deren Verwendung nach Art. 5 Abs. 2 dieser Verordnung verboten ist.

2. Art. 5 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 715/2007 ist dahin auszulegen, dass eine Abschalteinrichtung, die insbesondere die Einhaltung der in dieser Verordnung vorgesehenen Emissionsgrenzwerte nur gewährleistet, wenn die Außentemperatur zwischen 15 und 33 Grad Celsius liegt, nach dieser Bestimmung allein unter der Voraussetzung zulässig sein kann, dass nachgewiesen ist, dass diese Einrichtung ausschließlich notwendig ist, um die durch eine Fehlfunktion eines Bauteils des Abgasrückführungssystems verursachten unmittelbaren Risiken für den Motor in Form von Beschädigung oder Unfall zu vermeiden, Risiken, die so schwer wiegen, dass sie eine konkrete Gefahr beim Betrieb des mit dieser Einrichtung ausgestatteten Fahrzeugs darstellen. Eine Abschalteinrichtung, die unter normalen Betriebsbedingungen den überwiegenden Teil des Jahres funktionieren müsste, damit der Motor vor Beschädigung oder Unfall geschützt und der sichere Betrieb des Fahrzeugs gewährleistet ist, kann jedenfalls nicht unter die in Art. 5 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 715/2007 vorgesehene Ausnahme fallen.

3. Art. 3 Abs. 6 der Richtlinie 1999/44 ist dahin auszulegen, dass eine Vertragswidrigkeit, die darin besteht, dass ein Fahrzeug mit einer Abschalteinrichtung ausgerüstet ist, deren Verwendung nach Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 715/2007 verboten ist, nicht als 'geringfügig' eingestuft werden kann, selbst wenn der Verbraucher – falls er von der Existenz und dem Betrieb dieser Einrichtung Kenntnis gehabt hätte – dieses Fahrzeug dennoch gekauft hätte.“

 

[39] 2.2. Demnach ist ein Kraftfahrzeug, das im Zeitpunkt der bedungenen Übergabe mit einer gemäß Art 5 Abs 2 VO 715/2007/EG verbotenen Abschalteinrichtung ausgestattet ist, nicht vertragskonform im Sinn der Verbrauchsgüterkauf-RL (Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Mai 1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter, Abl L 171/12 vom 7. 7. 1999), konkret von Art 2 Abs 2 lit d dieser Richtlinie, weil es nicht die Qualität aufweist, die bei Gütern der gleichen Art üblich ist und die der Verbraucher vernünftiger Weise erwarten kann (1 Ob 149/22a).

[40] 2.3. Zu 10 Ob 2/23a (21. 2. 2023) gelangte der Oberste Gerichtshof daher in einem ebenfalls gegen einen Fahrzeughändler geführten Verfahren mit ausführlicher Begründung zum Ergebnis, dass das Vorhandensein der „Umschaltlogik“ als eine nach Art 5 Abs 2 VO 715/2007/EG verbotene Abschalteinrichtung einen Mangel iSd § 922 ABGB begründe. Da es sich dabei um einen Mangel der Substanz des Fahrzeugs handle, sei er als Sachmangel zu qualifizieren (ebenso etwa auch 2 Ob 5/23h ua).

[41] 2.4. Auch im vorliegenden Fall begründet das Vorhandensein der „Umschaltlogik“ einen Sachmangel iSd § 922 ABGB. Dass dieser nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zu C‑145/20 nicht geringfügig iSd § 932 Abs 4 ABGB ist, hat der Oberste Gerichtshof bereits wiederholt mit ausführlicher Begründung dargelegt (etwa 10 Ob 2/23a [21. 2. 2023]; 3 Ob 140/22t; 6 Ob 150/22k; 2 Ob 5/23h).

[42] 3. Die Beklagte steht auch in dritter Instanz auf dem Standpunkt, dass der Mangel durch das Software-Update behoben worden sei. Ob dies zutrifft, kann aus folgenden Gründen aber noch nicht beurteilt werden:

[43] 3.1. Liegt ein behebbarer Mangel vor, besteht gemäß § 932 Abs 1 ABGB zunächst ein Verbesserungsanspruch. Um diesen zum Erlöschen zu bringen, muss der Übergeber als anspruchsvernichtende Tatsache behaupten und beweisen, dass er den Mangel durch Verbesserung beseitigt hat. Tritt nach einem Verbesserungsversuch derselbe Mangel wieder auf, trifft den Übergeber die Beweislast für den Erfolg seines Verbesserungsversuchs (1 Ob 149/22a mwN).

[44] 3.2. Der Kläger hatte zunächst also nur einen Anspruch auf Verbesserung. Nach den Feststellungen wurde bei seinem Fahrzeug am 24. 5. 2017 ein Verbesserungsversuch vorgenommen, indem die „Umschaltlogik“ durch ein Software-Update entfernt wurde. Da die Beklagte dem Kläger ein nicht mit einer nach Art 5 Abs 2 VO 715/2007/EG verbotenen Abschalteinrichtung ausgestattetes Fahrzeug schuldet, setzt eine erfolgreiche Verbesserung iSd § 932 ABGB voraus, dass das Fahrzeug danach nicht mehr mit einer solchen verbotenen Abschalteinrichtung ausgestattet ist. Ob in der Vornahme des Software-Updates eine taugliche Verbesserung lag, hängt also davon ab, ob dieser Zustand dadurch erreicht wurde.

