BVwG W189 1410743-2

BVwGW189 1410743-212.3.2014

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §75 Abs20
AsylG 2005 §8 Abs1
B-VG Art. 133 Abs4
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §75 Abs20
AsylG 2005 §8 Abs1
B-VG Art. 133 Abs4

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2014:W189.1410743.2.00

 

Spruch:

W189 1410743-2/14E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Riepl als Einzelrichterin über die Beschwerde der XXXX, geb. XXXX, StA. Russische Föderation, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 15.09.2010, Zl. 09 14.436-BAW, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 07.11.2013, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß den §§ 3 Abs. 1 und 8 Abs. 1 AsylG 2005 BGBl. I 100/2005 idF BGBl. I Nr. 144/2013 (AsylG 2005) als unbegründet abgewiesen.

Gemäß § 75 Abs. 20 1. Satz, 2. Fall und 2. Satz AsylG 2005 wird das Verfahren insoweit zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gem. Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

I. Verfahrensgang

I.1. Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige der Russischen Föderation und der tschetschenischen Volksgruppe zugehörig, reiste am 19.11.2009 in das Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz.

Im Rahmen ihrer Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 19.11.2009 gab die Beschwerdeführerin an, vor ihrer Ausreise an einem näher genannten Ort in Tschetschenien aufhältig gewesen zu sein.

Im Zuge der Aufnahme ihrer Personalien führte sie aus, dass ihre Eltern bereits verstorben seien. Eine Tochter halte sich in der Russischen Föderation an einem der Beschwerdeführerin nicht bekannten Ort auf. Ein Sohn werde vermisst. Eine weitere Tochter sei unbekannten Aufenthaltes, eine weitere Tochter halte sich in Österreich auf.

Eine Tochter der Beschwerdeführerin - EDV-Zl. 04 16.304 - lebe seit ca. sechs Jahren in Österreich und glaube die Beschwerdeführerin, dass diese einen positiven Bescheid habe. Die Beschwerdeführerin habe ihren Herkunftsstaat im November 2009 mit dem Zug verlassen. Sie wisse nicht, ob sie illegal oder legal ausgereist sei. Sie habe bei der Ausreise ein Reisedokument, das ihr vom zuständigen Passamt ausgestellt worden sei, mit sich geführt.

Ihr Inlandspass habe sich in ihrer Handtasche befunden, die sie im Zug vergessen habe. Sie sei mit dem Zug mit dem Schlepper nach XXXX gefahren. In XXXX seien sie umgestiegen. Sie habe jedoch das Ziel des Zuges nicht gekannt. Auch den Ort, an dem sie angekommen seien, habe sie nicht gekannt.

Die Einreise in die EU sei illegal erfolgt. Sie habe in keinem anderen Land um Asyl angesucht.

Ihr Auslandsreisepass sei ihr unterwegs abgenommen und nicht mehr zurückgegeben worden. Sie habe ein fertiges Papier vorgelegt bekommen, welches sie unterschreiben habe müssen.

Sie habe sich dort zwei Tage aufgehalten. Auf Nachfrage meinte die Beschwerdeführerin, dass sie nicht wisse, ob die Reisepassabnahme und Anhaltung in Polen erfolgt sei.

Die Beschwerdeführerin habe sich den Schlepper organisiert, dem sie US-$ 5.000,00 bezahlt habe. Sie habe ihren Schmuck, eine Kuh und Möbel verkauft.

Befragt, warum sie ihr Land verlassen habe, meinte sie, dass sie eine alte Frau sei und keine Ruhe habe. Ständig - zwei Mal in der Woche - seien Männer gekommen. Sie hätten nach ihrem verschollenen Sohn gefragt.

Sie wolle mit ihrer in XXXX lebenden Tochter zusammen sein.

Der Beschwerdeführerin wurde schließlich vorgehalten, dass ein EURODAC-Treffer betreffend Polen vorliege. Die Beschwerdeführerin erklärte, hiezu nichts zu wissen. Der Schlepper habe gesagt, dass sie es so machen müssten, da sie ansonsten nicht weiterfahren können würden. Ihr sei auch nicht bewusst gewesen, das sie in Polen um Asyl angesucht habe. Sie habe lediglich gemacht, was ihr der Schlepper gesagt habe.

Sie sei eine alte Frau und wolle mit ihrer Tochter in XXXX zusammenleben.

Nach Befürchtungen im Fall einer Rückkehr in den Herkunftsstaat befragt, erklärte sie, dass sie nicht mehr zurückkönne. Sie habe nichts mehr. Sie habe alles verkauft und sei dort alleine.

Auf ausdrückliche Befragung verneinte sie auch, dass es konkrete Hinweise darauf gebe, dass ihr für den Fall einer Rückkehr unmenschliche Behandlung, unmenschliche Strafe oder die Todesstrafe drohen würden.

Auch hätte sie für den Fall einer Rückkehr in den Herkunftsstaat mit keinen Sanktionen zu rechnen.

Die Beschwerdeführerin brachte ihre russische Geburtsurkunde und eine medizinische Versicherungspolizze in Vorlage.

Infolge des EURODAC-Treffers für Polen wurden Dublin-Konsultationen mit Polen eingeleitet, wobei die polnischen Behörden mit Schreiben vom 26.11.2009 einer Überstellung der Beschwerdeführerin nach Polen zustimmten.

Im Rahmen des Zulassungsverfahrens wurde die Beschwerdeführerin am 04.12.2009 vor der Erstaufnahmestelle West niederschriftlich einvernommen.

Zu ihrem Gesundheitszustand befragt, erklärte sie, dass sie schon alt sei, es ihr den Umständen entsprechend gut gehe.

Seit sechs Jahren habe die Beschwerdeführerin Probleme mit dem Herzen. Diese Probleme habe sie aufgrund ihrer Situation im Herkunftsstaat. Sie habe in der Vergangenheit im Herkunftsstaat keine Medikamente eingenommen und benötige solche auch jetzt nicht.

Sie fühle sich auch im Stande bzw. körperlich und geistig in der Lage, die Einvernahme durchzuführen.

In Polen habe sie sich für wenige Tage in einem Hotel aufgehalten, das sie selbst bezahlt habe. Ihr Reisepass befinde sich bei den polnischen Behörden. Ihre weiteren Dokumente habe sie in ihrer Heimat zurückgelassen. Ihren Personalausweis habe sie im Zug vergessen.

Ihr Reisepass sei Anfang November 2009 von den zuständigen Behörden im Herkunftsstaat ausgestellt worden.

Die Beschwerdeführerin habe vier Kinder - drei Töchter und einen Sohn. Zwei Töchter und ein Sohn würden in der Russischen Föderation leben, eine Tochter lebe in XXXX. Alle ihre Kinder seien bereits verheiratet und hätten Familien. Insgesamt habe sie vier Enkelkinder.

Eine Tochter (EDV-Zl. 04 16.304) lebe in XXXX.

In der Vergangenheit habe sie von ihrer in XXXX lebenden Tochter einmal Geld erhalten. Die Beschwerdeführerin habe ihrer in XXXX lebenden Tochter einmal Kleidung geschickt. Die Kleidung hätten andere Asylwerber für die in XXXX lebende Tochter mitgenommen.

Ihre beiden Töchter würden im Herkunftsstaat bei ihren Ehemännern leben. Ihr Sohn sei verschollen.

Die Beschwerdeführerin sei legal aus dem Herkunftsstaat ausgereist.

Zum Grund für das Verlassen des Herkunftsstaates befragt, meinte die Beschwerdeführerin, dass unbekannte Männer sie nach dem Aufenthalt ihres Sohnes gefragt hätten.

Zur beabsichtigten Rückbringung nach Polen erklärte die Beschwerdeführerin, dass sie verstehe, dass Polen für sie zuständig sei. Sie würde aber gerne bei ihrer Tochter in XXXX leben.

In Polen habe sie lediglich einen Asylantrag gestellt, da ihr dies von den Schleppern vorgeschlagen worden sei.

Auf Vorhalt, dass Polen zur Durchführung des Asylverfahrens der Beschwerdeführerin zuständig sei und beabsichtigt sei, sie nach Polen zu überstellen, erklärte die Beschwerdeführerin, dass sie nicht nach Polen zurückkönne, da sie bei ihrer Tochter leben wolle.

Auf Nachfrage des Rechtsberaters erklärte die Beschwerdeführerin, dass sie, abgesehen von Problemen mit dem Herzen, an einer Allergie leide. Sie sei auch ein bisschen verwirrt.

Auf Vorhalt erklärte sie, zuhause manchmal beim Psychologen gewesen zu sein und eine Gesprächstherapie erhalten zu haben. Im Bundesgebiet und in Polen sei sie nicht in psychologischer oder psychiatrischer Behandlung gestanden.

I.2. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 04.12.2009, Zl. 09 14.436-EASt West, wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und die Zuständigkeit Polens für die Prüfung des Antrages gemäß Art. 16 (1) c der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 festgestellt (Spruchpunkt I). In Spruchpunkt II wurde die Beschwerdeführerin gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Polen ausgewiesen.

Das Bundesasylamt traf in diesem Bescheid Feststellungen zum polnischen Asylverfahren, und zur Versorgung von Asylwerbern in Polen, aus denen auch hervorgeht, dass medizinische Versorgung im Allgemeinen gewährleistet ist. Beweiswürdigend wurde hervorgehoben, dass die Beschwerdeführerin seit sechs Jahren gesundheitliche Beschwerden (Herzklopfen und Schwitzen) hätte, diesbezügliche jedoch weder ärztlich behandelt worden sei, noch Medikamente eingenommen habe, womit ihr Gesundheitszustand kein Überstellungshindernis nach Polen darstelle. Unter Verweis auf die Länderfeststellungen zu Polen wurde ausgeführt, dass der Zugang zur umfassenden Versorgung (medizinische und psychologische Betreuung) dort gewährleistet sei.

Die in Österreich lebende Tochter sei kein Angehöriger der Kernfamilie. In der Vergangenheit sei es lediglich einmal zu einer Geld- und Sachleistung gekommen, außerdem befinde sich die Beschwerdeführerin in der Grundversorgung, sodass nicht erkannt hätte werden können, dass sie ohne Hilfe ihrer Tochter in Österreich hilfsbedürftig wäre bzw. nicht überleben könnte, eine sonstige besondere Abhängigkeit sei im Verfahren auch nicht hervorgekommen.

I.3. Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht am 18.12.2009 Beschwerde erhoben, worin zunächst die Mangelhaftigkeit des Verfahrens vor dem Bundesasylamt geltend gemacht wurde. Das Bundesasylamt habe es unterlassen, eine psychologische Untersuchung trotz Indikation zu veranlassen. Die Beschwerdeführerin sei durch ihren psychischen Gesundheitszustand nur eingeschränkt in der Lage, sich um ihre Angelegenheiten zu kümmern. Überhaupt bestünden aufgrund ihres durch ärztliche Befunde bestätigten psychischen Erkrankungszustandes sogar Zweifel an ihrer Verhandlungsfähigkeit. So habe die Beschwerdeführerin sich in Traiskirchen verlaufen und nicht mehr zurück ins Lager gefunden. Aus den beigelegten Befunden gehe hervor, dass sich die Beschwerdeführerin in Traiskirchen in ständiger Behandlung befinde und unter einer präsenil dementen Erkrankung leide. Davon seien die Merkfähigkeit, Konzentration, Auffassungsgabe und das Altgedächtnis betroffen. Weiters leide sie unter hyperäesthetisch emotionellen, affektiven und nur teilweise korrespondierenden Schwächezuständen ("Zwangsweinen", was beim BAA festgestellt worden sei), schwersten Schlafstörungen iZm. halluzinatorischen Symptomen, schließlich seien sogar Selbstmordgedanken diagnostiziert worden. Eine Abschiebung der Beschwerdeführerin würde zu einer wesentlichen Verschlechterung führen, welche in Art. 2 und Art. 3 EMRK reichen könnte, weshalb das Verfahren zuzulassen sei. Auch sei durch den Gesundheitszustand (insbesondere wegen der Demenz) der Beschwerdeführerin ein Abhängigkeitsverhältnis (Pflegebedürftigkeit) zu der in Österreich lebenden Tochter gegeben, weshalb nach Art. 15 Dublin-II-VO vorzugehen sei.

Der Beschwerde wurde ein medizinisch-psychiatrischer Befundbericht eines näher bezeichneten Facharztes für Psychiatrie, Neurologie und Psychotherapie vom 14.12.2009 beigelegt, worin eine präsenile Demenz mit frühem Beginn und psychosewertigen Erkrankungen diagnostiziert wurde. Eine Abschiebung der Beschwerdeführerin würde eine Gefahr für Leib und Leben (Selbstmordgedanken) bedeuten.

Weiters wurde der Beschwerde eine Bestätigung eines näher genannten Vereines vom 10.12.2009 über die Inanspruchnahme einer Psychotherapie beigelegt.

I.4. Mit Beschluss des Asylgerichtshofes vom 30.12.2009, GZ: S1 410.743-1/2009/2Z, wurde der Beschwerde gemäß § 37 Absatz 1 AsylG 2005 die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

I.5. In der Folge führte der Asylgerichtshof am 22.01.2010 eine mündliche Beschwerdeverhandlung in Anwesenheit der Beschwerdeführerin, ihrer Vertreterin, sowie einer Vertrauensperson (ihrer Tochter) durch, in der insbesondere der Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin erörtert wurde.

Die Beschwerdeführerin legte einen Internetauszug zum Thema Demenz und deren Verlauf vor. Weiters legte die Beschwerdeführerin ein Konvolut an medizinischen Unterlagen vor. Zu ihren familiären Verhältnissen befragt, erklärte sie, dass sie vier Kinder habe. Ihr Sohn werde vermisst, ihre Tochter sei als Vertrauensperson anwesend. Eine weitere Tochter lebe in Russland, in einer Stadt die mit "S" beginne. Sie habe diese vor einem Jahr zuletzt gesehen. Der Aufenthalt ihrer weiteren Tochter sei ihr nicht bekannt.

Die Beschwerdeführerin habe zuletzt zuhause alleine gelebt. Die Nachbarn hätten nach ihr geschaut. Sie habe eine Alterspension erhalten.

Zu den aktuellen Kontakten zu ihrer Tochter befragt, erklärte sie, dass sie diese beinahe jeden Tag sehe. Sie übernachte manchmal auch bei dieser, da sie im Lager Angstzustände bekomme. Ihre Tochter lebe alleine. Sie habe sich von ihrem ehemaligen Mann bereits scheiden lassen. Abgesehen von ihrer Tochter habe sie im Bundesgebiet keine Bezugsperson.

Zu ihrer vorgelegten Bestätigung, wonach sie in psychotherapeutischer Betreuung stehe, befragt, meinte die Beschwerdeführerin, dass sie wöchentliche Termine wahrnehme.

Mittlerweile sei sie bei einem anderen Psychologen, wobei die Beschwerdeführerin einen Terminzettel für den 25.01.2010 vorlegte.

Die Beschwerdeführerin legte auch die Medikamente vor, die sie zum Zeitpunkt der Verhandlung eingenommen habe.

Befragt, welche körperlichen Beschwerden sie derzeit subjektiv habe, meinte die Beschwerdeführerin, dass sie oft nicht schlafen könne. Sie habe Albträume und wache schweißgebadet auf. Sie leide an Kopfschmerzen. Mit dem Herzen sei es besser. Die Beschwerden seien hier wahrscheinlich besser als in Russland, da sie ja wisse, dass sie hier nichts zu befürchten habe. In Russland habe sie ständig Angst gehabt. Diese Zustände habe sie seit dem ersten Krieg gehabt. Diese seien dann auch immer schlimmer geworden. Ihr Mann sei ja gestorben. Es habe aber Vorfälle gegeben, bei denen er zusammengeschlagen worden sei. Es sei für sie eine extrem schwierige Situation gewesen. Sie hätten in den Keller müssen.

Abgesehen von der vorgelegten Versicherungsurkunde könne die Beschwerdeführerin keine Dokumente aus dem Herkunftsstaat vorlegen.

Zum Grund für die Antragstellung befragt, erklärte die Beschwerdeführerin, dass ihr Sohn ungefähr vor einem Jahr - sie wisse es nicht sicher - verschwunden sei. Sie wisse nicht, ob er mitgenommen worden sei, oder ob er mitgegangen sei. Seitdem werde immer nach ihrem Sohn gefragt. Ihre Probleme würden demnach mit den Problemen ihres Sohnes zusammenhängen.

Befragt, weshalb sie zu ihrer Tochter nach Österreich und nicht zu ihren anderen Töchtern im Herkunftsstaat gegangen sei, meinte die Beschwerdeführerin, dass ihre in Russland lebende Tochter verheiratet sei und sie nicht einfach in das Haus ihres Schwiegersohnes könne. Ihre Tochter in Österreich sei zurzeit geschieden und lebe zurzeit alleine.

Ihre Zeit in Österreich verbringe sie mit ihrer Tochter, die sie auch zu Arztterminen begleite. Bereits im Herkunftsstaat sei die Beziehung zu ihrer Tochter sehr eng gewesen, auch wenn sie mit dieser nach ihrer Hochzeit nicht mehr zusammengelebt habe.

Die Tochter erklärte auf Befragung des Einzelrichters - ohne zeugenschaftliche Beeidung -, dass sie sich vor zwei Jahren scheiden habe lassen und kinderlos sei. Im Übrigen legte die Tochter ihre Lebenssituation im Bundesgebiet dar. Sie wolle sich um die Beschwerdeführerin kümmern. Die Beschwerdeführerin habe nach Einschätzung der Tochter ernstliche gesundheitliche Probleme. Die Tochter wurde weiters nach ihren Schwestern - den beiden weiteren Töchtern der Beschwerdeführerin - befragt. Zu diesen wisse sie lediglich, was ihr von ihrer Mutter erzählt worden sei. Sie habe im ersten Jahr - als sie in Österreich gewesen sei - schon mit ihrer älteren Schwester telefoniert. Diese habe sich in der Folge jedoch nicht mehr gemeldet bzw. sei das Telefon abgeschaltet gewesen. Auch betreffend die weitere Schwester wisse sie nichts Näheres. Sie glaube, diese halte sich in XXXX oder XXXX auf.

Die Beschwerdeführerin erklärte, dass es ihr gesundheitlich nicht gut gehe. Sie könne nicht alleine leben und sei es für sie besser, bei ihrer Tochter zu sein.

Auf Nachfrage des Vertreters erklärte die Beschwerdeführerin, dass sie sich ohne ihre Tochter nicht alleine mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren traue.

I.6. Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 28.01.2010, Zl. S1 410.743-1/2009/6E, wurde der Beschwerde stattgegeben und der Bescheid des Bundesasylamtes vom 04.12.2009 behoben.

Begründend wurde insbesondere dargelegt, dass im konkreten Fall vom Selbsteintrittsrecht aus humanitären Gründen aufgrund der intensiven Beziehung der Beschwerdeführerin zu ihrer Tochter im Zusammenhang mit ihrem beeinträchtigten Gesundheitszustand, respektive rechtlich aus Gründen des Art. 8 und Art. 3 EMRK, Gebrauch zu machen sei.

Nach Zulassung des Verfahrens veranlasste das Bundesasylamt die ärztliche Untersuchung der Beschwerdeführerin durch einen näher bezeichneten Facharzt für Neurologie und Psychiatrie der mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 24.03.2010 entsprechend als Gutachter bestellt wurde.

I.7. Am 26.05.2010 wurde die Beschwerdeführerin vor dem Bundesasylamt, Außenstelle XXXX, in Anwesenheit ihrer Tochter als Vertrauensperson, niederschriftlich einvernommen, wo sie eingangs zu ihrem Gesundheitszustand befragt, erklärte, dass sie sich den Umständen entsprechend wohl fühle. Sie habe keine physischen und psychischen Probleme, die sie daran hindern würden, die Befragung zu absolvieren. Sie könne sich auf die Vergangenheit konzentrieren und die an sie gestellten Fragen vollständig beantworten.

Es stehe schlecht um ihr Herz. Sie wolle aber trotzdem ihre Einvernahme machen. Sie habe dahingehend einen Termin beim Arzt.

Bereits im Herkunftsstaat habe sich die Beschwerdeführerin aufgrund psychischer Probleme in Behandlung befunden. Ihre psychischen Probleme habe sie bekommen, nachdem ihr Sohn vor zwei Jahren verschwunden sei.

Die Beschwerdeführerin legte mehrere medizinische Unterlagen über medizinische Behandlungen im Bundesgebiet vor. Auch legte sie Unterlagen über die Einnahme verschiedener Medikamente vor.

Zu ihren familiären Verhältnissen befragt, schilderte die Beschwerdeführerin, dass sich in ihrem Heimatdorf ihre beiden Brüder aufhalten würden. Eine Tochter halte sich in der Russischen Föderation auf. Über den Aufenthalt einer weiteren Tochter wisse sie nicht Bescheid. Eine Tochter halte sich in XXXX als Asylberechtigte auf.

Die Beschwerdeführerin habe im Jahr 1975 geheiratet und in der Folge bis zu ihrer Ausreise im Dorf XXXX im Haus ihres Mannes gelebt.

Vor fünf oder sechs Jahren sei ihr Mann verstorben, wobei dieser eigentlich so stark verprügelt worden sei, dass dieser an den Folgen daran verstorben sei.

In der Folge sei die Beschwerdeführerin am Herzen erkrankt und habe nicht mehr arbeiten können. Als der Krieg begonnen habe, sei alles durcheinander gekommen. Sie habe ihre Gesundheit verloren und alle seien weggefahren. Ihre Tochter sei damals nach Österreich gegangen.

Befragt, ob sich jemand aus ihrer Familie an den Kampfhandlungen beteiligt habe, sich den Kämpfern angeschlossen habe, oder auf andere Weise die Kämpfer unterstützt habe, meinte die Beschwerdeführerin, dass ihr Mann mit anderen Männern mitgegangen sei. Er habe keine Waffe gehabt, habe aber manchmal den Kämpfern geholfen. In welcher Form er die Kämpfer unterstützt habe, wisse sie nicht mehr. Sie wisse lediglich, dass ihr Mann immer wieder für längere Zeit weggeblieben sei.

Sie könne auch nicht mehr genau sagen, zu welchem Zeitpunkt ihr Mann zusammengeschlagen worden sei. Nach dem offiziellen Kriegsende sei ihr Mann mehrmals abgeführt und seine Gesundheit zerstört worden.

Nach dem fluchtauslösenden Ereignis befragt, gab die Beschwerdeführerin an, belästigt worden zu sein. Man habe den Aufenthalt ihres Sohnes wissen wollen. Es sei ihr keine Ruhe gelassen worden. Alleine sei es sehr schwer für sie gewesen. Die Nachbarn hätten ihr geholfen. Alleine hätte sie nicht mehr leben können, da sie krank gewesen sei. Sie sei jedes Mal danach gefragt worden, wo sich ihr Sohn aufhalte. An den Zeitpunkt, zu dem ihr Sohn verschwunden sei, könne sie sich nicht mehr erinnern.

Die Umstände des Verschwindens hätten sich derart gestaltet, dass ihr Sohn wie immer weggewesen und nicht mehr zurückgekommen sei. Sie habe ihn überall gesucht. Ihr Sohn habe ihr nie gesagt, wohin er gehe. Ihr Sohn habe bei ihr zuhause gelebt.

Zum Haus in Tschetschenien befragt, erklärte sie, dass dieses niemand haben hätte wollen und dieses deshalb leer stehe. Ansonsten habe sie alles verkauft.

Befragt, wen sie bezüglich des Verschwindens ihres Sohnes befragt habe, meinte sie, dass sie überall gewesen sei.

Befragt, ob sie ihre Brüder um Hilfe ersucht habe, meinte sie, dass diese auch Söhne verloren hätten.

Sie wisse nicht, weshalb ihr Sohn verschwunden sei. Viele junge Männer seien einfach verschwunden. Sie wisse auch nicht, ob sich ihr Sohn den Kämpfern angeschlossen habe. Wäre ihr Sohn tatsächlich zu den Kämpfern gegangen, hätte er wohl ein Lebenszeichen von sich gegeben.

Auf Nachfrage meinte die Beschwerdeführerin, sich nicht genau erinnern zu können, wann ihr Sohn verschwunden sei. Sie vermute es sei ungefähr vor zwei Jahren gewesen.

Die Männer, die ständig zu ihr gekommen seien, seien Soldaten mit Masken gewesen. Sie hätten gefragt, wo der Sohns sei bzw. wohin er gegangen sei.

Die Beschwerdeführerin selbst sei nicht mitgenommen worden.

Auf Nachfrage, wie oft und in welchem Zeitraum diese Männer gekommen seien, meinte die Beschwerdeführerin, dass es unterschiedlich gewesen sei. Manchmal seien sie einmal in der Woche gekommen. Vielleicht komme es ihr auch nur so vor, dass es öfters gewesen sei. Sie hätten überprüfen wollen, ob der Sohn nachhause komme.

Ihre Brüder hätten ihr nicht helfen können, da sie andere Probleme gehabt hätten.

Die in Österreich lebende Tochter der Beschwerdeführerin habe nicht gewusst, dass die Beschwerdeführerin zu dieser fahren habe wollen. Manchmal habe diese angerufen.

Zu ihren anderen Töchtern habe sie auch Kontakt gehabt. Dieser sei jedoch abgerissen.

Insbesondere die jüngste Tochter habe sich nicht gemeldet und habe die Beschwerdeführerin keine Möglichkeit gehabt, diese anzurufen. Das Telefonieren sei für diese viel zu teuer gewesen.

Zum ausschlaggebenden Grund für die Reise nach Österreich befragt, meinte die Beschwerdeführerin, gehört zu haben, für US-$ 5.000,00 problemlos nach Österreich kommen zu können. Man benötige nur einen Pass. Sie habe sich den Pass machen lassen und in der Folge alles verkauft. In der Folge habe sie sich mit dem Schlepper geeinigt.

Nach Wiederholung der Frage gab die Beschwerdeführerin an, dass ihre Tochter alleine lebe. Wegen ihrer schlechten Gesundheit habe die Beschwerdeführerin beschlossen, zu ihrer Tochter zu fahren. Die Beschwerdeführerin könne auch für den Fall, dass ihre Tochter in Zukunft wieder eine Ehe eingehen würde, bei dieser leben.

Die vorgelegte Versicherungskarte sei kein Nachweis über eine Pension, sondern lediglich ein Nachweis, den man im Krankenhaus vorlegen müsse. Um eine Pension zu erhalten müsse man 55 Jahre alt sein.

Bei der vorgelegten Versicherungspolizze handelt es sich laut Dolmetscherin um eine staatliche Versicherungspolizze, die eine unbefristete medizinische Versorgung sicherstelle.

Zu den Sozialleistungen befragt, die sie im Heimatland erhalten habe, meinte die Beschwerdeführerin, dass sie überhaupt kein Geld bekommen habe. Ihren Lebensunterhalt habe sie durch Hilfe ihrer Nachbarn bestritten. Ihre Tochter habe ihr einmal € 300,00 geschickt.

Der Vertreterin wurden Länderinformationen zum Herkunftsstaat zum schriftlichen Parteiengehör übergeben.

Die Beschwerdeführerin erklärte auf Nachfrage, Probleme gehabt zu haben, da sie Tschetschenin sei. Es habe Krieg geherrscht. Es habe keine Ruhe gegeben. Sie habe jedenfalls Probleme wegen ihres Mannes und wegen ihres Sohnes gehabt.

Die Beschwerdeführerin sei alleine und krank. Für den Fall einer Rückkehr wisse sie nicht, mit wem sie leben solle. Sie würde verrückt werden. Sie sehe im Traum fast jede Nacht, wie die Polizei sie abführe. Sie wisse nicht, wohin sie gehen solle.

Die Beschwerdeführerin legte nachfolgende medizinische Unterlagen vor:

Patientenbrief des KH XXXX vom 07.04.2010 über den stationären Aufenthalt vom 31.03.2010 bis 01.04.2010, Diagnosen: paroxysmales Vorhofflimmern, arterielle Hypertonie sowie Hypothyerose.

Situationsbericht und Aufenthaltsbestätigung des KH XXXX vom 01.04.2010;

Die Vertreterin der Beschwerdeführerin übermittelte mit Faxnachricht vom 03.06.2010 eine schriftliche Stellungnahme.

Darin wurde unter Verweis auf die vorgehaltenen Länderinformationen darauf hingewiesen, dass Angehörige von Kämpfern besonderer Verfolgungsgefahr ausgesetzt seien.

Der mittlerweile durch die Hand des Staates umgebrachte Ehemann der Beschwerdeführerin sei ein aktiver Unterstützer der Kämpfer gewesen und sei mit den Kämpfern mitgegangen. Dies sei ausschlaggebend dafür gewesen, dass er später ermordet worden sei.

Nach ihrem Sohn, der etwa vor zwei Jahren nach längeren Abwesenheiten nicht mehr zurückgekehrt sei, sei seither aktiv bei der Beschwerdeführerin gesucht worden. Sie sei häufig zuhause aufgesucht worden. Es sei aufgrund von Erfahrungswerten naheliegend, dass der Sohn der Beschwerdeführerin sich den Kämpfern angeschlossen habe, etwa um den Tod seines Vaters zu rächen. Dass Personen, die sich den Kämpfern anschließen, oft ihren Angehörigen nichts sagen würden, diene einerseits dem Eigenschutz, andererseits dem Schutz der Angehörigen und sei gängige Praxis. Ein weiteres Indiz sei der Umstand, dass plötzlich nach dem Verschwinden des Sohnes regelmäßig die Miliz die Beschwerdeführerin aufgesucht habe, um nach dem Sohn zu suchen. Wäre der Sohn nicht bei den Kämpfern, sondern an einem politisch uninteressanten Ort, wo er politisch irrelevanten Tätigkeiten nachgehen würde, wäre dies wohl nicht der Fall. Dass die tschetschenischen Truppen einer völlig unverdächtigen schlichten örtlichen Abwesenheit eines Menschen mit einer solchen Nachdrücklichkeit nachgehen würden, sei unwahrscheinlich.

