OGH 14Os12/19z

OGH14Os12/19z21.5.2019

Der Oberste Gerichtshof hat am 21. Mai 2019 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann und Dr. Setz‑Hummel in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Binder als Schriftführer in der Strafsache gegen Mag. Markus M***** wegen des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1, Abs 3 erster Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Korneuburg als Schöffengericht vom 12. Oktober 2018, GZ 631 Hv 8/18z‑124, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0140OS00012.19Z.0521.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Strafverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Mag. Markus M***** je eines Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1, Abs 3 vierter Fall StGB (I/3) und § 206 Abs 1, Abs 3 erster Fall StGB sowie mehrerer Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (I), je eines Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 und Abs 2 vierter Fall StGB (II/1) und nach § 201 Abs 1 StGB (II/2), mehrerer Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1, § 15 StGB (III) sowie mehrerer Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 2, § 15 StGB (IV) schuldig erkannt.

Danach hat er in D*****

(I) von Sommer 2012 bis 11. Juni 2017 mit dem zu Beginn des Tatzeitraums 9‑jährigen J***** K***** in mehreren Angriffen eine dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlung unternommen, wobei die Tat in einem Fall eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1), nämlich eine posttraumatische Belastungsstörung zur Folge hatte, indem er den Unmündigen jeweils entkleidete, aufs Bett legte und ihn am ganzen Körper ableckte, sodann dessen Penis in den Mund nahm und Oralverkehr an ihm durchführte, wobei er

1) im Jahr 2012 in zwei Angriffen zusätzlich zunächst Handonanie an ihm vornahm und in der Folge die Beine des Genannten auf seine Schultern legte und sodann Analverkehr bis zum Samenerguss an ihm vornahm,

2) von 1. August 2013 bis 2016 in zwei Angriffen zudem selbst onanierte und auf den Bauch des Unmündigen ejakulierte,

3) zwischen 1. August 2013 bis 2016 zusätzlich gegen den ausdrücklichen Willen des Unmündigen seinen eigenen Penis in dessen Mund einführte und in den Mund des Genannten ejakulierte, wodurch dieser in besonderer Weise erniedrigt wurde, wobei er dabei mit der einen Hand dessen Haare packte, dessen Kopf gegen die Wand drückte und mit der anderen Hand dessen Mund aufzwang;

(II) J***** K***** mit Gewalt zur Duldung einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung genötigt, und zwar

1) durch die zu I/3 angeführte Handlung sowie

2) Ende Juni 2017, indem er ihn entkleidete, dessen Oberkörper ableckte, Oralverkehr und anschließend Analverkehr bis zum Samenerguss an ihm vornahm, wobei er die Beine des Genannten, der versuchte, sich gegen den Angriff zur Wehr zu setzen, auf seine Schulter legte und seine Handgelenke durch Festhalten und Drücken gegen die dahinter befindliche Wand fixierte;

(III) an nachangeführten unmündigen Personen außer dem Fall des § 206 StGB geschlechtliche Handlungen vorgenommen und vorzunehmen versucht, und zwar

1) zwischen 2011 und 30. Jänner 2015 an dem zu Beginn des Tatzeitraums 10‑jährigen M***** S***** in mehreren Fällen, indem er ihm „im Zuge von spielerischen Raufereien auf den Penis oberhalb der Bekleidung griff“,

2) im Winter 2017 am 13‑jährigen M***** F*****, indem er mit einem Daumen unter den Bund seiner Jogginghose und Unterhose glitt und den Penis des Genannten zu berühren versuchte, wobei es nur deshalb beim Versuch blieb, weil dieser die Hand des Angeklagten sofort zur Seite schob;

(IV) mit nachangeführten minderjährigen Personen, die seiner Aufsicht unterstanden, unter Ausnützung seiner Stellung gegenüber diesen Personen geschlechtliche Handlungen vorgenommen (und vorzunehmen versucht), und zwar

1) durch die unter I und II/2 angeführten Handlungen mit J***** K*****,

2) mit M***** S*****,

a) durch die unter III/1 angeführten Handlungen sowie

b) zwischen 30. Jänner 2015 und September 2016 in mehreren Fällen, indem er ihm gleichfalls „im Zuge von spielerischen Raufereien auf den Penis oberhalb der Bekleidung griff“;

3) durch die unter III/2 angeführte Handlung mit M***** F*****;

4) im Frühling 2016 mit dem 15‑jährigen D***** A*****, indem er gezielt mit der Hand oberhalb der Bekleidung auf dessen Penis griff, während dieser vor dem Computer auf seinem Schoß saß.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus § 281 Abs 1 Z 1, 3, 4, 5, 9 lit a, 10 und 11 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ist nicht im Recht.