[45] 3.3. Der Kläger legte seinem erstinstanzlichen Vorbringen zugrunde, dass auch durch die Installation des Software-Updates nicht sichergestellt sei, dass der durch die verbotene Abschalteinrichtung (die „Umschaltlogik“) bewirkte Mangel beseitigt wurde, zumal die Funktionsweise dieses Updates von der Beklagten bzw dem Fahrzeughersteller nicht offengelegt worden sei. Es könne daher nicht überprüft werden, „in welcher Form und allenfalls wie nachhaltig“ die ursprüngliche Manipulation dadurch beseitigt worden sei. Die Beklagte trat dem insoweit entgegen, als sie behauptete, dass ein bei Übergabe allenfalls vorhandener Mangel wegen einer nach Art 5 Abs 2 VO 715/2007/EG verbotenen Abschalteinrichtung durch das Software-Update behoben worden sei. Ein Vorbringen zur technischen Funktionsweise dieses Updates erstattete sie nicht. Das Erstgericht traf dazu eine Negativfeststellung.

[46] 3.4. Bereits in der zu 10 Ob 2/23a (21. 2. 2023) ergangenen Entscheidung führte der Oberste Gerichtshof mit Bezug auf ein – auch hier zu beurteilendes – Motoraggregat des Typs EA189 Euro 5 aus:

„I.C.3.3. Die neu installierte Software beinhaltet ein 'Thermofenster', aufgrund dessen der emissionsmindernde Betriebsmodus nicht mehr nur im Prüfbetrieb, sondern auch im Fahrbetrieb zum Einsatz kommt, allerdings nur bei Außentemperaturen zwischen 15 und 33 Grad Celsius voll wirksam ist.

I.C.3.4. Dass das 'Thermofenster' als Abschalteinrichtung iSd Art 3 Z 10 VO 715/2007/EG zu qualifizieren ist, ist nicht zweifelhaft (EuGH C‑145/20 , Porsche Inter Auto und Volkswagen, Rn 81). Zu prüfen ist daher weiter, ob die hier zu beurteilende Abschalteinrichtung – das 'Thermofenster' in seiner konkreten Ausgestaltung – verboten ist.

I.C.3.5. Art 5 Abs 2 VO 715/2007/EG normiert ein grundsätzliches, von Ausnahmen durchbrochenes Verbot von Abschalteinrichtungen. Nach Art 5 Abs 2 Satz 1 VO 715/2007/EG ist die Verwendung von Abschalteinrichtungen, die die Wirkung von Emissionskontrollsystemen verringern, unzulässig. Von diesem Verbot normiert Art 5 Abs 2 Satz 2 drei Ausnahmen. Die Beklagten nehmen für sich – wenn auch nur indirekt durch Verweis auf die Rechtsansicht des KBA – die Ausnahmebestimmung des Art 5 Abs 2 Satz 2 lit a VO 715/2007/EG in Anspruch.

I.C.3.6. Nach dieser Bestimmung muss die Abschalteinrichtung, um zulässig zu sein, notwendig sein, um den Motor vor Beschädigung oder Unfall zu schützen und um den sicheren Betrieb des Fahrzeugs zu gewährleisten. In Anbetracht der Tatsache, dass die Ausnahme eng auszulegen ist, kann eine solche Abschalteinrichtung nur dann ausnahmsweise zulässig sein, wenn nachgewiesen ist, dass diese Einrichtung ausschließlich notwendig ist, um die durch eine Fehlfunktion eines Bauteils des Abgasrückführsystems verursachten unmittelbaren Risiken für den Motor in Form von Beschädigung oder Unfall zu vermeiden, Risiken, die so schwer wiegen, dass sie eine konkrete Gefahr beim Betrieb des mit dieser Einrichtung ausgestatteten Fahrzeugs darstellen (EuGH C‑145/20 , Porsche Inter Auto und Volkswagen, Rn 73; C‑128/20 , GSMB Invest, Rn 62; C‑134/20 , IR gegen Volkswagen, Rn 74; C‑873/19 , Deutsche Umwelthilfe, Rn 89, ÖJZ 2023/16 [Brenn]).

Dabei ist eine Abschalteinrichtung nur dann 'notwendig' im Sinn des Art 5 Abs 2 Satz 1 lit a VO 715/2007/EG , wenn zum Zeitpunkt der EG-Typgenehmigung dieser Einrichtung oder des mit ihr ausgestatteten Fahrzeugs keine andere technische Lösung unmittelbare Risiken für den Motor in Form von Beschädigung oder Unfall, die beim Fahren eines Fahrzeugs eine konkrete Gefahr hervorrufen, abwenden kann (EuGH C‑873/19 , Deutsche Umwelthilfe, Rn 95).

I.C.3.7. Der Europäische Gerichtshof hat darüber hinaus klargestellt, dass – ungeachtet des Vorliegens der in Art 5 Abs 2 Satz 2 lit a VO 715/2007/EG normierten Voraussetzungen – eine Abschalteinrichtung, die unter normalen Betriebsbedingungen den überwiegenden Teil des Jahres funktionieren müsste, damit der Motor vor Beschädigung oder Unfall geschützt und der sichere Betrieb des Fahrzeugs gewährleistet ist, nicht unter die Verbotsausnahme des Art 5 Abs 2 Satz 2 lit a VO 715/2007/EG fällt (Urteile C‑145/20 , Porsche Inter Auto und Volkswagen, Rn 73, 81; C‑128/20 , GSMB Invest, Rn 65, 70; C‑134/20 , IR gegen Volkswagen, Rn 77, 82; C‑873/19 , Deutsche Umwelthilfe, Rn 90 f).

