Normen
AsylG 1997 §23;
AsylG 1997 §27 Abs1;
AsylG 1997 §38;
AsylG 1997 §7;
AVG §45 Abs2;
AVG §67d;
EGVG 1991 Art2 Abs2 Z43a idF 1998/I/028;
FlKonv Art1 AbschnC Z5;
VwGG §41 Abs1;
AsylG 1997 §23;
AsylG 1997 §27 Abs1;
AsylG 1997 §38;
AsylG 1997 §7;
AVG §45 Abs2;
AVG §67d;
EGVG 1991 Art2 Abs2 Z43a idF 1998/I/028;
FlKonv Art1 AbschnC Z5;
VwGG §41 Abs1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund (Bundeskanzleramt) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Ghana. Er reiste am 19. Juli 1991 in das Bundesgebiet ein und beantragte am 14. August 1991 Asyl.
Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen angefochtenen Bescheid wurde sein Asylantrag gemäß § 7 Asylgesetz 1997 (im folgenden AsylG) abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer habe anläßlich seiner Einvernahme im Asylverfahren angegeben, daß er am 14. April 1991 in seiner Heimat eine kritische Rede vor etwa 50 Personen gehalten hätte. Dabei hätte er vor allem den Wohnungsbau und die Machenschaften der Regierung kritisiert. Am 16. April 1991 wäre er wegen seiner Äußerungen zu einer hohen Polizeibehörde vorgeladen worden und er hätte dazu Stellung nehmen müssen. Er hätte seine Kritik an der Regierung nicht zurückgenommen. Zu Hause angelangt wäre ihm von seiner Frau mitgeteilt worden, daß ihn die Polizei suchen und verhaften würde. Deshalb hätte er sich zur Flucht entschlossen.
Die belangte Behörde setzte sich mit den vom Beschwerdeführer vorgebrachten Fluchtgründen nicht weiter auseinander. Sie vertrat die Auffassung, aufgrund der seit der Flucht des Beschwerdeführers aus Ghana dort eingetretenen geänderten Verhältnisse liege jedenfalls keine aktuelle Gefahr (mehr) vor, weshalb "dem Asylwerber politische Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit" nicht (mehr) drohe.
Mit Schreiben der belangten Behörde vom 10. Juni 1998 sei dem Beschwerdeführer die Möglichkeit zur Stellungnahme zum vorgehaltenen Stand des Ermittlungsverfahrens vor dem unabhängigen Bundesasylsenat gegeben worden. Ihm sei dabei im wesentlichen vorgehalten worden,
"daß sich Ghana seit dem Jahr 1992 zu einer Präsidialrepublik mit demokratischen Prinzipien entwickelt hat, daß nunmehr Meinungsfreiheit besteht und wegen offener Kritik an der Regierung keine Verfolgung stattfindet. Aus diesem Grunde beabsichtige die erkennende Behörde den Asylantrag abzuweisen".
Im Antwortschreiben des Beschwerdeführers sei vorgebracht worden,
"daß es nicht richtig sei, daß sich Ghana zu einer Präsidialrepublik mit rechtsstaatlichen und demokratischen Prinzipien entwickelt habe. Es werden nach wie vor Menschenrechte verletzt und habe er im Zusammenhang mit seiner früheren politischen Tätigkeit mit politischer Verfolgung zu rechnen".
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sei eine Verfolgungsgefahr dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit drohe, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genüge nicht. Die Wahrscheinlichkeit der Verfolgung liege im gegebenen Fall aus folgenden Gründen nicht vor:
"Sowohl aus den Berichten des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschieberelevante Lage in Ghana vom 27.08.1997 als auch aus den jährlichen Berichten des U.S. Department of State ergibt sich, daß der Staat Ghana eine Präsidialrepublik mit demokratischen Prinzipien ist, wobei Kritik an der Regierung und öffentliche Meinungsäußerung im Sinne dieser Prinzipien toleriert wird. Aus diesem Grunde konnte von den beantragten Anfragen an Amnesty International Österreich und Christian Solidarity International Österreich Abstand genommen werden, da die erkennende Behörde davon ausgeht, daß Berichte des U.S. Department of State sowie des Auswärtigen Amtes den Tatsachen entsprechen; umso mehr, als deren Richtigkeit auch vom Asylwerber anläßlich seines Anwortschreibens nicht angezweifelt wurde, weshalb weitere Ermittlungen über die Lage in Ghana der erkennenden Behörde entbehrlich erschienen. Dies auch im Hinblick darauf, daß aus den Jahresberichten von Amnesty International 1997 und 1998 keinerlei Anhaltspunkte zu entnehmen waren, daß für offene Kritik an der Regierung politische Verfolgung drohe."
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.