In einer Gesamtbetrachtung liege demnach durchaus nahe, dass der Sohn tatsächlich in die Berge gegangen sei, wenn auch die Beschwerdeführerin dies nicht konkret wisse.

Aufgrund der in Tschetschenien herrschenden Sippenhaftung drohe der Beschwerdeführerin aufgrund ihres Sohnes und ihres verstorbenen Mannes Verfolgung.

Zum subsidiären Schutz wurde dargelegt, dass die Beschwerdeführerin über kein funktionierendes Netz in Tschetschenien verfüge. Zu ihren Kindern im Herkunftsstaat habe sie keinen Kontakt. Der Aufenthaltsort ihrer beiden Töchter sei ihr weitestgehend unbekannt. Ihr Sohn sei seit zwei Jahren verschollen.

Ihre beiden Brüder hätten sich nicht um die Beschwerdeführerin gekümmert.

Die Beschwerdeführerin habe keine staatliche Unterstützung erhalten.

Ihr Vermögen habe sie verkauft. Ihr Haus stehe nunmehr leer und sei nicht mehr bewohnbar. Der Beschwerdeführerin wäre es nicht möglich, sich in Tschetschenien eine neue Lebensgrundlage aufzubauen, zumal die Beschwerdeführerin dement sei und sich eine derartige Erkrankung immer weiter verschlechtere. Die Besorgung der eigenen Angelegenheiten und die Versorgung der eigenen Person werde im Alltag demnach immer schwieriger.

Es liege demnach durchaus im Bereich des Wahrscheinlichen, dass die Beschwerdeführerin im Fall einer Rückkehr in eine ausweglose Situation geraten würde, welche sie in eine Art. 3 EMRK widersprechende Lage bringen würde.

Im Übrigen scheitere die Verfügung einer Ausweisung daran, dass die Beschwerdeführerin mit ihrer Tochter in Österreich ein Familienleben iSd. Art. 8 EMRK führe.

I.8. Laut dem Psychiatrisch-Neurologischen Gutachten vom 15.04.2010 des als Gutachter bestellten Facharztes für Psychiatrie und Neurologie leide die Beschwerdeführerin aus psychiatrischer Sicht an einer leichtgradigen depressiven Episode mit somatischem Syndrom. Weiters würden sich Hinweise auf eine leichtgradige Hirnleistungsschwäche mit einer leichtgradigen Verminderung der Gedächtnisleistung und der Konzentrationsleistung finden.

Neurologisch habe sich ein im Wesentlichen unauffälliger Befund ergeben.

Aus somatischer Sicht seien ein rezidivierendes Vorhofflimmern sowie eine Hypertonie bekannt.

Hinweise auf das Vorliegen einer posttraumatischen Belastungsstörung hätten sich nicht ergeben.

Die Beschwerdeführerin leide an einer krankheitswertigen psychischen Störung.

Sie befinde sich in keiner regelmäßigen nervenärztlichen Behandlung und sei auch nicht medikamentös eingestellt. Eine entsprechende Behandlung sei empfehlenswert. Eine aktuelle Suizidalität sei bei der Untersuchung nicht fassbar gewesen.

Die Einvernahmefähigkeit der Beschwerdeführerin sei ausreichend gegeben.

Für den Fall einer Rückkehr in die Russische Föderation sei mit einer Verschlechterung ihres psychischen Zustandes zu rechnen.

Die bei der Beschwerdeführerin bestehende depressive Symptomatik sei behandelbar.

Eine entsprechende nervenärztliche Behandlung und medikamentöse Einstellung seien empfehlenswert.

Im Gespräch mit dem Gutachter gab die Beschwerdeführerin an, dass ihr Sohn vor zwei Jahren verschollen sei. Die psychischen Beschwerden würden bereits seit ca. acht oder neun Jahren bestehen. Damals sei ihr Mann verschleppt worden. Sie sei bereits in Russland untersucht und behandelt worden. Sie habe auch ein entsprechendes Medikament verschrieben bekommen.

Immer wieder sei bei der Beschwerdeführerin zuhause nach dem Aufenthaltsort ihres Sohnes gefragt worden. Die Maskierten hätten ihr damals mündlich gedroht, dass sie eingesperrt werden würde, wenn sie den Aufenthaltsort des Sohnes nicht nennen würde.

Persönlich sei ihr aber nichts passiert.

Aufgrund der ständigen Nachfragen nach ihrem Sohn habe sie sich zur Ausreise entschlossen.

Die polnischen Behörden übermittelten im Juli 2010 die polnischen Asylunterlagen betreffend die Beschwerdeführerin. Mit Bescheid vom 02.12.2009 wurde das Asylverfahren der Beschwerdeführerin - nach Antragstellung am 14.11.2009 - eingestellt.

Handschriftlich hielt die Beschwerdeführerin im Zuge ihrer Antragstellung in Polen fest, dass sie nach Polen gekommen sei, um zu leben. Sie habe Tschetschenien verlassen, da es ihr dort schlecht gegangen sei.

Zum Gutachten vom 15.04.2010 zog die Vertreterin mit Faxeingabe vom 08.07.2010 dahingehend Stellung, dass laut diesem eine Rückkehr der Beschwerdeführerin in den Herkunftsstaat nicht zumutbar sei, da eine solche eine unzumutbare Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Beschwerdeführerin bewirken würde, zumal sie nicht bei ihren beiden Töchtern im Herkunftsstaat leben könne. Sie kenne weder deren Aufenthalt noch bestehe Kontakt zu diesen.

Aus dem Gutachten lasse sich erahnen, dass eine Rückkehr der Beschwerdeführerin alleine, in eine ungesicherte Zukunft ohne ausreichenden gesicherten materiellen Hintergrund für die Beschwerdeführerin wohl nicht zumutbar wäre.

Das Bundesasylamt veranlasste am 09.07.2010 eine Anfrage an die Staatendokumentation, ob im Herkunftsstaat der Beschwerdeführerin, die von ihr verwendeten Medikamente zu Verfügung stehen würden, was in der Anfragebeantwortung vom 12.07.2010 bestätigt wurde.

In der Folge befasste das Bundesasylamt mit Schreiben vom 27.07.2010 den chefärztlichen Dienst der Sicherheitsdirektion XXXX.

Nach Aktendurchsicht übermittelte der Polizeichefarzt der Sicherheitsdirektion XXXX am 11.08.2010 ein Aktengutachten, wonach mit der Heimreise der Beschwerdeführerin in den Herkunftsstaat keine Gefahr für Leib und Leben für sie verbunden sei. Aus den vorliegenden Unterlagen sei vielmehr nicht ersichtlich, dass die Beschwerdeführerin die notwendige medizinische Behandlung bzw. Therapie nicht in ihrem Herkunftsstaat erhalten könne.

I.9. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 15.09.2010, Zl. 09 14.436-BAW, wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberichtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I). Auch wurde ihr Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 in Bezug auf ihren Herkunftsstaat Russische Föderation abgewiesen (Spruchpunkt II). In Spruchpunkt III wurde die Beschwerdeführerin gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation ausgewiesen.

Das Bundesasylamt legte der Entscheidung Länderinformationen zum Herkunftsstaat zugrunde, stellte die Identität der Beschwerdeführerin nicht fest. Die Beschwerdeführerin sei im Herkunftsstaat keiner Verfolgung aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen ausgesetzt. Es habe festgestellt werden können, dass für die Beschwerdeführerin im Falle einer Rückkehr in die Russische Föderation ausreichende medizinische Versorgung und Krankenversicherung gewährleistet seien. Sie würde auch eine Alterspension erhalten und würde zudem im Herkunftsstaat über familiäre Anknüpfungspunkte - insbesondere ihre beiden Brüder - verfügen. Dementsprechend hätten auch in gesundheitlicher Hinsicht keine ihrer Rückkehr in den Herkunftsstaat entgegenstehende Gründe festgestellt werden können.

Der Tochter der Beschwerdeführerin sei im Juli 2006 der Status eines anerkannten Flüchtlings im Bundesgebiet gewährt worden. Die Beschwerdeführerin und ihre Tochter würden zusammenleben, jedoch Leistungen aus der Grundversorgung beziehen. Ein besonderes Abhängigkeitsverhältnis würde zwischen den beiden nicht bestehen.

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin in ihren Ausführungen keine Verfolgung im Herkunftsstaat dargelegt habe. Im Übrigen bewertete die belangte Behörde das Vorbringen der Beschwerdeführerin - aus näher dargelegten Gründen - als nicht glaubwürdig.

Die Beschwerdeführerin habe im Herkunftsstaat soziale Anknüpfungspunkte und staatliche Leistungen bezogen. Bei ihr sei laut dem eingeholten Gutachten keine derart ausgeprägte psychische Störung fassbar, die ihrer Rückkehr entgegenstehe. Eine medizinische bzw. medikamentöse Versorgung sei im Übrigen im Herkunftsstaat gewährleistet.

Es sei im Übrigen nicht glaubwürdig, dass die Beschwerdeführerin im Herkunftsstaat nicht selbständig leben hätte können, zumal sie selbst ihre Ausreise organisiert habe und ohne Wissen ihrer Tochter nach Österreich gelangt sei.

Schließlich legen auch die zitierten Länderinformationen dar, dass in Tschetschenien ausreichende ärztliche Behandlungsmöglichkeiten gegeben seien.

Andere Umstände für die Erteilung subsidiären Schutzes hätten sich nicht ergeben, weshalb ihrer Rückkehr in den Herkunftsstaat nichts entgegenstehe.

Auch die Ausweisung sei im Lichte des Art. 8 EMRK notwendig und geboten gewesen.

I.10. Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht (Faxeingabe vom 01.10.2010) durch die Vertreterin Beschwerde erhoben und dieser seinem gesamten Inhalt nach wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und Rechtswidrigkeit des Inhalts angefochten.

Die Beschwerdeführerin sei entgegen den Ausführungen der belangten Behörde im Herkunftsstaat asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt gewesen. Wie im Verlauf des Asylverfahrens wiederholt dargelegt, sei nach dem Verschwinden ihres Sohnes laufend durch maskierte Soldaten bei ihr nach ihrem Sohn gesucht worden.

Die Beschwerdeführerin habe lange nach ihrem Sohn gesucht und sei dort hingegangen, wo etwas passiert sei. Sie habe die Hoffnung gehabt, dort wenigstens die Leiche ihres Sohnes zu finden.

Von ihren Brüdern habe sie deswegen keine Unterstützung erhalten, da diese selbst Familien hätten, um die sie sich kümmern hätten müssen. Im Übrigen seien auch die Söhne ihrer Brüder verschwunden und würden auch diese nach den Söhnen suchen.

Soweit im angefochtenen Bescheid festgehalten werde, dass die Ausführungen der Beschwerdeführerin nicht detailliert genug seien, wurde moniert, dass die Beschwerdeführerin vor dem Bundesasylamt nicht auf diesen Umstand hingewiesen worden sei. Die Beschwerdeführerin habe sich in der Einvernahme vor dem Bundesasylamt ab einem gewissen Zeitpunkt aufgrund ihrer psychischen Probleme sehr schlecht gefühlt. Sie sei nicht in der Lage gewesen die Einvernahme fortzusetzen. Die Durchführung einer weiteren Einvernahme sei in diesem Lichte unumgänglich.

Es habe zwar bisher noch keine konkreten Vorfälle gegeben, durch die die Beschwerdeführerin tatsächlich unmittelbar körperlich geschädigt worden sei, dies sei aber nicht erforderlich, um eine Verfolgungsgefahr geltend zu machen.

Dass die Beschwerdeführerin ständig aufgesucht worden sei, habe politische Hintergründe und habe verhindert, dass die Beschwerdeführerin in Frieden leben habe können. Ihr gesundheitlicher Zustand habe sich deswegen verschlechtert. Sie habe demnach eine mittelbare Schädigung durch Verfolgung erlitten.

Nachdem die Belästigungen einen politischen Hintergrund hätten - nämlich die (möglicherweise nur unterstellten) Aktivitäten ihres Sohnes und die tatsächlichen Aktivitäten ihres ermordeten Mannes - zudem eine Schädigung ihrer Gesundheit durch die jahrelangen Besuche durch Maskierte stattgefunden habe, sei ihr Vorbringen als Gesamtheit betrachtet asylrelevant.

Für den Fall einer Rückkehr nach Tschetschenien habe die Beschwerdeführerin keine nennenswerten sozialen Anknüpfungspunkte, da sie zu ihren Töchtern im Herkunftsstaat keinen Kontakt habe. Sie habe zudem ihre ganze Habe verkauft, mit der sie ihren bisherigen Lebensunterhalt sichern habe können (dies betreffe insbesondere ihre Kuh, die für sie die wesentliche Lebensgrundlage gewesen sei). Zwar habe sie ihr Haus nicht verkaufen können, doch würden sich darin keine Möbel befinden, weswegen eine Fortsetzung ihres Lebens an dieser Adresse unter den bisherigen Umständen nicht möglich sei. Eine neuerliche Ausstattung mit Möbeln sei ihr aus finanziellen Mitteln nicht möglich.

Eine Pension habe sie entgegen den Behauptungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid nicht erhalten. Vielmehr habe sie von den geringen Zuwendungen ihrer Nachbarn gelebt und von den Erträgen aus ihrer Kuh.

Der Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin sei instabil. Sie leide an diversen physischen Erkrankungen. Aufgrund ihrer Herzprobleme müsse sie regelmäßig Medikamente einnehmen. Auch habe sie in diesem Zusammenhang schon einen stationären Aufenthalt gehabt. Sie leide auch unter einer krankheitswertigen psychischen Störung wegen derer sie sich ebenfalls regelmäßig in ärztlicher Behandlung befinde.

Es wurde erneut am Gutachten vom 15.04.2010 moniert, dass dieses sich allein mit der Zumutbarkeit der Rückkehr zu einer ihrer Töchter beschäftigt habe. Die Beschwerdeführerin habe jedoch - abgesehen von ihrer in XXXX lebenden Tochter - keinen Kontakt zu ihren beiden Töchtern im Herkunftsstaat. Sie wisse auch nicht, wie sie den Kontakt zu ihren Töchtern herstellen könne.

Im Herkunftsstaat stehe der Beschwerdeführerin keine menschenwürdige Existengrundlage zu Verfügung. Auch aus wirtschaftlicher Sicht würde sie für den Fall einer Rückkehr in eine ausweglose Situation geraten, die mit Art. 3 EMRK unvereinbar sei. In diesem Zusammenhang wurde auch auf die in den Länderinformationen schlecht beschriebene wirtschaftliche Lage in Tschetschenien verwiesen.

Die belangte Behörde habe sich letztlich nicht mit dem Umstand auseinandergesetzt, dass es sich bei der Beschwerdeführerin um eine alleinstehende Frau fortgeschrittenen Alters mit gesundheitlichen Problemen handle.

Im Übrigen wurde aufgrund der Abhängigkeit von ihrer Tochter in Österreich auf die Rechtswidrigkeit der getroffenen Ausweisung verwiesen.

Den Schlepper habe sie im Übrigen mit Hilfe ihrer Nachbarin organisiert.

Eine Fortsetzung des Familienlebens mit ihrer Tochter in der Russischen Föderation sei auch nicht möglich, da diese anerkannter Flüchtling sei und im Übrigen im Bundesgebiet integriert sei.

Die Vertreterin legte mit Faxeingaben vom 07.02.2013 und 28.02.2013 medizinische Unterlagen betreffend die Beschwerdeführerin vor:

Medizinisch-psychiatrischer Befundbericht des XXXX vom 16.02.2011 mit den Diagnosen: präsenile Demenz mit frühem Beginn, paroxysmales Vorhofflimmern, arterielle Hypertonie, Hypothyreose.

Darin wird fachpsychiatrisch neuerlich festgehalten, dass die Beschwerdeführerin an einer psychosewertigen Erkrankung leide und medikamentös-psychiatrisch dauerhaft behandlungsbedürftig sei. Zusätzliche seelische Belastungen - zB eine Abschiebung - würden eine schwere Gefahr für Leib und Leben (inkl. Selbstmordgefahr) darstellen.

Im Wesentlichen gleichlautender Medizinisch-psychiatrischer Befundbericht des XXXX vom 28.11.2012;

Kurzbericht des XXXX vom 06.07.2012 mit den Diagnosen: chronische Hepatopathie unklarer Genese (evtl. toxisch), Ganzkörperschmerz seit 2010, präsenile Demenz, Depressio, fragliche Analgetika (Paracetamol) Abusus, arterielle Hypertonie, paroxysmales Vorhofflimmern, St.p. Hypothyreose-Substitutionstherapie, Adnexzyste links 4,5 cm.

Auf entsprechende Anfrage durch den Asylgerichtshof bei der behandelnden Ärztin des XXXX übermittelte diese am 28.01.2013 eine E-Mail, in der sie ausführte, dass bei der Beschwerdeführerin im Zuge ihrer stationären Aufnahme im Juli 2012 kein lebensbedrohliche Erkrankung fassbar gewesen sei. Auch sei keine engmaschige internistische Therapie indiziert gewesen. Die Beschwerdeführerin sei in der Folge nicht mehr vorstellig geworden.

Es findet sich auch der Hinweis, dass die psychische Erkrankung der Beschwerdeführerin im Vordergrund stehe. Die Beschwerdeführerin stehe in laufender Behandlung beim XXXX.

Der Beschwerdeführerin wurden mit Schreiben des Asylgerichtshofes vom 29.01.2013 Länderinformationen zum Herkunftsstaat zum schriftlichen Parteiengehör übermittelt. Gleichzeitig wurde sie aufgefordert, Fragen hinsichtlich einer mittlerweile erfolgten Integration bzw. über aktuell vorliegende Krankheiten zu beantworten.

Mit schriftlicher Stellungnahme vom 13.02.2013 (Poststempel vom 13.02.2013) erklärte die Beschwerdeführerin, dass das Verschwinden ihres Sohnes ein traumatisches Ereignis für sie gewesen sei. Sie sei wiederholt von maskierten Soldaten aufgesucht worden, die sie nach dem Aufenthalt ihres Sohnes befragt hätten, was sie psychisch zusätzlich schwer belastet und stark zur Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes beigetragen habe.

Sie habe keine staatliche Unterstützung erhalten, obwohl ihr Gesundheitszustand bereits derart schlecht gewesen sei, dass sie kaum mehr für sich selbst sorgen habe können.

Als Angehörige einer Familie, die gegen Kadyrov sei, habe man ihr keine Unterstützung geben wollen.

Die Beschwerdeführerin verwies auf ihren schlechten Gesundheitszustand. Aufgrund ihres Gesundheitszustandes könne sie keine Integrationsleistungen erbringen.

Sie lebe mit ihrer Tochter im gemeinsamen Haushalt. Diese sei verheiratet und habe zwei Kinder.

Aufgrund ihres Gesundheitszustandes sei sie auf die Hilfe und Unterstützung ihrer Tochter angewiesen.

Die Beschwerdeführerin leide unter einer Vielzahl physischer und psychischer Erkrankungen. Sie sei aufgrund ihrer psychischen Erkrankungen in ständiger Behandlung. Sie müsse dauerhaft medikamentös-psychiatrisch behandelt werden.

Eine Abschiebung bedeute tatsächlich eine schwere Gefahr für Leib und Leben.

Die Beschwerdeführerin befinde sich im Übrigen in psychotherapeutischer Behandlung.

Die Beschwerdeführerin legte ein Konvolut an medizinischen Unterlagen vor, die sie zum Großteil bereits im Verlauf des Asylverfahrens vorgelegt hat.

Neu ist der fachärztliche Kurzbefund mit Therapieempfehlung von XXXX, XXXX, vom 25.01.2013, wonach die Beschwerdeführerin an einer posttraumatischen Belastungsstörung leide.

Die Vertreterin teilte mit Faxnachricht vom 12.09.2013 mit, dass die Vollmacht trotz Wechsels ihres Arbeitsplatzes bestehen bleibe. Gleichzeitig wurde eine neue Zustelladresse bekannt gegeben. Mit weiterer Faxnachricht vom 01.10.2013 teilte die Vertreterin mit, die von der Beschwerdeführerin am 07.12.2009 erteilte Vollmacht zu widerrufen.

In der Folge gab die Beschwerdeführerin mit Faxnachricht vom 09.10.2013 bekannt, Mag. XXXX, Rechtsberatung XXXX XXXX, zur Vertretung im Asylverfahren bevollmächtigt zu haben (Vollmachtanzeige vom 08.10.2013 - ohne Zustellvollmacht).

I.11. Am 07.11.2013 fand vor dem Asylgerichtshof eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, bei der die Beschwerdeführerin in Anwesenheit des Vertreters und ihrer Tochter (EDV-Zl. 04 16.304) als Vertrauensperson zur Aktualität ihrer Fluchtgründe, zu ihrem Gesundheitszustand bzw. zu einer mittlerweile erfolgten Integration befragt wurde (OZ 11Z). Auch die Vertrauensperson wurde in der mündlichen Verhandlung einer Befragung - insbesondere zu den beiden weiteren Töchtern der Beschwerdeführerin - unterzogen.

Dabei wurden dem Vertreter aktuelle Länderinformationen zum Herkunftsstaat zur schriftlichen Stellungnahme vorgehalten.

Im Zuge der Beschwerdeverhandlung brachte die Beschwerdeführerin aktuelle medizinische Unterlagen in Vorlage:

Schreiben der XXXX vom 31.10.2013;

Schreiben von XXXX, XXXX, vom 28.10.2013 mit nachfolgenden Diagnosen: PTSD, rezidivierende Depression gegenwärtig schwer, somatoforme Schmerzstörung. Gleichzeitig wurde festgehalten, dass die Beschwerdeführerin aus psychiatrischer Sicht derzeit nicht der Lage sei, an einer Verhandlung betreffend ihr Asylverfahren anwesend zu sein bzw. einer neuerlichen Befragung ausgesetzt zu werden, da die Konfrontation mit der Vergangenheit derzeit für sie zu belastend sei und das Risiko einer Destabilisierung im Sinne einer Traumareaktivierung berge.

Infolge der Beschwerdeverhandlung wurde zu den dort dem Vertreter ausgefolgten Länderinformationen eine schriftliche Stellungnahme vom 12.11.2013 (Poststempel 12.11.2013) übermittelt.

Darin wird primär auf den schlechten psychischen Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin hingewiesen. Die Beschwerdeführerin stehe aufgrund ihrer psychischen Probleme in Behandlung. Sie sei nicht mehr dazu in der Lage, ihre Behandlungstermine alleine wahrzunehmen, wobei sich auch bei der Einnahme der verschriebenen Medikamente eine entsprechende Unterstützung benötige.

Dank der Hilfe der Nachbarn im Herkunftsstaat habe sie zunächst ihre Arzttermine wahrnehmen können. Eine dauerhafte Betreuung durch die Nachbarn sei jedoch nicht möglich gewesen.

Die Beschwerdeführerin habe noch zwei Töchter, die ebenfalls in der Russischen Föderation leben würden. Diese seien jedoch mit tschetschenischen Männern verheiratet, welche es unter Verweis auf die tschetschenischen Traditionen abgelehnt hätten, die Schwiegermutter im gemeinsamen Haushalt aufzunehmen.

Die Pflege und medizinische Versorgung der Beschwerdeführerin sei demnach nur bei ihrer Tochter in Österreich gewährleistet.

Bei ihrer Ankunft in Österreich sei die Demenz der Beschwerdeführerin bereits weit fortgeschritten gewesen.

Zum Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin wurde auf die bereits vorgelegten medizinischen Unterlagen verwiesen, wobei darauf hingewiesen wurde, dass durch die Pflege der Tochter und die engmaschige medizinische Betreuung der Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin sich derart stark gebessert habe, dass eine Demenz im Moment nicht mehr bestehe.

Die Beschwerdeführerin stehe durch ihre gesundheitliche Beeinträchtigung und ihre Pflegebedürftigkeit in einem besonderen Abhängigkeitsverhältnis zu ihrer Tochter und deren Familie, weshalb im Falle ihrer Ausweisung auf von einem unverhältnismäßigen Eingriff in ihr Recht auf Privat- und Familienleben iSd. Art. 8 EMRK auszugehen sei.

Mit Eingabe vom 29.11.2013 (Poststempel 29.11.2013) wurde ein weiteres Schreiben von XXXX, XXXX, vom 22.11.2013 mit nachfolgenden Diagnosen: PTSD, rezidivierende Depression gegenwärtig schwer, somatoforme Schmerzstörung, übermittelt.

Darin wurde insbesondere darauf verwiesen, dass es bei der Beschwerdeführerin im Anschluss an die mündliche Verhandlung zu einer psychischen Dekompensation gekommen sei, aufgrund derer sie für mehrere Tage komplett antriebsarm und schwer depressiv gewesen sei.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

II.1. Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch:

Einsicht in den dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Verwaltungsakt des Bundesasylamtes, Zl. 09 14.436-BAW, beinhaltend die niederschriftlichen Einvernahmen vom 19.11.2009 (Erstbefragung, AS 17-25), am 04.12.2009 (AS 61-65) und am 26.05.2010 (AS 363-375), das Psychiatrisch-Neurologische Gutachten vom 15.04.2010, die vor dem Bundesasylamt vorgelegten schriftlichen Eingaben und medizinischen Unterlagen, die Beschwerde vom 01.10.2010, die öffentliche mündliche Verhandlung vor dem Asylgerichtshof am 07.11.2013 (OZ 11Z), Einsicht in die im Beschwerdeverfahren übermittelten Unterlagen, insbesondere zum Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin, Einsicht in den Akt des Asylgerichtshofes, Zl. S1 410743-1/2009, Einsicht in den AIS-Auszug betreffend die Tochter der Beschwerdeführerin (EDV-Zl. 04 16.304) sowie Einsichtnahme in die Länderfeststellungen bestehend aus folgenden Quellen:

Feststellungen des AsylGH zur Lage in Tschetschenien, Stand: Mai 2013;

Analyse der Staatendokumentation zum Thema Frauen in Tschetschenien vom 08.04.2010;

Bundesamt für Migration, Länderinformationsblatt Russische Föderation, Stand: Juni 2013;

Österreichische Botschaft XXXX zum Thema Frauen, Obsorge, Schutz vor staatlichen Behörden vom 10.05.2013;

Aufsatz von Martin Malek "Understandig chechen culture" vom 20.02.2009.

II.2. Zur Person und den Fluchtgründen der Beschwerdeführerin wurde Folgendes festgestellt:

II.2.1. Die Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige der Russischen Föderation und der tschetschenischen Volksgruppe zugehörig. Identitätsbezeugende Dokumente hat die Beschwerdeführerin im Verlauf des Asylverfahrens nicht vorgelegt.

Die Beschwerdeführerin ist in ihrem Herkunftsstaat weder vorbestraft noch wurde sie jemals inhaftiert und hatte auch mit den Behörden des Herkunftsstaates weder auf Grund ihres Religionsbekenntnisses oder ihrer Volksgruppenzugehörigkeit noch sonst irgendwelche Probleme. Die Beschwerdeführerin war nie politisch tätig und gehörte nie einer politischen Partei an.

Ein konkreter Anlass für das (fluchtartige) Verlassen des Herkunftsstaates konnte nicht festgestellt werden. Es konnte auch nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführerin im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer Verfolgungsgefahr ausgesetzt ist.

Der Beschwerdeführerin droht zum Entscheidungszeitpunkt im Herkunftsstaat weder eine unmenschliche Behandlung, Todesstrafe oder unverhältnismäßige Strafe bzw. eine sonstige individuelle Gefahr.

Der Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin steht ihrer Rückführung in den Herkunftsstaat nicht entgegen. Auch sonst war keine anderweitige Gefährdung im Gefolge ihrer Rückkehr feststellbar, die einer Verletzung der durch die EMRK geschützten Rechte gleichkäme.

II.2.2. Zum Herkunftsland der Beschwerdeführerin wird Folgendes festgestellt:

Hinsichtlich der aktuellen Situation in der Russischen Föderation respektive Tschetschenien wird auf die im Akt einliegenden im Rahmen der Beschwerdeverhandlung zur Stellungnahme vorgehaltenen Länderfeststellungen verwiesen.

Feststellungen zur Lage in Tschetschenien und zur IFA von Tschetschenen in Russland (Stand: Mai 2013)

Die Tschetschenische Republik ist eines der 83 Subjekte der Russischen Föderation. Die sieben mehrheitlich moslemischen Republiken im Nordkaukasus wurden jüngst zu einem neuen Föderationsbezirk mit der Hauptstadt Pjatigorsk zusammengefasst. Die Tschetschenen sind bei weitem die größte der zahlreichen kleinen Ethnien im Nordkaukasus. Tschetschenien selbst ist (kriegsbedingt) eine monoethnische Einheit (93% der Bevölkerung sind Tschetschenen), fast alle sind islamischen Glaubens (sunnitische Richtung). Die Tschetschenen sind das älteste im Kaukasus ansässige Volk und nur mit den benachbarten Inguschen verwandt. Freiheit, Ehre und das Streben nach (staatlicher) Unabhängigkeit sind die höchsten Werte in der tschetschenischen Gesellschaft, Furcht zu zeigen gilt als äußerst unehrenhaft. Sehr wichtig ist auch der Respekt gegenüber älteren Personen und der Zusammenhalt in der (Groß‑)Familie, den Taips (Clans) und Tukkums (Tribes). Eine große Bedeutung hat auch das Gewohnheitsrecht Adat. Es gibt sprachliche und mentalitätsmäßige Unterschiede zwischen den Flachland- und den Bergtschetschenen.