I.C.3.8. Unabhängig davon, ob die in Art 5 Abs 2 Satz 2 lit a VO 715/2007/EG normierten Voraussetzungen des Motorschutzes erfüllt sind, ist die Abschalteinrichtung somit jedenfalls unzulässig, wenn sie den überwiegenden Teil des Jahres funktionieren müsste. Es kommt für die Zulässigkeit der Abschalteinrichtung daher darauf an, ob sie aufgrund der vorherrschenden Außentemperaturen im überwiegenden Teil des Jahres funktionieren müsste, damit der Motor vor Beschädigung oder Unfall geschützt ist und der sichere Betrieb des Fahrzeugs gewährleistet ist.“

[47] 3.5. Diese Grundsätze werden vom erkennenden Senat geteilt (vgl bereits 1 Ob 149/22a).

[48] 3.6. Im vorliegenden Verfahren wurden diese mit den Parteien bisher jedoch nicht erörtert. Dabei handelt es sich aber um einen maßgeblichen rechtlichen Gesichtspunkt, weil eine Abschalteinrichtung, die unter normalen Betriebsbedingungen den überwiegenden Teil des Jahres funktionieren müsste, jedenfalls unzulässig wäre (10 Ob 2/23a [21. 2. 2023] ua; vgl jüngst etwa auch 2 Ob 5/23h). Würde das Software-Update eine (weitere) solche unzulässige Abschalteinrichtung darstellen, wäre der ursprüngliche Mangel somit nicht behoben. Da das Gericht (und auch der Oberste Gerichtshof) die Parteien nicht mit einer Rechtsauffassung überraschen darf, die im bisherigen Verfahren unbeachtet blieb, sind die Entscheidungen der Vorinstanzen daher aufzuheben, um den Parteien Gelegenheit zur Ergänzung ihres Vorbringens zum „Software-Update“ zu geben.

[49] 3.7. Sollte im fortgesetzten Verfahren– nach allfälliger Ergänzung des Parteivorbringens – festgestellt werden, dass das Software-Update über ein Thermofenster verfügt (wie dies bereits in zahlreichen Parallelverfahren zum auch hier verbauten Motor des Typs EA189 festgestellt wurde), träfe die Beweislast für die Zulässigkeit einer darin gelegenen Abschalteinrichtung die Beklagte:

[50] 3.7.1. Dies ergibt sich einerseits schon aus dem allgemeinen Grundsatz, dass derjenige, der eine Ausnahme von einer allgemeinen Regel behauptet, die dafür maßgebenden Tatsachen zu beweisen hat (RS0040188).

[51] 3.7.2. Andererseits spricht dafür vor allem die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zu C‑145/20 . Dieser führte dort – wie dargelegt – zur Verbotsausnahme nach Art 5 Abs 2 lit a VO 715/2007/EG aus, „dass eine Abschalteinrichtung, die insbesondere die Einhaltung der in dieser Verordnung vorgesehenen Emissionsgrenzwerte nur gewährleistet, wenn die Außentemperatur zwischen 15 und 33 Grad Celsius liegt, nach dieser Bestimmung allein unter der Voraussetzung zulässig sein kann, dass nachgewiesen ist, dass diese Einrichtung ausschließlich notwendig ist, um die durch eine Fehlfunktion eines Bauteils des Abgasrückführungssystems verursachten unmittelbaren Risiken für den Motor in Form von Beschädigung oder Unfall zu vermeiden, Risiken, die so schwer wiegen, dass sie eine konkrete Gefahr beim Betrieb des mit dieser Einrichtung ausgestatteten Fahrzeugs darstellen“. Der Europäische Gerichtshof stellte in dieser Entscheidung darüber hinaus auch klar, dass – ungeachtet des Vorliegens der in Art 5 Abs 2 Satz 2 lit a VO 715/2007/EG normierten Voraussetzungen – eine Abschalteinrichtung, die unter normalen Betriebsbedingungen den überwiegenden Teil des Jahres funktionieren müsste, damit der Motor vor Beschädigung oder Unfall geschützt und der sichere Betrieb des Fahrzeugs gewährleistet ist, nicht unter diese Verbotsausnahme fällt. Gleiches gilt, wenn eine solche Einrichtung nicht „notwendig“ iSd Art 5 Abs 2 Satz 1 lit a VO 715/2007/EG ist (vgl dazu auch 10 Ob 2/23a [21. 2. 2023]). Erforderlich ist damit auch nach Ansicht des Europäischen Gerichtshofs der Nachweis für die technische Notwendigkeit einer Abschalteinrichtung. Dies muss auch für die Fragen gelten, ob die Abschalteinrichtung unter normalen Betriebsbedingungen den überwiegenden Teil des Jahres funktionieren müsste, um den Motor zu schützen, und ob es im Zeitpunkt der Typenbewilligung eine andere (allenfalls auch teurere) technische Lösung gegeben hätte. Unklarheiten gehen daher insofern auch aus unionsrechtlicher Sicht zu Lasten des Übergebers (1 Ob 149/22a).