In der fristgerecht erstatteten Gegenschrift beantragt die belangte Behörde, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Soweit der Beschwerdeführer anmerkt, er sei durch die Entscheidung in seinem Recht auf richtige Anwendung des Asylgesetzes, "insbesondere des § 2 Abs. 2 Asylgesetz 1991 verletzt", ist ihm zunächst entgegenzuhalten, daß die angefochtene Entscheidung zutreffend auf der Grundlage des Asylgesetzes 1997 erging (§ 44 Abs. 1 Asylgesetz 1997, im folgenden AsylG). Ungeachtet dieses Rechtsirrtumes läßt sich aber dem gesamten Vorbringen des Beschwerdeführers entnehmen, daß er sich in dem Recht auf Gewährung von Asyl bei (angenommenem) Zutreffen der gesetzlichen Voraussetzungen als verletzt erachtet.
Wenn die belangte Behörde darauf abstellte, daß aufgrund der seit der Flucht des Beschwerdeführers in Ghana geänderten politischen Verhältnisse für diesen - ungeachtet des Zutreffens seiner (damaligen) Fluchtgründe - keine aktuelle Verfolgungsgefahr (mehr) bestünde, hat sie im Ergebnis Art. 1 Abschnitt C Z 5 der Genfer Flüchtlingskonvention (FlKonv) angewendet. Diese Bestimmung besagt, daß eine Person, auf die die Bestimmung des Art. 1 Abschnitt A Z 2 zutrifft, nicht mehr unter dieses Abkommen fällt
"wenn sie nach Wegfall der Umstände, aufgrund deren sie als Flüchtling anerkannt worden ist, es nicht mehr ablehnen kann, den Schutz des Landes in Anspruch zu nehmen, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt".
Der belangten Behörde ist grundsätzlich beizupflichten, daß grundlegende politische Veränderungen in dem Staat, aus dem der Asylwerber aus wohlbegründeter Furcht vor asylrelevanter Verfolgung geflüchtet zu sein behauptet, die Annahme begründen können, daß der Anlaß für die Furcht vor Verfolgung nicht (mehr) länger bestehe. Allerdings reicht eine bloße - möglicherweise vorübergehende - Veränderung der Umstände, die für die Furcht des betreffenden Flüchtlings vor Verfolgung mitbestimmend waren, jedoch keine wesentliche Veränderung der Umstände im Sinne dieser Bestimmung mit sich brachten, nicht aus, um diese zum Tragen zu bringen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. Jänner 1999, Zl. 98/20/0399). Soweit die Beschwerde ins Treffen führt, die angefochtene Entscheidung sei deshalb inhaltlich rechtswidrig, weil die belangte Behörde es unterlassen habe, "adäquate Berichte über die Situation im Jahr 1991 in Ghana der Entscheidung zugrundezulegen und entsprechende Erhebungen durchzuführen", ist ihr entgegenzuhalten, daß es im Falle von im vorangeführten Sinn wesentlichen Veränderungen in dem Staat, aus dem der Asylwerber aus wohlbegründeter Furcht vor asylrelevanter Verfolgung geflüchtet zu sein behauptet, gerade nicht (mehr) auf die seinerzeitigen politischen Verhältnisse in diesem Lande ankommt, sofern nicht aufgrund der konkreten Fluchtgeschichte des Beschwerdeführers ungeachtet dieser Veränderungen dennoch eine bis in die Gegenwart reichende objektiv begründete Gefahr einer asylrelevanten Verfolgung anzunehmen wäre. Dies wäre im Falle des Beschwerdeführers nicht anzunehmen, wenn der von der belangten Behörde festgestellte Sachverhalt auf einem mängelfrei durchgeführten Verfahren beruhte.
Die belangte Behörde hat ihren Bescheid aber mit Verfahrensfehlern belastet:
Der unabhängige Bundesaslysenat ist gemäß Art. 129 und 129c B-VG in der Fassung BGBl. I Nr. 87/1997 ein unabhängiger Verwaltungssenat. Er hat gemäß § 23 AsylG das AVG anzuwenden. Deshalb finden für das Verfahren vor dem unabhängigen Bundesasylsenat auch die Bestimmungen des AVG für das Verfahren vor den unabhängigen Verwaltungssenaten, insbesondere die Bestimmung des § 67d AVG Anwendung, sofern im AsylG oder in einem anderen Gesetz keine spezielle Bestimmung normiert ist. Im AsylG findet sich zu § 67d AVG keine spezielle Regelung. Gemäß Art. II Abs. 2 Z 43a EGVG hat der unabhängige Bundesasylsenat § 67d AVG jedoch mit der Maßgabe anzuwenden, daß eine mündliche Verhandlung unterbleiben kann, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Berufung geklärt erscheint. Im Sinne dieser Bestimmung ist der Sachverhalt im Verfahren vor dem unabhängigen Bundesasylsenat allerdings (nur) dann als aus der Aktenlage in Verbindung mit der Berufung geklärt anzusehen, wenn er nach Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens und schlüssiger Beweiswürdigung der Behörde erster Instanz festgestellt wurde und in der Berufung kein dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens der Behörde erster Instanz entgegenstehender oder darüber hinausgehender Sachverhalt - erstmalig und mangels Bestehens eines Neuerungsverbotes zulässigerweise - neu und in konkreter Weise behauptet wird (vgl. insoweit dazu das hg. Erkenntnis vom 11. November 1998, Zl. 98/01/0308).