Die Besetzungsrüge (Z 1) moniert Ausgeschlossenheit des Vorsitzenden sowie des beisitzenden (Berufs-)Richters, weil diese durch zahlreiche Äußerungen in der Hauptverhandlung ihre Voreingenommenheit zum Ausdruck gebracht und dem Angeklagten zudem nicht die Möglichkeit eingeräumt hätten, eine zusammenhängende Darstellung der Gegebenheiten zu äußern und nach der Aufnahme jedes Beweismittels in der Hauptverhandlung Stellung zu nehmen. Sie scheitert schon daran, dass sie nicht einmal behauptet, dass der Beschwerdeführer seiner in § 281 Abs 1 Z 1 StPO statuierten Rügepflicht nachgekommen wäre und auch nicht darlegt,

welche Gründe der rechtzeitigen Rüge im Wege gestanden sein sollen (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 143; RIS‑Justiz

RS0119225).

Die Verfahrensrüge (Z 3), die einen durch die Vorführung der Bild- und Tonaufnahmen über die kontradiktorische Vernehmung des Zeugen K***** sowie die Verlesung des darüber aufgenommenen Protokolls bewirkten

Verstoß gegen § 252 Abs 1 StPO behauptet, schlägt gleichfalls fehl, weil nach dem Protokoll über die Hauptverhandlung die Vorführung und die Verlesung einverständlich – somit nach § 252 Abs 1 Z 4 StPO zulässig – erfolgten (ON 106 S 119). An diesen Protokollsinhalt ist der Oberste Gerichtshof vorliegend gebunden, weil der auf die Streichung der entsprechenden Passage abzielende Berichtigungsantrag (ON 139 S 40) inzwischen rechtskräftig abgewiesen wurde (ON 144; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 312 mwN).

Entgegen dem weiteren – auf Z 4 gestützten – Vorbringen unterblieb die begehrte Einholung eines aussagepsychologischen Gutachtens hinsichtlich des Zeugen K***** zu Recht. Der darauf gerichtete Antrag (ON 106 S 134) enthielt nämlich weder ein Beweisthema noch wurden Anhaltspunkte dafür aufgezeigt, dass die Hilfestellung eines Sachverständigen bei der – als Akt freier Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) allein den Tatrichtern zukommenden (RIS‑Justiz RS0098297) – Beurteilung von Wahrheit und Glaubwürdigkeit der Aussagen des genannten Tatopfers ausnahmsweise geboten gewesen wäre (RIS‑Justiz RS0097733, RS0097576, RS0120634).

Die in der Beschwerde weiters thematisierte Vernehmung von Dr. F***** und Herbert Ko***** wurde mit den in der Hauptverhandlung gebrauchten Formulierungen „ich brauche konkret ...“ und „ich hätte gerne ...“ (ON 106 S 134 f), denen keine weiteren Ausführungen folgten, nicht deutlich und bestimmt begehrt (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 313).

Die in der Nichtigkeitsbeschwerde nachgetragenen Argumente als Versuch einer Fundierung des erstgenannten Antrags sind aufgrund des Neuerungsverbots ebenso unbeachtlich (RIS‑Justiz RS0099618) wie die entsprechenden Ausführungen in schriftlich eingebrachten (das aussagepsychologische Gutachten und die Vernehmung des Herbert Ko***** betreffenden) Beweisanträgen (ON 107 und ON 110), weil diese in der Hauptverhandlung nicht wiederholt wurden, der Verteidiger vielmehr – nachdem Herbert Ko***** trotz Ladung nicht erschienen war (ON 123 S 30) – vor deren Schluss ausdrücklich auf die Aufnahme weiterer Beweise verzichtete (ON 123 S 80, 89; RIS‑Justiz RS0099099).