[52] 3.7.3. Stünde also fest, dass im Fahrzeug des Klägers nach dem Software-Update ein Thermofenster als grundsätzlich verbotene Abschalteinrichtung verbaut ist, träfe demnach die Beklagte die Beweislast dafür, dass eine solche Einrichtung unter die Verbotsausnahme nach Art 5 Abs 2 Satz 2 lit a der VO 715/2007/EG fällt. Verbleibende Unklarheiten gingen zu ihren Lasten. In diesem Fall wäre das Wandlungsbegehren des Klägers jedenfalls berechtigt.

[53] 4. Das Wandlungsbegehren ist hingegen nicht schon deshalb berechtigt, weil eine allenfalls erfolgreiche Verbesserung – wie der Kläger behauptet – nicht innerhalb angemessener Frist erfolgt wäre:

[54] 4.1. Der Kläger stützte seine Gewährleistungsansprüche in erster Instanz auch darauf, dass die Beklagte die (ihrer Behauptung nach erfolgreiche) Verbesserung durch das Software-Update nicht innerhalb einer angemessenen Frist iSd § 932 Abs 2 und 4 ABGB vorgenommen habe. Unabhängig davon, ob der ursprüngliche Mangel (die unzulässige Abschalteinrichtung) durch dieses Update behoben worden sei (was nach den bisherigen Verfahrensergebnissen noch nicht beurteilt werden kann), sei er daher schon aus diesem Grund zur Wandlung berechtigt.

[55] 4.2. Diese Argumentation ist jedoch aus folgenden Gründen nicht zielführend:

[56] 4.2.1. Gemäß § 932 Abs 1 ABGB kann der Übernehmer wegen eines Mangels entweder die Verbesserung (Nachbesserung oder Nachtrag des Fehlenden) oder den Austausch der Sache verlangen oder den Preis mindern oder den Vertrag auflösen. Nach § 932 Abs 4 ABGB hat der Übernehmer unter anderem dann das Recht auf Preisminderung oder, sofern es sich nicht um einen geringfügigen Mangel handelt, das Recht auf Auflösung des Vertrags (in der hier maßgeblichen Fassung vor der Novelle durch BGBl I Nr 175/2021: Wandlung), wenn der Übergeber die Verbesserung oder den Austausch verweigert oder nicht in angemessener Frist vornimmt, wenn diese Abhilfen für den Übernehmer mit erheblichen Unannehmlichkeiten verbunden wären oder wenn sie ihm aus triftigen, in der Person des Übergebers liegenden Gründen unzumutbar sind.

[57] 4.2.2. Bereits aus dem Wortlaut dieser Bestimmung ergibt sich, dass sekundäre Gewährleistungsbehelfe dann nicht zustehen, wenn zwar eine tatsächliche Verbesserung durch den Übergeber erfolgte, diese aber nicht innerhalb einer angemessenen Frist vorgenommen wurde. Dass Wandlung oder Preisminderung nur statt einer Verbesserung oder einem Austausch der mangelhaften Sache und nicht zusätzlich zu solchen Abhilfen in Betracht kommen, kann schon aus § 932 Abs 1 ABGB geschlossen werden, wo die Gewährleistungsbehelfe alternativ aufgezählt werden. Auch aus der Formulierung in Abs 4 Satz 2 leg cit, wonach Wandlung oder Preisminderung nur zustehen, wenn der Übergeber die Verbesserung oder den Austausch nicht in angemessener Frist „vornimmt“ (und nicht etwa: „vorgenommen hat“), ergibt sich, dass eine tatsächlich – wenngleich „verspätet“ – erfolgte Verbesserung (oder ein Austausch) die sekundären Gewährleistungsbehelfe ausschließt.

[58] 4.2.3. Nach den Gesetzesmaterialien (ErläutRV 422 BlgNR 21. GP  18) zum Gewährleistungsrechts-Änderungsgesetz, mit dem die Verbrauchsgüterkauf-RL (Richtlinie 1999/44/EG ) umgesetzt wurde, sollte durch die Formulierung in § 932 Abs 4 Satz 2 ABGB („[...] nicht in angemessener Frist vornimmt [...]“) ausgeschlossen werden, „dem Übernehmer auch dann einen Preisminderungsanspruch zu verschaffen, wenn zwar bereits verbessert worden ist, dies aber mit erheblichen Unannehmlichkeiten für den Übernehmer verbunden war“. Art 3 Abs 5 der genannten Richtlinie („[…] Abhilfe geschaffen hat“) sei diesbezüglich – so die Gesetzesmaterialien – missverständlich formuliert. Davon ausgehend können sekundäre Gewährleistungsbehelfe aber umso weniger im Fall einer (hier von der Beklagten behaupteten) Behebung des Mangels zustehen, wenn diese (wie der Kläger behauptet) bloß nicht innerhalb angemessener Frist erfolgte, für den Übernehmer aber – wie hier durch das Aufspielen des Software-Updates – mit keinen (sonstigen) „erheblichen Unannehmlichkeiten“ verbunden war. Ein inhaltlicher Anhaltspunkt für ein gegenteiliges Verständnis ergibt sich auch aus der Verbrauchsgüterkauf-R nicht.

