B-VG Art133 Abs4
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2020:W192.2166250.2.00
Spruch:
W192 2166250-2/3EW192 2166249-2/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Ruso als Einzelrichter über die Beschwerden von 1.) XXXX , geb. XXXX , 2.) XXXX , geb. XXXX , alle StA Afghanistan, vertreten durch VMÖ, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.09.2020, Zlen. 1.) 1092819702-200396322, 2.) 1092819800-200396349 zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerden werden gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der Erstbeschwerdeführer ist der Ehegatte der Zweitbeschwerdeführerin. Sie reisten gemeinsam mit ihren fünf gemeinsamen Kindern, einer Schwiegertochter und einem Enkelkind illegal in das Bundesgebiet ein und stellten am 30.10.2015 mit ihren Familienangehörigen einen ersten Antrag auf internationalen Schutz.
Diese Anträge wurden durch Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichts vom 08.08.2019 nach Durchführung von mündlichen Beschwerdeverhandlungen gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen und gegen die Beschwerdeführer jeweils Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG 2005 erlassen, festgestellt, dass ihre Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei und eine Frist von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung für die freiwillige Ausreise eingeräumt. In dieser Entscheidung hat das Bundesverwaltungsgericht über die Beschwerdeführer folgende Feststellungen getroffen:
„Die Beschwerdeführer (…) sind allesamt afghanische Staatsangehörige, schiitischen Glaubens, gehören der Volksgruppe der Tadschiken an und stammen (…) aus Herat. Die letzten vier Jahre vor ihrer Ausreise nach Europa verbrachten die Beschwerdeführer im Iran. Sie sprechen die Sprache Dari auf muttersprachlichem Niveau.
Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin sind miteinander verheiratet. (…). Der Erstbeschwerdeführer ist in der Stadt XX geboren und dort mit seiner Familie aufgewachsen. Den Lebensunterhalt hat der Erstbeschwerdeführer in Afghanistan als Metallfacharbeiter sowie Kleidungs- und Stoffhändler bestritten. Er war seit seinem zehnten Lebensjahr als Maddah [religiiöser Sänger] in XX tätig. Der Erstbeschwerdeführer hat keine Schule besucht, er kann weder lesen noch schreiben. Während seines vierjährigen Aufenthalts im Iran hat er nicht gearbeitet. (…) Der Erstbeschwerdeführer hat neben seinen Kindern in Österreich (…) drei weitere Töchter, eine Schwester, einen Bruder sowie eine Mutter in der Stadt XX. Seine Töchter in Afghanistan sind allesamt verheiratet und leben mit ihren Männern zusammen. Sie leben in gesicherten wirtschaftlichen Verhältnissen, sind Hausfrauen und haben Kinder. (…)
Die Zweitbeschwerdeführerin ist ebenfalls in XX geboren und dort mit ihrer Familie aufgewachsen. Sie hat keine Schule besucht und kann ebenfalls weder lesen noch schreiben. Sie war Hausfrau und hat keine Berufsausbildung. Der Erstbeschwerdeführer hat die Familie durch seine Geschäftseinnahmen versorgt. Sie hatten keine finanziellen Schwierigkeiten. Neben der Familie des Erstbeschwerdeführer und den drei Töchtern lebt eine Schwester der Zweitbeschwerdeführerin in XX.
Die Beschwerdeführer reisten (…) im Familienverband unter Umgehung der Grenzkontrollen nach Österreich ein und stellten am 30.10.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.
Zu den Fluchtgründen der Beschwerdeführer:
Die Beschwerdeführer waren in Afghanistan keiner konkreten individuellen Verfolgung ausgesetzt und wurden von ihnen asylrelevante Gründe für das Verlassen ihres Heimatstaates nicht glaubhaft dargetan. Es ist nicht glaubhaft, dass den Beschwerdeführern in Afghanistan aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung Verfolgung droht.
Es ist nicht glaubhaft, dass die [Schwiegertochter der Beschwerdeführer] und die übrigen Beschwerdeführer aufgrund einer vermeintlichen Verteilung von CDs im Rahmen ihrer Lehrtätigkeit als Koranlehrerin für Kinder bedroht wurden. Es kann auch nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführer deshalb konkret und individuell mit der Ausübung von physischer und/oder psychischer Gewalt bedroht worden sind noch, dass sie konkreten Verfolgungshandlungen ausgesetzt waren oder sind.
Festgestellt wird auch, dass dem Erstbeschwerdeführer und seiner Familie keine Verfolgung aufgrund seiner Vortragstätigkeit als Maddah, die er jahrzehntelang ausgeübt hat, gedroht hat und auch nach wie vor nicht droht.
Festgestellt wird, dass den Beschwerdeführern auch nicht wegen ihrer Zugehörigkeit zum schiitischen Islam oder der tadschikischen Volksgruppe konkret und individuell physische und/oder psychische Gewalt in Afghanistan droht.