Soweit der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang die Pflicht des Gerichts zur amtswegigen Wahrheitserforschung hervorhebt, genügt der Hinweis auf die

Subsidiarität der

Aufklärungsrüge (Z 5a) gegenüber der Verfahrensrüge (Z 4; RIS‑Justiz RS0115823 [T2]).

Entgegen dem Standpunkt der Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) bringt das Protokoll über die Hauptverhandlung mit der in der Beschwerde zitierten – dem Gesetzestext entsprechenden – Formulierung („den erheblichen [wesentlichen] Inhalt der Aktenstücke“; ON 123 S 89) unmissverständlich zum Ausdruck, dass der Vorsitzende – mit Zustimmung der Verfahrensbeteiligten (erneut ON 123 S 89) – den gesamten Akt zusammenfassend vortrug (§ 252 Abs 2a StPO). Der Einwand offenbar unzureichender Begründung zufolge beweiswürdigender Verwertung von in der Hauptverhandlung nicht nach § 258 Abs 1 StPO vorgekommenen Beweismitteln im Urteil, den die Beschwerde unter Berufung auf Rechtsprechung (RIS‑Justiz RS0113209, RS0111533, RS0110681) und Kommentarstellen (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 464, 460) auf die Behauptung stützt, dem Angeklagten sei aufgrund der undeutlichen Formulierung im Hauptverhandlungsprotokoll nicht ersichtlich gewesen, „welche Aktenteile denn nun verlesen oder vorgetragen wurden“, sodass keine Möglichkeit bestanden habe, sich gegen die Verlesung oder den Vortrag gemäß § 252 StPO auszusprechen und er sich „demnach“ in Ansehung im Folgenden konkret angeführter Aktenteile auch nicht dafür ausgesprochen habe, geht daher schon deshalb ins Leere.

Darüber hinaus ist der Vorwurf auch nicht berechtigt, weil sämtliche der angeführten Beweismittel bereits zuvor auf andere Weise Eingang in das Beweisverfahren fanden. So wurden das schriftliche Gutachten der Sachverständigen Mag. G***** vorgetragen und erörtert (ON 123 S 57 ff), die Bild‑ und Tonaufzeichnungen über die kontradiktorischen Vernehmungen der Zeugen K*****, F*****, S***** und A***** einverständlich vorgeführt sowie (teilweise) die darüber aufgenommenen Protokolle verlesen (ON 106 S 119, ON 123 S 81 f). Die Aussagen der vom Beschwerdeführer angeführten Zeugen vor der Kriminalpolizei wurden entweder gleichfalls ausdrücklich einverständlich verlesen (vgl zuS***** ON 123 S 82) oder kamen dadurch im Sinn des § 258 Abs 1 StPO vor, dass sich diese Zeugen in ihren Vernehmungen vor dem Schöffengericht oder in den einverständlich vorgeführten kontradiktorischen Vernehmungen jeweils auf ihre früheren polizeilichen Aussagen beriefen und ihnen diese auch vorgehalten wurden (vgl zu H***** ON 106 S 103 f; zu K***** ON 58 S 11, S 18, S 21, S 23 f iVm ON 106 S 119; zu A***** ON 58 S 82 iVm ON 123 S 82 und zu Fü***** ON 58 S 58, S 61 iVm ON 123 S 81). Auch die Ausführungen im polizeilichen Anfallsbericht zum Bekanntwerden der Übergriffe ON 2 S 7 (= ON 6 S 2 f) wurden im Rahmen der Vernehmung des Zeugen K***** in der Hauptverhandlung am 28. August 2018 verlesen (vgl ON 106 S 69).

Entgegen dem weiteren Einwand der Mängelrüge sind die Feststellungen zu den das Opfer K***** betreffenden Schuldspruchfakten I, II und IV/1 weder unvollständig noch offenbar unzureichend begründet (Z 5 zweiter und vierter Fall).