[59] 4.2.4. Dass bei vollständig behobenen Mängeln keine (sekundären) Gewährleistungsansprüche zustehen, auch wenn die Mängelbehebung nicht in der angemessenen Frist des § 932 Abs 4 ABGB erfolgte, entspricht auch der rechtswissenschaftlichen Lehre. Welser/Jud (Zur Reform des Gewährleistungsrechts [2000] 86; dieselben, Die neue Gewährleistung [2002] § 932 ABGB Rz 35), Zöchling-Jud (in Kletečka/Schauer ABGB‑ON1.02 [2022] § 932 ABGB Rz 59) sowie Santangelo‑Reif (Verbesserung und Austausch [2019] 266) heben zutreffend hervor, dass es bei Zuerkennung von sekundären Gewährleistungsansprüchen im Fall einer nach Ablauf der angemessenen Frist erfolgten Mängelbehebung zu einer vom Richtliniengesetzgeber keinesfalls beabsichtigten „doppelten Liquidation“ des Mangels käme. Der insoweit „schlecht“, „unzulänglich“ bzw missverständlich formulierte Art 3 Abs 5 Verbrauchsgüterkauf-RL („[…] Abhilfe geschafft hat […]“) sei daher dahin zu verstehen, dass eine Preisminderung oder Vertragsauflösung nur statt einer Verbesserung begehrt werden könne. Ziel der Richtlinie sei es nicht, dem Übernehmer auch dann zur Preisminderung oder Wandlung zu verhelfen, wenn bereits verbessert wurde (auch dann nicht, wenn dies mit erheblichen Unannehmlichkeiten für diesen verbunden war). Der österreichische Gesetzgeber habe sich dieser Ansicht bei Novellierung des § 932 Abs 4 ABGB „angeschlossen“ (Welser/Jud aaO).

[60] 4.2.5. Der Oberste Gerichtshof hatte in seiner zu 6 Ob 217/07s ergangenen Entscheidung (zustimmend Zöchling‑Jud in ecolex 2008/75) den Fall zu beurteilen, dass ein Kläger Wandlung begehrte, der Mangel aber vor Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz im Gewährleistungsprozess behoben wurde. Er erblickte in der (vom Übernehmer zugelassenen) Verbesserung eine Vereinbarung mit dem Übergeber über einen Verzicht auf das Wandlungsbegehren. Zu 8 Ob 60/12z ging der Oberste Gerichtshof (unter Verweis auf die genannte Entscheidung sowie die Rechtsansicht von Zöchling‑Jud in Kletečka/Schauer ABGB‑ON1.00 § 932 ABGB Rz 59) davon aus, dass die Rechtsansicht, wonach für Mängel, die durch Verbesserung vollständig behoben wurden, keine Preisminderung zustehe, der herrschenden Lehre und Rechtsprechung entspreche. Dies muss gleichermaßen für ein trotz erfolgreicher Verbesserung aufrecht erhaltenes Wandlungsbegehren gelten, weil dem Übernehmer nach vollständiger Verbesserung kein gerechtfertigtes Interesse an einer Vertragsaufhebung mehr zukommt, er nach dem Zweck des Gewährleistungsrechts nicht doppelt begünstigt und (umgekehrt) der Übergeber, der seiner (primären) Verbesserungspflicht nachkam, nicht durch ein dennoch bestehendes Wandlungsrecht „bestraft“ werden soll. Allfällige Nachteile aus einer verschuldeten „verspäteten“ Verbesserung könnte der Übernehmer (dem dabei § 1298 ABGB zugute käme) im Wege des Schadenersatzes begehren. Solche Ansprüche macht der Kläger aber nicht geltend.

[61] 4.2.6. Gegen die hier vertretene Rechtsansicht spricht auch nicht, dass der Kläger anlässlich des Software-Updates erklärte, sich „seine (im vorliegenden Prozess geltend gemachten) Ansprüche vorzubehalten“. Lässt der Übernehmer einer mangelhaften Sache (gleich aus welchem Grund) einen Verbesserungsversuch zu, so kann er sich nicht gleichzeitig ein Wandlungsbegehren für den Fall einer erfolgreichen Mängelbehebung wirksam „vorbehalten“. Eine solche Erklärung des Übernehmers stünde einerseits im Widerspruch zu seinem tatsächlichen Verhalten, dem Übergeber eine Chance zur Mängelbehebung zu geben, weshalb der davon abweichenden Erklärung kein rechtsgeschäftlich relevanter Erklärungswert beizumessen ist. Andererseits ist die tatsächliche Verbesserung kein Rechtsgeschäft, sondern eine Erfüllungshandlung, bei der es nicht auf den Willen des Gläubigers ankommt, das Geleistete als Erfüllung anzunehmen (2 Ob 12/10v), sondern nur darauf, ob die Leistung tatsächlich angenommen wird und dem Geschuldeten entspricht (4 Ob 96/16w). Ersteres kann hier aufgrund der Zustimmung des Klägers zum Aufspielen des Software-Updates angenommen werden; zweiteres – also ob durch die Verbesserung tatsächlich der vertraglich geschuldete Zustand hergestellt wurde – ist im fortgesetzten Verfahren zu klären.