Bei de[r Zweitbeschwerdeführerin) (…) handelt es sich auch nicht um auf Eigenständigkeit bedachte Frauen, die in ihrer persönlichen Wertehaltung und in ihrer Lebensweise an dem in Europa mehrheitlich gelebten, allgemein als westlich bezeichneten Frauen- und Gesellschaftsbild orientiert sind. Die Beschwerdeführer verließen ihre Heimat nicht deshalb, weil sich die Beschwerdeführerinnen von den vorherrschenden gesellschaftlich-religiösen Sitten ihres Heimatlandes lösen wollten und es gibt auch seit ihrem Aufenthalt in Österreich keine substantiellen Hinweise, dass sie ein selbstbestimmtes Leben einer „westlich“ orientierten Frau führen oder führen wollen. Die Beschwerdeführer halten sich erst seit 30.10.2015 in Österreich auf. Es konnte nicht glaubhaft dargelegt werden, dass sie während dieses relativ kurzen Aufenthalts in Österreich eine Lebensweise angenommen hätten, die einen deutlichen und nachhaltigen Bruch mit den allgemein verbreiteten gesellschaftlichen Werten in Afghanistan darstellen würde. Ihre persönliche Haltung über die grundsätzliche Stellung der Frau in Familie und Gesellschaft steht nicht im Widerspruch zu den in Afghanistan bislang vorherrschenden gesellschaftlich-religiösen Zwängen, denen Frauen dort mehrheitlich unterworfen sind. Sie haben keine Lebensweise angenommen, in der die Anerkennung, die Inanspruchnahme oder die Ausübung ihrer Grundrechte zum Ausdruck kommt. Eine solche Lebensführung ist nicht wesentlicher Bestandteil der Identitäten der [Zweitbeschwerdeführerin] (…) geworden. Für außergewöhnliche Integrationsbestrebungen gibt es keinen Hinweis. Es kann auch nicht festgestellt werden, dass es den weiblichen Beschwerdeführerinnen unmöglich oder unzumutbar wäre, sich (wieder) in das afghanische Gesellschaftssystem zu integrieren. (…)
Des Weiteren droht ihnen auch keine konkrete und individuelle Verfolgung aufgrund der Tatsache, dass sie in Europa bzw. dem Iran gelebt haben. Gleichsam wird festgestellt, dass nicht jedem afghanischen Rückkehrer aus Europa/Iran physische und/oder psychische Gewalt in Afghanistan droht.
Ebenso wenig droht den Beschwerdeführern aus etwaigen anderen Gründen eine asylrelevante Verfolgung in Afghanistan.
Die Beschwerdeführer verließen den Iran aufgrund der schwierigen Lebensbedingungen für dort aufhältige Afghanen.“
Der Verfassungsgerichtshof hat mit Beschluss vom 21.01.2020 die Behandlung einer Beschwerde gegen diesen Bescheid abgelehnt.
2. Die Beschwerdeführer brachten am 12.05.2020 die vorliegenden Folgeanträge ein. Bei der am selben Tag durchgeführten Erstbefragung brachte der Erstbeschwerdeführer vor, dass seine im Verfahren über seinen ersten Antrag vorgebrachten Fluchtgründe aufrecht seien und die Probleme im Herkunftsstaat mehr geworden seien. Sein gesundheitlicher Zustand sei auch schlecht. Die Zweitbeschwerdeführerin gab an, dass die damaligen Fluchtgründe aufrecht bleiben. Sie habe in Afghanistan keine Freiheit gehabt und habe hier als Frau Freiheiten, die sie in Afghanistan nicht habe.
Bei der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 03.08.2020 brachte der Erstbeschwerdeführer vor, dass er seine Fluchtgründe aus dem ersten Verfahren aufrechterhalte. Er befürchtet Verfolgung durch einen näher bezeichneten Mullah. Zur Frage, ob seit der rechtskräftigen Entscheidung im Erstverfahren etwas geschehen sei, das einen Asylantrag rechtfertigen würde, gab der Erstbeschwerdeführer an, das vor etwa sieben oder acht Jahren sein Cousin, der auch ein Maddah gewesen sei, von Anhängen des genannten Mullahs getötet worden sei. Im Falle einer Rückkehr befürchte er ebenso von dessen Anhängern verfolgt zu werden.
Die Zweitbeschwerdeführerin gab bei ihrer niederschriftlichen Einvernahme am selben Tag an, dass sie die Fluchtgründe aus dem Vorverfahren aufrechterhalte. Der bezeichnete Verfolger sei mächtiger geworden. Der genannte Mullah sei gegen Schiiten und vor allem gegen Maddahs eingestellt und habe schon viele getötet. Weiters habe die Schwiegertochter der Zweitbeschwerdeführerin CDs ausgeteilt und der Mullah sei dadurch ein großer Feind geworden. Zur Frage nach Rückkehrbefürchtungen außer der Bedrohung durch den genannten Mullah gab die Zweitbeschwerdeführerin an, dass ihre Schwierigkeiten wegen des Mullah bestehen. Dieser habe überall seine Leute. Weiters habe sie keinen Wert in Afghanistan. Sie habe in Afghanistan zur Schule gehen wollen, aber ihr Vater habe es nicht erlaubt. Sie wolle, dass ihre Kinder sich bilden können.