Diese leiteten die Tatrichter – den Kriterien logischen Denkens und grundlegenden Erfahrungssätzen entsprechend (RIS‑Justiz RS0118317) – im Wesentlichen aus den für glaubwürdig erachteten Aussagen des Zeugen K***** und einer Vielzahl aufgenommener Kontrollbeweise ab und berücksichtigten dabei sämtliche für und wider den Angeklagten sprechenden erheblichen Verfahrensergebnisse (US 13 ff).

Die Kritik am Unterbleiben einer Auseinandersetzung damit, dass das Opfer über keine körperlichen Verletzungen berichtete, obwohl solche angesichts der konstatierten Tathandlungen „nach allgemeiner Lebens- und der forensischen Erfahrung“ zwangsläufig zu erwarten gewesen wären, nennt gerade kein in der Hauptverhandlung vorgekommenes, im Urteil unberücksichtigt gebliebenes Verfahrensergebnis (Z 5 zweiter Fall; RIS‑Justiz RS0118316). Die Urteilspassage, nach der keine sichtbaren Verletzungen entstanden sind (US 27), betrifft im Übrigen die Folgen der (zu II) konstatierten Gewaltanwendung.

Die behaupteten Widersprüche innerhalb der Aussagen des Zeugen K***** (etwa zur Frage, ob der Analverkehr in beiden vom Schuldspruch I/1 umfassten Fällen bis zur Ejakulation vollzogen wurde, zur „Vorgeschichte“ des „fünften und sechsten Vorfalls“ oder dazu, mit welcher Hand der Angeklagte dem Opfer [zu I/3, II/1] den Mund aufzwang, und dessen Haare oder Hände packte) beziehen sich – dem Beschwerdestandpunkt zuwider – durchwegs nicht auf entscheidende Tatsachen und sind damit auch unter dem

Aspekt einer Unvollständigkeit in Ansehung der Beurteilung der

Glaubwürdigkeit des Zeugen ohne Relevanz (RIS‑Justiz RS0119422 [T4]). Im Übrigen haben die Tatrichter – zu Recht als unerheblich beurteilte – Unsicherheiten und divergierende Angaben des Opfers in Bezug auf Daten und Anzahl der sexuellen Übergriffe sowie deren exakten Ablauf – wenn auch global – ohnehin in ihre Überlegungen einbezogen (US 15) und ausführlich dargelegt, aus welchen Gründen sie dennoch von dessen Verlässlichkeit überzeugt waren. Zu einer gesonderten Auseinandersetzung mit jedem einzelnen Detail der Depositionen waren sie dabei nicht verpflichtet (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO; RIS‑Justiz RS0106642).

Indem die Rüge eigene Plausibilitätserwägungen zum Aussage- und sonstigen Verhalten des Zeugen K***** anstellt, daraus für ihren Standpunkt günstigere Schlüsse als jene des Erstgerichts zieht und letztere auf Basis aktenfremder Spekulationen als nicht „nachvollziehbar und lebensfremd“ beurteilt, macht sie keinen Begründungsmangel geltend (RIS‑Justiz RS0114524).

Dass das Tatopfer auch nach den sexuellen Übergriffen immer wieder in die Wohnung des Angeklagten zurückkehrte und Ende Juni sowie Anfang November 2017 auch dort wohnte, wurde als erwiesen angesehen (US 17 f). Der Vorwurf des Unterbleibens einer Auseinandersetzung mit darauf hinweisenden Verfahrensergebnissen ist schon aus diesem Grund nicht berechtigt.

Die schwere Körperverletzung des Zeugen K***** in Form einer posttraumatischen Belastungsstörung von Krankheitswert und die Kausalität eines der vom Schuldspruch I umfassten sexuellen Übergriffe hat das Erstgericht – mängelfrei – aus dem Gutachten der Sachverständigen Mag. G***** in Zusammenschau mit den übrigen Verfahrensergebnissen abgeleitet (US 30 ff). Zu welchem Zeitpunkt erste Indizien dafür auftraten oder wann sich diese zum „Vollbild der Erkrankung“ verdichteten, ist dabei ohne Relevanz, zumal für die Zurechnung einer Erfolgsqualifikation (hier: § 

206 Abs 3 erster Fall

StGB) zu einer Tat grundsätzlich deren

Mitursächlichkeit (neben anderen Ursachen) genügt (RIS‑Justiz RS0092036; Burgstaller in WK²

StGB § 80 Rz 68). Insoweit angeblich widersprüchliche Verfahrensergebnisse bedurften demnach gleichfalls keiner gesonderten Erörterung.