[62] 4.3. Als Zwischenergebnis ist daher festzuhalten, dass nach Gelingen der Verbesserung keine sekundären Gewährleistungsbehelfe mehr zustehen, dies unabhängig davon, ob die Verbesserung innerhalb angemessener Frist erfolgte.

[63] 5. Von der Frage, ob die Beklagte den ursprünglichen Mangel (die unzulässige Abschalteinrichtung) behoben hat, ist die Frage zu unterscheiden, ob der Verbesserungsversuch (das Software-Update) zu (negativen) Auswirkungen auf andere Fahrzeugeigenschaftengeführt hat:

[64] 5.1. Mit der Behauptung solcher möglicher Folgen des Software-Updates für das Fahrzeugverhalten hat sich der Kläger auf eine durch die Verbesserungsmaßnahme hervorgerufene „Mangelhaftigkeit“ berufen, die mit der ursprünglichen Abweichung vom vertraglich vereinbarten Zustand (der „Umschaltlogik“) in keinem Zusammenhang steht, sondern erst durch Installierung des Software-Updates hervorgerufen worden sein soll. Damit behauptete der Kläger nicht, dass derselbe Mangel wieder aufgetreten (eine verbotene Abschaltvorrichtung noch vorhanden) sei, sondern er machte andere, durch die Verbesserungsmaßnahme verursachte „Mängel“ geltend. Das Vorliegen von solchen „neuen Mängeln“ hat nach allgemeinen Grundsätzen der Kläger zu beweisen (1 Ob 149/22a mwN).

[65] 5.2. Damit geht die Negativfeststellung zu den Auswirkungen der Verbesserungsmaßnahme auf bestimmte Fahrzeugeigenschaften (Gesamtlaufleistung, Verkokung des Abgasrückführungssystems, Partikelfilter-Regenerationsintervall, Dauerhaltbarkeit einzelner Fahrzeugkomponenten) zu Lasten des Klägers. Eine Haftung der Beklagten vermögen diese nicht zu begründen (1 Ob 149/22a).

[66] 6. Der Revisionswerber stützt sich nach wie vor auch (nach seinem Klagevorbringen sogar primär) auf das Vorliegen eines Geschäftsirrtums über das (Nicht-)Vorhandensein einer unzulässigen Abschalteinrichtung.

[67] 6.1. Ein aufgrund eines (hier gemeinsamen) Irrtums vorgenommenes Rechtsgeschäft wäre aber nicht mehr anfechtbar, wenn die irrig angenommene Sachlage nachträglich doch noch rechtzeitig – vor Schluss der Verhandlung erster Instanz und solange der Irrende noch ein Interesse an dem Geschäft hat – eingetreten wäre. Warum die irrig angenommene Sachlage doch noch eintrat, ist dabei nicht von Bedeutung. Insoweit kommt es auch nicht darauf an, ob ohne das Software-Update ein Entzug der Zulassung gedroht hätte oder der Kläger das Fahrzeug „umweltfreundlich“ betreiben wollte. Maßgeblich ist vielmehr nur, dass der Irrtum durch die Änderung der Sachlage „saniert“ wurde, der Irrende also tatsächlich das bekam, was er (berechtigt) zu erhalten glaubte und somit sein Beschwerdegrund wegfiel. Der Irrende wäre dann „klaglos gestellt“ (8 Ob 91/22y mwN).

[68] 6.2. Die Beklagte behauptete, dass das Software-Update erfolgreich durchgeführt und der Kläger damit „klaglos gestellt“ worden sei. Auch das Berufungsgericht ging von einer solchen Klaglosstellung aus. Dies könnte aber nur dann angenommen werden, wenn es sich beim Software-Update nicht wieder um eine nach Art 5 Abs 2 VO 715/2007/EG verbotene Abschalteinrichtung handelte. Ob dies zutrifft, hängt aber – wie bereits dargelegt – davon ab, ob das Software-Update über ein Thermofenster verfügt und (auch) dieses eine verbotene Abschalteinrichtung darstellt.

[69] 6.3. Da der Aspekt, ob das Software-Update – wie in zahlreichen anderen vom Obersten Gerichtshof entschiedenen Fällen – ein (unzulässiges) Thermofenster aufweist, im bisherigen Verfahren unbeachtet blieb, sind die Entscheidungen der Vorinstanzen auch insoweit zur Erörterung und allfälligen Verfahrensergänzung aufzuheben, als sich der Kläger auf eine Vertragsanfechtung wegen Irrtums gestützt hat.

[70] 6.4. Der Kläger behauptet auch im Zusammenhang mit seiner Irrtumsanfechtung, dass das Software-Update nicht innerhalb angemessener Frist aufgespielt worden und eine allfällige (im fortgesetzten Verfahren noch zu beurteilende) Klaglosstellung daher jedenfalls „verspätet“ erfolgt sei.