In Tschetschenien hatte es nach dem Ende der Sowjetunion zwei Kriege gegeben. 1994 erteilte der damalige russische Präsident Boris Jelzin den Befehl zur militärischen Intervention. Fünf Jahre später begann der zweite Tschetschenienkrieg, russische Bodentruppen besetzten Grenze und Territorium der Republik Tschetschenien. Die Hauptstadt Grosny wurde unter Beschuss genommen und bis Januar 2000 fast völlig zerstört. Beide Kriege haben bisher 160.000 Todesopfer gefordert. Zwar liefern sich tschetschenische Rebellen immer wieder kleinere Gefechte mit tschetschenischen und russischen Regierungstruppen, doch seit der Ermordung des früheren Präsidenten Tschetscheniens, Aslan Maschadow, durch den russischen Geheimdienst FSB im März 2005 hat der bewaffnete Widerstand an Bedeutung verloren.

Laut Ministerpräsident Putin ist mit der tschetschenischen Parlamentswahl am 27.11.2005 die Wiederherstellung der verfassungsmäßigen Ordnung in Tschetschenien abgeschlossen worden. Dabei errang die kremlnahe Partei "Einiges Russland" die Mehrheit der Sitze. Beobachter stellten zahlreiche Unregelmäßigkeiten fest. Hauptkritik an der Wahl war u.a. die anhaltende Gewaltausübung und der Druck der Miliz (sog. "Kadyrowzy") gegen Wahlleiter und Wahlvolk. Nach dem Rücktritt seines Vorgängers Alu Alchanow im Februar 2007 hat der bisherige Ministerpräsident Ramzan Kadyrow am 05.04.2007 das Amt des tschetschenischen Präsidenten angetreten. Er hat seine Macht in der Zwischenzeit gefestigt und zu einem Polizeistaat ausgebaut "(Kadyrow'scher Privatstaat" Uwe Halbach). Seit 2. September 2010 trägt Kadyrow den Titel "Oberhaupt" Tschetscheniens.

Bis Februar 2011 wurde Russland vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Strassburg bereits in 162 Fällen für schwerste Menschenrechtsverletzungen während des zweiten Tschetschenien-Kriegs verurteilt. Im Februar 2011 wurde Ramzan Kadyrow von Präsident Medwedew zu einer zweiten fünfjährigen Amtszeit als Republiksoberhaupt ernannt. Der von Russland unterstützte Präsident Ramzan Kadyrow verfolgt offiziell das Ziel Ruhe, Frieden und Stabilität in Tschetschenien zu garantieren und den Einwohnern seines Landes Zugang zu Wohnungen, Arbeit, Bildung, medizinischer Versorgung und Kultur zu bieten. Der russische Präsident Medwedew versucht Tschetschenien auch durch Wirtschaftshilfe zu "befrieden".

Neben der endgültigen Niederschlagung der Separatisten und der Wiederherstellung bewohnbarer Städte ist eine wichtige Komponente dieses Ziels die Wiederbelebung der tschetschenischen Traditionen und des tschetschenischen Nationalbewusstseins. Kadyrow fördert das Bekenntnis zum Islam, warnt allerdings vor extremistischen Strömungen wie dem Wahhabismus. Viele Moscheen wurden wiederaufgebaut, die Zentralmoschee von Grosny ist die größte in Russland. Jeder, der in Verdacht steht, ihn und seine Regierung zu kritisieren, wird verfolgt. Eine organisierte politische Opposition gibt es daher nicht. Die 16.000 Mann starken Einheiten Kadyrows sind für viele Menschenrechtsverletzungen in Tschetschenien bis heute verantwortlich.

(Tschetschenien, http://de.wikipedia.org/wiki/Tschetschenien , Zugriff 11.01.2011, Ramzan Kadyrow, http://de.wikipedia.org/wiki/Ramsan_Achmatowitsch_Kadyrow , Zugriff 11.01.2011, Schweizerische Flüchtlingshilfe, Nordkaukasus:

Sicherheits- und Menschenrechtslage vom 25.11.2009, Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation vom 07.03.2011, Analyse der Staatendokumentation, Russische Föderation/Tschetschenien, Adat-Blutrache vom 5.11.2009, Martin Malek, Understanding Chechen Culture, Der Standard vom 19.01.2010, Eurasisches Magazin vom 03.05.2010, Analyse der Staatendokumentation zur Situation der Frauen in Tschetschenien vom 08.04.2010, Schweizerische Flüchtlingshilfe, Nordkaukasus: Sicherheits- und Menschenrechtslage vom 12.09.2011, Seite 20, The Jamestown Foundation: Eurasia Daily Monitor -- Volume 8, Issue 42, 02.03.2011)

Allgemeine Situation

In Tschetschenien hat Oberhaupt Ramzan Kadyrow ein repressives, stark auf seine Person zugeschnittenes Regime etabliert, was die Betätigungsmöglichkeiten für die Zivilgesellschaft auf ein Minimum reduziert. Trotz deutlicher Wiederaufbauerfolge ist die ökonomische Lage in Tschetschenien desolat, es gibt kaum Beschäftigungsmöglichkeiten außerhalb des staatlichen Sektors. Die Anzahl sicherheitsrelevanter Vorfälle ging nach einem relativen Höchststand 2009 wieder zurück. Dennoch kam es 2010 und 2011 zu einigen ernsthaften Vorfällen. Im gesamten Nordkaukasus soll es nach Angaben des FSB 600 bis 700 aktive Rebellen geben.

(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation vom 07.03.2011, Seite 21, Council of Europe - Commissioner for Human Rights: Report by Thomas Hammarberg Commissioner for Human Rights of the Council of Europe Following his visit to the Russian Federation from 12 to 21 May 2011, 6.9.2011)

Den Machthabern in Russland ist es gelungen, den Konflikt zu "tschetschenisieren", das heißt, es kommt nicht mehr zu offenen Kämpfen zwischen russischen Truppen und Rebellen, sondern zu Auseinandersetzungen zwischen der Miliz von Ramzan Kadyrow und anderen "pro-russischen" Kräften/Milizen - die sich zu einem erheblichen Teil aus früheren Rebellen zusammensetzen - einerseits sowie den verbliebenen, eher in der Defensive befindlichen Rebellen andererseits. Die bewaffnete Opposition wird mittlerweile von islamistischen Kräften dominiert, welche allerdings kaum Sympathien in der Bevölkerung genießen. Die bewaffneten Auseinandersetzungen konzentrierten sich auf entlegene Bergregionen.

Seit Jahresbeginn 2010 ist es in Tschetschenien jedoch zu einem spürbaren Rückgang von Rebellen-Aktivitäten gekommen. Diese werden durch Anti-Terror Operationen in den Gebirgsregionen massiv unter Druck gesetzt, was teilweise ein Ausweichen der Kämpfer in die Nachbarrepubliken Dagestan und Inguschetien bewirkt. Die Macht von Ramzan Kadyrow, ist in Tschetschenien unumstritten. Politische Beobachter meinen, Ersatz für Kadyrow zu finden wäre sehr schwierig, da er alle potentiellen Rivalen ausgeschalten habe, über privilegierte Beziehungen zum Kreml und zu Ministerpräsident Putin verfüge und sich großer Beliebtheit unter der Bevölkerung erfreue.

(Asylländerbericht Russland der Österreichischen Botschaft in XXXX, Stand 21.10.2010, Seite 15)

Der stetige Rückgang der föderalen Streitkräfte nach Ende der "heißen" Phase des zweiten Krieges ab 2002 kann als Zeichen für die verbesserte Sicherheitslage verstanden werden. Der Rückzug der russischen Truppen war nicht nur durch die Stabilisierung der Sicherheitslage, sondern auch durch die sukzessive Übergabe der Verantwortung auf lokale tschetschenische Streitkräfte, die erst in den letzten Jahren anwuchsen, möglich. Die andauernde Stationierung föderaler Sicherheitskräfte in Tschetschenien und der trotz der Beendigung der von 1999 bis 2009 dauernden Anti-Terror-Organisation (ATO) nicht erfolgte Abzug zeigen, dass die tschetschenischen Sicherheitskräfte weiterhin föderale Unterstützung im Kampf gegen die Rebellen benötigen. Andererseits kann auch davon ausgegangen werden, dass XXXX seine Truppen vermutlich aus mangelndem Vertrauen in Kadyrow weiterhin dort stationiert lässt. Die in den letzten Monaten ergriffenen Maßnahmen und die Wortwahl der Präsidenten Medwedew und Kadyrow sowie des Ministerpräsidenten Putin zeigen jedenfalls, dass man zur Bekämpfung des "Terrorismus" im Nordkaukasus insgesamt weiterhin eher auf militärische Gewalt setzt, und soziale und wirtschaftliche Maßnahmen eine untergeordnete Rolle spielen.

Medwedew fordert weiterhin "brutale Maßnahmen" gegen Terroristen und spricht von einem "schonungslosen Kampf" gegen die Rebellengruppen. Auch in Zusammenhang mit den Anschlägen auf die XXXXer U-Bahn im März 2010 oder den Anschlag auf ein Kaffeehaus in Pjatigorsk im August 2010 sprach sich Medwedew für die "Zerstörung" der Kämpfer aus. In Anbetracht der 2014 in Sotschi stattfindenden olympischen Winterspiele wird gemutmaßt, dass Medwedew meinen könnte, allein die Anwendung roher Gewalt könne die Region genügend stabilisieren um die Abhaltung der Spiele nicht zu gefährden.

(Analyse der Staatendokumentation, Russische Föderation: Sicherheitslage in Tschetschenien vom 12.10.2010, Seite 14)

Zusammenfassend ist auszuführen, dass nach Beendigung der Anti-Terror-Organisation 2009 temporär wieder vermehrt Anschläge in Tschetschenien zu verzeichnen waren. Die 2009 sprunghaft angestiegene Anzahl an Selbstmordanschlägen ist 2010 wieder stark eingebrochen. Der jüngste Angriff auf die Heimatstadt Kadyrows Zenteroi am 29. August 2010 lässt keine Zweifel, dass die tschetschenischen Rebellen auch zu taktisch herausfordernden Aktionen fähig sind. Von einer Stärkung der Widerstandsbewegung, die in der nächsten Zeit zu einem Ausbruch größerer Kamphandlungen führen könnte, ist jedoch nicht auszugehen.

Anders als im übrigen Nordkaukasus gingen die Angriffe bewaffneter Gruppen in Tschetschenien zurück.

(Amnesty International: Jahresbericht 2012 ,24.5.2012)

2011 gab es in Tschetschenien mindestens 201 Opfer des bewaffneten Konflikts, darunter 95 Tote und 106 Verwundete. 2010 waren es noch 250 Opfer gewesen (127 Tote, 123 Verletzte). Damit liegt Tschetschenien betreffend Opferzahlen hinter Dagestan an zweiter Stelle der nordkaukasischen Republiken. Gemäß Polizeiberichten wurden 2011 in Tschetschenien 62 Mitglieder des bewaffneten Untergrunds getötet (2010: 80), weitere 159 vermeintliche Kämpfer wurden festgenommen (2010: 166). 21 Sicherheitskräfte kamen bei Schießereien und Explosionen 2011 ums leben (2010: 44), 97 wurden verletzt (2010: 93). Des Weiteren wurden 2011 bei Terrorakten, Bombardierungen und Schießereien 12 Zivilisten getötet (2010: 3) und 9 verwundet (2010: 30).

2011 kam es in Tschetschenien zu mindestens 26 Explosionen und Terrorakten, 2010 waren es noch 37 gewesen. Unter den Explosionen und Terrorakten waren sieben Selbstmordanschläge.

(Caucasian Knot: In 2011, armed conflict in Northern Caucasus killed and wounded 1378 people, 12.1.2012, http://abhazia.eng.kavkaz-uzel.ru/articles/19641/ , Zugriff 3.12.2012)

2012 wurden zwischen Jänner und Mitte Oktober nach Angaben des Innenministeriums der Republik Tschetschenien 35 Kämpfer des bewaffneten Untergrunds in Tschetschenien getötet und weitere 80 verhaftet. Im selben Zeitraum seien 9 gemeinsame große Sonderoperationen gegen die Kämpfer durchgeführt worden.

(Caucasian Knot: The Ministry of Interior Affairs: 35 gunmen killed in Chechnya since the beginning of the year, 17.10.2012, http://www.eng.kavkaz-uzel.ru/articles/22579/ , Zugriff 3.12.2012)

Wenngleich sich die Sicherheitslage im Sinne dessen, dass keine großflächigen Kampfhandlungen stattfinden und es zu keiner Vertreibung der Zivilbevölkerung kommt, stabilisiert hat, so zeigt sich also, dass dies nicht zuletzt auf die repressive Machtausübung Ramzan Kadyrows und seiner Sicherheitskräfte zurückzuführen ist. Allgemein ist nach wie vor ein hohes Maß an Gewalt feststellbar, vor allem außerjudizielle Tötungen und Kollektivstrafen. Das teilweise brutale und in einigen Fällen als menschenrechtswidrig zu bezeichnende Vorgehen der Sicherheitskräfte (für das diese kaum belangt werden) bringt zwar auch Resultate mit sich, da immer wieder auch führende Kämpfer "neutralisiert", also getötet oder verhaftet, werden und die Sicherheitslage in Tschetschenien dadurch weitgehend stabilisiert werden konnte, andererseits trägt dieses Vorgehen dazu bei, dass sich auch junge Menschen, die sich zunächst nicht mit radikal-islamischem Gedankengut identifizieren, der Widerstandsbewegung anschließen. Deshalb wird die Rebellenbewegung auch in nächster Zeit nicht an Schlagkraft verlieren. Eine nachhaltige Befriedung ist also weiterhin nicht absehbar, die in Zusammenhang mit Tschetschenien so oft zitierte Gewaltspirale dreht sich weiter.

In Tschetschenien kam es im Sommer 2010 zu einer Spaltung innerhalb des bewaffneten Widerstands, als sich ein Teil der bewaffneten Kämpfer vom bis dahin einflussreichsten Anführer Doku Umarow und seiner Doktrin der Schaffung eines islamischen "Emirat Kaukasus" lossagte. Dieser Zwist führte, zusammen mit dem harten Vorgehen der Sicherheitskräfte gegen "Terroristen" und deren Angehörige, zu einer Abnahme der direkten gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Widerstandskämpfern und Sicherheitskräften, ohne dass die Gewalt insgesamt weniger wurde. Die rund 20.000 "Kadyrowzy" sind nach wie vor aktiv. Die Jamestown Foundation schätzt, dass beinahe 90 Prozent der tschetschenischen islamistischen Gruppierungen nun dem Kommando von Emir Hussein unterstehen, während ein Großteil der dagestanischen, inguschetischen und kabardino-balkarischen "Jamaats" nach wie vor Umarow treu sind. Dieser wurde schon mehrmals totgesagt, was sich bis heute als falsch erwiesen hat.

(Analyse der Staatendokumentation, Russische Föderation:

Sicherheitslage in Tschetschenien vom 12.10.2010, Seite 4-5, Schweizerische Flüchtlingshilfe, Nordkaukasus: Sicherheits- und Menschenrechtslage vom 12.09.2011, Seite 6, 8 und 9; Russia, Freedom in the World 2012)

Im Ergebnis kann gesagt werden, dass Teile der Russischen Föderation, vor allem im Nordkaukasus, von hohem Gewaltniveau betroffen sind. Der relative Erfolg des tschetschenischen Präsidenten Ramsan Kadyrow, bedeutende Rebellenaktivität in seinem Herrschaftsbereich einzuschränken, ging einher mit zahlreichen Berichten über außergerichtliche Tötungen und Kollektivbestrafung. Zudem breitete sich die Rebellenbewegung in den umliegenden russischen Republiken, wie Inguschetien, Dagestan und Kabardino-Balkarien aus. Hunderte Beamte, Aufständische und Zivilisten sterben jedes Jahr durch Bombenanschläge, Schießereien und Morde. Wenn auch die Gewalt im Nordkaukasus, angefacht von Separatismus, interethnischen Konflikten, dschihadistischen Bewegungen, Blutfehden, Kriminalität und Exzessen durch Sicherheitskräfte weiter geht, ging die Gewalt in Tschetschenien jedoch 2011 im Vergleich zu 2010 zurück.

(Freedom House: Freedom in the World 2013 - Russia, Jänner 2013, U.S. Department of State: Country Report on Human Rights Practices for 2012 - Russia)

Sicherheitslage

Vertreter russischer und internationaler NROs (Memorial, Human Rights Watch, amnesty international, Danish Refugee Council) zeichnen ein insgesamt düsteres Lagebild für Tschetschenien. Es herrscht ein Klima der Angst und Einschüchterung.

(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation vom 07.03.2011, Seite 22)

Bei Sondereinsätzen der Anti-Terror-Organisation geraten gelegentlich auch Zivilisten ins Schussfeld, wie etwa ein Vorfall im inguschetisch-tschetschenischen Grenzgebiet im Februar 2010 zeigt:

Bei diesem Sondereinsatz kamen je nach Angaben zwischen vier und 14 Zivilisten ums Leben. Zudem steht der Vorwurf im Raum, dass Sicherheitskräfte getötete Zivilisten manchmal als Kämpfer bezeichnen würden, um die Statistik zu schönen. Die derzeit stattfindenden Kämpfe führen jedoch nicht zu einer Vertreibung der Zivilbevölkerung.

Bis Mai 2011 hatte der EGMR in rund 180 Fällen Verletzungen der Artikel 2 und 3 der EMRK bei Einsätzen der Sicherheitskräfte in Tschetschenien festgestellt. 60% der Beschwerden betrafen das Verschwinden von Personen. [...] Die andauernden Muster der Straffreiheit für solch ernsthafte Verletzungen zählen zu den hartnäckigsten Menschenrechtsproblemen im Nordkaukasus. Es gab sicherlich mehrere positive Schritte wie die Einrichtung von Untersuchungskomitees, die Unterstützung der Teilnahme von Opfern bei der strafrechtlichen Verfolgung und die Verkündung mehrerer Direktiven hierzu. Viele Untersuchungen ergeben jedoch keinerlei Ergebnisse; in Fällen, in denen Behörden selbst in Verbrechen involviert waren bestehen Zweifel, inwieweit diese mit den Untersuchungsbehörden die notwendige Kooperation ermöglichen können.

(Council of Europe - Commissioner for Human Rights: Report by Thomas Hammarberg Commissioner for Human Rights of the Council of Europe Following his visit to the Russian Federation from 12 to 21 May 2011, 6.9.2011)

Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) will sicherstellen, dass die Polizei und Truppen des Innenministeriums, welche Sicherheitsoperationen durchführen, die Gesetze kennen. Daher führte das Komitee zwischen Juni 2010 und Jänner 2011 Informationsveranstaltungen für Sicherheitskräfte durch. Zudem führt das IKRK regelmäßigen Dialog mit föderalen und lokalen Exekutivbehörden über Festnahmen, Inhaftierungen und Gewaltanwendung.

(ReliefWeb: Russian Federation/Northern Caucasus: ICRC maintains aid effort, 1.3.2011,

http://www.reliefweb.int/rw/rwb.nsf/db900SID/JARR-8EJHNK?OpenDocument&rc=4&emid=ACOS-635PN7 )

In den letzten Jahren kehrten nicht nur tausende Binnenflüchtlinge in ihre Häuser zurück, sondern auch Tschetschenen, die nach Europa flüchteten. Das subjektive Unsicherheitsgefühl verhindert eine solche Rückkehr scheinbar nicht. Dennoch darf nicht außer Acht gelassen werden, dass in Tschetschenien weiterhin Menschenrechtsverletzungen wie willkürliche Verhaftungen oder unmenschliche Behandlung durch Sicherheitskräfte stattfinden und fragwürdige Maßnahmen wie die Kollektivbestrafung von Kadyrow und anderen tschetschenischen Amtsträgern gutgeheißen werden.

(Analyse der Staatendokumentation, Russische Föderation: Sicherheitslage in Tschetschenien vom 12.10.2010, Seite 5)

Nach wie vor finden im Nord-Kaukasus zahlreiche außergesetzliche Tötungen durch Behördenorgane und Angehörige bewaffneter Gruppierungen statt.

Obwohl es 2012 weniger Vorfälle gegeben hat als die Jahre zuvor, bleiben Landminen nach wie vor ein Problem( U.S. Department of State: Country Report on Human Rights Practices for 2012 - Russia).

Die Rebellen

Die tschetschenische Rebellenbewegung entwickelte sich bereits vor Ausbruch des zweiten Krieges immer mehr von einer separatistischen hin zu einem islamistischen Netzwerk und radikalisierte sich im Verlauf der Kriegsjahre erheblich. Damit einher ging die Ausbreitung der Gewalt auf die Nachbarrepubliken Inguschetien und Dagestan, wo die Sicherheitslage mittlerweile als prekärer als in Tschetschenien gilt, sowie in geringerem Ausmaß auch auf Kabardino-Balkarien, Karatschajewo-Tscherkessien und Nordossetien. Durch die Ausrufung des "Kaukasus Emirats" durch Doku Umarow (Emir Abu Usman) Ende Oktober 2007 wurde offensichtlich, dass sich der tschetschenische Widerstand nunmehr als Teil einer pankaukasischen islamischen Bewegung betrachtet, deren Ziel nicht die Unabhängigkeit der Republik, sondern vielmehr die "Befreiung" der derzeit "von den Russen besetzten" "islamischen Lande" von "Ungläubigen" ist. Grundsätzlich kann die tschetschenische Rebellenbewegung daher heute nicht mehr losgelöst von den im gesamten Nordkaukasus agierenden Rebellengruppen betrachtet werden. Die einzelnen Gruppen des die Republiksgrenzen überschreitenden Netzwerks stehen zwar miteinander in Verbindung, handeln jedoch weitgehend autonom und dürften einzelne Angriffe auch nicht miteinander koordinieren.

Die tatsächliche Anzahl der Kämpfer ist unklar, Schätzungen reichen von 50 bis 60 (Aussagen Kadyrows) über rund 500 (FSB) bis zu 1.500 Mann (einzelne unabhängige Beobachter in Tschetschenien). Doku Umarow gab im März 2010 an, die Anzahl der Mudschaheddin im gesamten Nordkaukasus läge zwischen 10.000 und 30.000 Mann, bei entsprechenden Ressourcen könnte er fünf- bis zehnmal so viele anführen. Während die Angaben Kadyrows zu niedrig angesetzt sind (allein 2009 sollen offiziellen Angaben zufolge 190 Kämpfer in Tschetschenien ums Leben gekommen sein, in den ersten sieben Monaten 2010 51), sind jene Umarows sicherlich stark übertrieben.

(Analyse der Staatendokumentation, Russische Föderation: Sicherheitslage in Tschetschenien vom 12.10.2010, Seite 14-15)

Das Vorgehen der Rebellen

In den ersten Jahren des zweiten Krieges kämpften ganze Armeedivisionen und Brigaden russischer Truppen gegen die Rebellen. Nachdem es den föderalen Truppen gelungen war, große Kampfverbände zu besiegen, gingen die Auseinandersetzungen in einen Guerillakrieg über. In den ersten Monaten des zweiten Tschetschenienkrieges waren die russischen Truppen, die sich vor allem auf die als Hochburgen der Rebellen geltenden südlichen Regionen der Republik konzentrierten, beinahe täglich Bombenanschlägen und Angriffen durch Heckenschützen ausgesetzt. Die Stärke und Kräfte der Kämpfer nahmen ab 2002 und deutlich mit 2004 ab, die Häufigkeit militärischer Aktionen ging zurück. Nachdem viele hochrangige Kommandeure der ersten Generation liquidiert worden waren, - nämlich im März 2002 Ibn al-Chattab, im Jänner 2003 Ruslan Gelajew, im März 2005 Aslan Maschadow, im Juni 2006 Abdul-Chalim Sadulajew und im Juli 2006 Schamil Bassajew - verlor die Rebellenbewegung in Tschetschenien insgesamt an Schlagkraft. Die jüngsten Anschläge im russischen Kernland - jener auf den Zug Newski-Express im November 2009 und die XXXXer U-Bahn im März 2010 - gingen Bekennerschreiben zufolge zwar ebenfalls auf das Konto nordkaukasischer Rebellen, allerdings vermutlich nicht tschetschenischer.

Heutzutage teilt sich die Rebellenbewegung in Tschetschenien in kleine, extrem mobile und unabhängige Gruppen von Kämpfern, die sich im gesamten Nordkaukasus praktisch mehr oder weniger frei bewegen können.

(Analyse der Staatendokumentation, Russische Föderation: Sicherheitslage in Tschetschenien vom 12.10.2010, Seite 16)

Neuerliche Gewalt durch Rebellengruppen

Als Gründe für den neuerlichen Gewaltausbruch werden nicht nur religiöser Extremismus und ethnischer Separatismus genannt. Auch die autoritäre Politik Kadyrows und die durch russische und tschetschenische Sicherheitskräfte begangenen Menschenrechtsverletzungen werden als Auslöser genannt. Wie bereits erwähnt werden Armut und die schlechte wirtschaftliche Lage sowie die weit verbreitete Korruption und Clanwirtschaft ebenso dafür verantwortlich gemacht, den Zulauf aus der tschetschenischen Bevölkerung zur Widerstandsbewegung nicht abreißen zu lassen.

(Analyse der Staatendokumentation, Russische Föderation: Sicherheitslage in Tschetschenien vom 12.10.2010, Seite 14-18)

Am 19.10.2010 drangen Terroristen sogar bis zum schwer bewachten Parlament in Grosny vor. Aus bisher ungeklärten Gründen gelang es drei Terroristen die Sperre vor dem Parlamentsgebäude zu passieren. Einer der Angreifer sprengte sich davor in die Luft, zwei Untergrundkämpfer drangen in das Gebäude ein, lieferten sich im Erdgeschoss ein Feuergefecht mit den tschetschenischen Sicherheitskräften und sprengten sich dann selbst in die Luft. Außer den Terroristen wurden bei dem Überfall drei Personen getötet, darunter zwei Polizisten und ein tschetschenischer Zivilist. 17 Personen, darunter sechs Polizisten und elf Zivilisten, wurden verletzt. Mit dem Überfall zeigten die Separatisten, dass sie auch in Tschetschenien, wo es in den letzten Jahren weit weniger Anschläge gegeben hatte, als in den Nachbarrepubliken Inguschetien und Dagestan, noch handlungsfähig sind.

(Eurasisches Magazin: Der Terror in Tschetschenien ist zurück vom 06.12.2010)

Am 6. Juli 2010 forderte Putin im südrussischen Kislowodsk eine Amnestie für die Untergrundkämpfer im Nordkaukasus. Damit bewies er, dass man mit allen Mitteln Frieden erreichen will.

(Informationszentrum Asyl & Migration: Russische Föderation, Länderinformation und Pressespiegel zur Menschenrechtslage und politischen Entwicklung, Lage im Nordkaukasus vom September 2010, Seite 5)

Menschenrechte allgemein

Russland befindet sich seit dem Ende der Sowjetunion in einem umfassenden und schwierigen Transformationsprozess. Formal garantiert Russland in der Verfassung von 1993 alle Menschenrechte und bürgerlichen Freiheiten. Präsident und Regierung bekennen sich immer wieder zur Einhaltung von Menschenrechten. Menschenrechtler kritisieren jedoch Mängel bei der praktischen Umsetzung der verbrieften Rechte. Repressive Traditionen und ein Mangel an Erfahrungen mit Rechtsstaatlichkeit verbinden sich mit einem teilweise immer noch fehlenden Bewusstsein für individuelle Rechte und Freiheiten. Hinzu kommen Mängel bei der Unabhängigkeit der Judikative und die verbreitete Korruption. Seit Mai 2012 werden ein wachsender staatlicher Druck auf die kritische Zivilgesellschaft und einzelne Akteure beobachtet. Bei der Terrorismusbekämpfung, insbesondere im Nordkaukasus, sind auch autoritäre Einschränkungen der Grundrechte zu beobachten. Trotz einiger Reformbemühungen unter dem damaligen Präsidenten Medwedew, namentlich im Strafvollzugsbereich, bestehen bei der Menschenrechtslage im Land in einigen Bereichen erhebliche Defizite fort.

(Deutsches Auswärtiges Amt: Länder, Reise, Sicherheit - Russische Föderation - Innenpolitik, Stand Oktober 2012, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/RussischeFoederation/Innenpolitik_node.html , 6.2.2013)

Die wichtigsten Menschenrechtsverletzungen 2011 betrafen Verstöße gegen demokratische Prozesse, die Justizverwaltung und den Rechtsstaat, sowie die Meinungsäußerungsfreiheit. Weitere beobachtete Probleme umfassten physische Misshandlung von Wehrdienern durch Militärs; Einschränkungen der Versammlungsfreiheit; weit verbreitete Korruption auf allen Ebenen der Staatsführung und im Gesetzesvollzug; Gewalt gegen Frauen und Kinder; xenophobische Angriffe und Hassverbrechen; gesellschaftliche Diskriminierung, Schikane und Angriffe auf religiöse und ethnische Minderheiten und Immigranten; gesellschaftliche und behördliche Einschüchterung der Zivilgesellschaft und von Gewerkschaftern; Diskriminierung von Homosexuellen; und Einschränkungen der Arbeiterrechte.

(U.S. Department of State: Country Report on Human Rights Practices for 2012 - Russia)

Die Menschenrechtslage in Tschetschenien

Die Regierung von Ramsan Kadyrow in Tschetschenien verletzt weiterhin Grundfreiheiten, ist in Kollektivbestrafungen von Familien vermeintlicher Rebellen involviert und fördert insgesamt eine Atmosphäre der Angst und Einschüchterung. Der tschetschenische Ombudsmann Nurdi Nukhazhiyev zeigte sich der wichtigsten NRO in der Region, Memorial, gegenüber unkooperativ. Die Behörden weigerten sich gelegentlich mit NRO, die ihre Aktivitäten kritisierten, zusammenzuarbeiten. Menschenrechtsgruppen beschwerten sich, dass Sicherheitskräfte unter dem Kommando Kadyrows eine bedeutende Rolle bei Entführungen spielten, entweder auf eigene Initiative oder in gemeinsamen Operationen mit föderalen Kräften. Darunter waren Entführungen von Familienmitgliedern von Rebellenkommandanten und -kämpfern.