Der Einwand, die Expertise sei zur Fundierung der in Rede stehenden Urteilsannahmen nicht geeignet, weil auch die Sachverständige das tatsächliche Vorliegen des traumaauslösenden Ereignisses (hier also „das tatsächliche Erleben sexueller Gewalt“) als Voraussetzung der Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung ansah, ein solches aber aufgrund der „multiplen Nichtigkeit der Begründung“ nicht erweislich sei, geht von den nach dem Vorgesagten verfehlten Prämissen der übrigen Mängelrüge aus und verfehlt daher sein Ziel.

Die Behauptung, die Expertin habe keine Hinweise auf – für die Annahme einer solchen Erkrankung mit verspätetem Beginn notwendige – initiale Symptome finden können, basiert auf eigener Interpretation deren Ausführungen (ON 123 S 69 f).

Mit dem Vorwurf offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) der Feststellungen zur subjektiven Tatseite in Bezug auf die besondere Erniedrigung des Tatopfers durch Ejakulieren in dessen Mund (I/3 und II/1) nimmt die Beschwerde prozessordnungswidrig nicht Maß an der Gesamtheit der Entscheidungsgründe (US 33 f; RIS‑Justiz RS0119370). Beweiswürdigende Erwägungen des Erstgerichts – wie hier zur Kenntnis des Beschwerdeführers über die besondere Demütigung eines Unmündigen durch „diese intensive Form des Kontakts mit dem Sperma des Täters“ – sind nicht Gegenstand des aus § 262 StPO abgeleiteten grundrechtlichen Überraschungsverbots (RIS‑Justiz

RS0120025 [T3]).

Die Feststellungen zu den von den Schuldsprüchen III/1 und 2 sowie IV/4 umfassten geschlechtlichen Handlungen hat das Erstgericht – unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit (Z 5 vierter Fall) unbedenklich – auf die Angaben der jeweiligen Tatopfer S*****, F***** und A***** (in subjektiver Hinsicht) auf das äußere Tatgeschehen sowie insgesamt auf die letztlich geständige Verantwortung des Beschwerdeführers gestützt und dabei in seine Überlegungen einbezogen, dass die beiden erstgenannten Zeugen die sie betreffenden Vorfälle beschönigend schilderten (US 13, 28 bis 30, 33). Indem die Rüge daraus andere, für ihren Standpunkt günstigere Schlüsse zieht, erschöpft sie sich in unzulässiger Beweiswürdigungskritik.

Inwiefern die diesbezüglichen Urteilsannahmen oder deren Begründung undeutlich (Z 5 erster Fall) sein sollten, erklärt sie nicht.

Die Ableitung der Konstatierungen zum Bestehen und der Ausnützung einer Aufsichtsstellung (Schuldspruch IV) aus der Zurverfügungstellung von Spielen und Essen sowie Aufenthalts-, Schlaf- und Wohnmöglichkeiten für die unmündigen und minderjährigen (IV/4) Tatopfer, dem Ausbildungs- und Wissensstand des Angeklagten und dessen insoweit letztlich geständiger Verantwortung (US 33 f) entspricht – dem Standpunkt der Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) zuwider – gleichfalls den Kriterien logischen Denkens und grundlegenden Erfahrungssätzen.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) vermisst zu den Schuldsprüchen III/1 und 2 sowie IV/4 (ausreichende) Feststellungen zu Dauer und Intensität der (zu III/2 bloß intendierten) Berührung der Geschlechtsteile der Betroffenen durch den Angeklagten sowie zur subjektiven Tatseite, rekurriert dabei aber bloß auf einzelne (interpretativ verkürzt dargestellte) Urteilsannahmen, womit sie den Bezugspunkt materieller Nichtigkeit verfehlt (RIS‑Justiz RS0099810). Inwiefern den dazu getroffenen Konstatierungen (vgl zu III/1: US 11, 27, vgl auch US 29; zu III/2: US 11 f sowie zu IV/4: US 12, 30, 36 f) – trotz der detaillierten Darstellung der Tathandlungen – der Sachverhaltsbezug fehlen sollte (RIS‑Justiz RS0119090) und welcher darüber hinausgehender Feststellungen es für die vorgenommene Subsumtion bedurft hätte, vermag die Beschwerde nicht darzutun (vgl im Übrigen RIS‑Justiz RS0095194, RS0102141).