[71] Dazu legte der Oberste Gerichtshof in seiner – ebenfalls zur Haftung (auch) eines vom „Dieselskandal“ betroffenen Fahrzeughändlers ergangenen – Entscheidung zu 8 Ob 91/22y (vgl auch 2 Ob 5/23h) dar, dass es ausreiche, wenn die irrig angenommene Sachlage vor Schluss der Verhandlung erster Instanz eingetreten sei, solange der Irrende noch ein Interesse an dem Geschäft habe. Warum die irrig angenommene Sachlage doch noch eintritt, ist nicht von Bedeutung. Maßgeblich ist nur, dass der Irrtum durch die Änderung der Sachlage „saniert“ wird, das heißt dass der Irrende tatsächlich das bekommt, was er (berechtigt) zu erhalten glaubte und somit sein Beschwerdegrund wegfällt. Ob dies hier der Fall war, wird im fortgesetzten Verfahren zu beurteilen sein. Dass der Kläger an dem mit der Beklagten abgeschlossenen Geschäft kein Interesse mehr habe und der nachträgliche Eintritt der irrig angenommenen Sachlage deshalb verspätet wäre, muss er behaupten und beweisen (RS0014917). Er nennt aber auch in seiner Revision keine nachvollziehbaren Gründe, aus denen sich ein solcher nachträglicher Wegfall seines Interesses plausibel ergäbe.

[72] 7. Soweit der Kläger seine (auch bloß hilfsweise erhobenen) Zahlungsbegehren außerdem auf Schadenersatz stützte, soll darüber nach seinem Vorbringen nur dann entschieden werden, wenn diesen Begehren nicht bereits aufgrund der primär angestrebten Irrtumsanfechtung oder auf einer gewährleistungsrechtlichen Grundlage stattgegeben wird. Insoweit ist auf diese (schadenersatzrechtliche) Anspruchsgrundlage vorerst nicht einzugehen.

8. Zur Überschreitung des NO X ‑Grenzwerts

[73] 8.1. Neben der unzulässigen Abschalteinrichtung leitete der Kläger seine – auf Gewährleistung, Irrtum und Schadenersatz gestützten – Ansprüche auch daraus ab, dass ihm beim Erwerb des Fahrzeugs zugesagt worden sei, dass bestimmte Abgaswerte nicht überschritten würden. Auch nach den Angaben in der Werbung habe es sich um ein „besonders umweltfreundliches“ Fahrzeug gehandelt. Tatsächlich habe das vom Kläger erworbene Fahrzeug dieser Zusage aber weder vor dem Software-Update noch danach entsprochen.

[74] 8.2. Das Erstgericht stellte fest, dass der Verkäufer der Beklagten dem Kläger im Rahmen der Vertragsgespräche zwar zusicherte, dass sein Fahrzeug (der darin verwendete „neue“ Dieselmotor) die zulässigen Grenzwerte „bei weitem“ unterschreite. Über konkrete Emissionswerte sei sonst aber „weder vor noch bei Vertragsabschluss“ gesprochen worden.

[75] 8.3. In seiner Revision bezieht sich der Kläger nur mehr auf die Stickstoffemissionen (NOX). Er argumentiert, dass mit der Zusage, sein Fahrzeug würde die zulässigen Grenzwerte „weit unterschreiten“, gemeint gewesen sei, dass dieses nur einen (um rund 40 % unter dem behaupten NOX‑Grenzwert von 0,180 g/km gelegenen und diesen daher „weit“ unterschreitenden) NOX‑Ausstoß von 0,1103 g/km aufweise. Dies könne daraus geschlossen werden, dass ein solcher NOX‑Wert (0,1103 g/km) unter anderem in der „Bestätigung über die ordnungsgemäße Berechnung und Abfuhr der Normverbrauchsabgabe“ (Beilage ./A) genannt worden sei. Ein solches Verständnis der „Zusage“ des Verkäufers der Beklagten kann dem festgestellten Sachverhalt aber nicht entnommen werden.

[76] 8.4. Nach der vom Berufungsgericht übernommenen (vom Kläger erfolglos bekämpften) erstinstanzlichen Feststellung steht nicht fest, ob das Fahrzeug des Klägers den in der „Bestätigung über die ordnungsgemäße Berechnung und Abfuhr der Normverbrauchsabgabe“ genannten – nach Darlegung des Revisionswerbers den gesetzlichen Grenzwert „weit“ unterschreitenden – NOX‑Wert von 0,1103 g/km (gemeint: vor dem Software-Update) tatsächlich einhielt. Damit steht aber auch nicht fest, dass dieser Wert überschritten wurde. Soweit der Kläger seine auf Gewährleistung und Irrtum gestützten Ansprüche aus der Zusage ableitet, sein Fahrzeug würde die zulässigen (Abgas-)Grenzwerte „bei weitem“ unterschreiten und (nach der Werbung) „besonders umweltfreundlich“ sein, ist ihm daher weder der Beweis eines Mangels gelungen (vgl zur Beweislast RS0018553; RS0124354), noch der Nachweis, dass seine diesbezügliche Vorstellung nicht den Tatsachen entsprach (zur Beweislast für die Voraussetzungen des § 872 ABGB vgl etwa Bollenberger/P. Bydlinski in KBB7 [2023] § 871 Rz 19). Dass, wie die Revision annimmt, die Beweislast insofern die Beklagte getroffen hätte, trifft nicht zu. Eine nicht auf materiell-rechtlichen Gründen beruhende Verschiebung der Beweislast ist – soweit sie nicht überhaupt abgelehnt wird (vgl 4 Ob 115/17s mwN) – auf Ausnahmefälle beschränkt, in denen Tatfragen zu klären sind, die „tief in die Sphäre einer Partei hineinführen“ (RS0013491), wenn also Umstände betroffen sind, die allein in der Sphäre der Gegenseite liegen und daher nur ihr bekannt und damit auch nur von ihr beweisbar sind (RS0040182). Warum das beim NOX‑Ausstoß des vom Kläger erworbenen Fahrzeugs der Fall sein sollte, erschließt sich nicht.