Die Zweitbeschwerdeführerin lebe mit ihrem Mann und den Kindern von der Grundversorgung. Sie habe sich in Österreich mit Frauen getroffen, gestrickt und gemeinsam Tee getrunken. Sie gehe keiner ehrenamtlichen oder freiwilligen Tätigkeit nach. In Österreich gehe sie alleine einkaufen aber nicht zum Arzt und zu Behörden, weil sie nicht gut deutsch könne. Ihr Ehemann behandle sie nicht anders als im Herkunftsstaat, er habe einen guten Umgang mit ihr und den Kindern und sie seien gleichberechtigt. Die Beschwerdeführerin habe während des fünfjährigen Aufenthaltes in Österreich drei Mal den gleichen Deutschkurs besucht und es sei schwierig gewesen. Sie wolle ihr Bestes geben, Deutsch zu lernen und wolle arbeiten.
3. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat mit den angefochtenen Bescheiden die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status von Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), den Beschwerdeführern gemäß § 8 Abs. 1 i.V.m. § 34 Abs. 3 AsylG 2005 den Status von subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihnen jeweils die befristete Aufenthaltsberechtigung für subsidiär Schutzberechtigten für ein Jahr erteilt (Spruchpunkt III).
Die Behörde stellte fest, dass die Beschwerdeführer bei einer Rückkehr auch aktuell keine Gefährdung im Sinne des ursprünglichen Fluchtvorbringens ausgesetzt seien. Sie hätten im neuerlichen Verfahren keine weiteren relevanten Tatsachen vorgebracht und habe sich kein neuer objektiver und glaubhafter Sachverhalt ergeben. Die Behörde hielt beweiswürdigend fest, dass die Verfolgungsbehauptungen des Erstbeschwerdeführers bereits im Vorverfahren als nicht glaubwürdig beurteilt worden seien. Dieser habe keine maßgeblichen neuen Tatsachen vorgebracht. Auch die konkreten Angaben über das Ableben des bezeichneten Cousins des Erstbeschwerdeführers würde keine Hinweise auf eine Verfolgungsgefahr für den Erstbeschwerdeführer erkennen lassen und liege dieser Vorfall auch bereits sieben oder acht Jahre zurück. Da der Erstbeschwerdeführer aufgrund festgestellter gesundheitlicher Beeinträchtigungen wie Diabetes und Asthma immungeschwächt sei und damit zu einer Risikogruppe der Covid-19-gefährdeten Personen gehöre, sei ihm zum jetzigen Zeitpunkt eine Rückkehr in den Herkunftsstaat jedoch nicht zumutbar.
Hinsichtlich der Zweitbeschwerdeführerin wurde festgehalten, dass die diese im Vorverfahren keine eigenen Fluchtgründe geltend gemacht, sondern sich auf behauptete Probleme des Erstbeschwerdeführers und ihrer Schwiegertochter bezogen habe. Weder sie noch eines ihrer Familienmitglieder habe im vorliegenden Verfahren neue asylrelevante Tatsachen eingebracht und es sei somit eine Verfolgung durch den genannten Mullah auszuschließen. Die Beschwerdeführerin habe auch wegen ihrer Geschlechtszugehörigkeit im Falle einer Rückkehr keine Probleme zu erwarten. Bei der Einvernahme am 03.08.2020 seien keine Anhaltspunkte dafür zutage getreten, dass die Zweitbeschwerdeführerin den Lebensstil einer westlich orientierten Frau verinnerlicht hätte. Sie habe sich nicht zu einer eigenständigen, westlich orientierten Frau entwickelt und sich bei vielen Fragen darauf berufen, dass ihre Kinder ihr helfen würden bzw. ihre Kinder das wüssten. Auch das Erlernen der deutschen Landessprache diene dazu, unabhängig, selbstständig und ohne Hilfe ein westlich orientiertes Leben zu führen. Die Beschwerdeführerin habe nicht den Eindruck erwecken können, dass sie seit der rechtskräftigen Entscheidung vom 08.08.2019 ihre innere Einstellung diesbezüglich verhindert hätte. Die Zweitbeschwerdeführerin gehöre keiner Covid-9-Risikogruppe an und es wäre ihr grundsätzlich eine Rückkehr in die Herkunftsprovinz zumutbar. Da ihrem Ehegatten der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden sei, erhalte die Zweitbeschwerdeführerin im Familienverfahren den selben Schutz.
4. Gegen die Spruchpunkte I. dieser Bescheide erhoben die Beschwerdeführer durch die nunmehr bevollmächtigte Rechtsberatungsorganisation rechtzeitig Beschwerde. Darin wurde neuerlich vorgebracht, dass beide Beschwerdeführer einer Bedrohung durch den im Verfahren mehrfach bezeichneten Mullah ausgesetzt sein, wobei die Beschwerde es jedoch nicht unternommen hat, der Beweiswürdigung der angefochtenen Bescheide entgegenzutreten.
Weiters wurde vorgebracht, dass die Behörde das Vorbringen der Zweitbeschwerdeführerin nicht ausreichend gewürdigt habe. Die Zweitbeschwerdeführerin habe in ihrer Einvernahme beschrieben, wie sie in Österreich lebe. Sie übernehme viele Aufgaben, die er zuvor nicht möglich gewesen seien, lebe in Österreich nicht nach der konservativ-organischen Tradition, lehne die Umstände und Lebensverhältnisse für Frauen in Afghanistan ab und könne sich nicht vorstellen, nach der konservativ-afghanischen Tradition zu leben. In Österreich können sie alleine einkaufen gehen und unterstütze ihre Kinder, sich zu bilden. Sie habe kein soziales Leben in Afghanistan gehabt. Hier habe sie mehrere Freundinnen und nütze diese Kontakte zum Erlernen der deutschen Sprache. Sie habe ein gutes Verhältnis zu den Menschen am derzeitigen Wohnort. Diese Einstellung stehe im Widerspruch zu der nach den Länderfeststellungen im Herkunftsstaat bestehenden traditionalistisch-religiös geprägten gesellschaftlichen Auffassungen hinsichtlich Bewegungsfreiheit und Rolle der Frau in der Gesellschaft. Insoweit das Bundesamt zum Schluss komme, dass die Zweitbeschwerdeführerin nicht westlich orientiert sei, könne sie dem nicht zustimmen
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen (Sachverhalt):
1.1. zur Person der Beschwerdeführer:
Die Beschwerdeführer sind Staatsangehörige von Afghanistan, Muslime schiitischer Ausrichtung und Angehörige der Volksgruppe der Tadschiken. Der Erstbeschwerdeführer ist der Ehegatte der Zweitbeschwerdeführerin. Sie sind mit weiteren Familienangehörigen 2015 illegal nach Österreich eingereist und stellten am 30.10.2015 einen ersten Antrag auf internationalen Schutz, der mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 08.08.2019 sowohl hinsichtlich des Status von Asylberechtigten als auch des Status von subsidiär Schutzberechtigten rechtskräftig abgewiesen worden ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat in seiner Entscheidung die Verfolgungsbehauptungen der Beschwerdeführer, im Herkunftsstaat wegen der Tätigkeit des Erstbeschwerdeführers als Maddah und wegen einer durch die Schwiegertochter der Beschwerdeführer erfolgten Verteilung von CDs an Schüler einer Drohung ausgesetzt zu sein, als nicht glaubhaft beurteilt. Weiters hat das Bundesverwaltungsgericht festgestellt, dass es sich bei der Zweitbeschwerdeführerin nicht um eine auf Eigenständigkeit bedachte Frau, die in ihrer Wertehaltung und Lebensweise an dem in Europa mehrheitlich gelebten, allgemein als westlich bezeichneten Frauen- und Gesellschaftsbild orientiert sind, handelt.
Am 12.05.2020 brachten die Beschwerdeführer Folgeanträge auf internationalen Schutz ein, zu deren Begründung sie keinen neuen Sachverhalt behauptet sondern sich auf ein weiteres Bestehen der bereits durch die Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichts vom 08.08.2019 als unglaubhaft beurteilten Bedrohungssituation berufen haben.
Es ist nicht glaubhaft, dass die Beschwerdeführer wegen der Tätigkeit des Erstbeschwerdeführers als Maddah oder wegen der behaupteten Verteilung von CDs durch die Schwiegertochter der Beschwerdeführerin im Rahmen ihrer Tätigkeit als Koranlehrerin einer Bedrohung durch einen näher bezeichneten Mullah oder dessen Anhänger ausgesetzt sind.
Den Beschwerdeführern droht keine Verfolgung wegen ihrer Volksgruppenzugehörigkeit, ihrem Bekenntnis zur schiitischen Glaubensrichtung des Islam oder wegen des Umstandes, dass sie in Europa oder dem Iran gelebt haben.
Die Zweitbeschwerdeführerin hat während ihres bisherigen Aufenthaltes nicht den sogenannten Lebensstil einer westlich orientierten Frau verinnerlicht und ist daher nicht aus einem solchen Grund einer Bedrohung im Herkunftsstaat ausgesetzt.
1.2. Zur Situation im Herkunftsstaat:
Es wird auf die entsprechenden Feststellungen der angefochtenen Bescheide verwiesen, die auf das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation gegründet worden.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Die Behauptungen der Beschwerdeführer, im Herkunftsstaat einer Verfolgung durch einen näher bezeichneten Mullah und dessen Anhänger ausgesetzt zu sein, weil sich aus der Tätigkeit des Erstbeschwerdeführers als Maddah oder wegen der behaupteten Verteilung von CDs durch die Schwiegertochter der Beschwerdeführer während deren Tätigkeit als Religionslehrerin ein Konflikt entwickelt habe, ist bereits mit den rechtskräftigen Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichts vom 08.08.2019 als unglaubhaft beurteilt worden.
Die Beschwerdeführer haben im Verfahren über ihre Folgeanträge lediglich vorgebracht, dass eine solche Bedrohung weiterhin bestehe, jedoch nicht glaubhaft gemacht, dass eine derartige Gefährdung entgegen den seinerzeitigen Feststellungen in den Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichts vom 08.08.2019 nunmehr tatsächlich vorliegen solle. Soweit der Erstbeschwerdeführer auf das Ableben eines angeblichen Cousins vor etwa sieben oder acht Jahre hinweist, hat die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid zu Recht dazu festgehalten, dass dieser behauptete Vorfall keine Aktualität aufweise und sich aus den vorgelegten Unterlagen auch nicht ableiten lasse, durch wen oder unter welchen Umständen die genannte Person ums Leben gekommen wäre. Die Beschwerde ist diesen beweiswürdigenden Erwägungen des entsprechenden angefochtenen Bescheides keiner Weise entgegengetreten und hat nicht aufzuzeigen unternommen, dass sich aus dem behaupteten Ableben der als Cousin des Erstbeschwerdeführers bezeichneten Person eine Bedrohungssituation für die Beschwerdeführer im behaupteten Sinne konkret ableiten ließe.
Die Beschwerdeführer haben im Verfahren über ihre Folgeanträge keine konkreten Anhaltspunkte dafür geäußert, dass sie bei einer Rückkehr einer Verfolgung aufgrund ihrer Volksgruppenzugehörigkeit, ihrer religiösen Überzeugung oder ihrer Auslandsaufenthalte ausgesetzt sein sollten.
Die weiteren Beschwerdeausführungen, die Behörde habe das Vorbringen der Zweitbeschwerdeführerin nicht ausreichend gewürdigt, sind unzutreffend. Die Beschwerdeführerin hat im Verfahren bei der Einvernahme selbst eingeräumt, dass sie trotz eines etwa fünfjährigen Aufenthaltes in Österreich auch nach behaupteten Bemühungen durch wiederholte Besuche von Kursen nur geringe Kenntnisse der deutschen Sprache erworben habe. Demgemäß ist sie im Rahmen des Alltagslebens zwar in der Lage, selbst Einkäufe durchzuführen, benötigt jedoch bei Arztbesuchen oder Behördenwegen Unterstützung insbesondere durch ihre Kinder.
Aus ihren Ausführungen zur Gestaltung ihres Alltagslebens hat sich auch ergeben, dass sie bereits im Herkunftsstaat von ihrem Ehemann als gleichberechtigt behandelt worden sei und sie auch dort den Einkauf nach Überlassung von Geld durch ihren Ehemann selbstständig vorgenommen habe. Für eine entwickelte Eigenständigkeit zu einer sogenannten westlich orientierten Frau besteht daher kein Anhaltspunkt. Aus dem Umstand, dass die Zweitbeschwerdeführerin gelegentlich mit anderen Frauen bei Treffen Handarbeiten ausgeführt und Tee getrunken hat, lässt sich eine entwickelte gesteigerte Eigenständigkeit nicht ableiten. Die belangte Behörde hat zu Recht darauf hingewiesen, dass die bisher nahezu völlig ausgebliebene sprachliche Integration der Zweitbeschwerdeführerin einer solchen Entwicklung entgegensteht. Auch dem hat die Beschwerde nichts entgegengehalten.
Auch das Vorbringen der Zweitbeschwerdeführerin, dass sie in Österreich bestrebt gewesen sei, ihren Kindern eine Ausbildung zu ermöglichen, steht nicht im Gegensatz zu ihrer Lebenssituation im Herkunftsstaat, wo die Kinder der Beschwerdeführer Gelegenheit zum Schulbesuch hatten, was jedoch nach ihren Angaben während des nachfolgenden Aufenthaltes im Iran nicht mehr der Fall gewesen sei.
Die Zweitbeschwerdeführerin hat somit eine gesteigerte Selbstbestimmung im Sinne eines sog. Lebensstils einer westlich orientierten Frau nicht dargetan.
2.2. Die Beschwerde hat die Länderfeststellungen der angefochtenen Bescheide nicht in Zweifel gezogen.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Abweisung der Beschwerden:
3.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Asylantrag gestellt hat, soweit der Antrag nicht gemäß §§ 4, 4a oder 5 AsylG 2005 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht.
Flüchtling ist, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffs ist die "begründete Furcht vor Verfolgung."
Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. zB. VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.1.2001, 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 28.3.1995, 95/19/0041; 27.6.1995, 94/20/0836; 23.7.1999, 99/20/0208; 21.9.2000, 99/20/0373; 26.2.2002, 99/20/0509 mwN; 12.9.2002, 99/20/0505; 17.9.2003, 2001/20/0177; 28.10.2009, 2006/01/0793; 23.2.2011, 2011/23/0064) ist eine Verfolgungshandlung nicht nur dann relevant, wenn sie unmittelbar von staatlichen Organen (aus Gründen der GFK) gesetzt worden ist, sondern auch dann, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, Handlungen mit Verfolgungscharakter zu unterbinden, die nicht von staatlichen Stellen ausgehen, sofern diese Handlungen - würden sie von staatlichen Organen gesetzt - asylrelevant wären. Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann (VwGH 22.3.2000, 99/01/0256 mwN).
Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe Dritter präventiv zu schützen (VwGH 13.11.2008, 2006/01/0191; 28.10.2009, 2006/01/0793; 19.11.2010, 2007/19/0203; 23.2.2011, 2011/23/0064; 24.3.2011, 2008/23/1101). Für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht - unter dem Fehlen einer solchen ist nicht "zu verstehen, dass die mangelnde Schutzfähigkeit zur Voraussetzung hat, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht" (VwGH 22.3.2000, 99/01/0256) -, kommt es darauf an, ob jemand, der von dritter Seite (aus den in der GFK genannten Gründen) verfolgt wird, trotz staatlichem Schutz einen - asylrelevante Intensität erreichenden - Nachteil aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten hat (vgl. VwGH 22.3.2000, 99/01/0256 im Anschluss an Goodwin-Gill, The Refugee in International Law2 [1996] 73; weiters VwGH 26.2.2002, 99/20/0509 mwN; 20.9.2004, 2001/20/0430; 17.10.2006, 2006/20/0120; 13.11.2008, 2006/01/0191; 28.10.2009, 2006/01/0793; 19.11.2010, 2007/19/0203; 23.2.2011, 2011/23/0064; 24.3.2011, 2008/23/1101). Für einen Verfolgten macht es nämlich keinen Unterschied, ob er auf Grund staatlicher Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einen Nachteil zu erwarten hat oder ob ihm dieser Nachteil mit derselben Wahrscheinlichkeit auf Grund einer Verfolgung droht, die von anderen ausgeht und die vom Staat nicht ausreichend verhindert werden kann. In diesem Sinne ist die oben verwendete Formulierung zu verstehen, dass der Herkunftsstaat "nicht gewillt oder nicht in der Lage" sei, Schutz zu gewähren (VwGH 26.2.2002, 99/20/0509). In beiden Fällen ist es dem Verfolgten nicht möglich bzw. im Hinblick auf seine wohlbegründete Furcht nicht zumutbar, sich des Schutzes seines Heimatlandes zu bedienen (vgl. VwGH 22.3.2000, 99/01/0256; 13.11.2008, 2006/01/0191; 28.10.2009, 2006/01/0793; 19.11.2010, 2007/19/0203; 23.2.2011, 2011/23/0064; 24.3.2011, 2008/23/1101).
Gemäß § 11 Abs. 1 AsylG 2005 ist ein Antrag auf internationalen Schutz abzuweisen, wenn Asylwerbern in einem Teil ihres Herkunftsstaates vom Staat oder sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden, und ihnen der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden kann (Innerstaatliche Fluchtalternative). Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK vorliegen kann und die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1) in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben sind. Bei der Prüfung, ob eine innerstaatliche Fluchtalternative gegeben ist, ist auf die allgemeinen Gegebenheiten des Herkunftsstaates und auf die persönlichen Umstände der Asylwerber zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag abzustellen (§ 11 Abs. 2 leg. cit.).
Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.1.2001, 2001/20/0011).
Es sei weiters betont, dass die Glaubwürdigkeit des Vorbringens die zentrale Rolle für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und Asylgewährung einnimmt (VwGH vom 20.06.1990, Zl. 90/01/0041).
3.2. Die Angaben der Beschwerdeführer zu den Gründen, weshalb sie ihren Herkunftsstaat verlassen habe, waren aus den im Rahmen der Beweiswürdigung dargelegten Erwägungen unglaubwürdig.
Auch aus der allgemeinen Lage in Afghanistan lässt sich konkret für die Beschwerdeführer kein Status eines Asylberechtigten ableiten. Eine allgemeine desolate wirtschaftliche und soziale Situation kann nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht als hinreichender Grund für eine Asylgewährung herangezogen werden (vgl. etwa VwGH vom 14.03.1995, 94/20/0798, sowie VwGH vom 17.06.1993, 92/01/1081). Wirtschaftliche Benachteiligungen können nur dann asylrelevant sein, wenn sie jegliche Existenzgrundlage entziehen (vgl. etwa VwGH 09.05.1996, 95/20/0161; 30.04.1997, 95/01/0529; 08.09.1999, 98/01/0614). Aber selbst für den Fall des Entzugs der Existenzgrundlage ist Asylrelevanz nur dann anzunehmen, wenn dieser Entzug mit einem in der GFK genannten Anknüpfungspunkt – nämlich der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung – zusammenhängt, was im vorliegenden Fall zu verneinen wäre.
In Bezug auf die Verneinung einer Lebensweise bei der Zweitbeschwerdeführerin in der die Anerkennung, die Inanspruchnahme oder die Ausübung ihrer Grundrechte zum Ausdruck kommt und der Verneinung dessen, dass eine derartige Lebensführung zu einem wesentlichen Bestandteil der Identität der Beschwerdeführerinnen geworden ist, wird darauf verwiesen, dass bezogen auf Afghanistan nicht die Eigenschaft des Frau-Seins an sich in der Judikatur zur Gewährung von Asyl führt (vgl. VwGH 22.03.2017, Ra 2016/18/0388). Vielmehr wird die Glaubhaftmachung einer persönlichen Wertehaltung, die sich an dem in Europa mehrheitlich gelebten allgemein als „westlich“ bezeichneten Frauen- und Gesellschaftsbild (selbstbestimmt leben zu wollen) orientiert, als asylrelevant erachtet. Eine solche vermochte die Zweitbeschwerdeführerin aber nicht glaubhaft darzutun. Vielmehr hat das Ermittlungsverfahren ergeben, dass sie kein derartiges Leben führt und anstrebt.
In diesem Zusammenhang führte der VfGH im Erkenntnis vom 12.06.2015, Zl. E 573/2015-9, aus:
„Die Zuerkennung des Status einer Asylberechtigten hängt davon ab, mit welchen Konsequenzen die Asylwerberin aufgrund ihrer Haltung im Herkunftsstaat zu rechnen hat und ob diese als Verfolgung iSd Genfer Flüchtlingskonvention anzusehen sind. Nach einer Stellungnahme des UNHCR von Juli 2003 sollten afghanische Frauen, von denen angenommen wird, dass sie soziale Normen verletzen oder dies tatsächlich tun, bei der Rückkehr nach Afghanistan als gefährdet angesehen werden. Diese Kategorie könnte Frauen einschließen, die westliches Verhalten oder westliche Lebensführung angenommen haben, was als Verletzung der sozialen Normen angesehen werde und ein solch wesentlicher Bestandteil der Identität dieser Frauen geworden sei, dass es für diese eine Verfolgung bedeuten würde, dieses Verhalten unterdrücken zu müssen (zur Indizwirkung dieser konkreten Empfehlung VwGH 16.1.2008, 2006/19/0182 mwN). Daraus leitet der VwGH ab, dass einer afghanischen Frau Asyl zu gewähren ist, wenn der von ihr vorgebrachte "westliche Lebensstil" in Afghanistan einer zu den herrschenden politischen und/oder religiösen Normen eingenommene oppositionelle Einstellung gleichgesetzt wird und ihr deshalb Verfolgung droht. Es komme aus asylrechtlicher Sicht nicht darauf an, ob sich eine Asylwerberin den gesellschaftlichen Normen ihres Heimatstaates anzupassen hat oder nicht (VwGH 6.7.2011, 2008/19/0994; 16.1.2008, 2006/19/0182).“
Im gegenständlichen Fall führte das Ermittlungsverfahren zu dem Ergebnis, dass die Zweitbeschwerdeführerin keinen „westlichen“ selbstbestimmten Lebensstil pflegt und auch keine entsprechende innere Wertehaltung glaubhaft gemacht hat. Die von ihr angeführte selbständige Durchführung von Einkäufen war nach eigenen Angaben auch schon in Afghanistan möglich. Ach das gelegentliche Trinken von Tee und die Durchführung von Handarbeiten mit anderen Frauen bilden keine radikale Abkehr von der konservativ-religiös geprägten afghanischen Tradition. Infolgedessen verletzt sie mit ihrer Lebensweise die herrschenden sozialen Normen in Afghanistan nicht in einem Ausmaß, dass ihr bei einer Rückkehr – unter Beibehaltung des Lebensstils – Verfolgung iSd Genfer Flüchtlingskonvention drohen würde. Die Voraussetzungen für die Gewährung von Asyl liegen vor, wenn dieser Lebensstil ein wesentlicher Teil der Identität geworden ist, sodass es für die Beschwerdeführerin eine Verfolgung bedeuten würde, dieses Verhalten unterdrücken zu müssen. Dies konnte im gegenständlichen Fall mangels Glaubhaftigkeit der Annahme eines „westlichen Lebensstils“ bzw. einer entsprechenden Geistes- und Wertehaltung nicht festgestellt werden. Vielmehr zeigte sich, dass die Beschwerdeführerin keine Lebensweise angenommen hat, in der die Anerkennung, die Inanspruchnahme oder die Ausübung ihrer Grundrechte zum Ausdruck kommt. Soweit in Afghanistan vorherrschende Kleidungsvorschriften in Kalkül zu ziehen sind, wurde im Verfahren nicht behauptet, dass allein die Bekleidung Teil ihrer Identität geworden ist.
Dass die Beschwerdeführer aus anderen in ihrer Person gelegenen Gründen einer – ausreichend wahrscheinlichen – asylrelevanten Verfolgung maßgeblicher Intensität in Afghanistan ausgesetzt wären, wurde von den Beschwerdeführern nicht glaubhaft dargelegt.
Weiters konnte keine individuelle und konkret gegen die Beschwerdeführer gerichtete Verfolgung iSd GFK aufgrund ihrer Eigenschaft als Rückkehrer aus dem Iran bzw. Europa festgestellt werden. Auch eine von individuellen Aspekten unabhängige "Gruppenverfolgung" ist vor dem Hintergrund der Länderfeststellungen des angefochtenen Bescheids nicht erkennbar:
Aus den Länderberichten der angefochtenen Bescheide (Abschnitt 13 „Rückkehr“) ist nicht ableitbar, dass alleine ein Aufenthalt im Iran und Europa bei einer Rückkehr nach Afghanistan bereits mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung asylrelevanter Intensität auslösen würden; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt dafür nicht (so z.B. VwGH 10.11.2015, Ra 2015/19/0185, mwN).
Soweit sich das fluchtkausale Vorbringen der Beschwerdeführer auf die schwierigen Lebensumstände illegal im Iran aufhältiger Afghanen bezieht, so ist ihnen entgegen zu halten, dass dieses Vorbringen zwar der Beurteilung zu Grunde gelegt wird, dass aber § 3 Abs. 1 AsylG die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten nur vorsieht, wenn dem Fremden im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK droht. Der Herkunftsstaat ist gemäß § 2 Abs. 1 Z 17 AsylG jener Staat, dessen Staatsangehörigkeit der Fremde besitzt; nur im Falle der Staatenlosigkeit gilt der Staat seines früheren gewöhnlichen Aufenthaltes als Herkunftsstaat. Aufgrund der afghanischen Staatsangehörigkeit der Beschwerdeführer kann somit ihr Vorbringen im Hinblick auf den Iran außer Betracht bleiben (vgl. VwGH 02.03.2006, 2004/20/0240).