Im vorliegenden Fall lagen diese Voraussetzungen für ein Absehen von der mündlichen Verhandlung gemäß der Verfahrensvorschrift des Art. II Abs. 2 Z 43a EGVG schon deshalb nicht vor, weil die belangte Behörde selbst ein Ermittlungsverfahren durchführte und gestützt auf dessen Ergebnisse zusätzliche, neue Sachverhaltsfeststellungen traf. Die belangte Behörde holte nach den Ausführungen in ihrem Bescheid Berichte des Auswärtigen Amtes über die "asyl- und abschieberelevante Lage" in Ghana sowie Berichte des "U.S. Department of State" ein, auf welche sie in der Begründung ihres Bescheides verwies. Eine Überprüfung der daraus gezogenen Schlußfolgerungen bleibt allerdings dem Verwaltungsgerichtshof verwehrt, weil die bezogenen Berichte im Akt nicht aufliegen. Diese wurden offenbar auch dem Beschwerdeführer nicht zur Einsichtnahme übermittelt. Das Unterlassen weitergehender Ermittlungen, insbesondere die Nichteinholung der vom Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren beantragten "Anfragen an Amnesty International Österreich und Christian Solidarity International Österreich" begründete die belangte Behörde damit,
"daß Berichte des U.S. Department of State sowie des Auswärtigen Amtes den Tatsachen entsprechen; umsomehr, als deren Richtigkeit auch vom Asylwerber anläßlich seines Antwortschreibens nicht angezweifelt wurde".
Diese Begründung ist teilweise unschlüssig, teilweise aber auch aktenwidrig:
Eine gesetzliche Rechtsvermutung dafür, daß "Berichte des U.S. Department of State sowie des Auswärtigen Amtes den Tatsachen entsprechen", besteht nicht. Es bedarf vielmehr einer beweiswürdigenden Auseinandersetzung mit dem Inhalt derartiger Berichte, um daraus Schlußfolgerungen auf deren Richtigkeit in Abwägung mit allenfalls weiteren, auch gegenteiligen Beweisquellen ziehen zu können. Mangels Vorhandenseins dieser Berichte im vorgelegten Verwaltungsakt besteht für den Verwaltungsgerichtshof keine Möglichkeit, die von der belangten Behörde aus diesen Berichten gezogene Schlußfolgerung auf deren Richtigkeit nachprüfen zu können. Es würde für ein mängelfreies Verfahren auch nicht genügen, daß Tatsachen nur bei der Behörde notorisch sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. Jänner 1999, Zl. 98/20/0304).
Der Beschwerdeführer hat im Verwaltungsverfahren die ihm vorgehaltene Annahme der belangten Behörde, er müsse aufgrund der geänderten Verhältnisse in Ghana keine Furcht vor Verfolgung mehr haben, ausdrücklich bestritten. Der Beschwerdeführer brachte dazu vor:
"vielmehr werden nach wie vor in Ghana Menschenrechte verletzt und habe ich im Zusammenhang mit meiner früheren politischen Tätigkeit mit politischer Verfolgung zu rechnen. Der Bericht des Auswärtigen Amtes der Republik Österreich über die asyl- und abschieberelevante Lage in Ghana ist mir nicht bekannt. Ich beantrage allerdings zum Nachweis der Richtigkeit für mein Vorbringen über die Situation in Ghana die Einholung einer Auskunft von Amnesty International, österreichische Sektion, Wiedner Gürtel 12, 1040 Wien, sowie Christian Solidarity International, CSI Österreich, Grailichgasse 3, 1030 Wien"
Aus diesem Vorbringen des Beschwerdeführers kann somit keinesfalls abgeleitet werden, daß er die von der belangten Behörde mit besonderer Richtigkeitsgewähr bezeichneten Berichte hinsichtlich ihrer Richtigkeit nicht bezweifelt hätte.
Auch wenn sich weite Teile der Beschwerdeausführungen lediglich mit dem unzutreffenden Argument auseinandersetzen, die belangte Behörde hätte Ermittlungen über die politischen Zustände im Staat Ghana zum Zeitpunkt der Flucht des Beschwerdeführers anstellen müssen, geht doch vor allem im Zusammenhang mit diesem Vorbringen des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren aus der Beschwerde hervor, daß auch die Richtigkeit der von der belangten Behörde zur aktuellen Situation in Ghana erstmals getroffenen Feststellungen bekämpft werden. Damit erweisen sich aber die aufgezeigten Verfahrensmängel als relevant, weil nicht auszuschließen ist, daß die belangte Behörde bei deren Vermeidung zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichthofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 25. März 1999
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)