Wie berichtet wird, wird Folter sowohl von lokalen Behördenorganen als auch von föderalen Kräften angewendet.

(U.S. Department of State: Country Report on Human Rights Practices for 2012 - Russia)

Es werden weiterhin Menschenrechtsverletzungen in Zusammenhang mit den "anti-terroristischen" Operationen der Regierung berichtet. Anwälte, Journalisten und Menschenrechtsorganisationen berichten über Entführungen, willkürliche Verhaftungen, Folter, "Verschwindenlassen" und widerrechtliche Tötungen. Der russische Ombudsmann hat mehrfach über Verstöße im Nordkaukasus berichtet, ebenso wie der Menschenrechtskommissar des Europarates. Solche Berichte scheinen vor Ort aber wenige Auswirkungen zu haben.

(Council of Europe - Parliamentary Assembly: The situation of IDPs and returnees in the North Caucasus region, 5.3.2012)

Berichten zufolge verübten Beamte mit Polizeibefugnissen nach wie vor schwere Menschenrechtsverletzungen. Menschenrechtsverletzungen durch föderale oder tschetschenische Sicherheitskräfte werden in den seltensten Fällen strafrechtlich verfolgt. In einigen Fällen wurden Opponenten und Kritiker Kadyrows in Tschetschenien und anderen Gebieten der Russischen Föderation, aber auch im Ausland durch Auftragsmörder getötet (darunter Mord an Umar Israilow in XXXX im Jänner 2009). Keiner dieser Mordfälle konnte bislang vollständig aufgeklärt werden.

(Amnesty International: Jahresbericht 2012 [Beobachtungszeitraum 2011], 24.5.2012, ÖB XXXX: Asylländerbericht Russische Föderation, Stand September 2012)

Der relative Erfolg des tschetschenischen Präsidenten Ramsan Kadyrow bei der Unterdrückung größerer Rebellenaktivitäten in seinem Einflussbereich wird begleitet von zahlreichen Berichten über außergerichtliche Hinrichtungen und Kollektivbestrafungen.

(Freedom House: Freedom in the World 2012 - Russia, März 2012)

Im Nordkaukasus finden die schwersten Menschenrechtsverletzungen in der Russischen Föderation statt. Hierzu sind seit 2005 auch zahlreiche Urteile des EGMR gegen Russland ergangen, der insbesondere Verstöße gegen das Recht auf Leben festgestellt hat. Wiederholte Äußerungen von Präsident Medwedew und anderen Funktionsträgern deuten darauf hin, dass Recht und Gesetz hinreichend eingehalten und die Menschenrechte respektiert werden sollen. Die Urteile des EGMR werden von Russland nicht vollständig umgesetzt. 2011 wurden in Tschetschenien 20 Fälle registriert, in denen Personen entführt wurden, verschwanden oder gesetzwidrig verhaftet wurden (2010: 6). Memorial dokumentierte zwischen Jänner und September 2011 elf Fälle von Entführungen lokaler Einwohner durch Sicherheitskräfte. Opfer weigern sich aus Angst vor behördlicher Vergeltung zusehends über Verstöße zu sprechen. In einem Brief an eine russische NRO im März 2011 sagten die föderalen Behörden, dass die tschetschenische Polizei Untersuchungen von Entführungen sabotierten und manchmal die Täter deckten. In einem Schreiben an die NGO "Interregionales Komitee gegen Folter" bestätigte ein hochrangiger tschetschenischer Staatsanwalt, dass die Ermittlungen zu den Fällen von Verschwindenlassen in Tschetschenien ineffektiv seien. Vertreter russischer und internationaler NRO zeichnen ein insgesamt düsteres Lagebild. Gewalt und Menschenrechtsverletzungen bleiben dort an der Tagesordnung, es herrscht ein Klima der Angst und Einschüchterung. Die strafrechtliche Verfolgung der Menschenrechtsverletzungen ist völlig unzureichend.

(Caucasian Knot: In 2011, armed conflict in Northern Caucasus killed and wounded 1378 people, 12.1.2012, http://abhazia.eng.kavkaz-uzel.ru/articles/19641/ , Zugriff 3.12.2012, Human Rights Watch: World Report 2012, 22.1.2012, Amnesty International: Jahresbericht 2012 24.5.2012; (Auswärtiges Amt:

Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation (Stand Juni 2012), 6.7.2012)

Menschenrechtsaktivisten und Gegner Kadyrows:

Immer wieder kam es zu Zusammenstößen zwischen verschiedenen offiziellen tschetschenischen Einheiten, insbesondere zwischen solchen unter der Kontrolle Kadyrows und jenen unter der Kontrolle von Personen, die gemeinhin als seine persönlichen Gegner bezeichnet wurden, wie zum Beispiel der mittlerweile ermordete Sulim Jamadajew und der nunmehr aus Tschetschenien vertriebene Said-Magomed Kakijew. Bei diesen Zusammenstößen kam es auch zu Todesfällen.

(Analyse der Staatendokumentation, Russische Föderation: Sicherheitslage in Tschetschenien vom 12.10.2010, Seite 10)

Seit 2009 wurde eine zunehmende Zahl von Menschenrechtsverteidigern aus dem Nordkaukasus drangsaliert, geschlagen, entführt und getötet. Auch der tschetschenische Präsident Ramzan Kadyrow beschuldigte am 3. Juli 2010 in einem Fernsehinterview Journalisten und Menschenrechtsaktivisten, vom Ausland bezahlt zu sein, und bezeichnete sie als "Verräter, welche "die Idee des Mutterlands verkauft" hätten, zudem als "Feinde des Volkes, Feinde des Gesetzes, Feinde des Staates".

(Schweizerische Flüchtlingshilfe, Nordkaukasus: Sicherheits- und Menschenrechtslage vom 12.09.2011, Seite 14-15)

Einer der zuletzt bekannt gewordenen Fälle betrifft den kritischen politischen Journalisten der Tageszeitung "Kommersant" Oleg Kaschin, der am 06.11.2010 vor seinem Haus von Unbekannten zusammengeschlagen und schwer verletzt wurde.

(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation vom 07.03.2011, Seite 9)

Die Verfolgung von Familienmitgliedern und Unterstützern von Widerstandskämpfern ist in der Russischen Föderation eine der Maßnahmen im Kampf gegen den Terrorismus im Nordkaukasus. Grundsätzlich können Personen, die den Widerstand in Tschetschenien unterstützen - sei es dadurch Rebellen Lebensmittel, Kleidung oder Schlafstätten zur Verfügung zu stellen oder sei es durch Waffen - in der Russischen Föderation strafrechtlich verfolgt werden. Es kommt regelmäßig zu Verhaftungen aufgrund von Hilfeleistung an die Rebellen. Ob Personen, die unter diesem Vorwurf vor Gericht gestellt werden mit einem fairen Verfahren rechnen können ist aufgrund der im Justizbereich verbreiteten Korruption und der bekannten Einflussnahme der Exekutive auf richterliche Entscheidungen fraglich. Das Strafmaß beträgt 8 bis 20 Jahre Freiheitsentzug.

In deutsch- und englischsprachigen Medien und Berichten von russischen und anderen Menschenrechts- und Nichtregierungsorganisationen finden sich keine Hinweise, dass in den letzten Jahren oder derzeitig, Personen, die den Widerstand in den Jahren vor der letzten offiziellen Amnestie 2006 unterstützt oder selbst gekämpft und eine Amnestie in Anspruch genommen haben, oder die mit einer solchen Person verwandt sind, nunmehr allein deshalb verfolgt würden. Betroffen sind hauptsächlich Unterstützer und Familienmitglieder gegenwärtig aktiver Widerstandskämpfer. Um unbehelligt leben zu können müssen sich amnestierte Kämpfer und Unterstützer und deren Familien Ramsan Kadyrow gegenüber sicherlich weiterhin loyal zeigen. Ein Austritt aus den lokalen Sicherheitskräften, in denen viele der Amnestierten nunmehr arbeiten (müssen) wird nur bedingt möglich sein.

Obwohl eine strafrechtliche Verfolgung von Unterstützern des Widerstandskampfes möglich ist, greifen die tschetschenischen Sicherheitskräfte in ihrem Kampf gegen den Terrorismus weiterhin auf Mittel ohne rechtliche Grundlage zurück. Einerseits gibt es vereinzelte Berichte, dass Unterstützer ohne jegliches Verfahren für ihre vermeintliche Hilfeleistung "bestraft" werden. Andererseits finden sich zahlreiche Berichte über Formen der Kollektivbestrafung von Familienmitgliedern (mutmaßlicher) Widerstandskämpfer. Betroffen ist vorwiegend der engere Familienkreis, also Eltern, Onkeln, Cousins und Ehefrauen. Die tschetschenischen Behörden gehen aufgrund der traditionell sehr engen Familienbande davon aus, dass Familien ihre im Wald lebenden Angehörigen unterstützen, vor allem aber davon, dass diese Familien im Stande sind, ihre Angehörigen zu einer Rückkehr aus dem Wald zu bewegen. Die Verfolgung beginnt mit dem Einsatz von Druckmitteln wie der Streichung von Sozialbeihilfen, und führt bis zur Niederbrennung der Wohnhäuser der betroffenen Familien. Offizielle Beschwerden oder Anzeigen hiergegen sind kaum möglich.

(BAA/Staatendokumentation: Analyse der Staatendokumentation - Russische Föderation - Unterstützer und Familienmitglieder (mutmaßlicher) Widerstandskämpfer in Tschetschenien, 20.4.2011)

2012 wurden ab Jahresbeginn bis September rund 40 Personen festgenommen, um auf die Rebellen Druck auszuüben. Die meisten der Verhafteten sind Frauen, die beschuldigt werden, den Rebellen Nahrung gekauft oder Unterkunft gegeben zu haben. Die offiziellen Statistiken können jedoch nicht für bare Münze genommen werden. Tschetschenische Exekutiv- und Sicherheitsbehörden unter der de-facto Kontrolle von Ramsan Kadyrow wenden gegenüber Verwandten und mutmaßlichen Unterstützern vermeintlicher Rebellen Kollektivstrafen an. Das Niederbrennen von Häusern vermeintlicher Rebellen, ein Mechanismus der Kollektivbestrafung, der seit 2008 angewandt wird, ging Berichten zufolge weiter. Im Juli 2011 berichtete Caucasian Knot über mehrere Häuser, die niedergebrannt wurden, die Familien junger Leute gehörten, die sich dem Widerstand angeschlossen hatten. Im April 2012 wurde Rechtsaktivisten von Bewohnern des Dorfes Komsomolskoye/Bezirk Gudermes berichtet, dass Personen in Uniform die Häuser von den Eltern und Großeltern eines wenige Tage zuvor getöteten Rebellen niedergebrannt hatten. Kadyrow und andere tschetschenische Beamten haben bei mehreren Gelegenheiten ausgesagt, dass Angehörige von Aufständischen für ihre Rebellen-Verwandten zur Verantwortung gezogen werden müssen.

(The Jamestown Foundation: Eurasia Daily Monitor -- Volume 9, Issue 176, 27.9.2012, U.S. Department of State: Country Report on Human Rights Practices for 2012 - Russia, Human Rights Watch: World Report 2012, 22.1.2012, The Jamestown Foundation: North Caucasus Weekly -- Volume 13, Issue 10, 18.5.2012 / Caucasian Knot: Chechnya: houses of relatives of Bantaev, killed in special operation, burnt down, locals say, 5.5.2012, http://www.eng.kavkaz-uzel.ru/articles/20948/ , Zugriff 3.12.2012)

Es kann von niemandem mit Sicherheit gesagt werden, wie viele Rebellen heutzutage in Tschetschenien aktiv sind. Rekrutierung findet konstant statt. Rebellen und jene die aktive Rebellen unterstützen sind Hauptziel der tschetschenischen Behörden, während ehemalige tschetschenische Rebellen für die Behörden von weniger Interesse sein dürften. Aktive Rebellen werden für gewöhnlich während Sonderoperationen getötet, während Unterstützer festgenommen werden. Bei der Befragung von Personen, die der Zusammenarbeit mit Rebellen bezichtigt werden, soll es zu Folter kommen. In einer Reihe von Fällen wurden Personen für verschiedenartige Unterstützung der Rebellen zu Haftstrafen verurteilt.

(Landinfo: Tsjetsjenia: Tsjetsjenske myndigheters reaksjoner mot opprørere og personer som bistår opprørere, 26.10.2012, http://www.landinfo.no/asset/2200/1/2200_1.pdf , Zugriff 3.12.2012)

Rückkehrer

Derzeitige Situation von Rückkehrern

Eine Rückkehr von Tschetschenen in die Russische Föderation ist möglich, die meisten tschetschenischen Rückkehrer aus dem Ausland kehren in die Tschetschenische Republik zurück. Da in der Russischen Föderation Bewegungsfreiheit gilt, können sich aber ethnische Tschetschenen auch in jedem anderen Teil Russlands niederlassen.

Laut einem Vertreter der Internetzeitschrift "Kaukasischer Knoten" können Rückkehrer nach Tschetschenien mit verschiedenen Problemen konfrontiert sein. Einerseits stehen Rückkehrer, ebenso wie die restliche Bevölkerung vor den alltäglichen Problemen der Region. Dies betrifft in erster Linie die hohe Arbeitslosigkeit, die Wohnungsfrage und die Beschaffung von Dokumenten sowie die Registrierung. Viele Häuser wurden für den Neubau von Grosny abgerissen und der Kauf einer Wohnung ist für viele (auch im Fall von Kompensationszahlungen) unerschwinglich, die Arbeitslosigkeit ist um einiges höher als in den offiziellen Statistiken angegeben und bei der Beschaffung von Dokumenten werden oft Schmiergeldzahlungen erwartet. Darüber hinaus stellen Rückkehrer eine besonders verwundbare Gruppe dar, da sie ein leichtes Opfer im Antiterrorkampf darstellen. Um die Statistiken zur Verbrechensbekämpfung aufzubessern, werden zum Teil Strafverfahren fabriziert und ehemaligen Flüchtlingen angelastet. Andererseits können Rückkehrer auch ins Visier staatlicher Behörden kommen, weil vermutet wird, dass sie tatsächlich einen Grund zur Flucht aus Tschetschenien hatten, d.h. Widerstandskämpfer waren oder welche kennen. Manchmal werden Rückkehrer gezwungen, für staatliche Behörden zu spionieren. Eine allgemein gültige Aussage über die Gefährdung von Personen nach ihrer Rückkehr nach Tschetschenien kann nicht getroffen werden, da dies stark vom Einzelfall und von der individuellen Situation des Rückkehrers abhängt.

(ÖB XXXX: Asylländerbericht Russische Föderation, Stand September 2012)

IOM XXXX führt von 1.7.2010 bis 30.6.2013 (mit Verlängerungsmöglichkeit) das Projekt "Unterstützung der Freiwilligen Rückkehr und Reintegration von Rückkehrenden in die Russische Föderation/Republik Tschetschenien" durch. Im Rahmen des Projekts werden Russische Staatsangehörige aus der Republik Tschetschenien, die freiwillig in ihre Heimat zurückkehren möchten, nicht nur bei der Rückkehr, sondern auch bei ihrer Reintegration im Herkunftsland unterstützt. Sie erhalten nach ihrer Rückkehr Unterstützung von einer lokalen Partnerorganisation (NGO Vesta), die sie rechtlich und sozial berät und gemeinsam mit ihnen individuelle Reintegrationsmaßnahmen (z.B. Weiterbildungskurse, Geschäftsgründung, Erwerb von Werkzeug oder Materialien, etc.) auswählt. Diese Reintegrationsmaßnahmen werden in Form von Sachleistungen im Wert von bis zu max. EUR 2.000 unterstützt (pro Familie kann nur eine Person - in der Regel der Haushaltsvorstand - teilnehmen). Zusätzlich werden die Rückkehrer/innen bei der Deckung der Lebenserhaltungskosten während der ersten sechs Monate nach der Rückkehr mit EUR 500,- pro Fall unterstützt.

Die Reintegrationsunterstützung kann z.B. für die folgenden Maßnahmen genutzt werden: Berufsausbildung; Ankauf von für die Ausübung eines Berufes benötigtem Werkzeug und geeigneter Ausrüstung; Unterstützung bei der Gründung eines Kleinunternehmens (in Sachleistungen); Organisation von Kinderbetreuung und medizinischer Versorgung für Rückkehrer mit besonderen Bedürfnissen.

Zielgruppe des Projekts sind Asylwerber/innen, Asylberechtigte, subsidiär Schutzberechtigte sowie nicht oder nicht mehr aufenthaltsberechtigte Personen, die freiwillig aus Österreich in die Russische Föderation / Republik Tschetschenien zurückkehren möchten. Im Rahmen des Projekts werden im Zeitraum von 1. Juli 2012 bis 30. Juni 2013 bis zu 95 Teilnehmer/innen (pro Familie ist nur eine Person teilnahmeberechtigt) mit den benötigten Mitteln und Know-how ausgestattet, um sich in der Republik Tschetschenien eine neue wirtschaftliche Existenz aufzubauen.

(IOM XXXX: Unterstützung der Freiwilligen Rückkehr und Reintegration von Rückkehrenden in die Russische Föderation/Republik Tschetschenien, ohne Datum,

http://www.iomvienna.at/index.php?option=com_content&view=article&id=545:unterstuetzung-der-freiwilligen-rueckkehr-und-reintegration-von-rueckkehrenden-in-die-russische-foederation-republik-tschetschenien&catid=92:unterstuetzte-freiwillige-rueckkehr-aus-oesterreich&Itemid=143&lang=de , Zugriff 4.12.2012)

Mit Unterstützung von IOM sind in den letzten Jahren zahlreiche Personen (2010 waren es 606, 2011 waren es 528 und 2012 waren es insgesamt 525) von Österreich in die Russische Föderation zurückgekehrt. 2012 sind 381 Personen nach Grosny mit Hilfe von IOM zurückgekehrt. Der endgültige Rückkehrort ist IOM allerdings nicht immer bekannt.

(Beantwortung einer Anfrage des AsylGH an IOM XXXX vom 20.03.2013)

Dem BMI-Verbindungsbeamten der ÖB XXXX liegt eine - nicht offizielle - Information vor, wonach Rücküberstellte von Charterflügen und in Einzelfällen solche von Linienmaschinen von Beamten des Föderalen Migrationsdienstes einen Fragebogen erhalten. Das Ausfüllen des Fragebogens beruht auf Freiwilligkeit. U.a. wird darin die Frage gestellt, wo man in der RF wohnhaft ist, aber auch, warum man in das Land, aus welchem man ausgewiesen wurde, überhaupt eingereist ist, warum man nicht mehr im Besitz seiner eigentlichen Reisedokumente ist, bzw. auch, ob man im Land, aus dem man ausgewiesen wurde, "ordentlich" behandelt worden ist.

Nach Auskunft des Vertrauensanwalts kann, wenn ein Haftbefehlt aufrecht ist, eine Person in Untersuchungshaft genommen werden. U-Haft kann vor allem dann verhängt werden, wenn Fluchtgefahr besteht. U-Haft wird zunächst für zwei Monate verhängt und kann dann um jeweils zwei Monate verlängert werden. Während der Untersuchungshaft gibt es auch Haftprüfungstermine, wo u.a. auch geprüft wird, ob noch Fluchtgefahr besteht.

(ÖB XXXX, Anfragebeantwortung zu Rückkehr nach Russland, Tschetschenien vom 15.01.2013

Frauen als Rückkehrer

Frauen, die nach Tschetschenien zurückkehren, können mit sozialen Beihilfen im Rahmen der Gesetzgebung der Russischen Föderation rechnen. Sozialhilfe und staatliche Zuwendungen stellen neben offiziellen Arbeitslöhnen und Einkommen aus semi-formellen, privaten oder unregelmäßigen Beschäftigungsformen eine wichtige Einkommensquelle für tschetschenische Haushalte dar. Dies gilt insbesondere für die sozial schwächsten sozialen Gruppen, zu denen unter anderem Familien ohne Männer gehören. Neben der auf föderaler Ebene geregelten Sozialversicherung (Renten, Krankenversicherung, Mutterschutz, Arbeitslosigkeit) bestehen auch regional implementierte, beitragsfreie Sozialhilfeprogramme, beispielsweise Kinderbeihilfe, Wohnbeihilfe oder Beihilfen für Invalide. Im Rahmen dieser beitragsfreien regionalen Programme besteht auch eines für Familienmitglieder von Kriegsveteranen und verstorbenen Soldaten.

(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation vom 04.04.2010, Seite 19)

Frauen und Kinder

Allgemeine Stellung der Frauen

Gemäß Art. 19 Abs. 3 der Verfassung haben "Mann und Frau die gleichen Rechte und Freiheiten und die gleichen Möglichkeiten zu deren Realisierung". Die Anzahl von Frauen in Führungspositionen entspricht ungefähr dem europäischen Durchschnitt.

Ein großes Problem ist häusliche Gewalt.

Menschenrechtsorganisationen gehen davon aus, dass jährlich etwa 14.000 Frauen von ihren Partnern oder einem Angehörigen getötet werden. Als Hauptursachen hierfür gelten Alkoholismus, ein traditionell geprägtes Rollenverständnis und beengte Wohnverhältnisse. Die Polizei bleibt oft passiv und geht z.B. Anzeigen nicht mit genügendem Nachdruck oder zuw eilen offenbar auch gar nicht nach.

Schutzmöglichkeiten für Frauen gibt es in Russland kaum: Nach Angaben des Ministeriums für Gesundheit und Soziales gibt es landesweit nur 23 staatliche Frauenhäuser.

Beim Menschenhandel gehören russische Frauen zu den Hauptopfergruppen. Durch internationale Zusammenarbeit wird versucht, die Rotlicht-Kriminalität wirksam zu bekämpfen. Trotz der Verankerung des Straftatbestandes Menschenhandel im russischen Strafgesetzbuch bleiben die Strafverfolgungszahlen niedrig. Russland gilt zugleich als Ursprungs-, Transit- und Empfangsland im Menschenhandel.

(Deutsches Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation, Stand Juni 2012, 6.7.2012)

Frauen haben Schwierigkeiten, an politische Macht zu gelangen. Frauen haben 13% der Sitze in der Duma inne und weniger als 5% im Föderationsrat. Nur drei von 26 Kabinettsmitgliedern sind Frauen. Häusliche Gewalt ist weiterhin ein ernsthaftes Problem, die Polizei ist bei der Intervention in innerfamiliäre Angelegenheiten oft nachlässig.

(Freedom House: Freedom in the World 2013 - Russia, Jänner 2013)

Kriegsbedingt kam es in den letzten beiden Jahrzehnten zu Änderungen der Rolle der Frau in Tschetschenien. Viele Frauen fanden sich, nachdem sich ihre Männer in den Krieg begeben hatten, plötzlich in der Rolle der alleinigen Familienernährer(innen) wieder. Die Übernahme ehemals typisch männlicher Aufgaben stärkte die Rolle der Frauen in der tschetschenischen Gesellschaft, in diesem Zusammenhang wirkte auch das sowjetische Frauenbild, das von großer Gleichheit von Mann und Frau ausgeht, weiter. Dieses Phänomen wollen einige Teile der Gesellschaft, etwa Politiker und religiöse Autoritäten, nunmehr wieder rückgängig machen.

Im Zuge der letzten beiden Kriege kam es zum Verfall einiger Traditionen, andere gingen gänzlich verloren, oder werden nun in geänderter Form ausgeübt. Zu beobachten ist jedenfalls, dass es derzeit zu einem Wiederaufleben von Traditionen kommt, was unter anderem auf den Influx der ländlichen und eher traditionsbewussten Bevölkerung in der Hauptstadt Grosny zurückzuführen ist. Haupttriebkraft dieses Wiederauflebens ist jedoch die von Ramzan Kadyrow aktiv geförderte Rückbesinnung auf islamische und tschetschenische Traditionen, die zu einer moralischen Stärkung der Gesellschaft führen und einem Sittenverfall entgegenwirken soll. Inhaltlich nähert sich Kadyrow in seinem Frauenbild aber immer mehr den sog. Wahabiten als dem traditionellen tschetschenischen Islam("Macho-Islam"Uwe Halbach) Für Frauen äußert sich die Rückbesinnung auf tschetschenische/islamische Traditionen darin, dass die meisten von ihnen in der Öffentlichkeit nunmehr eine Kopfbedeckung tragen, obgleich hierzu keine (gesetzliche) Verpflichtung besteht. Zum Teil werden heute Kleidungsvorschriften propagiert, die es seit Jahrzehnten in Tschetschenien nicht mehr gegeben hat. Es wird auch von Paintball-Überfällen auf "westlich" gekleidete Frauen berichtet. Von einem gesellschaftlichen Druck sich an solche Kleiderordnungen zu halten kann ausgegangen werden. Des Weiteren wird Polygamie in den letzten Jahren verstärkt ausgeübt, diese wird in der Gesellschaft als "normal" betrachtet. Auch Ehrenmorde kommen verstärkt vor, wobei es sich hier eher um Einzelfälle handelt. Wie Beispiele zeigen ist vielfach unklar, wann es sich bei einem Mord an einer Frau tatsächlich um einen Ehrenmord handelt. Problematisch ist, dass aus Traditionsgründen oder durch Sicherheitskräfte begangene Verbrechen oft nicht angezeigt oder verfolgt werden.

Dies trifft auch auf die Tradition des (ehemals eher als Rollenspiel zu betrachtenden) Brautraubes zu, der heutzutage, durch Mitglieder der Kadyrowzy ausgeübt, gelegentlich zu tatsächlichen Entführungen und Zwangsheiraten führen kann. Aber auch Vergewaltigungen und Tötungen junger Frauen durch Kadyrowzy kommen vor. Häusliche und sexuelle Gewalt sind weiterhin Tabuthemen in der tschetschenischen Gesellschaft und werden gemeinhin gemäß den Traditionen gelöst, können jedoch bei den Behörden angezeigt werden. Ob Behören dabei Hilfe gewähren, ist jedoch mehr als fraglich. Bei Scheidungen bzw. im Falle des Todes eines Mannes "gehören" seine Kinder den Bräuchen folgend ihm bzw. seiner Familie. Auch hier besteht in der Praxis die Möglichkeit für Frauen, sich an Gerichte zu wenden, die im Normalfall zu Gunsten der Frau entscheiden dürften.

Die in Tschetschenien derzeit bewusst betriebene Wiederbelebung der Traditionen führt jedenfalls zu gewissen Ambivalenzen. So stellt etwa die stattfindende Einmischung politischer, behördlicher oder religiöser Autoritäten in Bereiche wie Kleiderordnung eine Verlagerung von Angelegenheiten vom privaten in den öffentlichen Bereich dar, was einen Widerspruch zur tschetschenischen Gewohnheit bedeutet: Das Aufzwingen von Verhaltensnormen durch Außenstehende ist nach Auffassung vieler TschetschenInnen gegen ihre Kultur, da dies eine nicht übliche Einmischung in Familien- bzw. Klanangelegenheiten darstellt. Die lokalen tschetschenischen Traditionen und der "korrekte" islamische Lebensstil scheinen in der von Kadyrow geforderten Form einem freien und liberalen Lebensstil für Frauen entgegenzustehen. Es kann zwar nicht davon ausgegangen werden, dass jede Tschetschenin gezwungen ist, sich zu verschleiern, dass Tschetscheninnen im Scheidungsfall prinzipiell die Kinder entzogen werden oder dass säkulare Frauen gemeinhin aus Gründen der "Ehre" ermordet werden. Ebenso wenig kann jedoch davon ausgegangen werden, dass alle Frauen im heutigen Tschetschenien frei und selbstbestimmt leben können. Die Rechte und Freiheiten der Tschetscheninnen werden derzeit immer mehr eingeschränkt. Der auf Frauen ausgeübte Druck, sich "angemessen" zu verhalten, wird größer und stärker. Ob und inwieweit eine tschetschenische Frau Rechtsschutzmöglichkeiten in Anspruch nimmt, hängt, ebenso wie etwa Bildungs- und Arbeitsmöglichkeiten, Kleidung, oder Vorgehen bei "unehrenhaftem Verhalten", stark von ihrer individuellen Situation ab: von ihrer Erziehung, ihren sozialen Netzwerken, vor allem also von ihrer Familie bzw. jener ihres Ehemannes, von deren Modernität, Traditionalität und Religiosität. Swetlana Gannuschkina (MEMORIAL) betont, dass Frauen ohne Mann derzeit in Tschetschenien nicht leben könnten. Die Revitalisierung der Traditionen wird nur von Teilen der Bevölkerung gutgeheißen, viele Tschetschenen - nicht nur Frauen, sondern auch Männer - stehen ihr durchaus kritisch gegenüber. Andererseits ist es für Frauen, die im westlichen Ausland gelebt haben und die dortigen Sitten übernommen haben, sehr schwer sich wieder in Tschetschenien zu Recht zu finden.

Jedenfalls werden durch die Rückbesinnung auf "Tschetschenische Traditionen" die Unterschiede zwischen den Geschlechtern vergrößert und die Vulnerabilität von Frauen und Mädchen gegenüber häuslicher und sexueller Gewalt erhöht.

(COI Workshop "Frauen in Tschetschenien" am 17.02.2012; Amnesty International, Annual Report 2012)

Es gab 2011 keine weiteren Berichte über Angriffe auf Mädchen und Frauen, die keine Kopftücher tragen wollten. Jedoch können jene, die dies verweigern, nicht im öffentlichen Dienst arbeiten oder Schulen und Universitäten besuchen (Human Rights Watch: World Report 2012, 22.01.2012)

Das Gesetz verbietet Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, jedoch setzte die Regierung dieses Verbot nicht durchgängig um. Während medizinische Angestellte Opfer von Übergriffen unterstützten und gelegentlich halfen, Fälle von Körperverletzung oder Vergewaltigung zu identifizieren, waren Ärzte oft nachlässig, als Zeugen vor Gericht aufzutreten. Gemäß dem Föderalen Statistikdienst wurden 2011 bis November den Behörden 4.462 Vergewaltigungsfälle gemeldet (2010: 4.907). Jedoch meldeten Frauen Vergewaltigungen durch Personen, die ihnen bekannt waren, eher nicht. Zudem berichteten NRO zufolge viele Frauen Vergewaltigungen und andere Gewaltvorfälle aufgrund der sozialen Stigmata und der mangelhaften staatlichen Unterstützung nicht melden.

Häusliche Gewalt ist weiterhin ein großes Problem. Das Innenministerium hat Aufzeichnungen von mehr als 4 Millionen Tätern häuslicher Gewalt. Das Duma-Komitee zu Sozialer Verteidigung berichtete, dass es 2010 21.400 Morde gab, zwei Drittel davon waren Frauen, die in häuslichen Auseinandersetzungen starben, das sind um 50% mehr als noch 2002. Das Innenministerium berichtete, dass mindestens 34.000 Frauen jedes Jahr Opfer häuslicher Gewalt würden. Jedoch ist es aufgrund der Zurückhaltung der Opfer, über Fälle häuslicher Gewalt zu berichten, unmöglich verlässliche statistische Informationen zu erhalten. Offizielle Telefonverzeichnisse enthielten keine Informationen über Krisenzentren oder Frauenhäuser. Gemäß dem XXXXer "Anna National Center for the Prevention of Violence" gibt es lediglich rund 25 Frauenhäuser in ganz Russland, mit Betten für insgesamt etwa 200 Frauen.

Es gibt keine rechtliche Definition von häuslicher Gewalt. Föderale Gesetze verbieten tätliche Angriffe, Körperverletzung, Drohungen und Morde, aber die meisten Fälle häuslicher Gewalt fallen nicht unter die Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft. Gemäß NRO ist die Polizei oft nicht willens, Beschwerden über häusliche Gewalt aufzunehmen und entmutigte Opfer oftmals, diese einzubringen. Laut dem "Zentrum zur Unterstützung von Frauen" waren selbst unter Exekutivbeamten viele Täter häuslicher Gewalt.

Physische und sexuelle Gewalt gegenüber Frauen verbreitet sich immer stärker in der Region.

(U.S. Department of State: Country Report on Human Rights Practices for 2012 - Russia )

Grundsätzlich garantiert die Verfassung der Russischen Föderation Männern und Frauen dieselben Rechte. Dennoch sind Frauen von Diskriminierung v. a. am Arbeitsmarkt betroffen. Von einer gesellschaftlichen Diskriminierung alleinstehender Frauen und Mütter kann zumindest in Kernrussland nicht ausgegangen werden. Ein ernstes Problem in Russland stellt jedoch häusliche Gewalt dar. Dieses wird von Polizei und Sozialbehörden oft als interne Familienangelegenheit abgetan. Es gibt in der Russischen Föderation keine föderale Gesetzgebung zu häuslicher Gewalt. Die Handlungsmöglichkeiten der Polizei sind begrenzt. Eine Bestrafung der Aggressoren ist bei Körperverletzung, Rowdytum oder sonstigen gewalttätigen Übergriffen möglich. Obgleich die Zahl der Frauenhäuser in der Russischen Föderation zunimmt, ist deren Zahl noch gering (derzeit ca. 25 mit insgesamt 200 Betten). In Tschetschenien gibt es keine Frauenhäuser. Nachdem die gesetzlichen Regelungen den Opfern von häuslicher Gewalt nur teilweise Schutz bieten, fliehen Opfer von häuslicher Gewalt meist zu Freunden oder Bekannten, oder finden sich mit der Situation ab. Ein weit verbreitetes Problem, für das es ebenfalls keine gesetzliche Regelung gibt, ist sexuelle Belästigung. Die Situation im Nordkaukasus unterscheidet sich maßgeblich von der in anderen Teilen Russland.

(Österreichische Botschaft XXXX: Asylländerbericht Russische Föderation, September 2012)

Von der Vertreterin einer tschetschenischen NGO wurde angegeben, dass sich eine Frau zum Beispiel bei einer gewalttätigen Brautentführung, durchaus an die staatlichen Organe wenden könnte und auch Hilfe bekommen könnte, es sei aber bisher kein solcher Fall bekannt.

(ÖB XXXX, Anfragebeantwortung zu Frauen, Obsorge, Schutz durch Staatliche Behörden, Arbeitsmöglichkeiten vom 10.05.2013)

Wirtschaftliche Lage der Frauen

Die wirtschaftliche Lage von Frauen ist in Tschetschenien sicherlich schwierig. In Tschetschenien herrschen zwar insgesamt eine hohe offizielle Arbeitslosenrate und eine schlechte wirtschaftliche Lage, es ist jedoch unter Frauen vergleichsmäßig eine nicht unbeträchtliche wirtschaftliche Aktivität zu beobachten. Eine gewisse wirtschaftliche Selbstständigkeit von Frauen scheint schon in der Vorkriegszeit bestanden zu haben. Obgleich in Tschetschenien zahlreiche alleinstehende und alleinerziehende Frauen leben und diese in der Gesellschaft auch als "normal" betrachtet werden, hängen alleinstehende Frauen bei einer Rückkehr nach Tschetschenien sicherlich stark von der Unterstützung ihrer (Groß‑)Familie ab. Soziale Unterstützungsleistungen bestehen, außer Acht gelassen werden darf aber nicht, dass Korruption in der gesamten Russischen Föderation, und noch viel mehr in der Republik Tschetschenien weit verbreitet ist. Dieses Otkat genannte Bestechungsgeld ist vermutlich auch für die Auszahlung staatlicher Unterstützungsleistungen zu entrichten. Die Entwicklungen der letzten Jahre weisen einerseits darauf hin, dass Tschetscheninnen - vor allem wirtschaftlich betrachtet - ihre Rolle in der Gesellschaft stärken konnten. Einige Quellen verweisen auf die Modernität und Selbstständigkeit der heutigen tschetschenischen Frau. Es muss jedoch wiederholt darauf hingewiesen werden, dass die Möglichkeiten einer Frau nach wie vor stark von ihrem sozialen Umfeld abhängen. Auf politischer und gesellschaftlicher Ebene werden Tschetscheninnen insgesamt zunehmend in die traditionelle Rolle der Hausfrau und Mutter zurückgedrängt. Die kadyrowsche (Re‑) Islamisierungspolitik bedeutet eine Diskriminierung von Frauen in der ohnehin männlich dominierten Kultur. Hinzugefügt werden muss, dass diese Politik Kadyrows nicht ausschließlich auf Frauen, sondern auf die gesamte tschetschenische Bevölkerung Auswirkungen hat. Die Entwicklung der Lage und Rolle der Frau in der heutigen tschetschenischen Gesellschaft stellt sich somit durchaus widersprüchlich dar. Weitere diesbezügliche Entwicklungen - etwa ob die Anzahl an berufstätigen Frauen in den nächsten Jahren zurückgeht - bleiben zu beobachten.

(Analyse der Staatendokumentation zur Situation der Frauen in Tschetschenien vom 08.04.2010, Seite 4 bis 6)

Das Sozialversorgungssystem der RF ist vielfältig und beinhaltet verschiede Formen von finanziellen Unterstützungsleistungen, Dienstleistungen und Vergünstigungen. Diese variieren zum Teil von Region zu Region. Es ist stark von den Umständen im Einzelfall abhängig, auf welche dieser Leistungen und Vergünstigungen eine bestimmte Person Anspruch hat.

Zum Beispiel gibt es anlässlich der Geburt eines Kindes bzw. zu dessen Pflege in der Russischen Föderation ein Geburtengeld und ein monatliches Kinderbetreuungsgeld bis zum Alter von 11/2 Jahren. Das Geburtengeld beträgt in Russland/in Tschetschenien 2013 ca. EUR 327,-, das Kinderbetreuungsgeld ca. 62,- EUR für das erste Kind und ca. EUR 122,- für jedes weitere Kind. Das Existenzminimum in der Republik Tschetschenien lag Ende 2012 bei etwa 170 EUR pro Kopf (127 EUR für Pensionisten, 164 EUR für Kinder, 185 EUR für arbeitsfähige Personen)xxi. Für bedürftige Bürger, das heißt für Familien deren pro Kopf Einkommen geringer als ca. EUR 38,- ist, gibt es eine soziale Unterstützung in Höhe von 2,50 EUR für die Dauer von 6 Monaten.

Nach Einschätzung von verschiedenen Mitarbeitern von internationalen NGOs im Nordkaukasus sind die Sozialleistungen nicht ausreichend, damit eine alleinstehenden Frau mit Kindern allein davon leben könnte, andererseits wurde bestätigt, dass sich in Tschetschenien wohl immer ein Verwandter finden würden, der bereit sei die Familie mit Wohnraum als auch finanziell zu unterstützten.

Von einer Vertreterin einer tschetschenischen NGO wurde mitgeteilt, dass das System von Alimentenzahlungen in Russland/Tschetschenien im Fall einer Scheidung noch nicht besonders ausgereift ist. Im Fall des Todes des Ehemanns würden der Ehefrau ebenso wie jedem Kind jedoch eine Rente "aufgrund des Verlusts des Versorgers" zustehen, die durchaus ein vernünftiges Einkommen darstelle.

(ÖB XXXX, Anfragebeantwortung zu Frauen, Obsorge, Schutz durch Staatliche Behörden, Arbeitsmöglichkeiten vom 10.05.2013)

Innerstaatliche Relokationsmöglichkeit

Es ist grundsätzlich möglich, von und nach Tschetschenien ein- und auszureisen und sich innerhalb der Republik zu bewegen. An den Grenzen zu den russischen Nachbarrepubliken befinden sich jedoch nach wie vor - wenn auch in stark verringerter Zahl - Kontrollposten der föderalen Truppen oder der sog. "Kadyrowzy", die gewöhnlich eine "Ein- bzw. Ausreisegebühr' erheben. Sie beträgt für Bewohner Tschetscheniens in der Regel zehn Rubel, also ungefähr 25 Cent; für Auswärtige - auch Tschetschenen - liegt sie höher, z.B. an der inguschetisch-tschetschenischen Grenze bei 50 - 100 Rubel, etwa 1‚25 - 2,50 Euro.

(Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation, 07.03.2011)

Grundsätzlich ist die Bewegungsfreiheit innerhalb Russlands gesetzlich gewährleistet, Bürger können ihren Wohn- und Aufenthaltsort frei wählen. Jedoch sind Bürger der Russischen Föderation gesetzlich verpflichtet, sowohl ihren vorübergehenden gegenwärtigen Aufenthaltsort, als auch ihren dauerhaften Wohnsitz den zuständigen Stellen des Innenministeriums zu melden. Der Registrierungsprozess stellt sich in der ganzen Russischen Föderation gleich dar. Voraussetzung für eine Registrierung ist die Vorlage des Inlandspasses und ein nachweisbarer Wohnraum, eine Arbeitsstelle oder der Bezug von Einkommen müssen nicht nachgewiesen werden. Die Registrierung und damit einhergehende Aufgaben fallen in den Zuständigkeitsbereich des Föderalen Migrationsdienstes (FMS), seiner territorialen Behörden (UFMS) und weiterer Behörden für innere Angelegenheiten. 2010 kam es zu einer Vereinfachung des Registrierungsprozesses, insbesondere hinsichtlich temporärer Registrierungen. Um sich temporär zu registrieren, muss man nunmehr lediglich einen Brief an die lokale Stelle des FMS, also den jeweiligen UFMS, schicken, in dem die vorübergehende Adresse angegeben wird, das persönliche Erscheinen beim UFMS ist keine Voraussetzung mehr. Obwohl das Gesetz festschreibt, dass eine temporäre Registrierung ein Jahr Gültigkeit besitzt, stellen manche lokale Behörden vorübergehende Registrierungen lediglich für einen Zeitraum von drei Monaten aus.

Eine dauerhafte Registrierung wird durch einen Stempel im Inlandspass vermerkt, eine temporäre Registrierung durch einen in den Inlandspass eingelegten Zettel. Für einen Aufenthalt bis zu 90 Tage ist keine Registrierung verpflichtend, jedoch kann es notwendig werden, bei einer Dokumentenkontrolle nachzuweisen, dass man sich noch nicht länger als 90 Tage in dem Gebiet aufhält, beispielsweise durch die Vorlage einer Zug- oder Busfahrkarte. Die Behörden haben laut FMS sogar ein eigenes Verfahren, um die Identität von Personen, die nicht im Besitz von Identitätsdokumenten sind, festzustellen. Der Name der zu registrierenden Person wird in derartigen Fällen in Datenbanken gesucht und es erfolgen Einvernahmen der jeweiligen Person sowie von ihren in der Russischen Föderation aufhältigen Verwandten. Sobald die Identität der Person festgestellt wurde, werden die erforderlichen Unterlagen ausgestellt.

(Danish Immigration Service: Chechens in the Russian Federation, Report from Danish Immigration Service's fact finding mission to Moscow and St. Petersburg, the Russian Federation, 12 to 29 June 2011, 11.10.2011)

Der Kontrolldruck gegenüber kaukasisch aussehenden Personen hat etwas abgenommen, wenngleich russische Menschenrechtsorganisationen nach wie vor von einem willkürlichen Vorgehen der Miliz gegen Kaukasier allein wegen ihrer ethnischen Zugehörigkeit berichten.

Vor allem Kaukasier und Einwanderer aus Zentralasien sind in Russland mit ethnischen Diskriminierungen und einem grassierenden Rassismus konfrontiert. Kaukasisch aussehende Personen stünden unter einer Art Generalverdacht. Personenkontrollen (Ausweis, Fingerabdrücke) auf der Straße, in der U-Bahn und Hausdurchsuchungen (häufig ohne Durchsuchungsbefehle) finden statt, haben aber an Intensität abgenommen. Laut Auskunft des Auswärtigen Amtes sind keine Anweisungen der russischen Innenbehörden zur spezifischen erkennungsdienstlichen Behandlung von Tschetschenen bekannt. Kontrollen von kaukasisch aussehenden oder aus Zentralasien stammenden Personen erfolgen seit Jahresbeginn 2007 zumeist im Rahmen des verstärkten Kampfes der Behörden gegen illegale Migration und Schwarzarbeit. Tschetschenen steht wie allen russischen Staatsbürgern das Recht der freien Wahl des Wohnsitzes und des Aufenthalts in der Russischen Föderation zu. Diese Rechte sind in der Verfassung verankert. Jedoch wird an vielen Orten (u.a. in großen Städten wie XXXX und St. Petersburg) der legale Zuzug von Personen aus den südlichen Republiken der Föderation durch Verwaltungsvorschriften stark erschwert. Diese Zuzugsbeschränkungen wirken sich im Zusammenhang mit anti-kaukasischer Stimmung besonders stark auf die Möglichkeit von aus anderen Staaten zurückgeführten Tschetschenen aus, sich legal dort niederzulassen. Die Rücksiedlung nach Tschetschenien wird von Regierungsseite nahegelegt.

Mit dem Föderationsgesetz von 1993 wurde ein Registrierungssystem geschaffen, nach dem Bürger den örtlichen Stellen des Innenministeriums ihren gegenwärtigen Aufenthaltsort ("vorübergehende Registrierung") und ihren Wohnsitz ("dauerhafte Registrierung") melden müssen. Die Registrierung legalisiert den Aufenthalt und ermöglicht den Zugang zu Sozialhilfe, staatlich geförderten Wohnungen und zum kostenlosen Gesundheitssystem sowie zum legalen Arbeitsmarkt. Nur wer eine Bescheinigung seines Vermieters vorweist, kann sich registrieren lassen. Kaukasier haben jedoch größere Probleme als Neuankömmlinge anderer Nationalität, überhaupt einen Vermieter zu finden. Viele Vermieter weigern sich zudem, entsprechende Vordrucke auszufüllen, u.a. weil sie ihre Mieteinnahmen nicht versteuern wollen.

(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation vom 07.03.2011, Seite 35 und 36; Fragenbeantwortung der ÖB in XXXX vom 13.04.2012)

Der Föderale Migrationsdienst (FMS) bestätigte in diesem Zusammenhang, dass alle Staatsbürger der Russischen Föderation, auch Rückkehrer, am Aufenthaltsort registriert werden. Gesetzlich ist vorgesehen, dass die Registrierung ab Einlangen der Unterlagen bei der zuständigen Behörde drei Tage dauert. Eine Registrierung ist für einen legalen Aufenthalt in der Russischen Föderation unabdingbar. 2010 kam es zu einer Vereinfachung des Registrierungsprozesses, insbesondere für temporäre Registrierungen (Registrierungen für einen nicht länger als 90 Tage dauernden Zeitraum). Für eine solche muss man nunmehr lediglich einen Brief an die lokale Stelle des Föderalen Migrationsdienstes (FMS) bzw. an die jeweiligen territorialen Behörden (UFMS) schicken, in dem die vorübergehende Adresse angegeben wird, und muss nicht mehr persönlich beim UFMS erscheinen.

(Bericht zum Forschungsaufenthalt der Staatendokumentation, Russische Föderation - Republik Tschetschenien, Dezember 2011, Seite 6, 14-15, 58)

Laut Auskunft des Föderalen Migrationsdienstes (FMS) bestehen für Tschetschenen keine Einschränkungen der Bewegungsfreiheit oder hinsichtlich der Ausstellung von innerstaatlichen Reisepässen oder anderen offiziellen Dokumenten. Auch laut Einschätzung eines Anwalts der Memorial Migration & Rights Programme and Civic Assistance Committee (CAC) haben Tschetschenen bei einer Registrierung in St. Petersburg nicht mehr Probleme als andere russische Bürger. Nichtregistrierte Tschetschenen können innerhalb Russlands allenfalls in der tschetschenischen Diaspora untertauchen und dort überleben. Ihr Lebensstandard hängt stark davon ab, ob sie über Geld, Familienanschluss, Ausbildung und russische Sprachkenntnisse verfügen. Eine Vertreterin von House of Peace and Non-Violence, verwies darauf, dass viele Tschetschenen in St. Petersburg keinerlei dauerhafte oder vorübergehende Registrierung besitzen. Diese Personen besorgen sich immer wieder neue Zug- oder Bus-Tickets, um damit darzulegen, dass sie sich nicht länger als 90 Tage in St. Petersburg befinden.

Ein Vertreter des föderalen Ombudsmannes hält fest, dass Tschetschenen im Allgemeinen die gleichen Rechte besitzen wie alle anderen Gruppen in der Russischen Föderation, dies gilt hinsichtlich Beschäftigung, Wohnungsbeschaffung, Gesundheitsvorsorge sowie Pensionsansprüche. Die tschetschenische Bevölkerung außerhalb von Tschetschenien pflegt sehr enge Beziehungen zueinander, versucht nahe beisammen zu leben und sich gegenseitig zu unterstützen. Laut seiner Einschätzung sind Tschetschenen sowie einige andere Gruppen außerhalb des Nordkaukasus gelegentlich mit Anfeindungen lokaler Gemeinschaften konfrontiert.

Eine Registrierung ist für einen legalen Aufenthalt in der Russischen Föderation unabdingbar, da sie den Zugang zu Sozialhilfe und staatlich geförderten Wohnungen, zum kostenlosen Gesundheitssystem sowie zum legalen Arbeitsmarkt ermöglicht. Grundsätzlich hat man in der Russischen Föderation am Ort der Registrierung Zugang zur medizinischen Versorgung, medizinische Notfallhilfe wird jedoch in der russischen Verfassung garantiert und völlig unabhängig von Registrierung und Aufenthaltsort jedem Menschen, unabhängig von dessen Staatsbürgerschaft, gewährt. Die ethnische Zugehörigkeit würde auch nach Auskunft von IOM an Dänemark beim Zugang zur medizinischen Versorgung keine Rolle spielen.

(Danish Immigration Service: Chechens in the Russian Federation, Report from Danish Immigration Service's fact finding mission to Moscow and St. Petersburg, the Russian Federation, 12 to 29 June 2011, 11.10.2011)

Diesbezüglich ist auch auf die Änderungen im Gesundheitswesen der Russischen Föderation zu verweisen und hervorzuheben, dass das Föderale Gesetz Nr. 326 über die medizinische Pflichtversicherung in der Russischen Föderation festschreibt, dass jeder russische Staatsbürger eine kostenlose medizinische Grundversorgung in Anspruch nehmen kann. Bei Anmeldung in der Klinik muss die Krankenversicherungskarte (oder die Polizze) vorgelegt werden, womit der Zugang zur medizinischen Versorgung auf dem Gebiet der Russischen Föderation, unabhängig von der Meldeadresse, gewährt wird. (Schreiben der österreichischen Botschaft in XXXX an den Asylgerichtshof vom 13.04.2012, IOM Länderinformationsblatt Russische Föderation, Juni 2012)

IOM Russland erklärte, dass die Russische Föderation eine föderale Struktur hat und falls eine verdächtige Person von einer Verwaltungseinheit ausgeforscht wird, könnte nach dieser Person in der gesamten Russischen Föderation behördlich gesucht werden. Ob eine bundesweite Suche nach einer Person durch die Behörden eingeleitet wird, hängt davon ab, aufgrund welchen Verdachts die jeweilige Person ausfindig gemacht werden soll. Falls der Fall irgendwie im Zusammenhang mit internationalem Terrorismus steht, ist es sehr wahrscheinlich, dass die tschetschenischen Behörden eine bundesweite Suche nach dem Verdächtigten einleiten.

Khamzat Gerikhanov (Chechen Social and Cultural Association) erklärte, es sei üblich, dass tschetschenische Rebellen aus benachbarten Republiken im Nordkaukasus zurückgeschickt werden, um (strafrechtlicher) Verfolgung in Tschetschenien ausgesetzt zu sein. Ein Vertreter des föderalen Ombudsmannes erklärte demgegenüber, dass ihm keine Fälle bekannt wären, in denen russische Behörden auf Anfrage der tschetschenischen Behörden Tschetschenen verhaftet und zwecks Strafverfolgung zurück nach Tschetschenien überstellt hätten. Zumindest würden tschetschenische Behörden das russische föderale Justizwesen jedoch bei der Suche nach einer Person, die unter Verdacht steht, Mitglieder illegaler bewaffneter Gruppierungen zu unterstützen, in Anspruch nehmen. Die Entscheidung, ob eine Anfrage von tschetschenischen Behörden zu Recht besteht, trifft dabei die Bundesbehörde. Khamzat Gerikhanov gab weiters an, dass Unterstützer oder Verwandte von Anhängern der illegalen bewaffneten Gruppen, die in eine andere Region der Russischen Föderation gezogen sind, aufgefunden werden, falls nach diesen Personen offiziell auf Bundesebene gesucht wird. Wenn jemand illegale bewaffnete Gruppen zum ersten Mal oder schon vor vielen Jahren mit Nahrung, Unterkunft oder Transport unterstützt hat und sich in der Folge außerhalb von Tschetschenien niederlässt, würden die tschetschenischen Behörden keine bundesweite Suche nach diesen Personen einleiten oder große Anstrengungen unternehmen, um derartige Personen wieder zurück nach Tschetschenien zu überstellen.

Der föderale Ombudsmann hat nach eigenen Angaben noch keine Beschwerden über Belästigungen bzw. Bedrohungen von Tschetschenen durch andere Tschetschenen erhalten, die in der Russischen Föderation außerhalb des Nordkaukasus wohnhaft sind. In dieser Hinsicht ist die Unterscheidung zwischen "high profile persons" und "low profile persons" wichtig. Personen, die von Kadyrow als Außenseiter oder Gegner seiner Regierung bzw. als Rivale seines Clans betrachtet werden, könnten Bedrohungen durch andere Tschetschenen ausgesetzt sein. Sogenannte "high profile persons" sind der Gefahr von Racheakten durch Mitglieder von Kadyrows Geheimdienst in der Russischen Föderation als auch im Ausland ausgesetzt. Demgegenüber werden "low profile persons", die nicht offiziell gegen Kadyrow eingestellt sind, in der Regel nicht belangt. Bereits das Bekanntwerden kleinster kritischer Äußerungen betreffend die Regierung Kadyrows würde jedoch zu einer Rüge durch die tschetschenischen Behörden führen. Ekaterina Sokiryanskaya von Memorial in St. Petersburg gab in diesem Zusammenhang an, dass in den meisten Fällen tschetschenische Behörden nach einer Person nicht offiziell suchen, sondern in der Lage sind, (inoffiziell) Personen in der Russischen Föderation und in vielen europäischen Ländern ausfindig zu machen und gegebenenfalls auch zu töten.

(Danish Immigration Service: Chechens in the Russian Federation, Report from Danish Immigration Service's fact finding mission to Moscow and St. Petersburg, the Russian Federation, 12 to 29 June 2011, 11.10.2011)

Zusammenfassend kann somit gesagt werden, dass im Einzelfall zu prüfen ist, ob eine Ansiedlung von Tschetschenen in anderen Teilen der Russischen Föderation möglich ist. Den wesentlichsten Punkt stellt die Frage dar, ob diese Personen von Kadyrow als Außenseiter oder Gegner seiner Regierung bzw. als Rivale seines Clans betrachtet werden und kann man diesbezüglich eine Unterscheidung in "high profile persons" und "low profile persons" treffen. Angesichts von möglichen Schwierigkeiten bei der Registrierung, die jedoch in den letzten Jahren wesentlich vereinfacht wurde, spielen überdies ein Netzwerk von Verwandten und Bekannten sowie die Möglichkeit der Kontaktierung von NGOs eine Rolle.

Anfragebeantwortung der Staatendokumentation, Frauen in Tschetschenien vom 08.04.2010 (Zusammenfassung)

Kriegsbedingt kam es in den letzten beiden Jahrzehnten zu Änderungen der Rolle der Frau in Tschetschenien. Viele Frauen fanden sich, nachdem sich ihre Männer in den Krieg begeben hatten, plötzlich in der Rolle der alleinigen Familienernährer(innen) wieder. Die Übernahme ehemals typisch männlicher Aufgaben stärkte die Rolle der Frauen in der tschetschenischen Gesellschaft. Dieses Phänomen wollen einige Teile der Gesellschaft, etwa Politiker und religiöse Autoritäten, nunmehr wieder rückgängig machen.

Wiederbelebung islamischer und tschetschenischer Traditionen

Im Zuge der letzten beiden Kriege kam es zum Verfall einiger Traditionen, andere gingen gänzlich verloren, oder werden nun in geänderter Form ausgeübt. Zu beobachten ist jedenfalls, dass es derzeit zu einem Wiederaufleben von Traditionen kommt, was unter anderem auf den Influx der ländlichen und eher traditionsbewussten Bevölkerung in der Hauptstadt Grosnyj zurückzuführen ist. Haupttriebkraft dieses Wiederauflebens ist jedoch die von Ramsan Kadyrow aktiv geförderte Rückbesinnung auf islamische und tschetschenische Traditionen. Diese soll zu einer moralischen Stärkung der Gesellschaft führen, einem Sittenverfall entgegenwirken.

Für Frauen äußert sich die Rückbesinnung auf tschetschenische/islamische Traditionen darin, dass die meisten von ihnen in der Öffentlichkeit nunmehr eine Kopfbedeckung tragen, obgleich hierzu keine (gesetzliche) Verpflichtung besteht. Von einem gesellschaftlichen Druck sich an solche Kleiderordnungen zu halten kann ausgegangen werden. Des Weiteren wird Polygamie in den letzten Jahren verstärkt ausgeübt, diese wird in der Gesellschaft als "normal" betrachtet. Auch Ehrenmorde kommen vor, wobei es sich hier eher um Einzelfälle handelt. Wie Beispiele zeigen ist vielfach unklar, wann es sich bei einem Mord an einer Frau tatsächlich um Ehrenmord handelt. Problematisch ist, dass aus Traditionsgründen oder durch Sicherheitskräfte begangene Verbrechen oft nicht angezeigt oder verfolgt werden. Dies trifft auch auf die Tradition des (ehemals eher als Rollenspiel zu betrachtenden) Brautraubes zu, der heutzutage, durch Mitglieder der Kadyrowzy ausgeübt, gelegentlich zu tatsächlichen Entführungen und Zwangsheiraten führen kann. Häusliche und sexuelle Gewalt sind weiterhin Tabuthemen in der tschetschenischen Gesellschaft und werden gemeinhin gemäß den Traditionen gelöst, können jedoch bei den Behörden angezeigt werden. Bei Scheidungen bzw. im Falle des Todes eines Mannes "gehören" seine Kinder den Bräuchen folgend ihm bzw. seiner Familie. Auch hier besteht in der Praxis die Möglichkeit für Frauen, sich an Gerichte zu wenden, die im Normalfall zu Gunsten der Frau entscheiden dürften.

Die in Tschetschenien derzeit bewusst betriebene Wiederbelebung der Traditionen führt jedenfalls zu gewissen Ambivalenzen. So stellt etwa die stattfindende Einmischung politischer, behördlicher oder religiöser Autoritäten in Bereiche wie Kleiderordnung eine Verlagerung von Angelegenheiten vom privaten in den öffentlichen Bereich dar, was einen Widerspruch zur tschetschenischen Gewohnheit bedeutet: Das Aufzwingen von Verhaltensnormen durch Außenstehende ist nach Auffassung vieler TschetschenInnen gegen ihre Kultur, da dies eine nicht übliche Einmischung in Familien-bzw. Clanangelegenheiten darstellt.

Die lokalen tschetschenischen Traditionen und der "korrekte" islamische Lebensstil scheinen in der von Kadyrow geforderten Form einem freien und liberalen Lebensstil für Frauen entgegenzustehen. Es kann zwar nicht davon ausgegangen werden, dass jede Tschetschenin gezwungen ist, sich zu verschleiern, dass Tschetscheninnen im Scheidungsfall prinzipiell die Kinder entzogen werden, oder dass säkulare Frauen gemeinhin aus Gründen der "Ehre" ermordet werden. Ebenso wenig kann jedoch davon ausgegangen werden, dass alle Frauen im heutigen Tschetschenien frei und selbstbestimmt leben können. Die Rechte und Freiheiten der Tschetscheninnen werden derzeit immer mehr eingeschränkt. Der auf Frauen ausgeübte Druck, sich "angemessen" zu verhalten wird größer und stärker.

Ob und inwieweit ein tschetschenische Frau Rechtsschutzmöglichkeiten in Anspruch nimmt hängt, ebenso wie etwa Bildungs- und Arbeitsmöglichkeiten, Kleidung, oder Vorgehen bei "unehrenhaftem Verhalten", stark von ihrer individuellen Situation ab: von ihrer Erziehung, ihren sozialen Netzwerken, vor allem also von ihrer Familie bzw. jener ihres Ehemannes, von deren Modernität, Traditionalität und Religiosität. Die Revitalisierung der Traditionen wird nur von Teilen der Bevölkerung gutgeheißen, viele Tschetschenen - nicht nur Frauen, sondern auch Männer - stehen ihr durchaus kritisch gegenüber.

Wirtschaftliche Lage bei Rückkehr

Die wirtschaftliche Lage von Frauen ist in Tschetschenien sicherlich schwierig. Die in Kapitel 5 genannten Zahlen weisen auf die insgesamt hohe offizielle Arbeitslosenrate und schlechte wirtschaftliche Lage in Tschetschenien hin. Jedoch zeigen diese Zahlen auch, dass unter Frauen vergleichsmäßig eine nicht unbeträchtliche wirtschaftliche Aktivität zu beobachten ist. Eine gewisse wirtschaftliche Selbstständigkeit von Frauen scheint schon in der Vorkriegszeit bestanden zu haben. Obgleich in Tschetschenien zahlreiche alleinstehende und alleinerziehende Frauen leben und diese in der Gesellschaft auch als "normal" betrachtet werden, hängen alleinstehende Frauen bei einer Rückkehr nach Tschetschenien sicherlich stark von der Unterstützung ihrer (Groß‑)Familie ab. Soziale Unterstützungsleistungen bestehen, außer Acht gelassen werden darf aber nicht, dass Korruption in der gesamten Russischen Föderation, und noch viel mehr in der Republik Tschetschenien weit verbreitet ist. Dieses Otkat genannte Bestechungsgeld ist vermutlich auch für die Auszahlung staatlicher Unterstützungsleistungen zu entrichten.

Die Entwicklungen der letzten Jahre weisen einerseits darauf hin, dass Tschetscheninnen - vor allem wirtschaftlich betrachtet - ihre Rolle in der Gesellschaft stärken konnten. Einige Quellen verweisen auf die Modernität und Selbstständigkeit der heutigen tschetschenischen Frau. Es muss jedoch wiederholt darauf hingewiesen werden, dass die Möglichkeiten einer Frau nach vie vor stark von ihrem sozialen Umfeld abhängen. Auf politischer und gesellschaftlicher Ebene werden Tschetscheninnen insgesamt zunehmend in die traditionelle Rolle der Hausfrau und Mutter zurückgedrängt. Die kadyrowsche (Re‑) Islamisierungspolitik bedeutet eine Diskriminierung von Frauen in der ohnehin männlich dominierten Kultur. Hinzugefügt werden muss, dass diese Politik Kadyrows nicht ausschließlich auf Frauen, sondern auf die gesamte tschetschenische Bevölkerung Auswirkungen hat. Die Entwicklung der Lage und Rolle der Frau in der heutigen tschetschenischen Gesellschaft stellt sich somit durchaus widersprüchlich dar. Weitere diesbezügliche Entwicklungen - etwa ob die Anzahl an berufstätigen Frauen in den nächsten Jahren zurückgeht - bleiben zu beobachten.

Bundesamt für Migration, Länderinformationsblatt Russische Föderation, Stand: Juni 2013 (auszugsweise)

(...) SOZIALE SICHERUNG

Allgemeine Informationen: Gesetzgebung

Das Ministerium für Gesundheit und Soziales setzt die staatliche Unterstützung für sozial bedürftige Gruppen in die Praxis um. Vor allem die soziale Fürsorge für Familien, alte Menschen, Invaliden und Waisen soll gefördert werden.

Im Jahr 2005 wurden die Personengruppen benannt, die einen Anspruch auf staatliche soziale Unterstützung haben. Es wurde ein so genanntes "soziales Paket" für die medizinische Versorgung, Sanatoriumsaufenthalte und die kostenlose Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel wurde im Zuge dieser Maßnahmen aufgelegt. Besonderer Wert wird auf eine effiziente Zusammenarbeit zwischen sozialen Organisationen, Vertretern der Wirtschaft und Nichtregierungsorganisationen gelegt, die bedürftigen Bevölkerungsgruppen Unterstützung zukommen lassen sollen.

Voraussetzungen für den Erhalt von Leistungen

Personen, die soziale Unterstützung erhalten können:

1. Invaliden und Veteranen des Großen Vaterländischen Krieges

2. Invaliden und Veteranen militärischer Operationen

3. Invaliden mit Behinderung I., II. und III. Grades

4. Kinder mit Behinderung

5. Arbeitsveteranen

6. Arbeiter der Heimatfront (Großer Vaterländischer Krieg)

7. Beteiligte der Tschernobyl-Unfallfolgenbeseitigung

8. Opfer politischer Repressionen

9. Personen, die sich um das Land verdient gemacht haben ("Helden der Sowjetunion und

Russland" etc.)

Es gibt weitere Kategorien, die auf verschiedenen Rechtsgrundlagen oder unter bestimmten Programmen, die von regionalen Behörden geleitet werden, anspruchsberechtigt sind. Personen der o.g. Kategorien erhalten eine monatliche Zahlung und soziale Beihilfe, einschließlich:

Invaliden zahlen nur die Hälfte der öffentlichen Nebenkosten und haben die Möglichkeit, in besonderen Ausbildungseinrichtungen zu lernen.

Um die oben aufgeführten Leistungen erhalten zu können, müssen Personen, die den genannten Kategorien angehören, Dokumente vorlegen, die die Zugehörigkeit zur entsprechenden Gruppe offiziell bestätigen. (...)

(...) RENTE

Allgemeine Informationen: Gesetzgebung

In der Russischen Föderation leben 29,4 Millionen Rentner (21% der Gesamtbevölkerung). Ihre hauptsächliche Unterstützung besteht in einer Altersrente. Alle russischen Staatsbürger, die in Besitz einer Rentenversicherung sind, haben einen staatlich garantierten Anspruch auf den Erhalt einer Rente.

Es gibt verschiedene Rentenformen:

Die derzeitige Rente besteht aus einem Basisanteil von 3610,31 RUB/Monat (ca. 115 USD), sowie einem Versicherungsanteil und einem Akkumulationsanteil. In manchen Regionen, die über ausreichende Finanzmittel verfügen, gibt es zusätzliche Unterstützung, so z.B. in XXXX. Manche Regionen bieten in Form von Dienstleistungen zusätzliche Hilfe an.

Im Regelfall entrichten die Arbeitgeber den Beitrag an die Rentenversicherung für den jeweiligen Arbeitnehmer. Die Höhe des o. g. Basisanteils und des Versicherungsanteils wird staatlich festgelegt; der Akkumulationsanteil obliegt der Kontrolle durch den Rentenversicherten.

Der Akkumulationsanteil wurde im Jahr 2002 eingeführt und spielt lediglich für Staatsbürger eine Rolle, die 1967 oder später geboren wurden.

Voraussetzungen für den Erhalt einer Rente

Das Renteneintrittsalter für Frauen liegt bei 55 Jahren, für Männer bei 60 Jahren. Eine Altersrente kann gewährt werden, wenn die betreffende Person mindestens 5 Jahre durchgehend versicherungspflichtig gearbeitet hat.

Ausländische Staatsbürger oder Personen ohne Staatsangehörigkeit haben den gleichen Rentenanspruch wie russische Staatsbürger, wenn sie einen dauerhaften Wohnsitz in der Russischen Föderation haben. Ausnahmen von dieser Regelung sind dem Bundesgesetzbuch zu entnehmen.

Für nicht wohnhafte Ausländer gilt, dass der Rentenanspruch anerkannt werden kann, wenn mit dem Herkunftsland ein entsprechendes Abkommen unterzeichnet wurde. Dies ist bei nahezu allen CIS Staaten und auch einigen nicht-CIS Staaten der Fall. Staatsbürger, die keinen Anspruch auf Erhalt einer Arbeitsrente haben, können auf der Grundlage des Gesetzes zur staatlichen Rente in der Russischen Föderation eine Sozialrente beantragen.

Notwendige Dokumente

Antragsteller sollten sich an das örtliche Büro des Rentenfonds der Russischen Föderation wenden und, je nach Relevanz in ihrer Situation, folgende Dokumente einreichen:

· offizieller Rentenantrag

· Pass

· Rentenversicherungsausweis

· Arbeitsbuch (Original und Kopie)

· Nachweis des durchschnittlichen Einkommens während 60 Monaten, vor dem 01.01.2002

· Nachweis über die Unterstützung von Kindern (jünger als 18 bzw. 18-23 Jahre alt), d.h. Bescheinigungen über den Besuch einer Bildungseinrichtung oder eine Verdienstbescheinigung von allen Familienmitgliedern

· Namensänderungsbescheinigung (falls relevant)

Ältere Menschen und Behinderte

Zur Zeit gibt es in der Russischen Föderation mehr als 240.000 ältere, schwerstkranke du behinderte Menschen in 1400 sozialen Einrichtungen verschiedener Art. Darüber unterstützen Sozialarbeiter einzelne Personen in ihren Haushalten, zumeist in den Städten.

Es gibt ein System von speziellen staatlichen Einrichtungen für ältere Menschen und Behinderte (Erwachsene und Kinder), innerhalb dessen sie leben können du kostenlose medizinische Behandlung erhalten. Die staatlichen Sozialzentren und Unterkünfte des Ministeriums für Gesundheit und Soziale Entwicklung gibt es für Erwachsene und für Kinder. Es gibt außerdem ein Netzwerk sozialer Einrichtungen, die gefährdete Familien und Kinder unterstützen.

Die Invalidenrente setzt sich zusammen aus einer Basiskomponente und einer Versicherungskomponente. Die Versicherungskomponente ist abhängig vom jeweiligen Alter und Einkommen bis zum Jahr 2002 (d.h. von der Summe der gezahlten Rentenbeiträge). Die feste Basiskomponente richtet sich nach dem Grad der Behinderung (I, II oder III). Seit dem 1. Januar 2010 liegt der Basisbetrag der Invalidenrente bei:

Leistungen für Arbeitslose, die sich um ein behindertes Kind, einen Invaliden I. Grades oder ältere Menschen kümmern, betragen etwa RUB 1200 (ca. 38 USD).

Das nationale Projekt "Bildung" schließt auch die Entwicklung eines Fernlehrprogrammes für behinderte Kinder mit ein.

Menschen mit psychischer Erkrankung

Der Gesetzgeber der Russischen Föderation regelt die rechtlichen, organisatorischen und wirtschaftlichen Prinzipien psychiatrischer Hilfeleistung in Russland.

Dem Gesetz entsprechend, werden folgende Formen kostenloser psychiatrischer Hilfe staatlicherseits gewährleistet: psychiatrische Behandlung, dringende psychiatrische Hilfe, konsultative Diagnostik, psychoprophylaktische Hilfe, stationäre wie außerstationäre Rehabilitationshilfe, alle Arten psychiatrischer Gutachten, Feststellung einer vorübergehenden Arbeitsunfähigkeit, Unterstützung der Menschen mit psychischen Abweichungen im Alltag und bei der Arbeitsbeschaffung, Klärung der mit einer Vormundschaft verbundenen Fragen, Rechtsberatung und andere Arten juristischer Hilfe in psychiatrischen und psychoneurologischen Einrichtungen, soziale Unterstützung körperlich behinderter und älterer psychisch Kranker im Alltag und ihre Pflege, Berufsbildung für körperlich behinderte und minderjährige psychisch Kranker und psychiatrische Hilfe und Betreuung im Notfall. (...)

Republik Tschetschenien

Das Territorium Tschetscheniens befindet sich im Zentrum des Nordhangs des großen Kaukasischen Rückens und auf der Tersko-Kumskaja Tiefebene und grenzt an die Gebiete der Region Stawropol, Inguschetien, Nord-Ossetien, Dagestan und Georgien. Die Hauptstadt Tschetscheniens ist die Stadt Grosnij.

Bevölkerung

Die Gesamtbevölkerung der Republik betrug zuletzt 1.324.767 Menschen. 34,1% leben in Städten und 65,19% auf dem Land. Urbane Bevölkerung in den Städten Tschetscheniens: Grosnij (271573 Einwohner), Gudermes (45631 Einwohner), Argun (29525 Einwohner), Schali (47708 Einwohner) und Urus-Martan (49070 Einwohner). Es sind heute 74 religiöse Organisationen in der Republik Tschetschenien registriert, die drei Konfessionen repräsentieren: 72 davon - den Islam, 1 - die Orthodoxie und 1 - das Evangelische Christentum. Außerdem gibt es mehr als 200 nicht registrierte Gruppen sowohl islamischer als auch orthodoxer Konfession.

Politische Situation

Die politische Situation in Tschetschenien wandelte sich nach Jahren des Krieges mit der Machtübernahme des Präsidenten Achmad Kadyrow (sein Sohn Ramzan Kadyrow bekleidet seit dem 2. März 2007 das Präsidentenamt), der später bei einem Attentat getötet wurde. Nach den Parlamentswahlen am 27. November 2004 hat sich die Lage weiter stabilisiert. Danach entstanden neue Arbeitsplätze und man begann mit dem Wiederaufbau, der bis heute andauert. Heute wird die Lage von den jetzigen Machthabern größtenteils kontrolliert. Kleinere bewaffnete Konflikte finden nach wie vor statt, haben jedoch meist einen lokal begrenzten Charakter. In der Republik werden zwei Bundesprogramme realisiert: Das Programm "Der Süden Russlands" und das Programm "Sozialer und wirtschaftlicher Wiederaufbau der Republik Tschetschenien". Diese beinhalten vor allem den Wiederaufbau der Infrastruktur, die Schaffung neuer Arbeitsplätze und die Wiederaufnahme der Landwirtschaft. Im Rahmen dieser Programme werden Kompensationszahlungen für zerstörte Wohnungen und Häuser geleistet und Schulen aufgebaut. Der Wiederaufbau von Städten und (Berg‑)Dörfern schreitet weiter voran. Ähnliche Aufbaumaßnahmen wurden im Nozhay-Yurtovskiy Bezirk 2009 durchgeführt.Selbst Dörfer, die vor dem Krieg nicht an das Gasnetz angeschlossen waren, werden jetzt mit Energie versorgt. Der Wiederaufbau wird mit staatlichen Geldern und über Kredite finanziert.

Wirtschaft

Die wichtigsten Wirtschaftszweige der Republik Tschetschenien sind:

Erdöl- und Erdgasförderung, die petrochemische Industrie, Landwirtschaft, Maschinenbau, Leichtindustrie und Forstwirtschaft

Bildung

Die Politik des Präsidenten der Republik ist darauf ausgerichtet, das Ansehen von Bildung zu erhöhen. Diese Frage gehört nicht nur zum Aufgabenbereich des Bildungsministeriums, sondern auch der Bezirks-, Stadt- und Dorfadministrationen der Republik. Laut den Angaben des tschetschenischen Ministeriums für Bildung und Wissenschaft wurden 2007-2008 RUB 1 billion 540 Millionen (USD 50 Millionen) für den Wiederaufbau von 3 Universitäten, 2 Fachhochschulen, 4 Berufsschulen und 25

Schulen ausgegeben. Im Jahre 2007 erhielten die Schulen 169 Lernausstattungen und 65 Busse (vor allem für die Schulen auf dem Land). Über 320 Schulen bekamen einen Internetanschluss und 102 Schulen erhielten je RUB 1 Million (USD 32258) für die Realisation innovativer Entwicklungsprogramme.

Gesundheitswesen

Angaben liegen nur für die tschetschenische Hauptstadt vor: Im Rahmen der Durchführung des vorrangigen nationalen Projekts "Gesundheitswesen" finden in fast allen medizinischen Einrichtungen der im Krieg zerstörten Stadt Grosnij Wiederaufbauarbeiten statt. Bereits 27 medizinische Einrichtungen sind wieder an die Wasserversorgung angeschlossen. Renovierungs- und Bauarbeiten werden in den städtischen Krankenhäusern Nr.1 und Nr.5, in dem Kinderheim Nr.1, in dem Kinderkrankenhaus Nr.2, im Geburtskrankenhaus Nr.2 und den Kinderpolykliniken Nr.1 und Nr. 5 durchgeführt. Aus Mitteln des republikanischen Haushalts werden die Wiederaufbaumaßnahmen im Klinischen Krankenhaus Nr.3 und in den Polykliniken Nr.1, 3, 4 und 5 finanziert. (...)

II.3. Beweiswürdigung:

Die zuständige Einzelrichterin des Bundesverwaltungsgerichtes kommt nach Einvernahme der Beschwerdeführerin zum klaren Ergebnis, dass ihr Fluchtvorbringen nicht den Tatsachen entspricht und sie über familiäre und soziale Anknüpfungspunkte im Herkunftsstaat verfügt.

Das Fluchtvorbringen der Beschwerdeführerin stellt sich auf das Wesentliche beschränkt folgendermaßen dar:

Die Beschwerdeführerin will im Zusammenhang mit ihrem verstorbenen Mann und ihrem verschollenen Sohn verfolgt worden sein. Nach dem Verschwinden ihres Sohnes sei die Beschwerdeführerin wiederholt von maskierten Männern aufgesucht und nach dem Aufenthaltsort des Sohnes befragt worden.

Da die Beschwerdeführerin nach dem Verschwinden ihres Sohnes auf sich alleine gestellt gewesen sei und sie keine ausreichende Unterstützung durch ihr soziales Umfeld erhalten habe, sei sie aus dem Herkunftsstaat ausgereist.

Aufgrund zahlreicher Widersprüche in den Ausführungen der Beschwerdeführerin in ihren unterschiedlichen Befragungen vor den Asylbehörden und im Zuge der von ihr vorgelegten Unterlagen, der Vagheit und Unbestimmtheit ihrer Ausführungen zu einer Verfolgung im Herkunftsstaat bzw. zu ihren familiären und sozialen Anknüpfungspunkten im Herkunftsstaat ist das Fluchtvorbringen der Beschwerdeführerin in seiner Gesamtheit als erfundenes Konstrukt zu werten. Im Übrigen war das Vorbringen hinsichtlich einer asylrelevanten Verfolgung im Herkunftsstaat nicht plausibel. Der belangten Behörde war demnach im Ergebnis zu folgen, wenn sie das Fluchtvorbringen der Beschwerdeführerin als nicht glaubwürdig erachtet.

Die Beschwerdeführerin hat demnach nicht glaubhaft darlegen können, im Zusammenhang mit ihrem verschollenen Sohn bzw. ihrem verstorbenen Mann in das Blickfeld der staatlichen Behörden geraten zu sein.

Vorweg war auszuführen, dass die Beschwerdeführerin zwar an einer krankheitswertigen psychischen Erkrankung leidet, sich jedoch keine Zweifel an ihrer Einvernahmefähigkeit ergeben haben. Die Beschwerdeführerin selbst hat in ihren Einvernahmen jeweils ihre Einvernahmefähigkeit bestätigt und ergibt sich auch aus dem eingeholten Gutachten vom 15.04.2010 die Einvernahmefähigkeit der Beschwerdeführerin. Die nunmehr vorgelegten aktuellen medizinischen Unterlagen lassen auch nicht den Schluss zu, dass die Beschwerdeführerin nicht einvernahmefähig ist. So legte die Beschwerdeführerin in der Beschwerdeverhandlung vor dem Asylgerichtshof am 07.11.2013 zwar einen medizinischen Bericht vom 28.10.2013 vor, wonach die Durchführung einer Befragung und die damit verbundene Konfrontation mit der Vergangenheit für die Beschwerdeführerin belastend wäre, doch ist die Beschwerdeführerin zur Beschwerdeverhandlung erschienen und hat zu deren Beginn ausdrücklich erklärt, psychisch und physisch in der Lage zu sein, der mündlichen Verhandlung zu folgen. Sie könne an der Verhandlung teilnehmen. (S. 2, Verhandlung 07.11.2013) Am Ende der Verhandlung wurde auch ausdrücklich festgehalten, dass die Dolmetscherin auf Nachfrage erklärte, dass die Beschwerdeführerin auf alle Fragen spontan geantwortet und die Fragen auch gut verstanden habe (S. 15, Verhandlung 07.11.2013). Dies ist auch der Eindruck, den die Beschwerdeführerin bei der erkennenden Einzelrichterin hinterlassen hat, zumal die Beschwerdeführerin phasenweise sogar - überraschend - detailliert geantwortet hat. So erklärte sie beispielsweise, dass ihre Freundin den "15" habe. Auch konnte sie hinsichtlich ihrer staatlichen Unterstützung einen genauen Betrag (€ 400 alle zwei Monate) nennen.

In den zuletzt vorgelegten medizinischen Befunden vom 28.10.2013 und 22.11.2013 wurde auch insbesondere nicht dargelegt, dass die Beschwerdeführerin nicht in der Lage sei, an einer Einvernahme teilzunehmen bzw. dieser zu folgen. Derartiges wurde auch in der Stellungnahme infolge der Beschwerdeverhandlung vom Vertreter nicht behauptet.

Es hat sich auch im gesamten Akteninhalt kein Umstand ergeben, dass betreffend die Beschwerdeführerin zur Besorgung ihrer Angelegenheiten ein Sachwalter bestellt worden ist.

Es war demnach von der Einvernahmefähigkeit der Beschwerdeführerin auszugehen.

Betreffend eine aktuelle Verfolgung im Herkunftsstaat war eingangs festzuhalten, dass der Vertreter am Ende der Beschwerdeverhandlung erklärte, dass die Beschwerdeführerin aus seiner Sicht im Herkunftsstaat keiner asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt gewesen sei (S. 16, Verhandlung 07.11.2013).

Bei Betrachtung der Ausführungen der Beschwerdeführerin vor dem Bundesasylamt und im Rahmen ihrer Verhandlung vor dem Asylgerichtshof kommt die erkennende Einzelrichterin des Bundesverwaltungsgerichtes zur Überzeugung, dass einziger Grund der Beschwerdeführerin für die Ausreise, ein Zusammenleben mit ihrer im Bundesgebiet aufhältigen Tochter gewesen ist, was die Beschwerdeführerin quer durch das Verfahren auf die Frage nach dem Grund ihrer Ausreise in erster Linie angeführt hat (siehe konkret insb. AS 371).

Das Vorbringen rund um das Verschwinden ihres Sohnes bzw. die Unterstützungstätigkeit ihres verstorbenen Mannes für die Widerstandsbewegung erscheinen in diesem Zusammenhang konstruiert.

So erwähnte sie zu Beginn ihres Asylverfahrens lediglich Befragungen nach ihrem Sohn durch Maskierte nach dessen Verschwinden.

Ausführungen im Zusammenhang mit ihrem Ehemann tätigte sie erstmals am 26.05.2010. Damals erklärte sie vorerst, dass ihr Ehemann vor mehreren Jahren verstorben sei (AS 367). Auf konkrete Nachfrage hinsichtlich einer Beteiligung am Widerstand bzw. einer Unterstützung der Widerstandskämpfer durch ihre Familie, meinte sie, dass ihr Mann mit den anderen Männern mitgegangen sei. Er habe keine Waffen gehabt, habe aber manchmal den Kämpfern geholfen. Sie konnte auf Nachfrage nicht angeben, auf welche Weise ihr Mann die Kämpfer unterstützt habe. Sie meinte, dass ihr Mann immer wieder für längere Zeit weggeblieben sei. Sie wisse auch nicht zu welchem Zeitpunkt ihr Mann zusammengeschlagen worden sei. Es sei mehrmals nach dem offiziellen Kriegsende gewesen. Er sei abgeführt worden und seine Gesundheit so zerstört worden. (AS 369) Während der gesamten Einvernahme hat die Beschwerdeführerin nie vorgebracht, im Zusammenhang mit ihrem Mann Probleme gehabt zu haben. Sie erklärte seit Beginn ihres Asylverfahrens vielmehr, dass ihre Probleme erst mit dem Verschwinden ihres Sohnes eingesetzt hätten. Es kann demnach nur als asylzweckbezogene Steigerung gewertet werden, wenn in der Stellungnahme vom 03.06.2010 behauptet wird, dass der Mann der Beschwerdeführerin durch die Hand des Staates umgebracht worden sei. (AS 435) In der Beschwerde erfährt dieses Sachverhaltselement eine weitere Steigerung, indem behauptet wird, dass die Beschwerdeführerin in Zusammenhang mit ihrem ermordeten Mann für den Fall einer Rückkehr Verfolgung im asylrelevanten Ausmaß zu befürchten hätte (AS 611). In der Verhandlung am 07.11.2013 hat die Beschwerdeführerin überhaupt nicht behauptet, im Zusammenhang mit ihrem verstorbenen Mann verfolgt worden zu sein.

Dies muss auch deshalb ausgeschlossen werden, als die Beschwerdeführerin selbst nach dem Tod ihres verstorbenen Mannes noch bis zur Ausreise über Jahre hindurch im Haus des verstorbenen Mannes gelebt hat, ohne dass sie im Zusammenhang mit ihrem verstorbenen Mann belangt worden sein soll. Auch die maskierten Männer sollen lediglich nach dem Verschwinden des Sohnes nach dem Aufenthalt des Sohnes gefragt haben.

Das Vorliegen einer Verfolgung im Zusammenhang mit dem verstorbenen Mann der Beschwerdeführerin war demnach eindeutig zu verneinen.

Aber auch das Vorbringen der Beschwerdeführerin hinsichtlich des Verschwindens ihres Sohnes sowie die daraufhin einsetzende Suche nach diesem durch maskierte Männer bei der Beschwerdeführerin waren nicht glaubhaft.

So konnte die Beschwerdeführerin bereits keinerlei Angaben machen, seit wann ihr Sohn verschollen sei. Vor dem Asylgerichtshof erklärte sie am 22.01.2010, dass ihr Sohn ca. vor einem Jahr verschwunden sei (AS 219). Am 26.05.2010 erklärte die Beschwerdeführerin, dass ihr Sohn vor ca. zwei Jahren verschwunden sei (AS 365). In der Stellungnahme vom 15.02.2013 wurde wiederum abweichend behauptet, dass der Sohn der Beschwerdeführerin in etwa zwei Jahre vor der Ausreise verschwunden sei (OZ 6).

In diesem Zusammenhang erscheint auch nicht nachvollziehbar, weshalb im medizinisch-psychiatrischen Befundbericht vom 28.11.2012 ausgeführt ist, dass zwei Töchter und ein Sohn in Tschetschenien leben würden (OZ 6). In der Beschwerdeverhandlung erklärte die Beschwerdeführerin, dass sie es vielleicht gesagt habe, damit er (der Psychologe) nicht herumfrage (S. 10, Verhandlung 07.11.2013), was als bloße Schutzbehauptung zu werten war, als die Beschwerdeführerin aus Eigenem psychiatrische Hilfe in Anspruch nimmt. Der medizinische Befund wurde auch von ihr selbst in Vorlage gebracht.

Die Beschwerdeführerin will auch intensiv nach ihrem verschollenen Sohn gesucht haben, blieb in ihren dahingehenden Ausführungen in der Beschwerdeverhandlung jedoch vollkommen vage. So konnte sie weder angeben, wo sie nach ihm gesucht haben will noch bei welchen Stellen sie um Hilfe gebeten hat.

Zumal die Brüder und die Dorfbewohner ebenso männliche Familienangehörige vermisst haben sollen und die Beschwerdeführerin meinte, dass gemeinsam nach vermissten Personen gesucht worden sei (S. 11, Verhandlung 07.11.2013), scheint völlig unplausibel, dass die Beschwerdeführerin überhaupt nichts Konkretes zur Suche nach ihrem Sohn berichten kann.

Die Beschwerdeführerin will keine NGOs (wie etwa Memorial), die insbesondere in der Teilrepublik Tschetschenien Anlaufstelle für Menschenrechtsverletzungen sind und auch bei der Suche von verschollenen Personen Hilfestellung bieten, aufgesucht haben. Sie kenne Memorial auch gar nicht. (S. 12, Verhandlung 07.11.2013).

Bei den Verfolgern soll es sich um unbekannte Maskierte gehandelt haben, weswegen die Beschwerdeführerin auch nicht gewusst habe, um wen es sich konkret gehandelt habe. Sie meinte auch, dass sie überhaupt nicht wisse, ob nach ihrem Sohn gefahndet worden sei. Sie wisse auch nunmehr nicht, ob nach ihrem Sohn gefahndet werde. (S. 11 und 12, Verhandlung 07.11.2013)

In diesem Zusammenhang erscheint auch der Umstand nicht plausibel, dass sie zu ihren Brüdern im Herkunftsstaat keinen Kontakt gepflegt haben wollte bzw. seit ihrer Einreise in das Bundesgebiet nicht in Kontakt steht. Die Beschwerdeführerin will aufgrund des Verschwindens ihres Sohnes stark belastet sein und verzweifelt nach ihrem Sohn gesucht haben. Demnach wäre doch davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin versucht, den Kontakt in die Heimat aufrecht zu halten und regelmäßig nach Neuigkeiten betreffend ihren Sohn - zumindest bei den Brüdern, die das gleiche Schicksal wie die Beschwerdeführerin teilen sollen, - zu fragen.

Auch im Bundesgebiet hat die Beschwerdeführerin nicht versucht, allenfalls über ihre Vertretung bzw. mit Hilfe von NGOs nach ihrem Sohn zu suchen.

Die Glaubwürdigkeit des Vorbringens scheitert auch daran, dass dieses nicht mit den Länderinformationen zum Herkunftsstaat in Einklang zu bringen ist. Aus diesen ergibt sich nämlich, dass das tschetschenische Regime systematisch Angehörige potentieller Widerstandskämpfer bzw. Unterstützer von Widerstandskämpfern unter Druck setzt. Unter anderem werden diesen staatliche Unterstützungsleistungen entzogen, es wird deren Eigentum zerstört, es erfolgen Entführungen bis hin zu massiven Misshandlungen. Die tschetschenische Regierung wendet dabei auch repressive Maßnahmen an. Familien, Freunde und Verwandte werden physisch und emotional unter Druck gesetzt.

Die Beschwerdeführerin führte aus, dass die Frau ihres Sohnes mit den Kindern nach dem Verschwinden ihres Sohnes im Heimatort der Beschwerdeführerin bei deren Eltern verblieben sei. Sie erklärte weiters, dass nach der Frau nicht gesucht worden sei. (S. 14 und 15, Verhandlung 07.11.2013) Im Lichte der Länderinformationen ist nicht nachvollziehbar, weshalb bei der Mutter jedoch nicht bei der eigenen Frau nach dem Sohn gesucht worden sein soll.

Aber selbst das behauptete Vorgehen der maskierten Männer kann seitens der erkennenden Einzelrichterin des Bundesverwaltungsgerichtes nicht nachvollzogen werden. Es erscheint insbesondere vollkommen lebensfremd, dass maskierte Männer je nach Version - zwischen ein und zwei Jahren - ständig bei der Beschwerdeführerin erschienen sein sollen, um nach ihrem Sohn zu fragen. Dieses Vorbringen ist auch insofern vollkommen unplausibel, als die Beschwerdeführerin bis zuletzt von diesen Männern lediglich nach dem Aufenthalt ihres Sohnes befragt worden sein soll. Die maskierten Männer sollen die Beschwerdeführerin auch insbesondere nicht mitgenommen haben. (S. 10, Verhandlung 07.11.2013)

Die Beschwerdeführerin hat im Übrigen im gesamten Verfahren wiederholt erklärt, dass es keine Übergriffe auf sie gegeben haben soll.

Es muss dahingehend auch festgehalten werden, dass die von der Beschwerdeführerin dargelegte Nachfrage nach ihrem Sohn bereits dem Grunde nach überhaupt keine Eingriffsintensität erreicht, um eine asylrelevante Verfolgung darzustellen.

Letztlich sprechen auch die Ausreisemodalitäten der Beschwerdeführerin gegen eine zielgerichtete staatliche Verfolgung. So will die Beschwerdeführerin sich zeitnah zur Ausreise einen Reisepass bei den zuständigen Behörden besorgt haben. Ihre Ausreise aus dem Herkunftsstaat erfolgte problemlos.

Auch in diesem Zusammenhang muss das Vorbringen rund um die ständigen Besuche von maskierten Männern ernstlich in Zweifel gezogen werden, hätte die Beschwerdeführerin wohl bei einer derartigen "Überwachung" durch die maskierten Männer nicht derart einfach ihre Ausreise aus dem Herkunftsstaat planen und durchführen können.

Die dargelegten Unglaubwürdigkeitselemente in ihrer Gesamtheit lassen jedenfalls auf ein unglaubwürdiges Vorbringen schließen.

Die Beschwerdeführerin hat aber auch - wie bereits eingangs angeführt - über ihre familiären und sozialen Anknüpfungspunkte offensichtlich keine wahrheitsgemäßen Angaben getätigt.

Es wurde bereits auf den medizinisch-psychiatrischen Befundbericht vom 28.11.2012 hingewiesen, wo ausgeführt wurde, dass zwei Töchter der Beschwerdeführerin und ein Sohn in Tschetschenien leben würden. (OZ 6)

Auch vor dem Bundesasylamt erklärte sie am 04.12.2009, im Herkunftsstaat zwei Töchter und einen Sohn zu haben, die in der Russischen Föderation leben würden. Eine Tochter lebe in XXXX. Alle ihre Kinder seien bereits verheiratet und hätten Familien gegründet. Insgesamt habe sie vier Enkelkinder. (AS 62)

Vor dem Asylgerichtshof erklärte die Beschwerdeführerin am 22.01.2010, dass ihr Sohn vermisst werde. Eine Tochter XXXX (geb. 1989) lebe in Russland in einer Stadt die mit "S" beginne. XXXX habe sie wohl vor einem Jahr zuletzt gesehen. Der Aufenthalt ihrer anderen Tochter - XXXX (geb. 1976) - sei ihr nicht bekannt. (AS 217)

Weiters erklärte die Beschwerdeführerin, dass sie nicht zu ihrer in Russland lebenden Tochter gekonnt habe, da sie verheiratet sei und sie nicht einfach in das Haus des Schwiegersohnes könne. (AS 219)

In der Beschwerdeverhandlung verharrte die Beschwerdeführerin in einsilbigen Ausführungen zu ihren Angehörigen im Herkunftsstaat.

Offensichtlich hat jedoch Kontakt zu einer ihrer Töchter bestanden. Die Beschwerdeführerin meinte, dass sie mit ihrer Tochter bei ihrer Tochter XXXX angerufen habe. Die Tochter habe aber deren Nummer verloren. (S. 7, Verhandlung 07.11.2013)

Die Tochter wurde im Rahmen der Beschwerdeverhandlung am 07.11.2013 ebenfalls befragt und erklärte, zu ihrer Schwester XXXX zuletzt vor einem Jahr Kontakt gehabt zu haben und zwar über eine ähnliche Plattform wie Facebook. Mit der anderen Schwester (XXXX) hätte sie keinen Kontakt gehabt. Seit einem Jahr sei XXXX nicht mehr auf der Plattform gewesen. Sie habe sie ein oder zwei Mal telefonisch gesprochen, dann nicht mehr, weil sie alle ihre Sachen - auch ihr Handy - verloren habe und XXXX dann nicht mehr auf der Plattform aktiv gewesen sei. (S. 8, Verhandlung 07.11.2013)

Schließlich meinte die Tochter, dass sie doch vor zwei Jahren mit XXXX Kontakt gehabt habe. Die Tochter erklärte schließlich, dass ihre beiden Schwestern nicht in Tschetschenien sondern irgendwo in Russland seien. Sie könne jedoch nicht ausschließen, dass die Schwestern im Haus der Beschwerdeführerin leben würden. Sie glaube jedoch nicht, dass diese dort leben. (S. 8, Verhandlung 07.11.2013)

Die Tochter bestätigte schließlich, dass ihre Schwestern vor ca. zwei Jahren angerufen hätten, sie mit diesen jedoch nur gestritten habe (S. 8 und 9 Verhandlung 07.11.2013)

Aus diesem Vorbringen geht hinreichend deutlich hervor, dass die Tochter offensichtlich versucht, den Kontakt zu den Schwestern - also den Töchtern der Beschwerdeführerin - zu verschleiern.

So hat sie sich zu deren Aufenthalten bzw. mit wem sie nun tatsächlich Kontakt gehabt haben will, widersprochen. Die Schwestern sollen auch aus dem Herkunftsstaat angerufen haben. Da die Beschwerdeführerin mit ihrer Tochter seit deren Einreise ins Bundesgebiet in Kontakt gestanden ist, ist demnach auch davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin Kontakt mit ihren Töchtern im Herkunftsstaat gehalten hat bzw. über diese zumindest über die Tochter in Österreich informiert gewesen ist.

Wenn die Töchter noch vor zwei Jahren aus dem Herkunftsstaat nach Österreich angerufen haben, muss es demnach auch davor einen entsprechenden Kontakt gegeben haben, andernfalls die Schwestern ja überhaupt keine Kontaktmöglichkeiten zur Beschwerdeführerin und ihrer Tochter in Österreich gehabt hätten. Die Beteuerungen der Beschwerdeführerin noch in der Beschwerde, dass sie zu ihren Töchtern im Herkunftsstaat schon seit Jahren keinen Kontakt haben will, entsprechen demnach offensichtlich nicht den Tatsachen.

Im Übrigen halten sich im Herkunftsstaat - noch dazu im Heimatdorf - die beiden Brüder der Beschwerdeführerin auf, weshalb auch unter diesem Gesichtspunkt einerseits eine Kontaktaufnahme mit dem Herkunftsstaat möglich und zumutbar erscheint andererseits die Beschwerdeführerin über nahe Angehörige im Heimatdorf verfügt.

Die Beschwerdeführerin hat im Übrigen auch über weitere Aspekte über ihr Leben im Herkunftsstaat die Unwahrheit gesagt. So erklärte sie am 22.01.2010 ausdrücklich, dass sie eine Alterspension erhalten habe. (AS 217) In der Beschwerde wird schließlich behauptet, dass die Beschwerdeführerin entgegen den Angaben der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid eine solche nie erhalten habe (AS 613). In der Stellungnahme vom 13.02.2013 wird noch einen Schritt weiter gegangen und behauptet, dass die Beschwerdeführerin keine staatliche Unterstützung erhalten habe, sondern sie als Angehörige einer Familie, die gegen Kadyrow gewesen sei, keine Unterstützung erhalten habe (OZ 6). In der Beschwerdeverhandlung gestand die Beschwerdeführerin auf Vorhalt ihrer Ausführungen am 22.01.2010 schließlich ein, im Herkunftsstaat eine Alterspension erhalten zu haben. Die Beschwerdeführerin hat demnach nicht nur gravierend über soziale Unterstützung im Herkunftsstaat die Unwahrheit gesagt, sondern einmal mehr versucht, tatsachenwidrig ein asylzweckbezogenes Vorbringen bzw. eine staatliche Verfolgung zu konstruieren.

Im Übrigen hat die Beschwerdeführerin auch eine Versicherungspolizze vorgelegt, bei der es sich laut Übersetzung der Dolmetscherin in der Einvernahme am 26.05.2010 um eine Versicherungspolizze handelt, die eine unbefristete medizinische Versorgung sicherstellt. (AS 373)

Aus den von der Beschwerdeführerin vorgelegten medizinischen Befunden geht hervor, dass die Beschwerdeführerin bereits seit dem Jahr 2003 psychische Probleme habe und im Herkunftsstaat auch in Behandlung gestanden sei. Auch im Rahmen der Untersuchung vor dem Gutachter hat die Beschwerdeführerin ausgeführt, seit ca. acht oder neun Jahren an psychischen Beschwerden zu leiden, und im Herkunftsstaat bereits in Behandlung gestanden zu sein. Auch in der Beschwerdeverhandlung bestätigte sie, von Freunden und ihrer Tochter zu Arztbesuchen begleitet worden zu sein (S. 13, Verhandlung 07.11.2013).

Wenn die Beschwerdeführerin zuvor im Asylverfahren angegeben hat, im Herkunftsstaat keine staatliche Unterstützung erhalten zu haben, obwohl sie bereits gesundheitlich in so schlechter Verfassung gewesen sei, dass sie kaum für sich sorgen habe können, entsprechen diese Ausführungen offensichtlich nicht der Wahrheit.

Berücksichtigt man weiters, dass die Beschwerdeführerin sich vor der Ausreise einen Reisepass ausstellen hat lassen, sich die Ausreise und einen Schlepper organisiert hat, hiezu ihr Hab und Gut verkauft hat und die Strapazen der Ausreise mit einem Schlepper auf sich genommen hat, ist für die erkennende Einzelrichterin vollkommen klar, dass die Beschwerdeführerin sich nicht wie von ihr behauptet, in der von ihr geschilderten ausweglosen Lage befunden hat und offensichtlich auch eine entsprechende Unterstützung durch ein soziales Umfeld gehabt hat.

Die Beschwerdeführerin hat demnach in nahezu sämtlichen Aspekten ihres Vorbringens unwahre Angaben getätigt. Für die erkennende Einzelrichterin ist demnach evident, dass die Beschwerdeführerin einzig ausgereist ist, um bei ihrer Tochter im Bundesgebiet zu leben und sie zur Sicherung ihres Aufenthaltes in Österreich ein schlecht durchdachtes erfundenes Vorbringen über unterschiedliche Probleme im Herkunftsstaat entwickelt hat.

Die Feststellungen zur Russischen Föderation respektive Tschetschenien wurden zusammenfassenden aktuellen Dokumentationen des Bundesverwaltungsgerichtes, in denen die bezughabenden Originalquellen zitiert wurden (wobei es sich um eine ausgewogene Zusammenstellung verschiedener Quellen handelt), entnommen. Diese beruhen auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen und bieten dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche, weshalb kein Anlass dazu besteht, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln. Diesen wurde in der abschließenden Stellungnahme auch nicht substantiiert entgegengetreten.

Aus den in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Länderberichten kann das Vorliegen einer Gruppenverfolgung aller Einwohner Tschetscheniens nicht gefolgert werden. Das Bestehen einer medizinischen Grundversorgung ergibt sich aus den Quellen eindeutig.

Das Bundesverwaltungsgericht verkennt nicht, dass die Menschenrechtslage im Nordkaukasus und in Tschetschenien im Speziellen problematisch ist und dass weiterhin mannigfaltige Bedrohungsszenarien bestehen und (auch schwere) Menschenrechtsverletzungen geschehen können. Diese Szenarien rechtfertigen in vielen Fällen die Gewährung von Asyl. Im Ergebnis ist die aktuelle Situation in Tschetschenien daher dergestalt, dass weder von vorneherein Asylgewährung generell zu erfolgen hat, noch dass eine solche nunmehr regelmäßig auszuschließen sein wird. Die allgemeine Lage in Tschetschenien erlaubt die Erlassung von negativen Entscheidungen zur Abschiebung in Fällen, in denen eine solche individuelle Verfolgung nicht besteht.

Anhaltspunkt für eine solche individuelle Verfolgungsgefahr ist laut den vorliegenden Länderinformationen insbesondere ein konkret dargelegter Zusammenhang mit dem Tschetschenienkonflikt, der sich in den letzten Jahren auch auf die Nachbarrepubliken Inguschetien und Dagestan ausgeweitet hat. Im Blickfeld der Behörden stehen insbesondere Rebellen und deren Angehörige bzw. Gegner des bestehenden politischen Systems, wobei hiebei wiederum auf eine gewisse Ausprägung der Involvierung abzustellen ist.

Im vorliegenden Verfahren konnten individuelle Verfolgungsgründe, wie unter der Beweiswürdigung aufgezeigt, nicht glaubhaft gemacht werden. Die allgemeine Situation in Tschetschenien ist so, dass der unpolitischen Beschwerdeführerin eine gefahrlose Rückkehr zumutbar sein wird. Wäre eine Situation einer systematischen Verfolgung weiter Bevölkerungsschichten derzeit gegeben, wäre jedenfalls anzunehmen, das vor Ort tätige Organisationen, wie jene der Vereinten Nationen, diesbezügliche Informationen an die Öffentlichkeit gegeben hätten. Eine allgemeine Gefährdung von allen Rückkehrern wegen des Faktums ihrer Rückkehr lässt sich aus den Quellen ebenso wenig folgern.

Gewichtiges Indiz gegen eine allgemeine Verfolgungsgefahr in Tschetschenien ist im Übrigen der Umstand, dass sich dort unverändert die nächsten Angehörigen der Beschwerdeführerin - ihre Brüder leben unverändert im Heimatort der Beschwerdeführerin - weiterhin unbehelligt aufhalten.

Letztendlich lässt sich aus allgemeinen Berichten zur Russischen Föderation respektive Tschetschenien für die Beschwerdeführerin keine sonstige Gefährdungslage im Fall der Rückkehr feststellen.

Es herrscht im Herkunftsstaat auch keinesfalls eine Situation, in der jeder Rückkehrer einer existenzbedrohenden Situation ausgesetzt wäre.

Die wirtschaftliche Lage stellt sich für die Beschwerdeführerin bei einer Rückkehr offensichtlich ausreichend gesichert dar. Die Beschwerdeführerin verfügt in Tschetschenien unverändert über ein Haus, hat zuletzt eine Alterspension sowie medizinische Leistungen bezogen.

Die Beschwerdeführerin hat - wie dargelegt - über ihre familiäre und soziale Situation im Herkunftsstaat erkennbar die Unwahrheit gesagt.

Im Lichte des Umstandes, dass die Beschwerdeführerin im Herkunftsstaat für den Fall einer Rückkehr auf ein familiäres und soziales Umfeld trifft, sie Anspruch auf eine Alterspension und medizinische Versorgung hat, ist kein Grund ersichtlich, weshalb die Beschwerdeführerin als alleinstehende Witwe im Herkunftsstaat in eine Situation geraten sollte, die die Zuerkennung des Status einer Asylberechtigten oder subsidiär Schutzberechtigten rechtfertigen sollte. Asylrelevante Verfolgung aufgrund der Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe war im Fall der Beschwerdeführerin klar zu verneinen. Ihre Situation unterscheidet sich letztlich nicht von anderen Witwen in Tschetschenien.

In diesem Zusammenhang muss auch ausdrücklich auf die Unterstützung durch ihren Familienverband aufgrund des traditionsbedingten starken Zusammenhalts innerhalb der Familie verwiesen werden.

Die Beschwerdeführerin machte nach wiederholter Nachfrage nach ihren tschetschenischen Wurzeln nur äußerst widerwillig Angaben zu ihrem Tejp bzw. zu ihrem am und um den Heimatort aufhältigen Clan. Sie gab letztlich den konkreten Tejp-Namen an, dem sie angehöre. Auch gestand sie letztlich ein, dass sich Cousins und Cousinen in XXXX - ihrem Heimatort - aufhalten würden. (S. 6, Verhandlung 07.11.2013) Auch hier wurde deutlich, dass die Beschwerdeführerin nichts unversucht lässt, um ihre Lebenssituation im Herkunftsstaat in tatsachenwidriger Weise aussichtslos darzustellen.

Aus dem in der Beschwerdeverhandlung vorgehaltenen und unwidersprochen gebliebenen Bericht über die kulturelle Situation in Tschetschenien geht deutlich hervor, dass alle Tejps den Regeln der Adat folgen. Eine Regel besagt, dass die Angehörigen eines Tejps zur gegenseitigen Unterstützung verpflichtet sind. Die Mitglieder eines Tejps funktionieren wie ein Staat im Staat und zeichnen sich durch solidarisches Verhalten und einem Unterstützungsnetzwerk aus. Der Tejp funktioniert wie eine Familie, in der alle Mitglieder die notwendige Unterstützung erhalten.

Auch heute noch kennen so gut wie alle Tschetschenen ihre Wurzeln und den Ort an dem ihr Tejp ursprünglich entstanden ist. Besonderer Respekt und Unterstützung wird den alten Tejp-Mitgliedern gezollt. Im Übrigen versuchen die Kinder, für ihre Eltern die besten Lebensbedingungen zu schaffen. Insbesondere treffen Kinder Vorsorge, wenn ihre Eltern älter werden. In den Länderinformationen wird auch dargelegt, dass es in den letzten Jahren zu einer starken Rückbesinnung auf tschetschenische Traditionen gekommen ist. (Aufsatz von Martin Malek "Understandig chechen culture" vom 20.02.2009) Diese Ausführungen runden das Bild ab, wonach die Beschwerdeführerin im Herkunftsstaat über ein soziales Netzwerk verfügt und in keine ausweglose Situation geraten würde.

Was den Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin betrifft, ist folgendes auszuführen:

Zu ihrem Gesundheitszustand legte die Beschwerdeführerin im Verlauf des Asyl- und des Beschwerdeverfahrens zahlreiche medizinische Befunde vor. Im Jahr 2010 wurde ein psychiatrisch-neurologisches Gutachten eingeholt.

In der Beschwerdeverhandlung am 07.11.2013 führte die Beschwerdeführerin zu ihrem Gesundheitszustand befragt aus, dass sie zum Hausarzt und zum Psychologen gehe. Der Psychologe sei ein Mann namens Stefan, dessen Familiennamen sie nicht kenne.

Befragt, wie oft sie dort hingehe, meinte die Beschwerdeführerin, dass der Psychologe einen Termin mache, sie den Zeitraum aber nicht wisse. Sie wisse nicht wie oft das sei. Die im Zuge der Beschwerdeverhandlung anwesende Vertrauensperson erklärte, dass die Beschwerdeführerin alle drei Monate zum Psychologen gehe.

Die Beschwerdeführer zählte eine Reihe von Medikamenten auf, die sie einnehme.

Sie sei seit Juli 2012 nicht mehr in stationärer Krankenhausbehandlung gewesen, sei aber ambulant im Krankenhaus behandelt worden. Die Vertrauensperson gab an, dass die Beschwerdeführerin zum Hausarzt gehe, was in der Folge auch von der Beschwerdeführerin bestätigt wurde. (S. 2 und 3, Verhandlung 07.11.2013)

Betreffend den stationären Krankenhausaufenthalt im XXXX im Juli 2012 legte die Beschwerdeführerin medizinische Befunde vor. Eine Nachfrage bei der damals behandelnden Ärztin hat ergeben, dass die Beschwerdeführerin wegen Ganzkörperschmerzen stationär aufgenommen worden ist, wobei es sich um keine lebensbedrohende Erkrankung gehandelt hat. Die Beschwerdeführerin ist entsprechend durchuntersucht worden. Ein klinisches Korrelat hat nicht gefunden werden können. Bei unklaren Leberwerten ist eine Leberbiopsie durchgeführt worden. Der histologische Befund hat ein reguläres Lebergewebe ergeben, sodass keine weitere Therapie erforderlich war.

In weiterer Folge war die Beschwerdeführerin nicht mehr im XXXX aufhältig.

Hingewiesen wurde von der damals behandelnden Ärztin, dass bei der Beschwerdeführerin die psychiatrische Erkrankung im Vordergrund steht. Die Beschwerdeführerin stand dahingehend zum Zeitpunkt des stationären Krankenhausaufenthaltes wegen einer PTSD in laufender Behandlung.

Zum Zeitpunkt der Entlassung war die Patientin transportfähig und nicht lebensbedrohlich erkrankt. Eine engmaschige internistische Therapie war nicht indiziert.

Auch aus dem vorgelegten Schreiben der XXXX vom 31.10.2013 ist keine Erkrankung ersichtlich. Vielmehr handelt es sich dabei um eine Empfehlung einen Krebsabstrich durchführen zu lassen, ohne dass hiefür eine medizinische Indikation vorliegt. In der Folge langten hiezu keine weiteren Unterlagen ein.

Konkret danach befragt, wofür sie die von ihr aufgezählten Medikamente einnehme, erklärte die Beschwerdeführerin, dass ihr ein Medikament wegen "roter Flecken" verschrieben worden sei. Ein anderes Medikament nehme sie für den Magen ein, weiters, wenn sie starke Kopfschmerzen oder Wallungen habe (S. 3, Verhandlung 07.11.2013).

In der zuletzt vorgelegten medizinischen Stellungnahme vom 22.11.2013 wird ausgeführt, dass die körperlichen Symptome der Beschwerdeführerin - insbesondere ihr Ganzkörperschmerz - psychisch bedingt gesehen werden müssen. Die Beschwerdeführerin leidet an Bluthochdruck, einer Schilddrüsenunterfunktion, Leberproblemen unklarer Genese, Schwindel und häufigen Infekten.

Bei den dargelegten Erkrankungen handelt es sich um altersentsprechende Erkrankungen, die breite Bevölkerungsschichten treffen.

Der physische Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin gestaltet sich demnach derart, dass keine schwerwiegende bzw. lebensbedrohliche Erkrankung vorliegt.

Von der Beschwerdeführerin und ihrer Vertretung wurde vor allem ihr psychischer Gesundheitszustand in den Vordergrund gerückt. Auch ihre aktuell vorgelegten medizinischen Unterlagen betreffen vordringlich ihren psychischen Gesundheitszustand.

Zuletzt wurde ein Schreiben des XXXX vom 22.11.2013 vorgelegt, wonach die Beschwerdeführerin an einer PTSD, einer rezidivierenden schweren Depression sowie einer somatoformen Schmerzstörung leide. Ein Schreiben mit den gleichen Diagnosen vom 28.10.2013 wurde bereits in der Beschwerdeverhandlung vorgelegt.

In der Beschwerdeverhandlung erklärte die Vertrauensperson, dass die Beschwerdeführerin alle drei Monate zum Psychologen gehe.

Die noch in älteren medizinischen Befunden angeführte Demenz wurde verneint. Diese besteht derzeit nicht. Dies wurde auch in der Stellungnahme vom 12.11.2013 ausdrücklich festgehalten.

Im Untersuchungsgespräch vor dem Gutachter am 24.03.2010 führte sie betreffend ihre Probleme am Herzen aus, dass sie im Herkunftsstaat ein entsprechendes Medikament verschrieben bekommen habe, dass ihr auch in Österreich verschrieben worden sei. Dieses Medikament - ATARAX - wird bei psychischen und körperlichen Erkrankungen, zur Behandlung von Spannungszuständen, emotionaler und gedanklicher Unruhe sowie bei Ein- und Durchschlafstörungen eingesetzt.

Die Beschwerdeführerin nimmt diverse Medikamente ein, wobei es sich dabei um handelsübliche Psychopharmaka, Schmerzmittel sowie um sonstige handelsübliche Medikamente zur Behandlung ihrer altersentsprechenden Erkrankungen handelt.

Im gesamten Verfahren ist insbesondere nicht hervorgekommen, dass die Beschwerdeführerin eine spezifische exklusiv im Bundesgebiet erhältliche Behandlung benötigt. Derartiges wurde von der Beschwerdeführerin weder in der Beschwerdeverhandlung noch durch ihren Vertreter in der abschließenden Stellungnahme vom 12.11.2013 behauptet.

Weder in der Beschwerdeverhandlung noch in besagter abschließender Stellungnahme wurde den in der Beschwerdeverhandlung vorgehaltenen Länderinformationen zur medizinischen Versorgung im Herkunftsstaat entgegengetreten.

Aus den unwidersprochen gebliebenen vom Asylgerichtshof (nunmehr Bundesverwaltungsgericht) vorgehaltenen Länderinformationen zur medizinischen Versorgung im Herkunftsstaat geht zweifelsfrei hervor, dass eine ausreichende und umfassende medizinische Versorgung psychischer Erkrankungen - insbesondere auch einer posttraumatischen Belastungsstörung - im Herkunftsstaat gewährleistet ist, was im Übrigen dem hg. Amtswissen entspricht. Auch physische Erkrankungen können im Herkunftsstaat adäquat behandelt werden.

In der abschließenden Stellungnahme vom 12.11.2013 wurde schließlich dargelegt, dass die Beschwerdeführerin in Tschetschenien aufgrund ihrer psychischen Probleme in Behandlung gestanden ist. Die Beschwerdeführerin hat dort auch Arzttermine wahrgenommen.

Im von der Beschwerdeführerin vorgelegten medizinisch-psychiatrischen Befundbericht des XXXX vom 28.11.2012 wird in der Anamnese festgehalten, dass die Beschwerdeführerin im Herkunftsstaat seit dem Jahr 2003 in psychotherapeutischer und psychiatrischer Behandlung gestanden ist.

Auch in der Beschwerdeverhandlung bestätigte die Beschwerdeführerin, im Herkunftsstaat entsprechende Arzttermine wahrgenommen zu haben.

Quer durch das gesamte Verfahren hat die Beschwerdeführerin wiederholt ausgeführt, im Herkunftsstaat über Jahre hindurch in medizinischer Behandlung gestanden zu sein. Ursprung hiefür soll das Ableben ihres Ehemannes gewesen sein.

Die Beschwerdeführerin hat vor dem Bundesasylamt auch eine Kopie einer russischen Versicherungsbestätigung vorgelegt, bei der es sich laut Dolmetscherin um eine Versicherungspolizze handelt, die eine unbefristete medizinische Versorgung sicherstellt (AS 373).

Aufgrund der festgestellten adäquaten Behandlungsmöglichkeiten psychischer und physischer Erkrankungen im Herkunftsstaat ist nicht davon auszugehen, dass es für den Fall einer Rückkehr in den Herkunftsstaat zu einer lebensbedrohlichen Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Beschwerdeführerin kommen würde.

Was die Argumentation betrifft, dass die Beschwerdeführerin von ihrer im Bundesgebiet aufhältigen Tochter abhängig wäre und deshalb ihre Rückkehr in den Herkunftsstaat Art. 3 EMRK verletzen würde, war auszuführen, dass der Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin bereits vor ihrer Ausreise im Herkunftsstaat über Jahre hindurch beeinträchtigt gewesen ist und sie bereits über Jahre hindurch im Herkunftsstaat in Behandlung gestanden ist.

Wie zuvor ausgeführt, hat die Beschwerdeführerin erkennbar über ihre Anknüpfungspunkte im Herkunftsstaat die Unwahrheit gesagt und geht die erkennende Einzelrichterin des Bundesverwaltungsgerichtes davon aus, dass die Beschwerdeführerin für den Fall einer Rückkehr in den Herkunftsstaat ein soziales Netzwerk vorfinden und sie im Bedarfsfall unterstützen wird.

Ein weiteres Gutachten zum Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin war demnach nicht einzuholen, da der Akteninhalt und die darin enthaltenen medizinischen Unterlagen sowie Ausführungen und Stellungnahmen ausreichend konkret waren, um den Gesundheitszustand abschließend, jedenfalls in der dargestellten, relevanten Form einzuschätzen. Eine fehlende Behandlungsmöglichkeit in der Russischen Föderation respektive Tschetschenien wurde von der Beschwerdeführerin nicht einmal vorgetragen.