[77] 8.5. Soweit sich der Kläger auch darauf beruft, dass erst das Software-Update zu einem höheren als dem ihm zugesagten („weit“ unter dem Grenzwert liegenden) NOX‑Ausstoß geführt habe, steht dem die (unbekämpfte) erstinstanzliche Feststellung entgegen, wonach das Update bei einem Dieselmotor vom Typ EA189 keine negativen Auswirkungen auf (unter anderem) die Abgasemissionen hatte. Warum dies nicht auch für das Fahrzeug des Klägers gelten soll, das mit einem solchen Motor ausgestattet ist, ist nicht ersichtlich. Soweit der Kläger die – auf Grundlage des vom Erstgericht eingeholten Sachverständigengutachtens getroffene – Feststellung, wonach das Software-Update keine negativen Auswirkungen auf die Abgasemissionen hatte, mit dem Hinweis auf angeblich unzureichende Grundlagen dieses Gutachtens bekämpft, wendet er sich gegen die erstinstanzliche Beweiswürdigung, was in dritter Instanz unzulässig ist (etwa RS0042903 [T2, T4, T7, T8]).

9. Zum Feststellungsbegehren:

[78] 9.1. Der Kläger leitete sein schadenersatzrechtliches Feststellungsbegehren im Wesentlichen aus einem künftig erhöhten Treibstoffverbrauch, aus künftigen Kosten für die Behebung des Mangels sowie aus einem allfälligen „merkantilen“ Minderwert des Fahrzeugs ab. Der Beurteilung des Berufungsgerichts, wonach die Beklagte „selbst“ kein Verschulden treffe und das Feststellungsbegehren daher schon aus diesem Grund nicht berechtigt sei, tritt er in dritter Instanz nicht entgegen. Er stützt sich aber nach wie vor darauf, dass das Wissen der Herstellerin von der (ursprünglich verbauten) Abschalteinrichtung – und allfälligen Nachteilen aufgrund des Software-Updates – auch der Beklagten zuzurechnen sei.

[79] 9.2. Ganz allgemein ist ein Feststellungsbegehren dann zulässig, wenn der Eintritt künftiger Schäden nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann (RS0039018 [etwa T6, T20, T28]). Schon die Möglichkeit künftiger Schäden rechtfertigt daher die Erhebung einer Feststellungsklage (vgl auch 2 Ob 277/08m mwN zur Verletzung vertraglicher Pflichten). Die erstinstanzlichen Negativfeststellungen zu allfälligen Auswirkungen der „Umschaltlogik“ sowie des Software-Updates auf bestimmte Fahrzeugeigenschaften tragen die Abweisung des Feststellungsbegehrens somit ebenso wenig wie die Feststellung, dass aufgrund des Software-Updates keine „signifikanten“ Änderungen beim Treibstoffverbrauch zu erwarten sind, und dass nicht feststehe, ob dieses Update Auswirkungen auf den Wert des Fahrzeugs (dessen „Rückgabe“ gegen Ersatz des Kaufpreises der Kläger allerdings anstrebt) hat.

[80] 9.3. Auf das Feststellungsbegehren ist derzeit allerdings noch nicht einzugehen. In dritter Instanz strebt der Kläger die Feststellung der Haftung der Beklagten nämlich nur mehr hilfsweise für den Fall an, dass weder seinem primär erhobenen noch seinen (drei) hilfsweisen Zahlungsbegehren stattgegeben wird. Demnach ist im fortgesetzten Verfahren zunächst über die Zahlungsbegehren zu entscheiden. Über das nur mehr hilfsweise erhobene Feststellungsbegehren wäre nur zu erkennen, wenn sämtliche Zahlungsbegehren abzuweisen wären. Ob dies der Fall ist, kann derzeit aber noch nicht beurteilt werden, weshalb die Entscheidungen der Vorinstanzen auch hinsichtlich des Feststellungsbegehrens aufzuheben sind.

[81] 10. Sollte das Erstgericht die Irrtumsanfechtung oder das Wandlungsbegehren des Klägers als berechtigt ansehen, wird es im fortgesetzten Verfahren die Frage des der Beklagten aufgrund der Rückabwicklung des Kaufvertrags zustehenden Benützungsentgelts zu beurteilen haben. Der Senat schließt sich zur Berechnung der Höhe des Gebrauchsnutzens der in der Entscheidung zu 10 Ob 2/23a vertretenen Rechtsauffassung an, nach der – zusammengefasst – der Gebrauchsnutzen des Käufers eines Fahrzeugs, der die Rückabwicklung nicht zu vertreten hat, grundsätzlich in Abhängigkeit von den gefahrenen Kilometern (linear) zu berechnen ist (vgl 1 Ob 149/22a).

[82] 11. Im Hinblick auf die Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu C‑145/20 und da es bislang in maßgeblichen Bereichen auch an einer gefestigten Sachverhaltsgrundlage fehlt, besteht kein Anlass zur Einleitung eines (weiteren) Vorabentscheidungsverfahrens (1 Ob 146/22k).

[83] 12. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte