AsylG 2005 §8 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs4
B-VG Art.133 Abs4
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs4
B-VG Art.133 Abs4
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2014:W224.1434413.1.00
Spruch:
W224 1434413-1/14E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Martina WEINHANDL über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 02.04.2013, Zl. 12 12.780-BAT, zu Recht erkannt:
A) I. Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, in der Fassung BGBl. I Nr. 144/2013, als unbegründet abgewiesen.
II. Der Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides stattgegeben und XXXX gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, in der Fassung BGBl. I Nr. 144/2013, der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt.
III. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG, BGBl. I Nr. 100/2005, in der Fassung BGBl. I Nr. 144/2013, wird XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter bis zum 04.06.2015 erteilt.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang
1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Afghanistans, reiste illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 17.09.2012 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
2. Bei der am 17.09.2012 erfolgten Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, dass er am 20.03.1993 geboren sei, der Volksgruppe der Tadschiken angehöre und Sunnit sei. Er habe von 1996 bis 2008 in XXXX die Schule besucht und von 2008 bis 2012 als Lehrer gearbeitet. Er habe im Dorf XXXX, Bezirk XXXX in der Provinz XXXX gelebt. Sein Vater sei bereits verstorben. Seine Mutter lebe noch und er habe drei ältere Brüder. Vor ca. einem Monat habe er seine Heimat verlassen und sei über den Iran und die Türkei nach Griechenland gereist. Dort habe er sich ca. 10 Tage in Athen und 10 Tage in Saloniki aufgehalten. Danach sei er nach Österreich gereist, wo er von der Polizei aufgegriffen worden sei.
Hinsichtlich seines Fluchtgrundes brachte er vor, dass sein Vater Dorfvorsitzender gewesen sei. Die Taliban hätten verlangt, dass der Beschwerdeführer und sein Vater mit ihnen zusammenarbeiten. Sein Vater habe das abgelehnt und sei dann im Juni 2011 von den Taliban getötet worden. Danach hätte der Beschwerdeführer als Agent für die Taliban arbeiten sollen, weil er gute Beziehungen zur Bezirksbehörde gehabt habe. Er habe das aber nicht gemacht und danach zweimal von den Taliban Drohbriefe bekommen. Diese Drohbriefe würden sich noch in Afghanistan befinden. Da sein Leben in Gefahr gewesen sei, habe er Afghanistan verlassen. Bei einer Rückkehr befürchte er, von den Taliban getötet zu werden, weil er nicht mit ihnen zusammenarbeiten wolle.
3. Am 10.12.2012 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesasylamt niederschriftlich einvernommen. Hierbei brachte er im Wesentlichen vor, dass sein Geburtsdatum falsch niedergeschrieben sei. Er sei 23 Jahre alt. Ein genaues Geburtsdatum wisse er nicht, er sei aber im Jahr 1368 (umgerechnet: 1989/1990) im Dorf XXXX, Distrikt XXXX, Provinz XXXX, geboren und aufgewachsen. Das Geburtsjahr sei in seiner Tazkira vermerkt. Im Alter von 7 Jahren habe er mit dem Schulbesuch begonnen. Per Post sollte er die beiden Drohbriefe, die Tazkira, ein Diplom und Dokumente betreffend die Ermordung seines Vaters bekommen. Bisher habe er aber noch nichts bekommen. Zuletzt habe er mit seiner gesamten Familie im Dorf XXXX gelebt, wo er auch als Lehrer gearbeitet habe. Die Familie habe auch Grundstücke und Geschäfte und in der Provinz XXXX ein Lebensmittelgeschäft. Der Beschwerdeführer habe drei Jahre als Lehrer gearbeitet und seine finanzielle Lage sei gut gewesen. In Afghanistan und zwar in der Provinz XXXX lebe noch sein Onkel väterlicherseits. Ein weiterer Onkel väterlicherseits lebe in Pakistan. Seine Brüder XXXX und XXXX habe er ein Jahr vor seiner Ausreise zuletzt gesehen. Sie würden im Iran leben. Sein Vater sei im 5. Monat des Jahres 1390 (umgerechnet: Juli/August 2011) verstorben. Im 6. Monat des Jahres 1391 habe er seine Heimat verlassen und sei nach Österreich gereist. Am 15. September 2012 sei er bereits in Österreich gewesen. Seine Reise habe einen Monat gedauert und insgesamt € 7.000,-- gekostet. Er habe die Reise mit seinen Ersparnissen finanziert.
Zu seinem Ausreisegrund brachte er vor, dass sein Vater Dorfvorsteher gewesen sei und Drohungen erhalten habe, da viele Leute diese Arbeit verrichten hätten wollen. Zwei seiner Brüder seien nicht damit einverstanden gewesen, dass der Vater diese Arbeit ausübe und seien daher in den Iran übersiedelt. Sie hätten bemerkt, dass diese Arbeit nur Probleme bereite. Ende des Jahres 1389 (umgerechnet: Anfang 2011) hätten die Taliban seinen Vater in das Dorf XXXX eingeladen, wo sich viele Taliban befinden würden. Er sei von einem in der Koranschule in XXXX tätigen Taliban begleitet worden. Die Taliban hätten vom Vater verlangt, dass er Taliban in die Koranschule in XXXX einschleuse, sodass sie ihre Tätigkeit über die Koranschule ausüben könnten. Sie hätten auch verlangt, dass er die Namen von Personen angebe, die in Hilfsorganisationen oder mit ausländischen Organisationen zusammenarbeiten. Sein Vater habe zunächst vorgegeben, für die Taliban tätig zu werden, aber nach der Rückkehr ins Heimatdorf die Taliban angerufen und ihnen mitgeteilt, dass er nicht dazu bereit sei. Sein Vater habe mit der Familie nicht darüber gesprochen. Nicht einmal der Mutter des Beschwerdeführers habe er davon erzählt. Am 17.02.1390 (umgerechnet: 07.05.2011) habe jemand in der Nacht eine Handgranate in den Hof geworfen. Es sei dabei nur der Lehmzaun zerstört worden. Noch in derselben Nacht sei die Polizei gekommen. Am nächsten Tag seien der Distriktsvorsteher XXXX und der Polizeikommandant des Distrikts XXXX zu ihnen nach Hause gekommen. Sie hätten zum Vater gesagt, dass sie die für den Anschlag verantwortlichen Leute finden würden. Am nächsten Morgen sei sein Vater von den Taliban angerufen und bedroht worden. Damit hätten sie gewusst, dass die Taliban für den Anschlag verantwortlich gewesen seien. Die Drohanrufe hätten zwei Monate, bis zum 5. Monate des Jahres 1390 (umgerechnet: Juli/August 2011), gedauert und der Vater sei in ständigem Kontakt mi dem Polizeikommandanten gewesen. Am 09.05.1390 (umgerechnet: 31.07.2011) um 16 Uhr habe der Beschwerdeführer, als er beim Fortbildungsunterricht im Zentrum von XXXX gewesen sei, einen Anruf von einem Nachbarn aus dem Dorf erhalten. Er habe gesagt, dass ein Attentat auf den Vater verübt worden sei, es ihm gut gehen würde und der Beschwerdeführer in das Dorf kommen solle. Der Beschwerdeführer sei zurückgefahren und habe, als er bei der Mosche vorbeigekommen sei, gesehen, dass sein Vater gebadet werde. Die Leute hätten ihm gesagt, dass sein Vater angeschossen worden sei. Polizisten hätten die Ermittlungen aufgenommen. Am nächsten Tag sei sein Vater beerdigt worden.
Mitte des 7. Monats 1390 (umgerechnet: Anfang Oktober 2011) sei sein Bruder XXXX plötzlich verschwunden. Bis heute wüssten sie nicht, wo er sich aufhalte. Er habe ein Foto seines Bruders an seine beiden im Iran lebenden Brüder geschickt, die dieses in einer iranischen Zeitung hätten ablichten lassen und so nach dem Bruder gesucht hätten.
Der Beschwerdeführer habe in der Mädchenschule XXXX in seinem Heimatdorf unterrichtet und sei eines Tages, Ende des Jahres 1390 (umgerechnet: März 2012), von seinem Freund XXXX, der ein ehemaliger Schulkollege und ein Taliban sei, angerufen worden, der ihm mitgeteilt habe, dass er seit zwei Monaten unter der Kontrolle der Taliban stünde und er aufpassen solle. Er habe daher sein Aussehen mit Hilfe verschiedener Kleidung geändert und unterschiedliche Verkehrsmittel verwendet, um nicht von den Taliban erkannt zu werden. Er sei öfter in den Distrikt XXXX gefahren, weil er dort den Stadtschulrat aufgesucht habe. Er habe auch den Polizeikommandanten und den Distriktsvorsteher in XXXX besucht, da er mit diesen Leuten befreundet sei.
Anfang des Jahres 1391 (umgerechnet: März 2012), als er zu Hause gewesen sei, habe ihn XXXX angerufen und gefragt, ob er ihn in schulischen Angelegenheiten unterstützen könne. Er habe aber eigentlich etwa anderes gewollt. Später habe er erfahren, dass XXXX der größte Taliban-Kommandant des Distrikts XXXX sei. XXXX habe ihn dann zu XXXX nach XXXX begleitet. Dem Beschwerdeführer sei gesagt worden, dass er die Schule schließen müsse, weil Mädchen nicht zur Schule gehen und nicht hinausgehen dürften. Er habe auch verlangt, dass er als Spion für die Taliban arbeite. Er habe gewusst, dass der Beschwerdeführer gute Kontakte zum Distriktsvorsteher und zum Polizeikommandanten habe, weshalb es leicht für ihn wäre, in das Amtsgebäude des Distriktvorstehers in XXXX zu gelangen. XXXX habe ihm Geld, ein Auto und ein Motorrad angeboten und sie hätten über den Koran bzw. Bildung gesprochen. XXXXhabe ihm 50.000,-- pak. Kaldar gegeben, das er aber später wieder zurückgegeben habe. Als er mit XXXX das Gebäude verlassen habe, sei er von einem anderen Taliban bedroht worden. Dieser habe gesagt, dass er wie sein Vater enden würde, wenn er die Taliban nicht unterstütze. Er habe dazu nichts gesagt, aber damit gewusst, wer hinter der Ermordung seines Vaters stünde. Er habe dann das Geld XXXX gegeben und ihm gesagt, dass er den Job nicht machen könne. Dem Distriktsvorsteher habe er erzählt, dass er nun wüsste, wer seinen Vater ermordet habe. Dieser habe geantwortet, dass er die Mörder kenne, aber nichts dagegen tun könne. Von Zuhause habe er XXXX angerufen und ihm gesagt, dass er "so etwas" nicht tun könne und das Geld dem XXXX gegeben habe. XXXX habe das Telefon an eine andere Person weitergereicht, die den Beschwerdeführer bedroht habe. Diese Person habe gesagt, dass er wie sein Vater enden werde, wenn er sie nicht unterstütze.
Er habe dann zwei Drohbriefe erhalten, in denen er zur Zusammenarbeit aufgefordert worden sei und dass er seine Tätigkeit in der Mädchenschule beenden solle. Die Mädchenschule gebe es erst sei eineinhalb Jahren, gerechnet ab seiner Ausreise aus Afghanistan. Davor habe er an einer anderen Schule in XXXX unterrichtet. Den ersten Drohbrief habe er 20 oder 25 Tage nachdem er Anfang 1391 bei XXXX gewesen sei, erhalten. Den zweiten Brief habe er nach weiteren eineinhalb Monaten bekommen. Die beiden Briefe seien ähnlich gewesen. Es sei dasselbe darin gestanden, was sie ihm beim Treffen gesagt hätten. Sie hätten die Äußerungen nur schriftlich wiederholt. Davon habe er seiner Mutter nichts erzählt und ihr auch die Briefe nicht gezeigt. Er habe weiter in der Schule unterrichtet, jedoch seine Fortbildung in XXXX nicht mehr weiter fortgesetzt. Seine Mutter sei ein paar Mal aufgesucht worden und man habe ihr mitgeteilt, dass ein Mullah den Beschwerdeführer brauchen würde. Seine Mutter habe sich Sorgen gemacht und er habe ihr erzählt, was passiert sei und wer den Vater ermordet habe. XXXX oder ein anderer Taliban seien nicht in seinem Heimatort gewesen. Diese Personen würden immer an Ort und Stelle bleiben und nicht anderswo hingehen. Auf die Frage, wer dann seine Mutter aufgesucht habe, erklärte der Beschwerdeführer, dass die Taliban nicht bloß aus zwei, drei Personen bestehen würden. Jeder Kommandant habe ca. 100 Anhänger. Als seine Mutter aufgesucht worden sei, sei der Beschwerdeführer auch im Haus gewesen. Er habe seine Mutter vorgeschickt, weil es hätte sein können, dass er geschlagen oder mitgenommen werde, wenn er nach vorne gegangen wäre. Er habe es zwei, drei Mal selbst mitbekommen, als die Taliban bei ihm zu Hause gewesen seien. Seine Mutter habe ihm noch von zwei weiteren Malen erzählt. Jede Woche bzw. jede zweite Woche seien die Taliban bei ihnen gewesen. Er habe diese Personen nicht gesehen. Es hätte sein können, dass sie ihn schlagen oder sogar mitnehmen. Sie seien immer zu zweit, maskiert und mit einem Motorrad gekommen. Seine Mutter habe nicht gewusst, wer sie seien und was sie gewollt hätten. Er wisse nicht, ob sich die Leute auf Pashtu mit seiner Mutter unterhalten hätten. Es habe nur diese Bedrohungen gegeben, sonst nichts. Er habe auch Angst vor den im Dorf aufhältigen Taliban gehabt. So habe er nachts nicht gut schlafen können und er habe Angst gehabt, dass die Taliban eine Bombe vor dem Haus platziert hätten, wenn er das Haus verlasse. Zuerst sei sein Vater von den Taliban zur Zusammenarbeit aufgefordert worden, dann seien sie eben zu ihm gekommen. Auf den Vorhalt, weshalb ihn der Kommandant der Taliban erst ein halbes Jahr nach dem Ableben des Vaters zur Zusammenarbeit auffordern sollte, meinte der Beschwerdeführer, dass es eben einige Zeit gedauert habe, bis sie davon erfahren hätten, dass er an einer Mädchenschule unterrichte. Außerdem hätten die Taliban erst später davon erfahren, dass er Kontakt zum Distriktsvorsteher habe. Dass die Taliban von diesem Kontakt gewusst hätten, sei normal. Es könne sein, dass es von den Taliban des Heimatdorfes des Beschwerdeführers oder von anderen Leuten erfahren hätten.
4. Am 13.02.2013 übermittelte der Beschwerdeführer eine Bestätigung über die Teilnahme an einem Deutschkurs.
5. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 02.04.2013, Zl. 12 12.780-BAT, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 idgF abgewiesen (Spruchpunkt I). Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan abgewiesen (Spruchpunkt II) und der Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Afghanistan ausgewiesen (Spruchpunkt III).
Begründend wurde ausgeführt, dass die vorgebrachte Bedrohung durch Taliban unglaubwürdig sei. Dies ergebe sich aus einigen Widersprüchen, der allgemeinen Vagheit des Vorbringens sowie daraus, dass seine Ausführungen in keiner Weise nachvollziehbar gewesen seien. Es habe seinen Schilderungen an Emotionen gefehlt und die Behörde habe nicht den Eindruck gewonnen, dass er das Geschilderte selbst erlebt habe.
In rechtlicher Hinsicht führte das Bundesasylamt zu Spruchpunkt I aus, dass es dem Beschwerdeführer nicht gelungen sei, eine Verfolgung im Sinne der GFK glaubhaft zu machen. Selbst unter Annahme der Glaubhaftigkeit des Vorbringens sei festzuhalten, dass dieses Vorbringen keine Furcht vor Verfolgung aus den in der GFK genannten asylrelevanten Gründen darstelle, die von staatlichen Organen ausgehe oder dem Herkunftsstaat sonst zurechenbar wäre.
In rechtlicher Hinsicht wurde zu Spruchpunkt II ausgeführt, dass der Beschwerdeführer keine Gefährdungslage glaubhaft gemacht habe. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass er im Falle der Rückkehr einer existenzbedrohenden Situation ausgesetzt wäre. Er habe als Lehrer gearbeitet und es sei davon auszugehen, dass er dies bei einer Rückkehr erneut tun könne. Es sei davon auszugehen, dass selbst auch arbeitsfähige junge Männer ohne nennenswertes Vermögen und ohne abgeschlossen Berufsausbildung in der Lage seien, etwa in der Stadt Kabul oder anderen großen Städten Afghanistans, ein Einkommen zu erzielen, damit ein Leben zu finanzieren und sich allmählich in der dortigen Gesellschaft zu integrieren.
Zu Spruchpunkt III wurde in rechtlicher Hinsicht ausgeführt, dass keine familiären Anknüpfungspunkte bestünden, weshalb das Vorliegen eine schützenswerten Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK nicht festgestellt werden könne. Der Beschwerdeführer sei nicht berufstätig, bestreite seinen Lebensunterhalt im Rahmen der Grundversorgung, sei kein Mitglied in einem Verein, besuche einen Deutschkurs, sonst keine Bildungseinrichtungen, lebe alleine in Österreich und beherrsche ausschließlich seine Muttersprache und seine gesamte Familie befinde sich in seiner Heimat. Aufgrund einer Gesamtabwägung der Interessen ergebe sich daher, dass seine Ausweisung gerechtfertigt sei.
6. In der gegen den Bescheid des Bundesasylamtes erhobenen Beschwerde brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, dass die Erstbefragung gemäß § 19 Abs. 1 AsylG insbesondere der Ermittlung der Identität und der Reiseroute des Fremden diene und sich nicht auf die näheren Fluchtgründe zu beziehen habe. Er habe seiner Mitwirkungspflicht iSd § 15 AsylG jedenfalls entsprochen, als er seine Fluchtgründe vor dem Bundesasylamt geschildert habe. Dass er hier genauer und detaillierter auf seine Fluchtgründe eingegangen sei, könne nicht als Begründung dafür herangezogen werden, dass ihm seine Glaubwürdigkeit pauschal abgesprochen werde. In diesem Zusammenhang könne auch nicht von einer Steigerung des Vorbringens gesprochen, da er im Rahmen der Erstbefragung nur sehr kurz geschildert habe, weshalb er aus Afghanistan geflohen sei. Die Behörde gehe bei Unterstellung der Glaubwürdigkeit des Vorbringens davon aus, dass kein asylrelevanter Tatbestand iSd GFK vorliege. Nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH kann eine dem Staat zuzurechnende asylrelevante Verfolgungssituation auch dann gegeben sein, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage sei, von Privatpersonen ausgehende Handlungen mit Verfolgungscharakter zu unterbinden, sofern diesen - würden sie von staatlichen Organen gesetzt - Asylrelevanz zukommen sollte. Der Beschwerdeführer könne jedoch nicht davon ausgehen, dass die afghanische Polizei in der Lage sei, ihn vor Taliban zu schützen. Außerdem stehe ihm keine innerstaatliche Fluchtalternative zu. Zu seiner Mutter im Heimatdorf könne er nicht zurückkehren, da ihn die Taliban dort sofort wieder finden würden. Auch zu seinem Onkel nach XXXX oder nach Kabul könnte er nicht gehen, da die Taliban landesweit vernetzt seien und überall ihre Hintermänner hätten. Sie würden ihn im ganzen Land finden und ermorden. Betreffend die Sicherheitslage in Afghanistan zitierte der Beschwerdeführer aus einem Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 03.09.2012 sowie einem Artikel auf der Homepage www.derwesten.de , "Acht-Tonnen-Bombe in Kabul entdeckt und entschärft" vom 15.03.2103. Seine Furcht vor einer Abschiebung nach Afghanistan sei daher wohlbegründet, plausibel und entspreche der Wahrheit.
7. Mit Schreiben vom 17.07.2013, 09.09.2013, 10.10.2013 und 23.01.2014 legte der Beschwerdeführer Bestätigungen über die Teilnahme an Deutschkursen, an einer Basisbildungs-Schulung sowie an einem Kurs zum Nachholen des Hauptschulabschlusses vor.
8. Mit Verfahrensanordnung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 15.05.2014, W224 1434413-1/11Z, wurde der Beschwerdeführer gemäß § 45 Abs. 3 AVG iVm § 17 VwGVG vom Ergebnis der Beweisaufnahme zur Situation in Afghanistan in Kenntnis gesetzt und ihm Gelegenheit gegeben, hierzu binnen zwei Wochen Stellung zu nehmen sowie binnen gleicher Frist alle Beweismittel vorzulegen, allfällige neue Flucht- oder Verfolgungsgründe darzutun und zu erklären, ob er mit Erhebungen im Herkunftsstaat einverstanden sei. Weiters wurde der Beschwerdeführer aufgefordert, allfällige Protokollrügen zum Verfahren vor dem Bundesasylamt binnen gleicher Frist zu erstatten und allenfalls bestehende akute psychische und physische Erkrankungen darzutun.
9. In der Stellungnahme vom 04.06.2014 führte der Beschwerdeführer im Wesentlichen aus, dass er einer Zwangsrekrutierung durch die Taliban entkommen sei und ihm - gestützt auf eine nicht näher bezeichnete Quelle - im Falle einer Rückkehr Verfolgung drohe. Zu den dem Verfahren zugrunde gelegten Länderfeststellungen nahm der Beschwerdeführer dahin gehend Stellung, dass ihm eine Rückkehr in seine Heimatprovinz XXXX auf Grund der Sicherheitslage nicht möglich sei und Kabul als innerstaatliche Fluchtalternative mangels sozialer oder familiärer Anknüpfungspunkte für ihn nicht in Frage käme.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen (Sachverhalt):
Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger Afghanistans und Angehöriger der Volksgruppe der Tadschiken sowie der Glaubensrichtung der Sunniten. Der Beschwerdeführer lebte bis zu seiner Ausreise aus Afghanistan im Dorf XXXX, Distrikt XXXX in der Provinz XXXX. Im Heimatdorf des Beschwerdeführers lebt noch seine Mutter.
Der Beschwerdeführer hat von 1996 bis 2008 die Schule besucht und drei Jahre als Lehrer gearbeitet.
Der Beschwerdeführer verließ Afghanistan ca. im August 2012 und reiste über den Iran, die Türkei und Griechenland nach Österreich, wo er am 17.09.2012 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte.
Das Vorbringen des Beschwerdeführers, er habe Afghanistan wegen einer Bedrohung durch Taliban verlassen und er befürchte, von Taliban getötet zu werden, wenn er nicht mit ihnen zusammenarbeite, ist nicht glaubwürdig und wird der Entscheidung nicht zugrunde gelegt.
Eine drohende asylrelevante Verfolgung aus anderen Gründen ist nicht hervorgekommen, und zwar weder auf Grund des Vorbringens des Beschwerdeführers noch aus amtswegiger Wahrnehmung.
Zur Situation in Afghanistan wird festgestellt:
Allgemeines:
Afghanistan ist eine islamische Republik und hat schätzungsweise 24 bis 33 Millionen Einwohner. Die afghanische Verfassung sieht ein starkes Präsidialsystem mit einem Parlament vor, das aus einem Unterhaus und einem Oberhaus, deren Mitglieder von den Provinz- und Distriktsräten sowie vom Präsidenten bestellt werden, besteht.
(Country Report des U.S. Department of State vom 19. April 2013)
Der Präsident wird direkt gewählt. Die letzten Präsidentschafts- und Provinzratswahlen fanden im August 2009 statt. Präsident Karzai ging abermals als Sieger aus den Wahlen hervor. Laut afghanischer Verfassung ist es Präsident Karzai nicht erlaubt, für eine dritte Amtszeit zu kandidieren. Die nächsten Präsidentschaftswahlen finden am 5. April 2014 statt, die endgültige Kandidatenliste wurde im November 2013 veröffentlicht. An die Wahlen wird sich eine Phase der Regierungsbildung anschließen, die angesichts der noch ungefestigten Verfahren längere Zeit in Anspruch nehmen kann.
Die afghanische Nationalversammlung ("Shuraye Melli") besteht aus dem Unterhaus (Volksvertretung, "Wolesi Jirga") und dem Oberhaus (Ältestenrat/Senat, "Meshrano Jirga"), die nach dem Modell eines klassischen Zweikammersystems gleichberechtigt an der Gesetzgebung beteiligt sind. Die letzten Parlamentswahlen fanden am 18. September 2010 statt. Die Auseinandersetzung um die Ergebnisse bei den Parlamentswahlen hielt Monate an.
(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, vom 10. Jänner 2012, S. 7; United States, Country on Human Rights Practices 2012 - Afghanistan, vom 19. April 2013, S. 1, Deutsches Auswärtiges Amt, Innenpolitik, vom April 2013; derstandard.at, "Afghanische Wahlkommission bestätigt Liste für Präsidentschaftswahl", vom 20. November 2013; Deutsche Bundesregierung, Fortschrittsbericht Afghanistan vom Januar 2014, S.
4)
Nach dem Sturz des Taliban-Regimes im Jahr 2001 wurde eine neue Verfassung erarbeitet, die schließlich im Januar 2004 ratifiziert wurde. In der afghanischen Verfassung ist die Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau verankert und das Gesetz der Sharia wird nicht in dieser erwähnt. Jedoch wird Afghanistan als islamische Republik beschrieben, in welcher der Islam eine heilige Religion ist. Demzufolge darf es kein Gesetz geben, welches mit dem Glauben und der Religionspraxis im Islam in Konflikt gerät.
(IDEA [The International Institute for Democracy and Electoral Assistance]: Afghanistan: "An Electoral Management Body Evolves"; NDI [National Democratic Institute]: "Political Parties in Afghanistan - A Review of the State of Political Parties after the 2009 and 2010 Elections", vom Juni 2011; AREU [Afghanistan Research and Evaluation Unit]: "Women's Economic Empowerment in Afghanistan 2002-2012" vom Juli 2013)
Nach mehr als 30 Jahren Konflikt und 11 Jahre nach dem Ende der Herrschaft der Taliban befindet sich Afghanistan in einem langwierigen Wiederaufbauprozess. Die nationale Aussöhnung mit den Aufständischen sowie die Reintegration versöhnungswilliger Mitglieder der Insurgenz bleiben weiterhin eine Grundvoraussetzung für die Schaffung eines friedlichen und stabilen Afghanistans.
(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan vom 4. Juni 2013, S. 4)
Am Nato-Gipfeltreffen in Chicago im Mai 2012 wurden der schrittweise Abzug der internationalen Truppen bis 2014 sowie die Grundzüge des Nachfolgeeinsatzes diskutiert.
(Bericht der Schweizer Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update vom 3. September 2012, S. 2)
Nach einer Strategie der Übergabe der Sicherheitsverantwortung ("Transition") haben die afghanischen Sicherheitskräfte schrittweise die Verantwortung für die Sicherheit in Afghanistan von den internationalen Streitkräften übernommen. Ein Abzug aller ausländischen Streitkräfte aus dem Land ist bis Ende 2014 geplant. Es wird eine Intensivierung des Konflikts zwischen regierungstreuen und -feindlichen Kräften infolge des Abzugs der internationalen Truppen erwartet, sofern nicht vorher eine Friedensvereinbarung geschlossen wird.
(Richtlinien des UNHCR zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfes afghanischer Asylsuchender vom 6. August 2013, S. 12)
Die afghanische Regierung ist weiterhin weit davon entfernt, ihren Bürgerinnen und Bürgern Sicherheit, effiziente Regierungsinstitutionen, Rechtsstaatlichkeit, soziale Basisdienstleistungen und Schutz vor Menschenrechtsverletzungen bieten zu können.
(Bericht der Schweizer Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update vom 30. September 2013, S. 1)
Mittlerweile reklamieren die Taliban mit der systematischen Einrichtung parallelstaatlicher Strukturen in immer weiter nördlich gelegenen Gebieten den Anspruch für sich, als legitime Regierung Afghanistans betrachtet zu werden. Die regierungsähnlichen Strukturen in den von den Taliban kontrollierten Gebieten (mit Schattengouverneuren und in wichtigeren Gebieten mit verschiedenen Kommissionen z.B. für Justiz, Besteuerung, Gesundheit oder Bildung) sind relativ gut etabliert.
(Bericht der Schweizer Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update vom 3. September 2012)
Sicherheitslage allgemein:
Die Zahl der im Afghanistan-Konflikt getöteten oder verletzten Zivilisten ist nach Angaben der Vereinten Nationen im ersten Halbjahr 2013 deutlich gestiegen. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum sind 23 Prozent mehr Opfer gezählt worden. Nach einem zwischenzeitlichen Rückgang im Jahr 2012 gibt es nun eine Rückkehr zu den hohen Zahlen von getöteten und verletzten Zivilisten des Jahres 2011. Von Jänner bis Oktober 2013 wurden insgesamt 2.568 Zivilisten getötet und 4.826 Zivilisten verletzt. Das entspricht einer Erhöhung um 13 Prozent im Vergleich zum selben Zeitraum im Jahr 2012.
Laut UNAMA sind 75 Prozent der Opfer durch Angriffe von Aufständischen getötet oder verletzt worden. In 10 Prozent der Fälle seien Regierungstruppen verantwortlich, weitere 13 Prozent seien bei Kämpfen zwischen beiden Seiten getötet oder verletzt worden. Die verbleibenden 4 Prozent der Fälle waren demnach keiner Konfliktpartei zuzuordnen und wurden in erster Linie durch Blindgänger verursacht.
(General Assembly/Security Council United Nations, "The situation in Afghanistan and its implications for international peace and security" Rn. 24 vom 6. Dezember 2013; Richtlinien des UNHCR zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfes afghanischer Asylsuchender vom 6. August 2013, S. 15)
Die Zahlen unterstreichen die schwierige Sicherheitslage in Afghanistan vor dem Ende des internationalen Kampfeinsatzes. Die USA und ihre NATO-Verbündeten wollen bis zum Ende 2014 alle Kampftruppen aus dem Land abziehen. Die Internationale Sicherheits-Unterstützungstruppe (ISAF) wird wie bisher bis zum Ende der Übergangsphase (31. Dezember 2014) die Afghan National Security Forces (ANSF) ausbilden, beraten und unterstützen, jedoch wenn erforderlich auch Kampfunterstützung liefern.
Auf die Abzugspläne der deutschen Bundeswehr haben die veränderten Daten zur Sicherheitslage keine Auswirkungen. Es bleibt bislang auch bei den Absichten, von Ende 2014 an für eine Ausbildungs- und Trainingsmission der NATO zwischen 600 und 800 Bundeswehrsoldaten zur Verfügung zu stellen.
(ORF-online: "Afghanistan: 2013 bereits über 1.300 zivile Opfer" vom 31. Juli 2013; NATO "International Security Assistance Force" vom 1. August 2013; Frankfurter Allgemeine Zeitung: "Bundeswehr korrigiert Statistik über Sicherheit in Afghanistan" vom 31. Mai 2013)
Karzai versucht, Afghanistan vor der Präsidentenwahl und dem Abzug der NATO-Truppen in diesem Jahr zu stabilisieren. Die ausländischen Soldaten übertragen immer mehr der Verantwortung für die Sicherheit in Afghanistan auf die 350.000 Mitglieder der einheimischen Sicherheitskräfte.
(APA: "Afghanisches Parlament feuert Innenminister wegen Gewaltwelle" vom 22. Juli 2013)
Im Juni 2013, eineinhalb Jahre vor Ende des Nato-Kampfeinsatzes, haben die afghanischen Sicherheitskräfte offiziell im ganzen Land die Verantwortung übernommen.
(TAZ: "Afghanen tragen jetzt die volle Verantwortung" vom 19. Juni 2013)
Der Konflikt in Afghanistan beeinflusst nun auch Provinzen, die bisher als die stabilsten im Land betrachtet wurden, wie etwa die Provinz Panjshir. Die Gewalt ist nicht auf Kabul oder allgemein auf städtische Zentren beschränkt. Die Aufständischen in ländlichen Gebieten gehen oft extrem gewalttätig vor.
Die Verbreitung von lokalen Milizen und bewaffneten Gruppen - sowohl pro- und anti-Regierung - im Norden, Nordosten und in zentralen Hochland-Regionen haben eine weitere negative Auswirkung auf die Sicherheitslage für Zivilisten.
(Richtlinien des UNHCR zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfes afghanischer Asylsuchender vom 6. August 2013, S. 14)
Die Opfer unter den ISAF-Angehörigen gingen insbesondere aufgrund der Verringerung der Kräfte als auch des gewandelten militärischen Auftrages in den ersten fünf Monaten des Jahres 2013 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum von 121 auf 60 zurück. Infolge des nahezu abgeschlossenen Aufwuchs der ANSF, der hohen Operationslast als Folge der Übernahme der aktiven Sicherheitsverantwortung und der damit einhergehenden Zielauswahl durch die regierungsfeindlichen Kräfte stiegen die personellen Verluste der ANSF von 499 auf 1.070 in den ersten vier Monaten 2013 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum deutlich an. Auch in Zukunft ist infolge der weiter fortschreitenden Transition mit hohen Verlustzahlen unter ANSF-Angehörigen zu rechnen. Die Hauptursachen für den Anstieg der zivilen Opfer in der ersten Jahreshälfte 2013 waren die vermehrte willkürliche Verwendung von Spreng- und Brandvorrichtungen durch regierungsfeindliche Elemente sowie Selbstmordanschläge und komplexe Angriffe an Orten, an denen sich Zivilisten aufhalten, darunter auch zivile Regierungsgebäude. Wie UNAMA weiters ausführt, hat eine sich verändernde politische und sicherheitsrelevante Dynamik in der ersten Jahreshälfte 2013 den Schutz von Zivilisten behindert und den Zugang zu Menschenrechten beschränkt. Auf die Übertragung der Sicherheitsverantwortung von den internationalen Truppen an die afghanischen Sicherheitskräfte und die Schließung von internationalen Militärbasen haben regierungsfeindliche Elemente mit zunehmenden Angriffen auf die afghanischen Sicherheitskräfte, hauptsächlich an Checkpoints, auf strategisch wichtigen Highways, in einigen Gebieten, die an die afghanischen Sicherheitskräfte übergeben wurden, und in Distrikten, die an Afghanistans Nachbarländer grenzen, reagiert.
(UNAMA, Mid-Year Report 2013, vom Juli 2013, S. 1f)
Die Planungen der NATO für den ISAF Folgeeinsatz Resolute Support Mission schreiten voran. Die konditionierte Zusage Deutschlands für seinen Beitrag zu Resolute Support vom 18. April 2013 bildet den Rahmen für die weiteren Planungen. Deutschland ist - vorbehaltlich der auch künftig jährlich einzuholenden Zustimmung des Deutschen Bundestages - zur Übernahme der Verantwortung als Rahmennation für den Norden von Afghanistan, Bereich Masar-e Scharif, für zunächst zwei Jahre bereit und will mit seinen multinationalen Partnern die Arbeit fortsetzen. Daneben wird ein deutscher Truppen-Beitrag im Großraum Kabul eingesetzt werden.
Aufbauend auf dem im Juni 2013 durch die NATO-Verteidigungsminister gebilligten Operationskonzept für Resolute Support wurde im Oktober mit der Verabschiedung des sog. Strategic Planning Assessment (SPA) eine weitere Weichenstellung für die Planung der ISAF-Folgemission vorgenommen. Das im November 2013 zwischen Afghanistan und den USA verhandelte, aber noch nicht unterzeichnete Bilaterale Sicherheitsabkommen dient als Grundlage für die bereits laufenden Verhandlungen zu einem umfassenden Stationierungsabkommen für die NATO und alle Partnernationen. Letzteres bildet auch eine wesentliche rechtliche Voraussetzung für die neue deutsche Mission.
(Deutsche Bundesregierung, Fortschrittsbericht Afghanistan, vom Januar 2014, S. 16 f.)
Der afghanische Innenminister Umer Daudzai hat laut einem Anfang September 2013 veröffentlichten Artikel bekannt gegeben, dass seit März 2013 insgesamt 1.792 Polizisten getötet wurden - die meisten durch am Straßenrand platzierte Bomben.
(AlertNet: "Afghan police deaths double as foreign troops withdraw" vom 2. September 2013)
Der UNO-Generalsekretär erwähnt in einem Bericht vom März 2013, dass im Zeitraum vom 16. November 2012 bis 15. Februar 2013 insgesamt
3.783 sicherheitsrelevante Vorfälle verzeichnet wurden. Dies stellt einen 4-prozentigen Rückgang gegenüber dem gleichen Zeitraum ein Jahr zuvor dar. Die Zahl der zwischen 1. Jänner und 15. Februar 2013 verzeichneten Sicherheitsvorfälle lag allerdings um 6 Prozent höher als im Vorjahr. Wie der UNO-Generalsekretär berichtet, ereigneten sich die meisten der zwischen 16. November 2012 und 15. Februar 2013 verzeichneten Vorfälle auch weiterhin in den Provinzen im Süden, Südosten und Osten des Landes. Die größte Zahl wurde in der Provinz Nangarhar verzeichnet.
(UN-General Assembly Security Council: "The Situation in Afghanistan and its implications for international peace and security" vom 5. März 2013)
In einem Bericht vom Juni 2013 erwähnt der UNO-Generalsekretär, dass im Zeitraum vom 16. Februar bis 15. Mai 2013 insgesamt 4.267 sicherheitsrelevante Vorfälle verzeichnet wurden. Dies stellt einen 10-prozentigen Anstieg gegenüber dem Vorjahreszeitraum dar. 70 Prozent der Vorfälle ereigneten sich im Süden, Südosten und Osten des Landes. Im Osten des Landes ist es zu einem Zustrom von Aufständischen in die Provinzen Nuristan und Badachschan und einem 18-prozentigen Anstieg der Anzahl der Vorfälle gekommen. Bewaffnete Auseinandersetzungen und Spreng- und Brandvorrichtungen machten weiterhin die Mehrzahl der Vorfälle aus.
(UN-General Assembly Security Council: "The Situation in Afghanistan and its implications for international peace and security" vom 13. Juni 2013)
In einem im September 2013 erschienenen Bericht des UNO-Generalsekretärs wird erwähnt, dass die afghanischen Sicherheitskräfte die meisten Operationen durchführen und ihre Opferzahl deutlich angestiegen ist. Berichten zufolge wurden im zweiten Quartal des Jahres 2013 mehr als 3.500 Angehörige der afghanischen Sicherheitskräfte bei Kampfhandlungen verletzt oder getötet. Am 1. Juli 2013 hat der afghanische Innenminister bekannt gegeben, dass zwischen Mitte Mai und Mitte Juni 2013 insgesamt 299 Polizisten getötet wurden. Dabei handelt es sich um einen 22-prozentigen Anstieg im Vergleich zum Vorjahreszeitraum.
Im selben Bericht wird angeführt, dass im Zeitraum vom 16. Mai bis 15. August 2013 insgesamt 5.922 sicherheitsrelevante Vorfälle verzeichnet wurden. Dies stellt einen 11-prozentigen Anstieg im Vergleich zum Vorjahreszeitraum und einen 21-prozentigen Rückgang im Vergleich zum gleichen Zeitraum im Jahr 2011 dar. Laut Bericht haben die Aufständischen ihren Schwerpunkt unter anderem auf Angriffe auf Sicherheitskontrollpunkte und Stützpunkte gelegt, die von den internationalen Truppen an die afghanischen Sicherheitskräfte übergeben wurden. Generell wirkungsvoller Widerstand durch die afghanischen Sicherheitskräfte hat sich auf den Schutz von wichtigen städtischen Zentren, Verwaltungszentren von Distrikten und strategisch wichtigen Transportrouten fokussiert. Die Mehrheit der sicherheitsrelevanten Vorfälle (69 Prozent) ereignete sich weiterhin in den Provinzen im Süden, Südosten und Osten des Landes.
(UN-General Assembly Security Council: "The Situation in Afghanistan and its implications for international peace and security" vom 6. September 2013)
Gemäß ANSO gelingt es den afghanischen Sicherheitskräften nicht, die sich aus dem Abzug der internationalen Truppen ergebenden Lücken zu füllen. Dies zeigt sich insbesondere in den nordwestlichen Provinzen Faryab und Badghis, im gesamten Nordosten und in der südlichen Provinz Paktika. In einigen Gebieten, in welchen die Übergabe in Phase drei erfolgt ist, sind zunehmende Aktivitäten regierungsfeindlicher Gruppierungen zu verzeichnen, während die Aktivitäten der afghanischen Sicherheitskräfte in diesen Gebieten zeitgleich zurückgegangen sind. Mit dem voranschreitenden Abzug der internationalen Truppen haben die regierungsfeindlichen Gruppierungen ihre Angriffe kontinuierlich von den internationalen Zielen weg auf afghanische Ziele fokussiert, d.h. auf die afghanischen Sicherheitskräfte sowie auf afghanische Regierungsangehörige. Dies widerspricht der erwarteten Logik, dass die sinkende internationale Präsenz zu einem Rückgang der militärischen Aktivitäten der regierungsfeindlichen Gruppierungen führen würde.
Die Führung der Taliban ist weiterhin in der Lage, die militärischen Operationen der Bewegung von Pakistan aus strategisch zu lenken sowie die notwendigen Ressourcen zur Unterstützung der operationellen Prioritäten zu beschaffen. Seit 2009 lassen sich drei Entwicklungen erkennen: Erstens wurden auf der strategischen Ebene beträchtliche Anstrengungen hin zu einer stärkeren Zentralisierung der Kommando- und Kontrollstrukturen unternommen, um einer Fragmentierung der Bewegung entgegenzuwirken. Zweitens zeichnet sich eine Militarisierung der Administration ab. Der militärische Druck seitens der ISAF zwang zahlreiche Schattengouverneure in den Untergrund oder zur Flucht nach Pakistan und führte dadurch zu einem verminderten Einfluss dieser. In der Konsequenz ist die Macht der Militärkommissionen gestiegen, die vor Ort präsent sind. Drittens lässt sich auf der taktischen Ebene eine Professionalisierung der Bewegung feststellen.
(Bericht der Schweizer Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update vom 30. September 2013, S. 5 f; ANSO, Quarterly Data Report Q1 2013, S. 12 und 17; ANSO, Quarterly Data Report Q1 2013, S. 11)
Sicherheitslage im Südwesten, Süden und Osten des Landes:
Im Süden waren auch 2012 die meisten zivilen Opfer zu beklagen (46 Prozent). Im Süden und Osten finden die meisten extralegalen Hinrichtungen statt, die überdies um 107 Prozent bzw. 114 Prozent massiv anstiegen. Der Fokus der regierungsfeindlichen Gruppierungen richtete sich jedoch zunehmend auf den Osten, wo die gewaltsamen Auseinandersetzungen in der Folge rasant zunahmen. Insbesondere in der Provinz Nangarhar haben die regierungsfeindlichen Gruppierungen eine signifikante Eskalation zur Verstärkung ihrer Hochburg im Osten unternommen. ANSO geht davon aus, dass es sich um eine strategische Positionierung im Hinblick auf 2014 handelt. Im Frühjahr 2013 konnten die regierungsfeindlichen Gruppierungen ihre Position im Osten weiter konsolidieren und auch im Süden sind die Angriffe erneut in die Höhe geschnellt. Die am meisten umkämpften Provinzen waren 2012/13 Kandahar, Nangarhar, Helmand, Khost, Kunar und Ghazni.
(Bericht der Schweizer Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update vom 30. September 2013, S. 10)
In Nangarhar stiegen die Zwischenfälle durch regierungsfeindliche Gruppierungen im ersten Quartal 2013 gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres um 81 Prozent an. Ebenso wie in Laghman, wo die Zahl der Zwischenfälle um 250 Prozent anstieg, wurden in Nangarhar die größten Zuwächse an Angriffen der bewaffneten Opposition verzeichnet, die auf die Infiltrationsrouten aus Pakistan und die strategisch bedeutsamen Gebiete angrenzend an Kabul-Tokham-Highway abzielen. Die Provinz Kunar war im ersten Quartal 2013 nach Helmand "Spitzenreiter", was das Ausmaß der Angriffe anbelangt. Die Zahl der Vorfälle erhöhte sich in Kunar um 21 Prozent im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Auch in der Provinz Ghazni geht der Trend bezüglich der Sicherheitslage in Richtung einer Verschärfung: Im ersten Quartal 2013 stieg die Zahl der Vorfälle jedoch im Vergleichszeitraum des Vorjahres um 127 Prozent.
(ANSO, Quarterly Report ,vom April 2013)
Provinz Ghazni
Einleitung/Überblick:
Die Provinz Ghazni liegt im östlichen Zentralafghanistan und grenzt im Norden an (Maydan) Wardak, im Nordosten an Logar und Paktia, im Südosten an Paktika, im Südwesten an Zabul, im Westen an Uruzgan sowie im Nordwesten an Daykundi und Bamyan. Der nordwestliche Teil der Provinz zählt zum Hazarajat, dem Hauptsiedlungsgebiet der afghanischen Hazaras. Die für Handel und Transport äußerst wichtige Straße von Kabul nach Kandahar führt durch Ghazni. Die Hauptstadt Ghazni liegt ca. 130 km südwestlich von Kabul. Die Provinz hat eine Fläche von rund 22.500 km2 (etwas kleiner als Mecklenburg-Vorpommern) und eine Einwohnerzahl von rund 1,1 Millionen und ist damit hinsichtlich der Einwohner die sechstgrößte Provinz. Die Bevölkerungsdichte wird mit 49 Einwohnern pro km2 angegeben. Die Provinz ist in 18 oder 19 Distrikte mit 3.901 Siedlungen unterteilt. Hauptstadt ist die Stadt Ghazni.
(Quelle: D-A-CH, Sicherheitslage in Afghanistan, Vergleich zweier Provinzen, vom März 2011, S.4)
Mehr als die Hälfte der Provinz besteht aus gebirgigem und semi-gebirgigem Land. Nur etwas mehr als ein Drittel ist flaches Land. Neun von zehn Einwohnern leben in ländlichen Gebieten. Die Provinz gilt seit 2006 als opiumfrei.
(Quelle: D-A-CH, Sicherheitslage in Afghanistan, Vergleich zweier Provinzen, vom März 2011, S.6)
Die Mehrheit der Einwohner sind Paschtunen (48,9%) und Hazaras (45,9%, vor allem in den Distrikten Jaghatu, Jaghori and Malestan). Außerdem leben dort in kleinerer Anzahl Tadschiken (4,7%), Usbeken, Kuchis (paschtunische Nomaden) und andere. Auch Hindus und Sikhs (0,4%) sollen in der Provinz leben. Die am meisten verbreiteten Sprachen sind Paschtu (51%) und Dari (47%). Daneben werden Usbekisch und weitere Sprachen von einem kleinen Teil der Bevölkerung gesprochen. Während die Hazaras überwiegend schiitische Muslime sind, handelt es sich bei der übrigen muslimischen Bevölkerung um Sunniten. Provinzgouverneur ist seit 13.05.2010 Mohammad Musa Khan Ahmadzai, ein Paschtune aus dem Ahmadzai-Stamm.
(Quelle: D-A-CH, Sicherheitslage in Afghanistan, Vergleich zweier Provinzen, vom März 2011, S.6)
Sicherheitslage:
Im Süden Afghanistans waren auch 2012 die meisten zivilen Opfer zu beklagen (46 Prozent). Der Fokus der regierungsfeindlichen Gruppierungen richtete sich jedoch zunehmend auf den Osten, wo die gewaltsamen Auseinandersetzungen in der Folge rasant angestiegen sind. Insbesondere in Nangarhar haben die regierungsfeindlichen Gruppierungen eine signifikante Eskalation zur Verstärkung ihrer Hochburg im Osten unternommen. ANSO geht davon aus, dass es sich um eine strategische Positionierung im Hinblick auf 2014 handelt. Im Frühjahr 2013 konnten die regierungsfeindlichen Gruppierungen ihre Position im Osten weiter konsolidieren und auch im Süden sind die Angriffe erneut in die Höhe geschnellt. Die meist umkämpften Provinzen waren 2012/13 Kandahar, Nangarhar, Helmand, Khost, Kunar und Ghazni.
(Quelle: Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update, Die aktuelle Sicherheitslage, vom 30.09.2013, S.10)
Die Provinz Ghazni bleibt eine der gewalttätigeren Gegenden des Landes. Im Juli und August 2013 gab es einen Anstieg der Angriffe.
(Quelle: New York Times, Taliban Breach an International Base, Killing at Least, vom 28.08.2013)
Aufgrund des fast völligen Fehlens von NATO-Präsenz konnten die Taliban und al-Quaida ihre Kontrolle ausweiten.
(Quelle: BBC, Afghanistan-s Nuristan province "at mercy of the Taliban", vom 20.03.2013)
Im 1. Quartal 2013 kam es zu einer 100%igen Steigerung von Attacken und Anschlägen regierungsfeindlicher Gruppierungen verglichen mit dem 1. Quartal 2012.
(Quelle: ANSO 1. Quartalsbericht 2013, vom 25.04.2013, S. 10)
Der stellvertretende Vorsitzende des Provinzrates von Ghazni hat mitgeteilt, dass gegenwärtig eine große Anzahl an Pakistanern in Ghazni kämpft. Die Präsenz von Al-Qaida, der Islamischen Bewegung Usbekistan sowie der Laschkar-e-Taiba ist in sechs Distrikten (Andar, Deh Yak, Gelan, Ghazni, Shah Joy und Waghez) festgestellt worden.
(Quelle: ACCORD, Anfragebeantwortung zu Afghanistan: 1) Allgemeine Sicherheitslage; 2) Sicherheitslage und sicherheitsrelevante Vorfälle in Ghazni, insbesondere im Distrikt Qarabagh, seit August 2012 [a-8497], vom 14.08.2013)
Menschenrechte und Menschenrechtsorganisationen:
Trotz beachtlicher Erfolge während der vergangenen elf Jahre bleibt die gesellschaftliche Verankerung der Menschenrechte, insbesondere der Frauenrechte, eine große Herausforderung in Afghanistan. Das liegt zum einen an der Schwäche der afghanischen Institutionen und mangelnder Rechtskenntnis bei Bevölkerung und Behörden, zum anderen an der mangelnden Akzeptanz von Menschen- und Frauenrechten innerhalb der Gesellschaft. Nicht zuletzt spielt die fehlende Bereitschaft von Justiz und Strafverfolgungsbehörden, geltende Gesetze zum Schutz von Menschen- und Frauenrechten umzusetzen, eine Rolle. In Umsetzung der Tokio-Verpflichtungen muss die afghanische Regierung weitere Anstrengungen zur Stärkung der Rechtsstaatlichkeit und Verbesserung der Situation der Menschenrechte vorweisen. Mittlerweile haben sich die afghanische Regierung und die Staatengemeinschaft auf zwei messbare Hard Deliverables im Bereich der Menschenrechte geeinigt, anhand derer die internationale Gemeinschaft eine erste Bilanz der Reformfortschritte ziehen will:
1. Bericht aller beteiligten Regierungsinstitutionen zur landesweiten Umsetzung des Gesetzes zur Eliminierung von Gewalt gegen Frauen [EVAW] und 2. inklusiver Nominierungsprozess für die Kommissare der Unabhängigen Afghanischen Menschenrechtskommission (Afghan Independent Human Rights Commission [AIHRC]).
Neben der afghanischen Verfassung selbst, in der die Gleichberechtigung von Männern und Frauen festgeschrieben ist, bedeutet insbesondere das per Präsidialdekret erlassene EVAW-Gesetz vom August 2009 eine signifikante Stärkung der Frauenrechte. Sowohl ein UNAMA-Bericht vom 11. November 2012 als auch die AIHRC bestätigen, dass im Vergleich zum Vorjahr deutlich mehr Fälle von Gewalt registriert und damit öffentlich geworden sind. Damit sind die Voraussetzungen für eine Strafverfolgung der Schuldigen erheblich besser geworden. Von einer effektiven Umsetzung des Gesetzes sind die Behörden jedoch noch weit entfernt.
Dies bestätigt auch der jüngste Bericht von Human Rights Watch zur Situation weiblicher Insassen afghanischer Hafteinrichtungen, denen sogenannte "Sittenverbrechen" nach der islamischen Scharia vorgeworfen werden. Derzeit seien rund 600 Frauen - also die Hälfte aller weiblichen Insassen - wegen solcher "moralischer Vergehen" inhaftiert. Den meisten dieser Frauen werde Flucht aus dem Elternhaus oder dem Haus des Ehemannes angelastet. Dies sei auch nach afghanischem Recht keine Straftat. Vielmehr seien gerade diese Frauen oft Opfer von häuslicher Gewalt, die nach dem EVAW-Gesetz unter besonderem Schutz der Behörden stehen müssten.
Mangelnde Kenntnis und Akzeptanz des EVAW-Gesetzes führen jedoch dazu, dass viele Fälle von Gewalt gegen Frauen nach wie vor an traditionelle Streitschlichtungsgremien überwiesen werden. Zudem haben auch Menschenrechtsorganisationen festgestellt, dass es der afghanischen Polizei und Justiz weiterhin nicht selten noch an hinreichender Qualifikation fehlt, um Mindeststandards der Rechtspflege konsequent einzuhalten.
Der UNAMA-Folgebericht zu Folter in afghanischen Haftanstalten vom Januar 2013 bestätigt ebenfalls, dass Defizite bei den Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden die Durchsetzung der Menschenrechte in Afghanistan erschweren. Der Bericht konzentriert sich auf Inhaftierte, die im Zusammenhang mit dem bewaffneten Konflikt in Afghanistan festgenommen oder verurteilt wurden. Darin werden den Sicherheitskräften erneut Rechtsverstöße, vor allem Folter, vorgeworfen. Die Gebergemeinschaft, vor allem die EU und die UN, hat nach Veröffentlichung des UNAMA-Berichts die afghanische Regierung nachdrücklich aufgefordert, die Menschenrechte einzuhalten und die Haftbedingungen zu verbessern.
Die afghanische Regierung zog die Ergebnisse des UNAMA-Berichts zunächst in Zweifel. Präsident Karzai beauftragte noch im Januar 2013 eine afghanische Untersuchungskommission, die Vorwürfe zu prüfen. Diese bestätigte die Feststellungen des UNAMA-Berichts. Die Kommission gab elf Handlungsempfehlungen an die Regierung, darunter eine minimale Gesundheitsversorgung für Inhaftierte und Videoaufzeichnungen bei Verhören. Der Präsident ordnete am 11. Februar 2013 die Umsetzung der Empfehlungen per Dekret an. Die AIHRC ist inzwischen wieder voll besetzt.
(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, vom 4. Juni 2013, S. 4f; Deutsche Bundesregierung, Fortschrittsbericht Afghanistan, vom Juni 2013, S.17ff; Deutsche Bundesregierung, Fortschrittsbericht Afghanistan, vom Januar 2014, S. 27ff.)
Allerdings hat die Ernennung der neuen Mitglieder der Menschenrechtskommission im Juni 2013 Unmut unter Menschenrechtsorganisationen sowohl in Afghanistan, als auch im Ausland hervorgerufen.
(RFE-Radio Free Europe: "Human Rights Appointments Draw Fire In Afghanistan", vom 3. Juli 2013)
So beförderte Staatspräsident Karzai, unter anderem, einen früheren Talibanführer zum Kommissionär der AIHRC. Es gab auch andere kontroverse KandidatInnen.
(Afghan Analyst: AIHRC Commissioners Finally Announced, vom 16. Juni 2013; vgl. Revolutionary Association of the Women of Afghanistan:
"Human Rights Commission Appointments Draw Fire In Afghanistan" vom 3. Juli 2013)
Meinungs- und Pressefreiheit:
Die afghanische Verfassung garantiert in Art. 34 Meinungs- und Pressefreiheit. Die Freiheiten sind - zumal im regionalen Vergleich - in einem bemerkenswerten Maß verwirklicht.
Staatliche Medien wie der Fernsehsender RTA, die Nachrichtenagentur Baghda und die Tageszeitung Anis stehen unter starker inhaltlicher Einflussnahme der Regierung. Daneben gibt es eine Fülle privater Medien. Das Spektrum reicht von großen westlich orientierten und regierungskritischen Medien wie Tolo TV, der Tageszeitung Hasht-e-Sobh und der Nachrichtenagentur Pajhwok bis hin zu kleinen Sendern und Zeitungen, die von lokalen Machthabern, Parteien, dem Ausland (insbesondere Pakistan und Iran) sowie religiösen Strömungen für die eigene Propaganda genutzt werden.
Wichtigstes Medium in den Provinzen ist das Radio, in den Städten das Fernsehen. Aufgrund einer hohen Analphabetenrate und schlechter Verfügbarkeit in den ländlichen Regionen sind Printmedien nur von nachrangiger Bedeutung. In Kabul und anderen Städten gibt es jedoch eine Vielzahl kleiner Zeitungen in niedriger Auflagezahl. Die meisten dieser Medien können sich nicht selbst finanzieren und sind daher auf (internationale) Unterstützung angewiesen. Zentral bleiben landesweit auch traditionelle Kommunikationswege: Sowohl lokale Versammlungen als auch Predigten in Moscheen werden von der Bevölkerung als wichtige Informationsquelle wahrgenommen.
Das Ministerium für Information und Kultur hat ein neues Mediengesetz entworfen, das mehr Spielraum für inhaltliche Einflussnahme der Regierung auf die Berichterstattung bietet. Differenzen zwischen dem liberaleren Vizeminister und dem konservativen Minister verhindern zurzeit jedoch die Weitergabe an und Ratifikation durch das Parlament.
Es kommt zu zahlreichen Einschüchterungen und gewalttätigen Übergriffen gegen Journalisten, bis hin zu gezielten Ermordungen. Rasche Ermittlungen und staatsanwaltliche Verfolgung dieser Vorfälle blieben oft nur gute Absicht. Journalisten beklagen zudem eine wach-sende Kontrolle des Staates über Berichterstattung betreffend Korruption, Sicherheitsvorfälle, und Aufständische. Für Sender tätige Personen, die "unislamische" Fernsehsendungen - insbesondere Musikvideos - ausstrahlen, werden zum Teil dem Staatsanwalt vorgeführt. Strafen reichen bis zum Entzug der Sendelizenz. Unter den afghanischen Journalisten ist da-her eine Kultur der Selbstzensur zu beobachten; die Berichterstattung bleibt oft oberflächlich. Einige Journalisten gehen jedoch bewusst Risiken ein, um Missstände anzuprangern. Präsident Karzai sprach sich im Oktober 2012 explizit dafür aus, dass das Ministerium für Information und Kultur medial vermittelte Inhalte stärker kontrollieren solle, da "unislamische" Videos und kontroverse Fernsehdebatten das Potential hätten, die Gesellschaft zu entzweien.
(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, vom 4. Juni 2013, S. 9)
Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit:
Die Versammlungsfreiheit ist in Afghanistan grundsätzlich gewährleistet (siehe auch Artikel 36 der afghanischen Verfassung). Es gibt regelmäßig - genehmigte wie spontane - Demonstrationen, v.a. gegen soziale Missstände, gegen die Tötung von Zivilisten durch NATO-Truppen, gegen (geplante) Koranverbrennungen oder gegen im Ausland verbreitete Karikaturen des Propheten Mohammed. Die Kundgebungen verlaufen in den meisten Fällen friedlich, eskalieren aber teilweise oder werden von Einzelpersonen gezielt genutzt, um gewaltsame Ausschreitungen anzustacheln. Die afghanische Regierung ruft die Bevölkerung bei Demonstrationen regelmäßig auf, diese friedlich abzuhalten.
Die afghanische Verfassung erlaubt in Art. 35 die Gründung von Vereinen nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen. Dem Auswärtigen Amt sind keine Fälle bekannt, in denen die afghanische Regierung auf Zusammenschlüsse wie Vereine, Gewerkschaften o.ä. Druck ausgeübt hätte. Das Gleiche gilt für die Gründung und Tätigkeit im Rahmen politischer Parteien.
(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, vom 4. Juni 2013; United States, Country Reports on Human Rights Practices, vom 19. April 2013)
Religionsfreiheit:
Die Religionsfreiheit ist in der afghanischen Verfassung verankert. Dies gilt allerdings ausdrücklich nur für Anhänger anderer Religionen als dem Islam. Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans (Artikel 2 der Verfassung). Die von Afghanistan ratifizierten internationalen Verträge und Konventionen wie auch die nationalen Gesetze sind allesamt im Lichte des generellen Islamvorbehalts (Artikel 3 der Verfassung) zu verstehen. Die Glaubensfreiheit, die auch die freie Religionsauswahl beinhaltet, gilt in Afghanistan daher für Muslime nicht.
Nach offiziellen Schätzungen sind 84 Prozent der Bevölkerung sunnitische Muslime und 15 Prozent schiitische Muslime. Andere in Afghanistan vertretene Glaubensgemeinschaften wie z.B. Sikhs, Hindus und Christen machen zusammen nicht mehr als 1 Prozent der Bevölkerung aus.
(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, vom 4. Juni 2013, S. 10)
Laut UNHCR schützt die afghanische Regierung religiöse Minderheiten nicht vor Übergriffen.
(Richtlinien des UNHCR zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfes Afghanischer Asylsuchender, S. 22, 44ff.; USDOS, Human Rights Practices 2012, 19. April 2013, S. 22f.)
Ethnische Minderheiten:
Der Anteil der Volksgruppen im Vielvölkerstaat wird in etwa wie folgt geschätzt: Paschtunen ca. 38 Prozent, Tadschiken ca. 25 Prozent, Hazara ca. 19 Prozent, Usbeken ca. 6 Prozent sowie zahlreiche kleinere ethnische Gruppen (Aimak, Turkmenen, Baluchi, Nuristani u.a.). Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Neben den offiziellen Landessprachen Dari und Paschtu wird in der Verfassung (Art. 16) sechs weiteren Sprachen dort ein offizieller Status eingeräumt, wo die Mehrheit der Bevölkerung (auch) eine dieser anderen Sprache spricht. Diese weiteren in der Verfassung genannten Sprachen sind Usbekisch, Turkmenisch, Belutschisch, Pashai, Nuristani und Pamiri.
Für die während der Taliban-Herrschaft besonders verfolgten Hazara hat sich die Lage deutlich verbessert. Sie sind in der öffentlichen Verwaltung zwar nach wie vor unterrepräsentiert, aber dies scheint eher eine Folge der früheren Marginalisierung zu sein als eine gezielte Benachteiligung neueren Datums. Gesellschaftliche Spannungen bestehen fort und leben in lokal unterschiedlicher Intensität gelegentlich wieder auf.