Das Bundesverwaltungsgericht konnte anhand der Länderberichte (Abschnitt 6.1 „Schiiten“) auch nicht feststellen, dass ein Angehöriger der schiitischen Minderheit im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit befürchten müsste, alleine wegen seiner Zugehörigkeit zu dieser Gruppe Verfolgung im Sinne eines ungerechtfertigten Eingriffs von erheblicher Intensität ausgesetzt zu sein. Den vorliegenden Länderberichten ist zu entnehmen, dass die Diskriminierung der schiitischen Minderheit durch die sunnitische Mehrheit zurückgegangen ist, wenngleich Berichte zu lokalen Diskriminierungsfällen existieren. Afghanischen Schiiten ist es überdies möglich, ihre Feste öffentlich zu feiern, auch wenn einige Paschtunen wegen der Feierlichkeiten missgestimmt sind, was gelegentlich in Auseinandersetzungen mündet. In den Jahren 2016, 2017 und 2018 wurden schiitische Muslime, hauptsächlich ethnische Hazara, oftmals Opfer von terroristischen Angriffen u.a. der Taliban und des IS. Eine Gruppenverfolgung ist diesen Ausführungen jedoch nicht zu entnehmen, wenngleich die gesellschaftlichen Spannungen fortbestehen und in lokal unterschiedlicher Intensität gelegentlich wiederaufleben. Die Beschwerdeführer gehören zudem als Tadschiken auch nicht einer ethnischen Minderheit an, sondern sind die Tadschiken vielmehr die zweitgrößte und zweitmächtigste Gemeinschaft in Afghanistan. Tadschiken machen (laut Abschnitt 7.1 der Länderfeststellungen„Tadschiken“) etwa 30% der afghanischen Gesellschaft aus. Die Tadschiken sind auch im nationalen Durchschnitt mit etwa 25% in der Afghan National Army (ANA) und der Afghan National Police (ANP) repräsentiert. Dass Tadschiken gezielt diskriminiert würden, ergibt sich nicht aus den Länderberichten und wurde auch nicht substantiiert vorgebracht.
Da die Beschwerdeführer weder glaubhaft machen konnten noch auf Grund des Ermittlungsverfahrens hervorgekommen wäre, dass ihnen asylrelevante Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht, waren die Beschwerden gegen Spruchpunkt I. der angefochtenen Bescheide daher gemäß § 3 Abs. 1 AsylG als unbegründet abzuweisen.
3.3. Gemäß § 24 Abs. 1 des VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Gemäß § 21 Abs. 7 erster Fall BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint.
Der Verwaltungsgerichtshof hat sich ausführlich in seinem Erkenntnis vom 28.05.2014, Ra 2014/20/0017 und 0018, mit dem Verständnis dieser Bestimmung auseinandergesetzt und geht seitdem in seiner ständigen Rechtsprechung (vgl. dazu statt vieler die Erkenntnisse vom 12. November 2014, Ra 2014/20/0029, vom 2. September 2015, Ra 2014/19/0127, vom 15. März 2016, Ra 2015/19/0180, vom 18. Mai 2017, Ra 2016/20/0258, und vom 20. Juni 2017, Ra 2017/01/0039) davon aus, dass für die Auslegung der in § 21 Abs. 7 BFA-VG enthaltenen Wendung "wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint" folgende Kriterien beachtlich sind:
Der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt muss von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offengelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten ist bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen.
Im gegenständlichen Fall hat das Bundesverwaltungsgericht keinerlei neue Beweismittel beigeschafft und sich für seine Feststellungen über die Person des Beschwerdeführers und zur Lage in Afghanistan auf jene des angefochtenen Bescheids gestützt. Die Beschwerde ist der Richtigkeit dieser Feststellungen und der zutreffenden Beweiswürdigung der Behörde nicht ansatzweise substanziiert entgegengetreten (VwGH vom 20.12.2016, Ra 2016/01/0102) und hat keine neuen Tatsachen vorgebracht. Die Beschwerde hat die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht beantragt und es auch sonst nicht konkret aufzuzeigen unternommen, dass eine solche Notwendigkeit im vorliegenden Fall bestehen würde (vgl. zuletzt etwa VwGH 4.12.2017, Ra 2017/19/0316-14).
Das Bundesverwaltungsgericht konnte daher im vorliegenden Fall von einem geklärten Sachverhalt im Sinne des § 21 Abs. 7 BFA-VG ausgehen; es war nach den oben dargestellten Kriterien nicht verpflichtet, eine mündliche Verhandlung durchzuführen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, sondern stellt die Entscheidungsfindung ausschließlich das Resultat einer eingehenden Glaubwürdigkeitsauseinandersetzung, basierend auf den konkret im Verfahren präsentierten Angaben der Beschwerdeführer, dar. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab (vgl. die oben im Rahmen der rechtlichen Beurteilung zu Spruchteil A angeführten zahlreichen Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes), noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Sofern die oben angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes und der Verfassungsgerichtshofes zu (zum Teil) alten Rechtslagen erging, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar (vgl. dazu insb. Notwendigkeit einer maßgeblichen Verfolgungswahrscheinlichkeit und dem Ungenügen der entfernten Möglichkeit einer Verfolgung VwGH 21.12.2000, 2000/01/0132; 23.09.1998, 98/01/0224; 26.11.1998, 98/20/0309, u.v.a; sowie zur Bewertung der aktuellen [Rückkehr-]situation in Afghanistan EGMR AGR/Niederlande, 12.01.2016, 13.442/08 und das dementsprechende Erkenntnis des VwGH vom 23.02.2016, Zl. Ra 2015/01/0134-7).
Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Das Bundesverwaltungsgericht kann sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.
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