Gleiches gilt für die Rechtsrüge (teils der Sache nach Z 10) zum Schuldspruch IV, die das Fehlen von Feststellungen zu einer ein Autoritätsverhältnis begründenden Schutzbedürftigkeit der Tatopfer K*****, S*****, F***** und A***** moniert. Sie erklärt nämlich nicht, aus welchem Grund die Urteilsannahmen, nach denen der Beschwerdeführer als ausgebildeter Pädagoge (vgl US 5) in seiner Wohnung durch die Bereitstellung von Spielen und Essen sowie Wohn- und Schlafmöglichkeiten eine Art Jugendzentrum bzw eine „Wohlfühloase“ geschaffen hatte und sich als Ansprechpartner und Betreuer für die Kinder und Jugendlichen verstand (vgl US 5 f, 33), die zu den Tatzeitpunkten 9‑ bis 15‑jährigen Opfer regelmäßig ihre Freizeit beim Angeklagten verbrachten und während dieser – zum Teil auch über Nacht andauernden – Besuche der Aufsicht des deutlich älteren, erwachsenen Angeklagten unterstanden (US 12, 33), die Annahme des Bestehens einer Aufsichtsstellung im Sinn des § 212 Abs 1 Z 2 StGB nicht tragen sollen und welche weiteren Konstatierungen insoweit erforderlich gewesen wären (vgl im Übrigen RIS‑Justiz RS0095216; Philipp in WK² StGB § 212 Rz 5).

Die Subsumtionsrüge (Z 10) zum Schuldspruch IV/1 leitet nicht methodisch vertretbar aus dem Gesetz ab, weshalb die rechtliche Beurteilung des insoweit konstatierten Täterverhaltens als (in

echter Idealkonkurrenz zu den zur Verurteilung gelangten Vergewaltigungen [Schuldsprüche II/1 iVm I/3 sowie II/2] verwirklichte) Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 2 StGB rechtsirrig erfolgt sein sollte, obwohl die – von der Rüge prozessordnungswidrig außer Acht gelassenen (RIS‑Justiz RS0099810) – Urteilsannahmen (anders als in den Fällen, die den von der Rüge zitierten [zudem veralteten] Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs zugrunde lagen) hinreichend deutlich zum Ausdruck bringen, dass die vom Angeklagten gegenüber dem Tatopfer K***** jahrelang gezielt aufgebaute Vertrauens- und Autoritätsstellung (vgl US 6, 10, 17 f, 27, 38) ungeachtet des Einsatzes von Gewalt zur Willensbeeinflussung des Opfers für das Entstehen der Tatsituation bei den (zeitlich letzten) sexuellen Übergriffen jedenfalls mitbestimmend war (vgl US 8 f; zum Ganzen Philipp in WK² StGB § 201 Rz 50 und § 212 Rz 15; Hinterhofer, SbgK § 212 Rz 60; Fabrizy, StGB12 § 212 Rz 16; RIS‑Justiz RS0108363 [insb T5 und T7]).

Auch die weitere gegen die Annahme sowohl der Qualifikation nach § 206 Abs 3 vierter Fall StGB (I/3) als auch jener nach § 201 Abs 2 vierter Fall StGB (II/1) gerichtete Subsumtionsrüge (Z 10) lässt die methodengerechte Ableitung der behaupteten rechtlichen Konsequenz aus dem Gesetz vermissen. Sie rekurriert nämlich zur Fundierung ihres Standpunkts, die durch (einmalige) Ejakulation in den Mund bewirkte Erniedrigung des Opfers in besonderer Weise hätte dem Angeklagten nur einmal angelastet werden dürfen, ausschließlich auf die ständige Rechtsprechung zur (nur einmaligen) Zurechnung von auf ein und demselben Taterfolg (etwa in Form einer schweren Körperverletzung) beruhenden Erfolgsqualifikationen im Sinn des § 7 Abs 2 StGB (vgl RIS‑Justiz RS0120828, RS0115550; Philipp in WK² StGB § 201 Rz 30 mwN), ohne darzulegen, aus welchem Grund dies auch für die hier in Rede stehende qualifizierte – für das Opfer besonders belastende – Begehungsform (Handlungsmodalität, daher Deliktsqualifikation), auf die sich der Vorsatz des Täters erstrecken muss (§ 7 Abs 1 StGB vgl 13 Os 134/14a; Philipp in WK2 StGB; § 206 Rz 16), gelten sollte.

Bleibt mit Blick auf § 290 StPO anzumerken, dass – vom Erstgericht zutreffend erkannt – der Unwertgehalt von ideal konkurrierendem Beischlaf mit Unmündigen einerseits und Vergewaltigung andererseits im – hier vorliegenden – Fall durch die Tat bewirkter besonderer Erniedrigung des Opfers, jedenfalls erst durch deren Unterstellung auch unter den jeweils entsprechenden Qualifikationstatbestand (§ 206 Abs 3 vierter Fall, § 201 Abs 2 vierter Fall StGB) in seinem vollen Umfang erfasst wird. Denn während die vom Rechtsmittelwerber angeführten Erfolgsqualifikationen von § 201 Abs 2 erster Fall StGB und § 206 Abs 3 erster Fall StGB (schwere Körperverletzung) jeweils dasselbe Rechtsgut, nämlich die körperliche Unversehrtheit, schützen, ein unterschiedlicher Unwertgehalt der Tat demnach nur in den jeweiligen Grundtatbeständen (§ 201 Abs 1 StGB bzw § 206 Abs 1 StGB) zum Ausdruck kommt, wird der Unwertgehalt einer besonders erniedrigenden Vergewaltigung durch die Unmündigkeit oder die (im Fall des § 205 StGB) aktuell zustandsbedingt fehlende sexuelle Selbstbestimmung (und insofern erhöhte Schutzbedürftigkeit) des Opfers noch gesteigert.

Dass diese Auslegung der

Intention des

Gesetzgebers entspricht, bringen übrigens auch die Gesetzesmaterialien zum Sexualstrafrechtsänderungs-gesetz 2013 (BGBl I 2013/116), mit dem die Deliktsqualifikation der besonderen Erniedrigung des Opfers (auch) in §§ 205, 206 und 207 StGB eingefügt wurde, zum Ausdruck. Dass diese in § 201 Abs 2 StGB und § 202 Abs 2 StGB bereits seit der Strafgesetznovelle 1989 (BGBl 1989/242) bestehende Qualifikation im Fall echter Idealkonkurrenz mit §§ 205, 206 oder 207 StGB mittelbar zum Tragen kommen könnte, wurde dort nämlich explizit als nicht ausreichend erachtet (vgl EBRV 2319 BlgNR 24. GP  15 f).

Der Sanktionsrüge (Z 11 zweiter Fall) zuwider haben die Tatrichter durch die – von den besonderen Erschwerungsgründen getrennte (vgl US 37) – Bezugnahme auf die massive Gesundheitsstörung und besondere Erniedrigung des Tatopfers K***** (US 38 f) keine dem Verbot der Doppelverwertung (§ 32 Abs 2 erster Satz StGB) widerstreitende aggravierende Wertung von bereits für die Strafdrohung maßgebenden Umständen vorgenommen, sondern sinnfällig auf nach den allgemeinen Grundsätzen der Strafbemessung (§ 32 Abs 2 und Abs 3 StGB) für die Gewichtung der personalen Täterschuld bedeutsame Tatsachen hingewiesen, was zwar bei isolierter Betrachtung nicht präzise, im Gesamtkontext (US 37 bis 39) jedoch unzweideutig zum Ausdruck kommt.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen (§ 285i StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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