Die ca. eine Million Nomaden (Kutschi), die mehrheitlich Paschtunen sind, leiden in besonderem Maße unter den ungeklärten Boden- und Wasserrechten. De facto kommt es immer wieder zu einer Diskriminierung dieser Gruppe, da ihre Mitglieder aufgrund ihres nomadischen Lebensstils als Außenseiter gelten und so Gefahr laufen, Opfer einer diskriminieren-den Verwaltungspraxis oder strafrechtlicher Sanktionierung zu werden. Immer wieder werden Nomaden rasch einer Straftat bezichtigt und verhaftet, wenngleich sie oft auch genauso schnell wieder auf freiem Fuß sind.
(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, vom 4. Juni 2013, S. 9f)
Tadschiken
Die Dari-sprachige Minderheit der Tadschiken ist die zweitgrößte und zweitmächtigste Gemeinschaft in Afghanistan. Der erste Vizepräsident von Präsident Hamid Karzai ist ein Tadschike. Der Verteidigungsminister ist ebenfalls ein Tadschike. Tadschiken sind bei den Sicherheitskräften deutlich überrepräsentiert. Paschtunen und Tadschiken sind auch die größten ethnischen Gruppen in der Provinz Kabul, wobei die Tadschiken in der Hauptstadt Kabul eine knappe Mehrheit bilden. Ein Großteil der Tadschiken gehört dem sunnitischen Glauben an. Ethnische Spannungen bestehen schon seit vielen Jahren in Afghanistan; im September 2012 wurden bei einem Zusammenstoß von Hazara und Tadschiken in Kabul 5 bis 6 Hazara getötet.
Das UNO-Hochkommissariat für Flüchtlinge (UNHCR) berichtete im Dezember 2010, dass in Afghanistan seit den 1970er Jahren keine Volkszählung mehr durchgeführt wurde. Die verfügbaren Informationen zeigen jedoch, dass die Provinz Kabul durch ethnische Vielfalt gekennzeichnet ist und einen großen Anteil an tadschikischer Bevölkerung hat. Es konnten im Zeitraum 2010/2011 keine Berichte über Attacken von Taliban gegenüber Tadschiken in Kabul gefunden werden. In den Quellen wurden auch keine weiteren Informationen bezüglich der aktuellen Situation der Tadschiken, einschließlich reicher Tadschiken in Kabul, gefunden. Ebenso wurden keine Berichte in Bezug auf staatlichen Schutz für Tadschiken in Kabul gefunden.
Die Mehrheit der Tadschiken gehört der sunnitischen Glaubensrichtung an.
Die zweitgrößte ethnische Gruppe in Afghanistan stellen die Tadschiken mit ca. 30 Prozent dar. Im Vergleich zu den übrigen Volksgruppen sind die Tadschiken in gewisser Weise nur vage definiert; nach landläufigem afghanischen Verständnis sind "Tadschiken" alle diejenigen, die weder den Paschtunen noch irgendeiner anderen nicht primär persischsprachigen Gruppe angehören. Tadschiken im engeren Sinne besiedeln ein geschlossenes Gebiet in den nordöstlichen Provinzen (Badakhshan, Takhar, Baghlan, Parwan, Kapisa und Kabul), dieses Siedlungsgebiet leitet nach Norden, jenseits des AmuDarja, nach Tadschikistan über, wo sie mit knapper Mehrheit das namensgebende Staatsvolk bilden. Häufig werden auch die persischsprechenden Bewohner Nordwestafghanistans, insbesondere der Flußoase von Herat, als Tadschiken bezeichnet, da sich ihre in der Hauptsache städtische Kultur aber deutlich von der Lebensweise der nordostafghanischen tadschikischen Bergbauern abhebt und viele Gemeinsamkeiten mit dem angrenzenden nordöstlichen Iran aufweist, ist es durchaus gerechtfertigt, stattdessen die Bezeichnung "Farsiwan" (Persischsprecher) zu verwenden. Ebenfalls einen Sonderfall stellen die häufig als "Pamir-Tadschiken" bezeichneten Bewohner der höheren Hindukusch-Täler Badakhshans (Wakhi, Ishkashami, Zebaki etc.) dar; sie sprechen im Gegensatz zu den eigentlichen Tadschiken altertümliche nordostiranische Dialekte, die nur weitläufig mit dem Persischen verwandt sind und werden daher in der neueren Literatur als "Pamiri" zusammengefasst. Außerhalb dieser tadschikischen Kerngebiete in Nordafghanistan siedeln Tadschiken inselhaft in weiten Teilen Afghanistans, namentlich in den größeren Städten, in der Hauptstadt Kabul sind sie knapp in der Mehrheit. Wie bereits angedeutet, leben die Tadschiken entweder als sesshafte Bauern, im Hochgebirge häufig mit Almwirtschaft und den damit verbundenen saisonalen vertikalen Wanderungen; in den Städten stellen sie das Gros der Handwerker, kleinen und mittleren Händler, darüber hinaus findet man sie häufig in mittleren Positionen der staatlichen Verwaltung, etwa im Bildungswesen. Als rein sesshaftes Volk kennen die Tadschiken keine Stammesorganisation; sie definieren sich auf lokaler Ebene zumeist nach Dorf- oder Talschaften, wie etwa die Panjsheri, Andarabi etc.
Gemäß Minority Rights Group [MRG] stellen ethnische Spannungen zwischen Hazara und Tadschiken weiterhin ein Hauptproblem in Afghanistan dar. Im September 2012 wurde eine Anzahl von Menschen getötet, als zwischen Mitgliedern der beiden Gemeinschaften in Kabul Gewalt ausbrach.
Gemäß Human Rights Watch schürte die ethnische Gewalt zwischen Tadschiken und Hazara in Kabul im September [2012] erneut die Ängste vor ansteigenden religiösen Konflikten, welche das benachbarte Pakistan geplagt haben, aber in Afghanistan bisher weitgehend abgewendet werden konnten.
Tadschiken sind bei den Sicherheitskräften deutlich überrepräsentiert.
Die Dari-sprachige Minderheit der Tadschiken ist die zweitgrößte und zweitmächtigste Gemeinschaft in Afghanistan. Die Tadschiken sind der Kern der "Nordallianz", eine politisch-militärische Koalition, die oft Karzai und seinem inneren paschtunischen Zirkel gegenübersteht, aber trotzdem mit ihm an den Strukturen der Regierung arbeitet. Der erste Vizepräsident von Präsident Hamid Karzai ist Muhammad Fahim, ein Tadschike. Der Verteidigungsminister, Bismillah Khan Mohammedi, ist ebenfalls ein Tadschike.
Gemäß UNHCR können Einzelpersonen, welche zu einer der bundesweit größten ethnischen Gruppen gehören, in ihrem Wohnort eine ethnische Minderheit darstellen und in ihrer Heimat aufgrund ihrer ethnischen Herkunft bestimmten Herausforderungen ausgesetzt sein. Umgekehrt ist ein Mitglied einer ethnischen Gruppe, welche auf nationaler Ebene eine Minderheit darstellt, aufgrund der Ethnizität in Bereichen, wo diese ethnische Gruppe die lokale Mehrheit darstellt, nicht gefährdet.
(Anfragebeantwortung der Staatendokumentation: "Informationen zur Lage von Tadschiken in Kabul, welche dem Glauben der Sunniten angehören" vom 15. November 2013)
Justiz und (Sicherheits‑)Verwaltung:
Verwaltung und Justiz funktionieren nur sehr eingeschränkt. Neben der fehlenden Einheitlichkeit in der Anwendung der verschiedenen Rechtsquellen (kodifiziertes Recht, Scharia und Gewohnheitsrecht), werden auch rechtsstaatliche Verfahrensprinzipien nicht regelmäßig eingehalten. Trotz bestehender Aus- und Fortbildungsangebote für Richter und Staatsanwälte wird die Schaffung eines funktionierenden Verwaltungs- und Gerichtssystems noch Jahre dauern.
(Bericht des Deutschen Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan vom 4. Juni 2013)
Richterinnen und Richter sind Bestechungsversuchen und Drohungen sowohl seitens lokaler Machthaber, Beamten aber auch Familienangehörigen, Stammesältesten und Angehöriger regierungsfeindlicher Gruppierungen ausgesetzt, was ihre Unabhängigkeit schwerwiegend beeinträchtigt. Die Urteile zahlreicher Gerichte basieren auf einem Gemisch von kodifiziertem Recht, Schari'a, lokalen Gebräuchen und Stammesgesetzen. Gerichtsprozesse entsprechen in keiner Weise den internationalen Standards für faire Verfahren. Die Haftbedingungen liegen weiterhin unter den internationalen Standards; sanitäre Einrichtungen, Nahrungsmittel, Trinkwasser und Decken sind mangelhaft, ansteckende Krankheiten verbreitet.
Die Afghanische Nationale Polizei [ANP] gilt als korrupt und verfügt bei der afghanischen Bevölkerung kaum über Vertrauen. Die afghanischen Sicherheitskräfte, die inzwischen praktisch im ganzen Land an vorderster Front kämpfen, werden auch künftig auf internationale Unterstützung sowie Beratung und Ausbildung angewiesen sein. Ein weiteres schwerwiegendes Problem stellt die hohe Ausfallquote dar: Rund 35 Prozent der Angehörigen der Afghanischen Sicherheitskräfte schreiben sich jedes Jahr nicht mehr in den Dienst ein. Die Desertionsrate in der Armee wird nur noch von jener der ANP übertroffen.
Die Taliban haben in den von ihnen kontrollierten Gebieten ihre eigenen parallelstaatlichen Justizsysteme eingerichtet. Ihre Rechtsprechung basiert auf einer äußerst strikt ausgelegten Interpretation der Shari'a; die von ihnen ausgeführten Bestrafungen umfassen auch Hinrichtungen und körperliche Verstümmelungen und werden von UNAMA teilweise als Kriegsverbrechen eingestuft.
(Bericht der Schweizer Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update vom 30. September 2013, S. 12f)
Eine Strafverfolgungs- oder Strafzumessungspraxis, die systematisch nach Merkmalen wie Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischer Überzeugung diskriminiert, ist nicht festzustellen. Fälle von Sippenhaft sind allerdings nicht auszuschließen (Bericht des Deutschen Auswärtigen Amtes vom 4.6.2013). Blutfehden können zu lang anhaltenden Kreisläufen aus Gewalt und Vergeltung führen. Nach dem Pashtunwali muss die Rache sich grundsätzlich gegen den Täter selbst richten, unter bestimmten Umständen kann aber auch der Bruder des Täters oder ein anderer Verwandter, der aus der väterlichen Linie stammt, zum Ziel der Rache werden. Im Allgemeinen werden Racheakte nicht an Frauen und Kinder verübt. Wenn die Familie des Opfers nicht in der Lage ist, sich zu rächen, dann kann die Blutfehde ruhen, bis die Familie des Opfers sich in der Lage sieht, Racheakte auszuüben. Daher kann sich die Rache Jahre oder sogar Generationen nach dem eigentlichen Vergehen ereignen. Die Bestrafung des Täters durch das formale Rechtssystem schließt gewaltsame Racheakte durch die Familie des Opfers nicht notwendigerweise aus.
Innerhalb der Polizei sind Korruption, Machtmissbrauch und Erpressung - ebenso wie in der Justiz - endemisch.
(Richtlinien des UNHCR zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfes Afghanischer Asylsuchender vom 6. August 2013)
Strafverfolgung, Strafbemessung und Strafvollstreckung:
Eine Strafverfolgungs- oder Strafzumessungspraxis, die systematisch nach Merkmalen wie Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischer Überzeugung diskriminiert, ist nicht erkennbar. Fälle von Sippenhaft sind allerdings nicht auszuschließen. Zu einer Strafverfolgungs- oder Strafzumessungspraxis, die speziell Christen diskriminiert, kommt es in Afghanistan in der Regel schon deshalb nicht, weil sich Christen nicht offen zu ihrem Glauben bekennen.
Präsident Karzai verkündet in regelmäßigen Abständen zu besonderen Anlässen Amnestien, die insbesondere Frauen, Kinder und ältere Gefängnisinsassen betreffen.
(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, vom 4. Juni 2013, S. 11)
Haftbedingungen:
Gefängnisse, Jugendrehabilitationszentren und andere Haftanstalten werden von unterschiedlichen Organisationen verwaltet: Das "General Directorate of Prisons and Detention Centers" (GDPDC), ein Teil des Innenministeriums (MOI), ist verantwortlich für alle zivil geführten Gefängnisse sowohl für weibliche als auch männliche Häftlinge. Das MOI und das "Juvenile Rehabilitation Directorate" (JRD) sind verantwortlich für alle Jugendrehabilitationszentren und Zivilhaftanstalten. Die ANP (Afghan National Police) unter dem Innenministerium und dem NDS (National Directorate of Security) ist verantwortlich für Kurzhaftanstalten auf Provinz- und Bezirksebene. Das Verteidigungsministerium betreibt die nationalen Haftanstalten Afghanistans in Parwan und Pul-e-Charki.
(United States, Country Reports on Human Rights Practices, vom 19. April 2013)
Folter und Misshandlungen werden nach wie vor in den Gefängnissen in Afghanistan praktiziert und stellen ein ernstzunehmendes und weitverbreitetes Problem in den Haftanstalten Afghanistans dar.
(United Nations Assistance Mission in Afghanistan "Treatment of Conflict-Related Detainees in Afghan Custody" vom Jänner 2013; Afghanistan Independent Human Rights Commission "Torture, Transfers, and Denial of Due Process" vom 17. März 2012; TAZ: "Kabul räumt erstmals Folter ein" vom 11. Februar 2013)
AIHRC und andere Beobachter berichteten, dass es in den Gefängnissen kein adäquates Essen oder Wasser gebe. Außerdem seien die Sanitäranlagen schlecht und es seien nicht genügend Decken vorhanden. Infektiöse Krankheiten seien verbreitet.
(United States, Country Reports on Human Rights Practices, vom 19. April 2013)
Die Haftbedingungen liegen weiterhin unter den internationalen Standards. Sanitäre Einrichtungen, Nahrungsmittel und Trinkwasser sowie Decken sind mangelhaft, ansteckende Krankheiten verbreitet. Die begrenzten Unterbringungsmöglichkeiten führen dazu, dass Gefangene in Untersuchungshaft und bereits verurteilte Gefangene nicht getrennt festgehalten werden. Im März 2012 führten etwa 100 Gefangene im Pul-e-Charkhi-Gefängnis wegen Misshandlungen einen Hungerstreik durch. Für Kinder verurteilter Mütter wurden spezielle Unterstützungszentren geschaffen.
(Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update vom 30. September 2013, S. 12f; USDOS, Human Rights Practices 2012, 19. April 2013, S. 3f.)
Todesstrafe:
Die Todesstrafe ist in der Verfassung und im Strafgesetzbuch für besonders schwerwiegende Delikte (Mord, Entführung und gewisse Straftaten gegen die nationale Sicherheit) vorgesehen. Unter dem Einfluss der Scharia wird die Todesstrafe aber auch bei anderen Delikten verhängt (z.B. Blasphemie, Apostasie). Die Entscheidung über die Todesstrafe wird vom Obersten Gericht getroffen und kann nur mit Einwilligung des Präsidenten vollstreckt werden. Allgemein sind keine Bestrebungen seitens der Regierung zu erkennen, ein Moratorium zu erlassen oder die Todesstrafe gar abzuschaffen. Zuletzt wurde die Todesstrafe im November 2012 vollstreckt, als 14 wegen Vergewaltigung und Mordes Verurteilte exekutiert wurden. Landesweit sind momentan über 100 Personen zu Tode verurteilt.
(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, vom 4. Juni 2013, S. 16; vgl.: Amnesty International, Amnesty Report 2013, vom 21. Mai 2013)
Gemäß Amnesty International wurden in Afghanistan am 20. und 21. November 2012 14 Gefangene hingerichtet. Der Oberste Gerichtshof soll zudem 30 Todesurteile bestätigt haben. Zehn Todesurteile wurden in Haftstrafen umgewandelt. Ende November 2012 befanden sich mehr als 250 Personen in Todeszellen.
(Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update vom 30. September 2013, S. 12f; Amnesty International, Report 2013, vom 23. Mai 2013. USDOS, Human Right Practices 2012, vom 19. April 2013, S. 3)
Versorgungslage:
Die Grundversorgung ist für große Teile der Bevölkerung eine tägliche Herausforderung. Das World Food Programme reagiert das ganze Jahr hindurch in verschiedenen Landesteilen auf Krisen bzw. Notsituationen wie Dürre, Überschwemmungen oder extremen Kälteeinbruch. Auch der Norden - eigentlich die "Kornkammer" - des Landes ist extremen Natureinflüssen wie Trockenheiten, Überschwemmungen und Erdverschiebungen ausgesetzt. Die aus Konflikt und chronischer Unterentwicklung resultierenden Folgeerscheinungen im Süden und Osten haben zur Folge, dass ca. 1 Mio. oder 29,5 Prozent aller Kinder als akut unterernährt gelten.
(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, vom 4. Juni 2013, S. 18)
Medizinische Versorgung:
Die medizinische Versorgung ist trotz erkennbarer Verbesserungen landesweit (die Anzahl der Gesundheitseinrichtungen hat sich seit 2002 vervierfacht) aufgrund ungenügender Verfügbarkeit von Medikamenten, Ausstattung der Kliniken, Ärzten und Ärztinnen sowie mangels gut qualifizierten Assistenzpersonals (v.a. Hebammen) immer noch unzureichend. Dies führt dazu, dass Afghanistan weiterhin zu den Ländern mit der höchsten Mütter- und Kindersterblichkeitsrate der Welt gehört. Die Lebenserwartung der Frauen liegt bei 51, Männer werden im Schnitt 48 Jahre alt.
Durch die überdurchschnittlich gute ärztliche Versorgung im French Medical Institute in Kabul können Kinder auch mit komplizierteren Krankheiten in Kabul behandelt werden. Afghanische Staatsangehörige mit guten Kontakten zum ausländischen Militär oder Botschaften, können sich unter Umständen auch in Militärkrankenhäusern der ausländischen Truppen behandeln lassen. Die Militärkrankenhäuser können Zivilisten (jeglicher Staatsangehörigkeit) allerdings nur in beschränktem Maße aufnehmen, da Betten für Mitglieder der internationalen Streitkräfte vorgehalten werden müssen.
Die Behandlung von psychischen Erkrankungen stellt Afghanistan nach wie vor große Herausforderungen. Die wenigen Kliniken, die es in einigen größeren Städten gibt, sind klein und überfüllt.
(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, vom 4. Juni 2013, S. 18)
Während sich der Zugang zu Gesundheitseinrichtungen für die städtische Bevölkerung verbessert hat, hat sich dieser für die ländliche Bevölkerung sowie für Nomaden verschlechtert. Insbesondere für Personen, welche in Gebieten unter der Kontrolle regierungsfeindlicher Gruppierungen leben, sind medizinische Einrichtungen schwer zu erreichen. 10 Prozent der Kinder sterben, bevor sie das 5. Lebensjahr erreichen und die Müttersterblichkeit gehört noch immer zu den weltweit höchsten.
(Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update vom 30. September 2013, S. 21)
Physisch und psychisch behinderte Personen und Opfer von Misshandlungen, die erwägen, in ihr Heimatland zurückzukehren, müssen eine starke Unterstützung seitens ihrer Familie und der betreffenden Kommune sicherstellen. Medizinische Versorgung ist für eine Vielzahl von Krankheiten weitestgehend nicht erhältlich. Chirurgische Eingriffe können nur in ausgewählten Orten durchgeführt werden; generell fehlt es an adäquater Ausrüstung und Fachpersonal. Diagnosegeräte wie zum Beispiel Computertomographen, von denen es nur in Kabul einen gibt, sind ebenfalls nicht erhältlich. Der Zugang zu Medikamenten verbessert sich, wobei einige dennoch den meisten Afghanen nicht zugänglich sind.
(BAMF_IOM, Länderinformationsblatt - Afghanistan, vom Oktober 2012, S. 16)
Rückkehrfragen:
Freiwillig zurückkehrende Afghanen kamen in den ersten Jahren meist bei Familienangehörigen unter, was die in der Regel nur sehr knapp vorhandenen Ressourcen (Wohnraum, Versorgung) noch weiter strapazierte. Eine zunehmende Zahl von Rückkehrern verfügt aber nicht mehr über diese Anschlussmöglichkeiten.
(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage, vom 10. Jänner 2012, S. 28)
Ob ein Schutz in Kabul für Personen aus einer Konfliktregion gegeben ist, hängt sehr von der Schwere des Konflikts ab, ob sie oder er in Kabul weiter verfolgt wird. Aufgrund der Stammesgesellschaft mit nahen Familiennetzen ist es kein Problem, jemanden zu finden, wenn man es wirklich will. Auch den nationalen Behörden ist es möglich, in Kabul Personen ausfindig zu machen. Die Problematik, die sich jedoch dabei stellt, ist, dass es in Afghanistan keine Registrierung der Adresse gibt.
(Danish Immigration Service, Report from Danish Immigration Service's fact finding mission to Kabul, vom 29. Mai 2012)
Physisch und psychisch behinderte Personen und Opfer von Misshandlungen, die erwägen, in ihr Heimatland zurückzukehren, müssen eine starke Unterstützung seitens ihrer Familie und der betreffenden Kommune sicherstellen. Medizinische Versorgung ist für eine Vielzahl von Krankheiten weitestgehend nicht erhältlich. Chirurgische Eingriffe können nur in ausgewählten Orten durchgeführt werden; generell fehlt es an adäquater Ausrüstung und Fachpersonal. Diagnosegeräte wie zum Beispiel Computertomographen, von denen es nur in Kabul einen gibt, sind ebenfalls nicht erhältlich. Der Zugang zu Medikamenten verbessert sich, wobei einige dennoch den meisten Afghanen nicht zugänglich sind.
(BAMF_IOM, Länderinformationsblatt - Afghanistan, vom Oktober 2012, S. 16)
Ausweichmöglichkeiten:
Die Ausweichmöglichkeiten für diskriminierte, bedrohte oder verfolgte Personen hängen maßgeblich vom Grad ihrer sozialen Verwurzelung, ihrer Ethnie und ihrer finanziellen Lage ab. Die größeren Städte bieten aufgrund ihrer Anonymität eher Schutz als kleine Städte oder Dorfgemeinschaften.
(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, vom 4. Juni 2013, S. 14)
Nach Ansicht von UNHCR besteht in umkämpften Gebieten keine interne Fluchtmöglichkeit. Da regierungsfeindliche Gruppierungen wie die Taliban, das Haqqani-Netzwerk oder Hekmatyars Hezb-e Islami über operationelle Kapazitäten verfügen, Personen im ganzen Land zu verfolgen, existiert für von diesen Gruppierungen bedrohte Personen auch in Gebieten, welche von der Regierung kontrolliert werden, keine Fluchtalternative. Die afghanische Regierung hat in zahlreichen Gebieten des Landes die effektive Kontrolle an regierungsfeindliche Gruppierungen verloren und ist dort daher nicht mehr schutzfähig. Betreffend der Verletzung sozialer Normen muss in Betracht gezogen werden, dass konservative Akteure auf allen Regierungsstufen Machtpositionen innehaben und das weite Segmente der afghanischen Gesellschaft konservative Wertvorstellungen vertreten. UNHCR schließt für alleinerziehende Frauen ohne nahe männliche Angehörige eine innerstaatliche Fluchtalternative aus.
(UNHCR, Eligibility Guidelines, vom August 2013, S. 72 bis 78)
Dokumente:
Echte Dokumente unwahren Inhalts gibt es in erheblichem Umfang. So werden Pässe und Personenstandsurkunden von afghanischen Ministerien und Behörden offenkundig ohne adäquaten Nachweis ausgestellt. Ursachen sind ein nach 23 Jahren Bürgerkrieg lückenhaftes Registerwesen, mangelnde administrative Qualifikation sowie weit verbreitete Korruption.
(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage, vom 10. Jänner 2012, S. 30)
Weniger als zehn Prozent der afghanischen Bevölkerung haben ein Geburtszertifikat. Auch besitzen die wenigsten Kinder eine Geburtsurkunde.
(United States Department of State, Trafficking in Persons Report 2012, vom 19. Juni 2012; UNICEF: "Children on the Move" vom Februar 2010)
Die Tazkira ist die übliche ID-Karte in Afghanistan. Dort sind persönliche und familienbezogene Informationen des Inhabers festgehalten wie Wohn- und Geburtsort, Beruf und Militärdienst. Es gibt keine weiteren Identitätskarten, mit denen die Angaben einer Tazkira zusätzlich legitimiert werden könnten. Das Immigration and Refugee Board of Canada (IRBC) geht davon aus, dass es kein Standardverfahren zur Verifizierung der Identität des Antragsstellers und zur Ausstellung der Tazkira gibt. Tazkiras werden für den Schul- oder Universitätseintritt oder für die Beantragung eines Reisepasses gebraucht. Viele beantragen eine Tazkira erst, wenn sie eine benötigen. UNHCR beschrieb, dass jeder Mann eine Tazkira haben sollte, für die Frauen ist die Beantragung freiwillig.
(Brooking Institution University of Bern: "Realizing National, Responsibility for the Protection of Internally Displaced Persons in Afghanistan: A Review of Relevant Laws, Policies, and Practices" vom November 2010; Immigration and Refugee Board of Canada:
"Afghanistan: The Issuance of Tazkira Certificates; Whether Individuals Can Obtain Tazkiras While Abroad" vom 16. Dezember 2011)
Risikogruppen:
In seinen "Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom August 2013" geht UNHCR von folgenden "möglicherweise gefährdeten Personenkreisen in Afghanistan" aus:
• Personen, die tatsächlich oder vermeintlich mit der Regierung oder mit der internationalen Gemeinschaft einschließlich der internationalen Streitkräfte verbunden sind, oder diese tatsächlich oder vermeintlich unterstützen
• Journalisten und in der Medienbranche tätige Personen
• Männer und Burschen im wehrfähigen Alter
• Zivilisten, die der Unterstützung regierungsfeindlicher Kräfte verdächtigt werden
• Angehörige religiöser Minderheiten und Personen, bei denen vermutet wird, dass sie gegen die Scharia verstoßen haben
• Personen, bei denen vermutet wird, dass sie gegen islamische Grundsätze, Normen und Werte gemäß der Auslegung durch die Taliban verstoßen
• Frauen
• Kinder
• Opfer von Menschenhandel oder Zwangsarbeit und Personen, die entsprechend gefährdet sind
• lesbische, schwule, bisexuelle, transgender und intersexuelle Personen (LGBTI)
• Angehörige ethnischer (Minderheiten‑)Gruppen
• an Blutfehden beteiligte Personen
• Familienangehörige von Geschäftsleuten und anderen wohlhabende Personen
Die Aufzählung ist nicht notwendigerweise abschließend. Je nach den spezifischen Umständen des Falls können auch Familienangehörige oder andere Mitglieder des Haushalts von Personen mit diesen Profilen aufgrund ihrer Verbindung mit der gefährdeten Person inter-nationalen Schutzes bedürfen.
Überdies können nach den genannten UNHCR-Richtlinien "Menschenrechtsverletzungen einzeln oder zusammen eine Verfolgung darstellen, wie etwa:
• die Kontrolle über die Zivilbevölkerung durch regierungsfeindliche Kräfte einschließlich der Einführung paralleler Justizstrukturen und der Verhängung ungesetzlicher Strafen sowie der Bedrohung und Einschüchterung der Zivilbevölkerung, der Einschränkung der Bewegungsfreiheit und der Einsatz von Erpressungen und illegalen Steuern
• Zwangsrekrutierung
• die Auswirkung von Gewalt und Unsicherheit auf die humanitäre Situation in Form von Ernährungsunsicherheit, Armut und Vernichtung von Lebensgrundlagen
• steigende organisierte Kriminalität und die Möglichkeit von lokalen Machthabern ("Warlords") und korrupten Beamten, in von der Regierung kontrollierten Gebieten straflos zu agieren
• die systematische Beschränkung des Zugangs zu Bildung und zu grundlegender Gesundheitsversorgung
• die systematische Beschränkung der Teilnahme am öffentlichen Leben, insbesondere für Frauen.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers, zu seiner illegalen Einreise sowie zu seiner Antragstellung zur Erlangung internationalen Schutzes ergeben sich aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers im gesamten Verfahren sowie aus den Verwaltungsakten. Es ist diesbezüglich kein Grund ersichtlich, daran zu zweifeln.
Soweit der Beschwerdeführer vorbringt, er habe Afghanistan wegen einer Bedrohung seitens der Taliban verlassen und befürchte, von ihnen getötet zu werden, wenn er nicht mit ihnen zusammenarbeite, so erweisen sich die diesbezüglichen Ausführungen aus folgenden Gründen als nicht glaubhaft:
Zur Beurteilung, ob die Verfolgungsgründe als glaubhaft gemacht anzusehen sind, ist auf die persönliche Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers und das Vorbringen zu den Fluchtgründen abzustellen. Die Beurteilung der persönlichen Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers hat vor allem zu berücksichtigen, ob dieser außerhalb des unmittelbaren Vortrags zu seinen Fluchtgründen die Wahrheit gesagt hat; auch ist die Beachtung der in § 15 AsylG 2005 normierten Mitwirkungspflichten gemäß § 18 Abs. 2 AsylG 2005 und die sonstige Mitwirkung des Beschwerdeführers im Verfahren zu berücksichtigen. Bei der Bewertung des Fluchtvortrages ist darauf abzustellen, ob dieser hinreichend widerspruchsfrei und - auch in Nebenpunkten und allenfalls auf Nachfrage - detailliert vorgebracht wurde und im kulturellen und historischen Zusammenhang in Bezug auf den Herkunftsstaat möglich ist.
Wie schon das Bundesasylamt ausgeführt hat, waren die Angaben des Beschwerdeführers vage sowie widersprüchlich, sodass nicht von der Glaubwürdigkeit ausgegangen werden kann. In der Erstbefragung sprach der Beschwerdeführer davon, dass sein Vater und er von den Taliban zur Zusammenarbeit aufgefordert worden seien. Dies habe sein Vater abgelehnt, woraufhin er getötet worden sei. Danach hätten sich die Taliban an den Beschwerdeführer gewandt und von ihm gewollt, dass er als Agent für sie arbeite (AS 21). Dagegen sprach der Beschwerdeführer in der Einvernahme vor dem Bundesasylamt davon, dass sich die Taliban zuerst nur an den Vater gewandt hätten - nicht auch an den Beschwerdeführer - und erst nach der Ermordung des Vaters an den Beschwerdeführer herangetreten wären (AS 85ff). Weshalb die Taliban nach der Ermordung des Vaters im Juli 2011 mehr als ein halbes Jahr warten sollten, bis sie sich im März 2012 an den Beschwerdeführer zwecks einer Zusammenarbeit wenden, ist nicht einleuchtend. Der Beschwerdeführer konnte hierfür auch keine plausible Erklärung abgeben, sondern meinte nur, es hätte eben einige Zeit gedauert, bis sie erfahren hätten, dass er an einer Mädchenschule unterrichte und der Kontakt zum Distriktsvorsteher habe (AS 87). Dies ist aber deshalb nicht nachvollziehbar, als bereits der Vater des Beschwerdeführers Kontakt zum Distriktsvorsteher hatte, weshalb es wohl nicht über ein halbes Jahr dauern kann, um herauszufinden, dass auch der Sohn Kontakt zu demselben Distriktsvorsteher hat.
Etwa im März 2012 (Ende 1390 nach afghanischer Zeitrechnung) habe der Beschwerdeführer von XXXX, einem ehemaligen Schulkollegen, der nun ein Taliban sei, erfahren, dass er seit zwei Monaten unter der Kontrolle der Taliban stehe und aufpassen solle (AS 75). Etwas später im März 2012 (Anfang 1391 nach afghanischer Zeitrechnung) habe ihn XXXX, der der größte Taliban-Kommandant im Distrikt XXXX sei, angerufen und ihn ins Dorf XXXX eingeladen. Dort sei ihm von XXXX gesagt worden, dass er die Mädchenschule schließen müsse und er für die Taliban arbeiten solle (AS 77). Danach brachte der Beschwerdeführer vor, dass er später zwei Drohbriefe erhalten habe, in denen dasselbe gestanden sei, was ihm bei dem Treffen gesagt worden wäre. Diese Äußerungen seien nur schriftlich wiederholt worden. Der Beschwerdeführer behauptete jedoch auch, dass in den Drohbriefen gestanden sei, er solle seine Tätigkeit in der Mädchenschule beenden (AS 79f). Aufgrund dieser widersprüchlichen Angaben (Schließung der Mädchenschule - Beenden der Tätigkeit in der Mädchenschule) ist dieses Vorbringen des Beschwerdeführers nicht glaubwürdig. Darüber hinaus erwähnte er diesen Umstand in der Erstbefragung noch nicht. Auch wenn sich die Angaben in der Erstbefragung gemäß § 19 Abs. 1 AsylG nicht auf die "näheren" Fluchtgründe zu beziehen haben (vgl. VfGH 27.06.2012, U 98/12), war der Beschwerdeführer dennoch gehalten, kurz zu erläutern, weshalb er seine Heimat verlassen habe. Dass er daher das Vorbringen betreffend die Mädchenschule in der Erstbefragung nicht erwähnt hat, ist nicht nachvollziehbar.
Schließlich behauptete der Beschwerdeführer auch, dass seine Mutter "ein paar Mal" aufgesucht worden sei und dabei ein Mullah nach dem Beschwerdeführer verlangt habe (AS 81). Auch die Angaben hinsichtlich dieses Vorbringens waren nicht glaubwürdig. So machte der Beschwerdeführer hinsichtlich der Häufigkeit dieser Besuche unterschiedliche Angaben. Zunächst behauptete er, dass er diese Besuche "zwei, drei Mal" selbst mitbekommen habe und ihm seine Mutter noch von weiteren "zwei Mal" erzählt habe. Das wären insgesamt vier oder fünf Besuche. Danach brachte er jedoch vor, dass die Taliban jede Woche bzw. jede zweite Woche zu ihnen gekommen wären (AS 83). Wenn man vom spätestmöglichen Zeitpunkt ausgeht, nämlich dass diese Besuche erst nach dem Erhalt des zweiten Drohbriefs begonnen haben, so wäre dies etwa ab Ende Mai 2012 gewesen (ca. Ende März 2012 sei er bei XXXX gewesen; 20 oder 25 Tage später - also ca. Mitte April 2012 - sei der erste Drohbrief gekommen; eineinhalb Monate später - also ca. Ende Mai 2012 - sei der zweite Drohbrief gekommen). Bis zu seiner Ausreise ca. im August 2012 sind daher noch etwa 3 Monate vergangen. Wenn die Taliban also "jede Woche" oder "jede zweite Woche" gekommen wären, wäre dies jedenfalls öfter als die anfangs behaupteten vier oder fünf Mal gewesen. Dies trifft umso mehr zu, wenn die Besuche bereits vor dem Erhalt des letzten Drohbriefes begonnen hätten. Darüber hinaus konnte der Beschwerdeführer zu den Besuchen selbst keine konkreten Angaben machen, weshalb auch aus diesem Grund das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht glaubwürdig ist. So konnte der Beschwerdeführer nicht angeben, was die Taliban gewollt hätten. Er gab auf diese Frage ausweichend an, dass er sie [die Taliban] nicht gesehen habe und sie mit seiner Mutter gesprochen hätten (AS 83). Dass der Beschwerdeführer nicht mit seiner Mutter darüber gesprochen hat, zumal er zum Zeitpunkt der Besuche selbst auch zu Hause gewesen sei, ist nicht nachvollziehbar. Auch auf die Frage, was die Mutter zu den Taliban gesagt habe, als diese nach dem Beschwerdeführer gefragt hätte, beantwortete der Beschwerdeführer ausweichend, indem er angab, seine Mutter habe nicht gewusst, wer sie [die Taliban] sind und was sie gewollt hätten (AS 83f). Dass die Mutter nicht wissen soll, was die Leute von ihr gewollt hätten, ist überhaupt nicht nachvollziehbar und auch die Behauptung, dass sie nicht wisse, wer die Leute seien, ist nicht plausibel, zumal anzunehmen ist, dass der Beschwerdeführer mit seiner Mutter über die Besuche spricht und sie dabei zwangsläufig erfährt, wer diese Leute wären. Schließlich brachte der Beschwerdeführer noch vor, dass er nach dem Erhalt der Drohbriefe weder den XXXX noch einen anderen Taliban in seinem Heimatdorf gesehen habe, da "die Personen nicht woanders hingehen" würden und sie "immer an Ort und Stelle" bleiben würden. Dies widerspricht aber nun seiner Behauptung, er bzw. seine Mutter sei von Taliban aufgesucht worden. Auf die Frage, wer dann die Mutter aufgesucht habe, meinte er, dass die Taliban nicht aus zwei, drei Personen bestehen würden, sondern mehrere seien und jeder Kommandant ca. 100 Anhänger habe (AS 83). Wenn es sich um "Anhänger" handelt, wären diese auch Taliban, weshalb die Antwort des Beschwerdeführers nicht schlüssig ist. Zusammengefasst ist daher das Vorbringen des Beschwerdeführers in Bezug auf die Besuche durch Taliban nicht glaubwürdig.
In der Einvernahme vor dem Bundesasylamt behauptete der Beschwerdeführer auch, dass er Dokumente, und zwar die beiden Drohbriefe, seine Tazkira, ein Diplom und Dokumente betreffend die Ermordung seines Vaters, per Post erhalten sollte (AS 65), bislang sie jedoch noch nicht erhalten habe. Dazu ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer bis zum Entscheidungszeitpunkt keine Dokumente vorgelegt hat. Auch dies trägt nicht zur Glaubhaftmachung seines Vorbringens bei.
Der Beschwerdeführer brachte vor, dass sein Bruder XXXX ca. Anfang Oktober 2011 (Mitte des 7. Monats 1390 nach afghanischer Zeitrechnung) plötzlich verschwunden sei und sie bis heute nicht wüssten, wo er sich aufhalte. In diesem Zusammenhang ist völlig unplausibel, weshalb der Beschwerdeführer ein Foto seines Bruders an die im Iran lebenden Brüder geschickt hat und diese in einer iranischen Zeitung das Bild ablichten sowie darüber berichten hätten lassen, ob jemand den XXXX gesehen habe (AS 75). Naheliegender wäre es, den Bruder in Afghanistan zu suchen und nicht im Iran.
Auch dass zwei Brüder des Beschwerdeführers bloß wegen Tätigkeit des Vaters als Dorfvorsteher gleich das Land verlassen und in den Iran gegangen seien, kann nicht logisch nachvollzogen werden. Die Erklärung des Beschwerdeführers, sie seien nicht damit einverstanden gewesen, dass der Vater diese Tätigkeit ausübt, weshalb sie sich in den Iran begeben hätten (AS 71), vermag nicht zu überzeugen. Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb man, nur weil man mit der Entscheidung des Vaters, als Dorfvorsteher zu arbeiten, nicht einverstanden ist, sogleich das Land verlassen muss und nicht etwa in ein anderes Dorf, einen anderen Bezirk oder eine andere Provinz im Heimatland zieht.
Im Zusammenhang mit den vor dem Bundesasylamt gemachten Angaben zu seinen Brüdern fällt auf, dass der Beschwerdeführer in der Erstbefragung diese Aussagen noch nicht getätigt hat. Dort erwähnte er weder dass sein Bruder XXXX verschwunden sei noch dass seine anderen beiden Brüder im Iran leben würden. Dies ist insofern verwunderlich, als der Beschwerdeführer dies an unterschiedlichen Stellen hätte machen können. Etwa als der Beschwerdeführer nach Familienangehörigen gefragt wurde (AS 15), hätte er bei der Nennung seiner Brüder erwähnen können, dass zwei Brüder im Iran leben und ein Bruder verschwunden sei. Auch als er gefragt wurde, wovon seine Familie den Lebensunterhalt bestreite, brachte er nur vor, dass seine Brüder Arbeiter seien (AS 17), erwähnte aber mit keinem Wort, dass zwei Brüder im Iran leben und ein Bruder verschwunden sei. Schließlich wäre es auch im Zusammenhang mit der Schilderung seines Fluchtgrundes möglich gewesen, kurz das Schicksal seiner Brüder anzugeben. Erst in der ca. drei Monate später erfolgten Einvernahme vor dem Bundesasylamt brachte der Beschwerdeführer vor, dass zwei Brüder im Iran leben würden und ein Bruder verschwunden sei. Es entsteht daher der Eindruck, dass die Angaben des Beschwerdeführers in Bezug auf seine Brüder nicht der Wahrheit entsprechen.
Dem Bundesasylamt kann dementsprechend nicht darin entgegengetreten werden, dass der Beschwerdeführer im Laufe seines Verfahrens mit seinem Vorbringen eine konkrete und aktuelle Verfolgung oder drohende Verfolgung aus Gründen, wie in der Genfer Flüchtlingskonvention taxativ aufgezählt, nicht habe glaubhaft machen können. Das Vorbringen des Beschwerdeführers war zusammengefasst vage und widersprüchlich.
Umstände, die individuell und konkret den Beschwerdeführer betreffen und auf eine konkrete Verfolgung des Beschwerdeführers hindeuten könnten, können daher nicht festgestellt werden. Demzufolge ergibt sich aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers keine asylrelevante Verfolgungsgefahr. So kommt es aber nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bei der Beurteilung des Vorliegens von Fluchtgründen immer auf die konkrete Situation des jeweiligen Asylwerbers, nicht aber auf die allgemeinen politischen Verhältnisse an. Es bestehen auch keine ausreichenden Hinweise dafür, dass sich aus der allgemeinen Situation allein etwas für den Beschwerdeführer gewinnen ließe, zumal keine ausreichenden Anhaltspunkte bestehen, dass der Beschwerdeführer schon allein auf Grund der Zugehörigkeit zu einer Gruppe mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung zu fürchten habe.
Das Bundesasylamt hat ein im Wesentlichen ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse dieses Verfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen, warum der Beschwerdeführer eine asylrelevante Verfolgung nicht glaubhaft machen konnte, und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage nachvollziehbar, umfangreich und fundiert zusammengefasst.
Betreffend die Feststellungen zur Situation in Afghanistan stützt sich das Bundesverwaltungsgericht auf die dem Beschwerdeverfahren zugrunde gelegten Länderfeststellungen. Die so getroffenen Feststellungen basieren auf den angeführten Quellen. Es handelt sich um Berichte verschiedener anerkannter und teilweise vor Ort agierender staatlicher und nichtstaatlicher Institutionen und Personen, die in ihren Aussagen ein übereinstimmendes, schlüssiges Gesamtbild der Situation in Afghanistan ergeben. Angesichts der Seriosität der angeführten Erkenntnisquellen und der Plausibilität der überwiegend übereinstimmenden Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln. Die Berichte sind auch hinreichend aktuell.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da eine Senatsentscheidung in den einschlägigen Bundesgesetzen nicht vorgesehen ist, liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 i.d.F. BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Das gegenständliche Verfahren war mit Ablauf des 31.12.2013 beim Asylgerichtshof anhängig, somit ist gemäß § 75 Abs. 19 AsylG idgF das Bundesverwaltungsgericht nunmehr für die Erledigung der gegenständlichen Beschwerde zuständig.
Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.
Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann - soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist - das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 GRC entgegenstehen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat zu Art. II Abs. 2 Z 43a EGVG (aufgehoben durch BGBl. I Nr. 4/2008) - jeweils in Bezug auf eine durch § 67d AVG in der Fassung vor der Novelle begründete Verhandlungspflicht - ausgesprochen, die Voraussetzung eines aus der Aktenlage in Verbindung mit der Berufung geklärten Sachverhaltes sei nicht erfüllt, wenn die erstinstanzliche Beweiswürdigung in der Berufung substantiiert bekämpft wird oder der Berufungsbehörde ergänzungsbedürftig oder in entscheidenden Punkten nicht richtig erscheint, wenn rechtlich relevante Neuerungen vorgetragen werden oder wenn die Berufungsbehörde ihre Entscheidung auf zusätzliche Ermittlungsergebnisse stützen will (zum Erfordernis einer schlüssigen Beweiswürdigung im erstinstanzlichen Bescheid und zur Verhandlungspflicht bei Neuerungen VwGH 11.11.1998, Zl. 98/01/0308, und 21.01.1999, Zl. 98/20/0339; zur Bekämpfung der Beweiswürdigung in der Berufung VwGH 25.03.1999, Zl. 98/20/0577, und 22.04.1999, Zl. 98/20/0389; zum Abgehen von der erstinstanzlichen Beweiswürdigung VwGH 18.02.1999, Zl. 98/20/0423; zu Ergänzungen des Ermittlungsverfahrens VwGH 25.03.1999, Zl. 98/20/0475).
Gemäß der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte zu Art. 6 EMRK, dessen Garantien nach Art. 47 Abs. 2 der Grundrechte-Charta der EU auch im vor-liegenden Fall Anwendung finden, kann eine mündliche Verhandlung unter bestimmten Vor-aussetzungen unterbleiben, etwa wenn der Fall auf der Grundlage der Akten und der schriftlichen Äußerungen der Parteien angemessen entschieden werden kann (EGMR 12.11.2002, Appl. Nr. 28.394/95, Döry vs. Schweden; 8.2.2005, Appl. Nr. 55.853/00, Miller vs. Schweden).
Der Verfassungsgerichtshof hat betreffend die Anwendung des § 41 Abs. 7 AsylG 2005, in der Fassung BGBl. I Nr. 100/2005, - also zur Vorgängerbestimmung des § 21 Abs. 7 BFA-VG - unter Berücksichtigung des Art. 47 iVm Art. 52 GRC ausgesprochen, dass das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung vor dem Asylgerichtshof in Fällen, in denen der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde erklärt erscheint oder sich aus den Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen tatsachenwidrig ist, im Einklang mit Art. 47 Abs. 2 GRC steht, wenn zuvor bereits ein Verwaltungsverfahren stattgefunden hat, in dessen Rahmen Parteiengehör gewährt wurde. Hat der Asylwerber hingegen bestimmte Umstände oder Fragen bereits vor dem Bundesasylamt releviert oder sind solche erst nachträglich bekannt geworden, ist die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Asylgerichtshof erforderlich, wenn die vom betroffenen Asylwerber bereits im Verwaltungsverfahren oder in der Beschwerde an den Asylgerichtshof aufgeworfenen Fragen - allenfalls mit ergänzenden Erhebungen - nicht aus den Verwaltungsakten beantwortet werden können, und insbesondere, wenn der Sachverhalt zu ergänzen oder die Beweiswürdigung mangelhaft ist (VfSlg. 19.632/2012).
Im gegenständlichen Fall ist dem angefochtenen Bescheid ein umfassendes Ermittlungsverfahren durch das Bundesasylamt vorangegangen. Die belangte Behörde ist ihrer Ermittlungspflicht durch detaillierte Befragung nachgekommen.
Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 Abs. 4 VwGVG abgesehen, da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint. Der Sachverhalt wurde nach Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens unter schlüssiger Beweiswürdigung des Bundesasylamtes festgestellt und es wurde in der Beschwerde auch kein dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens der belangten Behörde entgegenstehender oder darüber hinausgehender Sachverhalt in konkreter Weise behauptet.
Zu A) I. Abweisung der Beschwerde gegen Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides (Asyl):
Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dem Fremden nicht einem anderen EWR-Staat oder der Schweiz der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, soweit der auf internationalen Schutz Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention droht. Der Antrag auf internationalen Schutz ist gem. § 3 Abs. 3 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative offen steht (Z 1) oder der Fremde einen Asylausschlussgrund gesetzt hat (Z 2).
Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention definiert, dass als Flüchtling im Sinne dieses Abkommens anzusehen ist, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes ist die "begründete Furcht vor Verfolgung". Die begründete Furcht vor Verfolgung liegt dann vor, wenn objektiver Weise eine Person in der individuellen Situation des Asylwerbers Grund hat, eine Verfolgung zu fürchten. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. z. B. VwGH vom 22.12.1999, Zl. 99/01/0334; vom 21.12.2000, 2000/01/0131; vom 25.01.2001, 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde.
Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH vom 21.12.2000, 2000/01/0131; vom 25.01.2001, 2001/20/0011). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (vgl. VwGH vom 09.09.1993, 93/01/0284; vom 15.03.2001, 99/20/0128); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet. Relevant kann aber nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss vorliegen, wenn die Asylentscheidung erlassen wird;
auf diesen Zeitpunkt hat die Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. VwGH vom 09.03.1999, 98/01/0318;
vom 19.10.2000, 98/20/0233).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH vom 28.03.1995, 95/19/0041; VwGH vom 27.06.1995, 94/20/0836;
VwGH vom 23.07.1999, 99/20/0208; VwGH vom 21.09.2000, 99/20/0373;
VwGH vom 26.02.2002, 99/20/0509 mwN; VwGH vom 12.09.2002, 99/20/0505 sowie VwGH vom 17.09.2003, 2001/20/0177) ist eine Verfolgungshandlung nicht nur dann relevant, wenn sie unmittelbar von staatlichen Organen (aus Gründen der GFK) gesetzt worden ist, sondern auch dann, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, Handlungen mit Verfolgungscharakter zu unterbinden, die nicht von staatlichen Stellen ausgehen, sofern diese Handlungen - würden sie von staatlichen Organen gesetzt - asylrelevant wären. Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann (vgl. VwGH vom 22.03.2003, 99/01/0256 mwN).
Im gegenständlichen Fall sind die dargestellten Voraussetzungen für die Zuerkennung von Asyl, nämlich eine glaubhafte Verfolgungsgefahr im Herkunftsstaat aus einem in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention angeführten Grund, nicht gegeben, weil es dem Beschwerdeführer - wie sich aus der Beweiswürdigung ergibt - nicht gelungen ist, mit den vorgetragenen fluchtkausalen Ereignissen, eine Verfolgung glaubhaft zu machen.
(Zwangs)Rekrutierungen - beispielsweise durch Taliban - , die nicht an andere Kriterien als Alter und Geschlecht geknüpft sind, kommt ohne Hinzutreten weiterer konkreter Umstände im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention keine Asylrelevanz zu (VwGH vom 21.09.2000, 99/20/0373), da die Taliban sich dabei nicht an anderen Merkmalen als der persönlichen Angreifbarkeit der Betroffenen orientieren. Auch eine allenfalls drohende Strafe wegen der Weigerung, sich rekrutieren zu lassen, hat keinen asylrelevanten (etwa politischen) Hintergrund, sondern dient die Strafe der Abschreckung anderer potenzieller Opfer einer Zwangsrekrutierung.
Eine dergestalt gelagerte Verfolgung eines Asylwerbers könnte daher nur dann Asylrelevanz erlangen, wenn diese aus Gründen erfolgt, die in der GFK genannt sind.
Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass die behauptete Furcht des Beschwerdeführers, in seinem Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit aus den in der GFK genannten Gründen verfolgt zu werden, nicht begründet ist:
Ein in seiner Intensität asylrelevanter Eingriff in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen führt dann zur Flüchtlingseigenschaft, wenn er an einem in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK festgelegten Grund, nämlich die Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politische Gesinnung anknüpft.
Dies liegt im gegenständlichen Fall jedoch nicht vor. Der Beschwerdeführer wird - so das Fluchtvorbringen als glaubwürdig erachtet wird - nicht aus besonderen, sowohl in der Person des Beschwerdeführers gelegenen, als auch an die GFK anknüpfenden Gründen verfolgt. Die Verfolgung aus der angegebenen befürchteten Zwangsrekrutierung des Beschwerdeführers erscheint zwar fragwürdig, vermag aber im Falle der Wahrunterstellung ebenfalls keine Subsumierung unter eine asylrelevante Verfolgung auszulösen. Eine konkrete Verfolgung des Beschwerdeführers aus politischen Gründen hat sich im Verfahren nicht ergeben. Eine angesprochene allfällig drohende Zwangsrekrutierung durch die Taliban stellt - wie oben ausgeführt - keine asylrelevante Verfolgung dar.
Daher ist im Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers eine Verfolgung aus asylrelevanten Gründen nicht zu sehen.
Es ergaben sich auch keinerlei konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer als Angehöriger der Volksgruppe der Tadschiken und Zugehöriger der Religionsgemeinschaft der Sunniten aktuell alleine wegen seiner Volksgruppenzugehörigkeit und/oder wegen seiner Glaubensrichtung in Afghanistan einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt wäre, zumal der Beschwerdeführer eine derartige Verfolgung auch nicht vorgebracht hat. Während des gesamten Verfahrens vor dem Bundesasylamt hat der Beschwerdeführer niemals Probleme aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit zu den Tadschiken vorgebracht. Als Angehöriger der Glaubensrichtung der Sunniten gehört der Beschwerdeführer darüber hinaus ohnehin der Mehrheitsreligionsgemeinschaft in Afghanistan an. Es ist daher nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer aktuell alleine wegen seiner Volksgruppenzugehörigkeit und/oder wegen seiner Glaubensrichtung in Afghanistan einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt wäre, zumal es auch keine von Amts wegen aufzugreifenden Hinweise darauf gibt.
Auch aus der allgemeinen Lage in Afghanistan lässt sich konkret für den Beschwerdeführer kein Status eines Asylberechtigten ableiten. Eine allgemeine desolate wirtschaftliche und soziale Situation kann nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht als hinreichender Grund für eine Asylgewährung herangezogen werden (vgl. etwa VwGH vom 14.03.1995, 94/20/0798, sowie VwGH vom 17.06.1993, 92/01/1081). Wirtschaftliche Benachteiligungen können nur dann asylrelevant sein, wenn sie jegliche Existenzgrundlage entziehen (vgl. etwa VwGH 09.05.1996, 95/20/0161; 30.04.1997, 95/01/0529, 08.09.1999, 98/01/0614). Aber selbst für den Fall des Entzugs der Existenzgrundlage ist Asylrelevanz nur dann anzunehmen, wenn dieser Entzug mit einem in der GFK genannten Anknüpfungspunkt - nämlich der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung - zusammenhängt, was im vorliegenden Fall zu verneinen wäre.
Daher war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 3 Abs. 1 AsylG als unbegründet abzuweisen.
Zu A) II. Stattgabe der Beschwerde gegen Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides (subsidiärer Schutz):
Wird ein Antrag auf internationalen Schutz in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen, so ist dem Fremden gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG ist der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG) offen steht. Ist ein Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 3a AsylG nicht schon mangels einer Voraussetzung gemäß Abs. 1 oder aus den Gründen des Abs. 3 oder 6 abzuweisen, so hat eine Abweisung auch dann zu erfolgen, wenn ein Aberkennungsgrund gemäß § 9 Abs. 2 vorliegt. Diesfalls ist die Abweisung mit der Feststellung zu verbinden, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat unzulässig ist, da dies eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Dies gilt sinngemäß auch für die Feststellung, dass der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuzuerkennen ist. Die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 ist gem. § 8 Abs. 2 AsylG mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.
Gemäß Art. 2 EMRK wird das Recht jedes Menschen auf das Leben gesetzlich geschützt. Gemäß Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden. Die Protokolle Nr. 6 und Nr. 13 zur Konvention beinhalten die Abschaffung der Todesstrafe.
Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (VwGH 27.02.2001, 98/21/0427; VwGH 20.06.2002, 2002/18/0028). Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher nicht geeignet, die Feststellung nach dieser Gesetzesstelle zu tragen, wenn nicht besondere Umstände hinzutreten, die ihnen einen aktuellen Stellenwert geben (vgl. VwGH 14.10.1998, 98/01/0122, VwGH 25.01.2001, 2001/20/0011). Das Vorliegen eines tatsächlichen Risikos ist im Zeitpunkt der Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen. Die Beurteilung des Vorliegens eines tatsächlichen Risikos erfordert eine ganzheitliche Bewertung der Gefahr an dem für die Zulässigkeit aufenthaltsbeendender Maßnahmen unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 EMRK auch sonst gültigen Maßstabs des "real risk", wobei sich die Gefahrenprognose auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat (vgl. VwGH 31.03.2005, 2002/20/0582 sowie 2005/20/0095). Die Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen (zB VwGH 26.06.1997, 95/21/0294, VwGH 25.01.2001, 2000/20/0438, VwGH 30.05.2001, 97/21/0560).
Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird - auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei anzugehören -, der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten (oder anderer in § 8 Abs. 1 AsylG erwähnter) Rechte ausgesetzt wäre, so kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen (VwGH 25.11.1999, 99/20/0465;
08.06.2000, 99/20/0203; 08.06.2000, 99/20/0586; 21.09.2000, 99/20/0373; 25.01.2001, 2000/20/0367; 25.01.2001, 2000/20/0438;
25.01.2001, 2000/20/0480; 21.06.2001, 99/20/0460; 16.04.2002, 2000/20/0131; vgl. dazu überdies EUGH 17.02.2009, Elgafaji, C-465/07 , Slg. 2009, I-0000, Randnr. 45, wonach eine Bedrohung iSd Art. 15 lit. c der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.04.2004 [StatusRL] auch dann vorliegt, wenn der einen bestehenden bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau erreicht, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr in das betreffende Land oder gegebenenfalls in die betroffene Region allein durch ihre Anwesenheit im Gebiet dieses Landes oder dieser Region tatsächlich Gefahr liefe, einer solchen Bedrohung ausgesetzt zu sein).
Im Fall des Beschwerdeführers ergeben sich aus den Feststellungen zur persönlichen Situation des Beschwerdeführers vor dem Hintergrund der spezifischen Länderfeststellungen zu Afghanistan konkrete Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Hindernisses der Rückverbringung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat Afghanistan.
Betreffend die Sicherheitslage in Afghanistan, insbesondere in der Provinz XXXX, dem Herkunftsgebiet des Beschwerdeführers, ist mit Blick auf die individuelle Situation des Beschwerdeführers zunächst auf die Länderfeststellungen zu verweisen, denen zufolge im Süden 2012 die meisten zivilen Opfer zu beklagen waren. Die am meisten umkämpften Provinzen waren 2012/13 Kandahar, Nangarhar, Helmand, Khost, Kunar und Ghazni. In der Provinz Ghazni geht der Trend bezüglich der Sicherheitslage in Richtung einer Verschärfung: Im ersten Quartal 2013 stieg die Zahl der Vorfälle jedoch im Vergleichszeitraum des Vorjahres um 127 Prozent.
Wie den zugrunde gelegten Länderfeststellungen zu entnehmen ist, bleibt die Provinz XXXX eine der gewalttätigeren Gegenden des Landes. Im Juli und August 2013 gab es einen Anstieg der Angriffe. Aufgrund des fast völligen Fehlens von NATO-Präsenz konnten die Taliban und al-Quaida ihre Kontrolle ausweiten. Im 1. Quartal 2013 kam es zu einer 100%igen Steigerung von Attacken und Anschlägen regierungsfeindlicher Gruppierungen verglichen mit dem 1. Quartal 2012. Der stellvertretende Vorsitzende des Provinzrates von Ghazni hat mitgeteilt, dass gegenwärtig eine große Anzahl an Pakistanern in Ghazni kämpft. Die Präsenz von Al-Qaida, der Islamischen Bewegung Usbekistan sowie der Laschkar-e-Taiba ist in sechs Distrikten (Andar, Deh Yak, Gelan, Ghazni, Shah Joy und Waghez) festgestellt worden.
Ausgehend davon ist mit Blick auf die persönliche Situation des Beschwerdeführers zu erkennen, dass der Beschwerdeführer im Fall seiner Abschiebung - bezogen auf das gesamte Staatsgebiet - in eine ausweglose Lebenssituation geraten und real Gefahr laufen würde, eine Verletzung seiner durch Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der durch die Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention geschützten Rechte zu erleiden. Dass der Beschwerdeführer in Afghanistan noch Angehörige hat - seine Mutter lebt noch im Heimatdorf - ändert an dieser realen Gefahr für den Beschwerdeführer bzw. an der individuellen Betroffenheit des Beschwerdeführers von dieser Situation nichts.
Eine Niederlassung des Beschwerdeführers in Kabul oder einer anderen größeren Stadt - ohne familiäre oder sonstige soziale Anknüpfungspunkte - ist dem Beschwerdeführer jedoch nicht zumutbar, zumal er bis zu seiner Ausreise aus Afghanistan ausschließlich in seinem Heimatdorf in der Provinz XXXX gelebt hat. Es ist nicht davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer in einer größeren Stadt in Afghanistan ohne Familienanschluss oder soziales Netzwerk auf sich alleine gestellt in der Lage wäre, dort Fuß zu fassen und seine existenziellen Grundbedürfnisse zu decken, zumal er nicht von vornherein über die nötigen finanziellen Mittel für eine Ansiedlung in einer Stadt verfügt.
Eine Rückverbringung des Beschwerdeführers nach Afghanistan steht nach dem Gesagten im Widerspruch zu § 8 Abs. 1 AsylG. Dem Beschwerdeführer war daher nach den genannten Bestimmungen der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuzuerkennen.
Zu A) III. Erteilung einer befristeten Aufenthaltsberechtigung
Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG ist einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wird, vom Bundesamt oder vom Bundesverwaltungsgericht gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu erteilen. Die Aufenthaltsberechtigung gilt für ein Jahr und wird im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen über Antrag des Fremden vom Bundesamt für jeweils zwei weitere Jahre verlängert. Nach einem Antrag des Fremden besteht die Aufenthaltsberechtigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Verlängerung des Aufenthaltsrechts, wenn der Antrag auf Verlängerung vor Ablauf der Aufenthaltsberechtigung gestellt worden ist.
Im gegenständlichen Fall hat daher das Bundesverwaltungsgericht gleichzeitig mit der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten dem Beschwerdeführer auch eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr zu erteilen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Die Abweisung der Beschwerde hinsichtlich des Spruchpunktes I des angefochtenen Bescheides sowie die Gewährung von subsidiärem Schutz ergehen in Anlehnung an die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den maßgeblichen Bestimmungen des Asylgesetzes 2005, in der jeweiligen Fassung, hinsichtlich des Unterlassens der Durchführung einer mündlichen Verhandlung wird auf die zitierte Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte, des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen.
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