Unter Berücksichtigung des Gesundheitszustandes der Beschwerdeführerin steht eine Abschiebung Art. 3 EMRK nicht entgegen und waren andere Gründe, die gegen ihre Rückkehr in den Herkunftsstaat sprechen, nicht feststellbar.

II.4. Rechtliche Beurteilung:

II.4.I. Gemäß Art. 151 Abs. 51 Z 7 B-VG wird der Asylgerichtshof mit 01.01.2014 zum Verwaltungsgericht des Bundes und hat daher das vorliegende Beschwerdeverfahren zu führen.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 33/2013 idF BGBl. I 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis

zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Eine derartige Regelung wird in den einschlägigen Normen (VwGVG, BFA-VG, AsylG) nicht getroffen.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung demnach der nach der geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichterin und ist der angefochtene Bescheid mittels Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 3 Abs. 8 Z 1 des Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetzes (VwGbk-ÜG), BGBl I Nr. 2013/122, können mit Ablauf des 31. Dezember 2013 beim Asylgerichtshof anhängige Verfahren vom Bundesverwaltungsgericht weitergeführt werden, wenn die Rechtssache in diesem Zeitpunkt zur Zuständigkeit eines Senates des Asylgerichtshofes gehört hat, danach zur Zuständigkeit des Senates oder des Einzelrichters des Bundesverwaltungsgerichtes gehört und alle Mitglieder dieses Senates bzw. der Einzelrichter dem Senat des Asylgerichtshofes angehört hat.

Gegenständlich sind die Verfahrensbestimmungen des AVG, des BFA-VG, des VwGVG und jene im AsylG 2005 enthaltenen sowie die materiellen Bestimmungen des AsylG 2005 idgF samt jenen Normen, auf welche das AsylG 2005 verweist, anzuwenden.

Gemäß § 73 Abs. 1 AsylG 2005 ist das Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 144/2013,am 01.01.2006 in Kraft getreten; es ist gemäß § 75 Abs. 1 AsylG auf alle Verfahren anzuwenden, die am 31.12.2005 noch nicht anhängig waren.

Gemäß § 75 Abs. 19 Asylgesetz 2005 sind alle mit Ablauf des 31.12.2013 beim Asylgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren ab 01.01.2014 vom Bundesverwaltungsgericht nach Maßgabe des Abs. 20 zu Ende zu führen.

II.4.2. Zu A)

II.4.2.1. Zu Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides:

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurück-zuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht.

Flüchtling iSd. Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK (idF des Art. 1 Abs.2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 78/1974) ist, wer sich "aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. z.B. VwGH v. 22.12.1999, Zl. 99/01/0334; VwGH v. 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; VwGH v. 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde.

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH v. 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; VwGH v. 25.01.2001, Zl. 2001/20/011). Für eine "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung" ist es nicht erforderlich, dass bereits Verfolgungshandlungen gesetzt worden sind; sie ist vielmehr bereits dann anzunehmen, wenn solche Handlungen zu befürchten sind (VwGH v. 26.02.1997, Zl. 95/01/0454; VwGH v. 09.04.1997, Zl. 95/01/0555), denn die Verfolgungsgefahr - Bezugspunkt der Furcht vor Verfolgung - bezieht sich nicht auf vergangene Ereignisse (vgl. VwGH v. 18.04.1996, Zl. 95/20/0239; vgl. auch VwGH v. 16.02.2000, Zl. 99/01/097), sondern erfordert eine Prognose.

Verfolgungshandlungen, die in der Vergangenheit gesetzt worden sind, können im Rahmen dieser Prognose ein wesentliches Indiz für eine Verfolgungsgefahr sein (vgl. dazu VwGH v. 09.03.1999, Zl. 98/01/0318). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH v. 09.09.1993, Zl. 93/01/0284; VwGH v. 15.03.2001, Zl. 99/20/0128); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorherigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein (VwGH v. 16.06.1994, Zl. 94/19/0183; VwGH v. 18.02.1999, Zl. 98/20/0468). Relevant kann aber nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss vorliegen, wenn der Asylbescheid erlassen wird; auf diesen Zeitpunkt hat die Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. VwGH v. 09.03.1999, Zl. 98/01/0318; VwGH v. 19.10.2000, Zl. 98/20/0233).

Wenn Asylsuchende in bestimmten Landesteilen vor Verfolgung sicher sind und ihnen insoweit auch zumutbar ist, den Schutz ihres Herkunftsstaates in Anspruch zu nehmen, bedürfen sie nicht des Schutzes durch Asyl (vgl. zB VwGH 24.3.1999, 98/01/0352 mwN; 15.3.2001, 99/20/0036; 15.3.2001, 99/20/0134). Damit ist nicht das Erfordernis einer landesweiten Verfolgung gemeint, sondern vielmehr, dass sich die asylrelevante Verfolgungsgefahr für den Betroffenen - mangels zumutbarer Ausweichmöglichkeit innerhalb des Herkunftsstaates - im gesamten Herkunftsstaat auswirken muss (VwGH 9.11.2004, 2003/01/0534). Das Zumutbarkeitskalkül, das dem Konzept einer "inländischen Flucht- oder Schutzalternative" (VwGH 9.11.2004, 2003/01/0534) innewohnt, setzt daher voraus, dass der Asylwerber dort nicht in eine ausweglose Lage gerät, zumal da auch wirtschaftliche Benachteiligungen dann asylrelevant sein können, wenn sie jede Existenzgrundlage entziehen (VwGH 8.9.1999, 98/01/0614, 29.3.2001, 2000/20/0539).

Verschiedene Definitionen des Begriffs der "sozialen Gruppe" sind anschaulich im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20.10.1999, Zl. 99/01/0197, dargestellt:"Bei der in der zitierten Bestimmung der Konvention [Art. 1 Abschnitt A Z 2] genannten "Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe" handelt es sich um einen Auffangtatbestand, der sich in weiten Bereichen mit den Gründen "Rasse, Religion und Nationalität" überschneidet, jedoch weiter gefasst ist als diese (Grahl-Madsen, The Status of Refugees in International Law I, 1966, Seite 219; Rohrböck, Das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl (1999) RZ 406).Kälin (Grundriss des Asylverfahrens, 1990, Seite 96 f) versteht unter Verfolgung wegen Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe eine - nicht sachlich gerechtfertigte - Repression, die nur Personen trifft, die sich durch ein gemeinsames soziales Merkmal auszeichnen, die also nicht verfolgt würden, wenn sie dieses Merkmal nicht hätten. Im "Gemeinsamen Standpunkt" des Rates der Europäischen Union vom 4. März 1996 betreffend die harmonisierte Anwendung der Definition des Begriffs "Flüchtling" in Art. 1 des Genfer Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (abgedruckt bei Rohrböck a.a.O. RZ 407) wird zum Begriff der "sozialen Gruppe" ausgeführt: "Eine bestimmte soziale Gruppe umfasst in der Regel Personen mit ähnlichem Hintergrund, ähnlichen Gewohnheiten oder ähnlichem sozialen Status. "Der kanadische Oberste Gerichtshof (Supreme Court) qualifizierte in den von Goodwin-Gill, The Refugee in International Law2, 1996, S. 359f, dargestellten Entscheidungen Frauen aus China, die bereits (mehr als) ein Kind haben und deshalb mit zwangsweiser Sterilisierung rechnen müssen, als soziale Gruppe. Dieser Gerichtshof fand eine Definition des Begriffes der sozialen Gruppe, die drei Personenkreise umfasst, wobei einer dieser Kreise von Personen gebildet wird, die sich durch ein gemeinsames angeborenes oder unabänderliches Merkmal, wie z.B. Geschlecht, sprachliche Zugehörigkeit oder sexuelle Orientierung, auszeichnen."Mit Erkenntnis vom 26.06.2007, Zl. 2007/01/0479, führte der Verwaltungsgerichtshof weiter aus: "Unter Verfolgung wegen Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe wird eine - nicht sachlich gerechtfertigte - Repression verstanden, die nur Personen trifft, die sich durch ein gemeinsames soziales Merkmal auszeichnen, die also nicht verfolgt würden, wenn sie dieses Merkmal nicht hätten (vgl. dazu bereits das hg. Erkenntnis vom 20. Oktober 1999, 99/01/0197). Nach herrschender Auffassung kann eine soziale Gruppe aber nicht ausschließlich dadurch definiert werden, dass sie Zielscheibe von Verfolgung ist (vgl. etwa die UNHCR-Richtlinie zum Internationalen Schutz: "Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe" vom 7. Mai 2002, S. 2; Feßl/Holzschuster, AslyG 2005, 107, James C. Hathaway/Michelle Foster, "Membership of a Particular Social Group", International Journal of Refugee Law Vol. 15 No. 3 [Juli 2003], 479; Guy S. Goodwin-Gill/Jane McAdam, The Refugee in International Law3 [2007], 79f).Art. 10 Abs. 1 lit. d der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über die Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (Statusrichtlinie) umschreibt eine Gruppe insbesondere dann als eine bestimmte soziale Gruppe, wenn die Mitglieder dieser Gruppe angeborene Merkmale oder einen Hintergrund, der nicht verändert werden kann, gemein haben, oder Merkmale oder eine Glaubensüberzeugung teilen, die so bedeutsam für die Identität oder das Gewissen sind, dass der Betreffende nicht gezwungen werden sollte, auf sie zu verzichten, und die Gruppe in dem betreffenden Land eine deutlich abgegrenzte Identität hat, da sie von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird." Diesen verschiedenen Definitionen scheint die gemeinsame Bedeutung zuzukommen, dass es sich um einer Person "innewohnende" Merkmale (arg: "angeboren", "unveränderlich", "Hintergrund", "Gewohnheit", "Status", "Überzeugung") handelt, nicht aber um einzelne Ereignisse, die eine Verfolgung auslösen, wie z.B. ein verursachter Autounfall mit Todesopfer, welcher Verfolgung durch die Familie des Opfers gegenüber dem Unfallverursacher auslösen kann. (AsylGH 25.01.2013, C18 407.212-1/2009)

Aus den Gesamtangaben der Beschwerdeführerin ist - wie beweiswürdigend umfassend dargelegt - nicht ableitbar, dass sie zum gegenwärtigen Zeitpunkt bzw. in Zukunft im Herkunftsstaat konkrete Verfolgungsmaßnahmen von gewisser Intensität zu befürchten hätte.

Ihr Fluchtvorbringen hat sich als nicht glaubwürdig erwiesen und wurde anschaulich dargelegt, dass eine aktuelle bzw. in Zukunft drohende Verfolgung vollkommen unwahrscheinlich ist.

Es hat sich - wie beweiswürdigend dargelegt - auch nicht ergeben, dass die Beschwerdeführerin aufgrund der Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe - alleinstehende Witwe im fortgeschrittenen Alter - für den Fall einer Rückkehr in eine ausweglose Situation geraten würde, die eine derartige Intensität erreichen würde, um von einem asylrelevanten Sachverhalt auszugehen.

Der Beschwerdeführerin ist es sohin nicht gelungen, eine Furcht vor Verfolgung aus den Gründen, die in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannt sind, darzulegen.

Daher war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides abzuweisen.

II.4.2.2. Zu Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides:

Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird (Z 1), oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist (Z 2), der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.

Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG 2005 sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative im Sinne des § 11 offen steht.

Ist ein Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht schon mangels einer Voraussetzung gemäß Abs. 1 oder aus den Gründen des Abs. 3 oder 6 abzuweisen, so hat gemäß § 8 Abs. 3a AsylG eine Abweisung auch dann zu erfolgen, wenn ein Aberkennungsgrund gemäß § 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt. Diesfalls ist die Abweisung mit der Feststellung zu verbinden, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat unzulässig ist, da dies eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Dies gilt sinngemäß auch für die Feststellung, dass der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuzuerkennen ist.

Somit ist vorerst zu klären, ob im Falle der Rückführung des Fremden in seinen Herkunftsstaat Art. 2 EMRK (Recht auf Leben), Art. 3 EMRK (Verbot der Folter), das Protokoll Nr. 6 zur EMRK über die Abschaffung der Todesstrafe oder das Protokoll Nr. 13 zur EMRK über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe verletzt werden würde. Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger, noch zum Refoulementschutz nach der vorigen Rechtslage ergangenen, aber weiterhin gültigen Rechtsprechung erkannt, dass der Antragsteller das Bestehen einer solchen Bedrohung glaubhaft zu machen hat, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffende und durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerte Angaben darzutun ist (VwGH 23.02.1995, Zl. 95/18/0049; 05.04.1995, Zl. 95/18/0530; 04.04.1997, Zl. 95/18/1127; 26.06.1997, ZI. 95/18/1291; 02.08.2000, Zl. 98/21/0461). Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in der Sphäre des Asylwerbers gelegen sind und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.09.1993, Zl. 93/18/0214).

Die Anforderungen an die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des Staates entsprechen jenen, wie sie bei der Frage des Asyls bestehen (VwGH 08.06.2000, Zl. 2000/20/0141). Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher nicht geeignet, die Feststellung nach dieser Gesetzesstelle zu tragen, wenn nicht besondere Umstände hinzutreten, die ihnen einen aktuellen Stellenwert geben (vgl. VwGH 14.10.1998, Zl. 98/01/0122; 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011).

Unter "realer Gefahr" ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr möglicher Konsequenzen für den Betroffenen ("a sufficiently real risk") im Zielstaat zu verstehen (VwGH 19.02.2004, Zl. 99/20/0573; auch ErläutRV 952 BlgNR 22. GP zu § 8 AsylG 2005). Die reale Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen und die drohende Maßnahme muss von einer bestimmten Intensität sein und ein Mindestmaß an Schwere erreichen, um in den Anwendungsbereich des Artikels 3 EMRK zu gelangen (zB VwGH 26.06.1997, Zl. 95/21/0294; 25.01.2001, Zl. 2000/20/0438; 30.05.2001, Zl. 97/21/0560).

Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird - auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei anzugehören -, der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte ausgesetzt wäre, so kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen. Die Ansicht, eine Benachteiligung, die alle Bewohner des Staates in gleicher Weise zu erdulden hätten, könne nicht als Bedrohung im Sinne des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 gewertet werden, trifft nicht zu (VwGH 25.11.1999, Zl. 99/20/0465; 08.06.2000, Zl. 99/20/0203; 17.09.2008, Zl. 2008/23/0588). Selbst wenn infolge von Bürgerkriegsverhältnissen letztlich offen bliebe, ob überhaupt noch eine Staatsgewalt bestünde, bliebe als Gegenstand der Entscheidung nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 die Frage, ob stichhaltige Gründe für eine Gefährdung des Fremden in diesem Sinne vorliegen (vgl. VwGH 08.06.2000, Zl. 99/20/0203).

Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat unter dem Gesichtspunkt des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (vgl. VwGH 27.02.2001, Zl. 98/21/0427; 20.06.2002, Zl. 2002/18/0028; siehe dazu vor allem auch EGMR 20.07.2010, N. gg. Schweden, Zl. 23505/09, Rz 52ff; 13.10.2011, Husseini gg. Schweden, Zl. 10611/09, Rz 81ff).

Bei außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegenden Gegebenheiten im Herkunftsstaat kann nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) die Außerlandesschaffung eines Fremden nur dann eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellen, wenn im konkreten Fall außergewöhnliche Umstände ("exceptional circumstances") vorliegen (EGMR 02.05.1997, D. gg. Vereinigtes Königreich, Zl. 30240/96; 06.02.2001, Bensaid, Zl. 44599/98; vgl. auch VwGH 21.08.2001, Zl. 2000/01/0443). Unter "außergewöhnlichen Umständen" können auch lebensbedrohende Ereignisse (zB Fehlen einer unbedingt erforderlichen medizinischen Behandlung bei unmittelbar lebensbedrohlicher Erkrankung) ein Abschiebungshindernis im Sinne des Art. 3 EMRK iVm. § 8 Abs. 1 AsylG 2005 bilden, die von den Behörden des Herkunftsstaates nicht zu vertreten sind (EGMR 02.05.1997, D. gg. Vereinigtes Königreich; vgl. VwGH 21.08.2001, Zl. 2000/01/0443; 13.11.2001, Zl. 2000/01/0453; 09.07.2002, Zl. 2001/01/0164; 16.07.2003, Zl. 2003/01/0059). Nach Ansicht des VwGH ist am Maßstab der Entscheidungen des EGMR zu Art. 3 EMRK für die Beantwortung der Frage, ob die Abschiebung eines Fremden eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellt, unter anderem zu klären, welche Auswirkungen physischer und psychischer Art auf den Gesundheitszustand des Fremden als reale Gefahr ("real risk") - die bloße Möglichkeit genügt nicht - damit verbunden wären (VwGH 23.09.2004, Zl. 2001/21/0137).

Erachtet die Behörde im Rahmen der Beweiswürdigung die fluchtkausalen Angaben des Asylwerbers grundsätzlich als nicht glaubhaft, dann können die von ihm behaupteten Fluchtgründe gar nicht als Feststellung der rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt werden und es ist auch deren Eignung zur Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung gar nicht näher zu beurteilen (VwGH 9.5.1996, 95/20/0380).

Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 nicht gegeben sind:

Wie bereits oben ausgeführt wurde, hat die Beschwerdeführerin keine sie konkret bedrohende aktuelle, an asylrelevante Merkmale im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK anknüpfende Verfolgung maßgeblicher Intensität bzw. für eine aktuelle drohende unmenschliche Behandlung oder Verfolgung sprechenden Gründe glaubhaft zu machen vermocht, weshalb auch nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden kann, dass der Beschwerdeführerin in der Russischen Föderation eine konkret gegen sie gerichtete Verfolgung maßgeblicher Intensität droht.

Eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 bzw. Art. 3 EMRK kann im Falle der Beschwerdeführerin nicht erkannt werden. Es gibt weder einen Hinweis darauf, dass die Beschwerdeführerin bei einer Rückkehr in die Russische Föderation respektive Tschetschenien den in § 8 Abs. 1 AsylG 2005 umschriebenen Gefahren ausgesetzt wäre, noch konnte festgestellt werden, dass die Beschwerdeführerin an einer lebensbedrohenden Krankheit leiden würde oder liegen Hinweise auf "außergewöhnliche Umstände", die eine Abschiebung der Beschwerdeführerin unzulässig machen könnten, vor. In der Russischen Föderation besteht auch nicht eine solch extreme Gefährdungslage, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung im Sinne der Art. 2 und 3 EMRK ausgesetzt wäre. Die Beschwerdeführerin hat auch keine auf ihre Person bezogenen "außergewöhnlichen Umstände" glaubhaft machen können, die ein Abschiebungshindernis bilden könnten.

Bereits beweiswürdigend wurde dargelegt, dass die Beschwerdeführerin bei einer Rückkehr in die Russische Föderation respektive Tschetschenien in keine existenzbedrohende Situation geraten würde.

Zusammengefasst, wird hier noch einmal dargelegt, dass sich die wirtschaftliche Lage für die Beschwerdeführerin bei einer Rückkehr offensichtlich ausreichend gesichert darstellt. Die Beschwerdeführerin verfügt in Tschetschenien unverändert über ein Haus, hat zuletzt eine Alterspension sowie medizinische Leistungen bezogen.

Die erkennende Einzelrichterin des Bundesverwaltungsgericht ist auch zum Schluss gekommen, dass die Beschwerdeführerin - wie beweiswürdigend umfassend dargelegt - über ihre familiäre und soziale Situation im Herkunftsstaat erkennbar die Unwahrheit gesagt hat und vielmehr davon auszugehen ist, dass die Beschwerdeführerin für den Fall einer Rückkehr in den Herkunftsstaat ein soziales Umfeld vorfinden würde, das sie im Bedarfsfall unterstützen würde, was sich auch aus den Länderberichten, insbesondere im Hinblick auf die herrschenden tschetschenischen Traditionen ergibt.

Die erkennende Einzelrichterin des Bundesverwaltungsgerichtes verkennt keineswegs, dass die wirtschaftliche Lage der Beschwerdeführerin im Herkunftsstaat wahrscheinlich schlechter sein wird, als in Österreich, aus den getroffenen Ausführungen ergibt sich aber eindeutig, dass der Schutzbereich des Art. 3 nicht tangiert ist (vgl. auch VwGH v. 16.07.2003, 2003/01/0059 betreffend des Nichterreichens der Schwelle des Art. 3 MRK auch bei prekärer Unterkunftssituation des Beschwerdeführers).

In diesem Zusammenhang wird auch auf die in den vorgehaltenen Länderfeststellungen konstatierte Gewährleistung der Grundversorgung in der Russischen Föderation und in Tschetschenien sowie auf die von der Rechtsprechung des Gerichtshofes für Menschenrechte (für die Unzumutbarkeit der Abschiebung von Fremden in ihren Herkunftsstaat) angenommene "hohe Schwelle" des Art. 3 EMRK hingewiesen (vgl. dazu zB VfGH 6.3.2008, B 2004/07 mwN).

Zum gesundheitlichen Zustand der Beschwerdeführerin wurde bereits beweiswürdigend ausgeführt, dass dieser einer Rückkehr in den Herkunftsstaat nicht entgegensteht, zumal die Beschwerdeführerin an keiner schwerwiegenden bzw. lebensbedrohlichen Erkrankung leidet und sich im Fall der Beschwerdeführerin auch kein lebensnotwendiger bzw. exklusiv im Bundesgebiet verfügbarer Behandlungsbedarf ergeben hat. Dahingehend wird auf die umfassenden beweiswürdigenden Überlegungen verwiesen.

Ein Abschiebehindernis aufgrund gesundheitlicher Probleme liegt demnach nicht vor. Im Übrigen ist zu bemerken, dass gemäß den Länderberichten und dem Amtswissen des Bundesverwaltungsgerichtes in der Russischen Föderation respektive Tschetschenien eine medizinische Grundversorgung gewährleistet ist und im Übrigen alle Erkrankungen - wie in Westeuropa - behandelt werden können.

Die erkennende Einzelrichterin des Bundesverwaltungsgerichtes übersieht nicht, dass das russische bzw. tschetschenische Gesundheitssystem österreichischen Standards nicht entsprechen mag. Nach der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte und jener des Verfassungsgerichtshofes hat jedoch - aus dem Blickwinkel des Art. 3 EMRK - im Allgemeinen kein Fremder ein Recht, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden; dies selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich und kostenintensiver ist, ist unerheblich, solange es grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat bzw. in einem bestimmten Teil des Zielstaates gäbe (siehe VfGH 6.3.2008, B 2400/07).

Eine lebensbedrohliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Beschwerdeführerin im Falle einer Abschiebung ergibt sich aufgrund adäquater Behandlungsmöglichkeiten im Herkunftsstaat nicht. Eine allenfalls notwendige Behandlung kann im Herkunftsstaat durchgeführt werden, wobei im Fall der Beschwerdeführerin festzuhalten war, dass diese bereits seit Jahren im Herkunftsstaat in medizinischer Behandlung gestanden ist.

Der Beschwerdeführerin ist es daher nicht gelungen, darzulegen, dass sie im Falle ihrer Abschiebung in die Russische Föderation in eine "unmenschliche Lage" versetzt würde. Daher verstößt ihre allfällige Abschiebung nicht gegen Art. 2, Art. 3 EMRK oder gegen die Zusatzprotokolle zur EMRK Nr. 6 und Nr. 13 und auch nicht gegen Art. 15 lit. c StatusRL.

Eine andere generelle Sichtweise würde im Übrigen den exzeptionellen Ausnahmecharakter des Zuspruchs subsidiären Schutzes bei nichtstaatlicher Verfolgung in nicht vertretbarer Weise relativieren, als diesfalls wohl Personen, die an leicht behandelbaren Erkrankungen ohne akuten oder lebensbedrohlichen Verlauf leiden, wenn Sie in die Europäische Union einreisen, ein Schutzstatus zu gewähren wäre.

Somit war auch die Beschwerde gegen Spruchpunkt II des Bescheides des Bundesasylamtes abzuweisen.

II.4.2.3. Zu Spruchpunkt III des angefochtenen Bescheides:

Gemäß § 75 Abs. 20 AsylG 2005 idgF hat das Bundesverwaltungsgericht, wenn es einen abweisenden Bescheid des Bundesasylamtes bestätigt, in jedem Verfahren zu entscheiden, ob in diesem Verfahren die Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist oder das Verfahren zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt zurückverwiesen wird.

Die relevanten Übergangsbestimmungen des § 75 Abs. 19, 20 und 23 AsylG 2005 idgF lauten wie folgt:

"§ 75. (...)

(19) Alle mit Ablauf des 31. Dezember 2013 beim Asylgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren sind ab 1. Jänner 2014 vom Bundesverwaltungsgericht nach Maßgabe des Abs. 20 zu Ende zu führen.

(20) Bestätigt das Bundesverwaltungsgericht in den Fällen des Abs. 18 und 19 in Bezug auf Anträge auf internationalen Schutz

den abweisenden Bescheid des Bundesasylamtes,

jeden weiteren einer abweisenden Entscheidung folgenden zurückweisenden Bescheid gemäß § 68 Abs. 1 AVG des Bundesasylamtes,

den zurückweisenden Bescheid gemäß § 4 des Bundesasylamtes,

jeden weiteren einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 4 folgenden zurückweisenden Bescheid gemäß § 68 Abs. 1 AVG des Bundesasylamtes,

den Bescheid des Bundesasylamtes, mit dem der Status des Asylberechtigten gemäß § 7 aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt, oder

den Bescheid des Bundesasylamtes, mit dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 aberkannt wird,

so hat das Bundesverwaltungsgericht in jedem Verfahren zu entscheiden, ob in diesem Verfahren die Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist oder das Verfahren zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt zurückverwiesen wird. Wird das Verfahren zurückverwiesen, so sind die Abwägungen des Bundesverwaltungsgerichtes hinsichtlich des Nichtvorliegens der dauerhaften Unzulässigkeit der Rückkehrentscheidung für das Bundesamt nicht bindend. In den Fällen der Z 5 und 6 darf kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegen.

(...)

(23) Ausweisungen, die gemäß § 10 in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 87/2012 erlassen wurden, bleiben binnen 18 Monaten ab einer Ausreise des Fremden aufrecht. Diese Ausweisungen gelten als aufenthaltsbeendende Maßnahmen gemäß dem 1. oder 3. Abschnitt des 8. Hauptstückes des FPG in der Fassung nach dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 87/2012."

Mit der vorliegenden Entscheidung wird der abweisende Bescheid des Bundesasylamtes bestätigt.

Wie sich aus den bisherigen Angaben der Beschwerdeführerin ergibt, verfügt die Beschwerdeführerin über familiäre Anknüpfungspunkte. Es halten sich mit ihr die Tochter und deren Familie im Bundesgebiet auf. Ihre Tochter ist im Bundesgebiet zum dauernden Aufenthalt berechtigt.

Die Beschwerdeführerin hält sich seit November 2009 im Bundesgebiet auf. Abgesehen vom Aufenthalt ihrer Tochter und deren Familie hat die Beschwerdeführerin keinerlei integrativen Aspekte vorgetragen. Die Beschwerdeführerin hat einen offensichtlich unbegründeten Antrag gestellt. Die Ausreise erfolgte, um mit ihrer Tochter im Bundesgebiet zu leben, wobei sich auch im Heimatdorf der Beschwerdeführerin nahe Angehörige aufhalten.

In Zusammenschau dieser Elemente kann im Entscheidungszeitpunkt nicht davon ausgegangen werden, dass die Rückkehrentscheidung betreffend die Beschwerdeführerin auf Dauer unzulässig ist.

Im fortgesetzten Verfahren betreffend die Rückkehrentscheidung ist das Familienleben der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet im Lichte des Art. 8 EMRK - vor allem im Hinblick auf das Vorliegen eines besonderen Abhängigkeitsverhältnisses der Beschwerdeführerin zu ihrer Tochter im Bundesgebiet - einer näheren Beurteilung zu unterziehen.

Da sich verfahrensgegenständlich demnach nicht ergeben hat, dass die Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist, war gemäß § 75 Abs. 20 AsylG 2005 idgF das Verfahren zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das BFA zurückzuverweisen.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wird daher nach der nunmehr geltenden Rechtslage die Erlassung einer Rückkehrentscheidung neu zu prüfen haben.

Bloß am Rande verweist die erkennende Einzelrichterin des Bundesverwaltungsgerichtes darauf, dass § 10 AsylG 2005 idgF auf das vorliegende Verfahren nicht angewendet werden kann, weil dieser mit der Rückkehrentscheidung einen anderen Inhalt hat als der im angefochtenen Bescheid angewendete § 10 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 38/2011 (Ausweisungsentscheidung). Bei Ausspruch einer Rückkehrentscheidung durch das Bundesverwaltungsgericht würde die Beschwerdeführerin einer Beschwerdemöglichkeit verlustig gehen, was im Prinzip auch Grund für die Übergangsbestimmung des § 75 Abs. 20 AsylG idgF war.

Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.

II.4.3. Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25 a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gem. Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist.

Verfahrensgegenständlich erweist sich die ordentliche Revision gem. Art. 133 Abs. 4 B-VG insofern als nicht zulässig, als der gegenständliche Fall ausschließlich tatsachenlastig ist und keinerlei Rechtsfragen - schon gar nicht von grundsätzlicher Bedeutung - aufwirft. Wie unzweifelhaft der rechtlichen Beurteilung zu entnehmen ist, weicht die gegenständliche Entscheidung weder von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es zu irgendeinem Sachverhaltsaspekt des gegenständlichen Falles an einer Rechtsprechung. Auch ist die im gegenständlichen Fall maßgebende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Im Übrigen liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der gegenständlich zu lösenden Rechtsfragen vor.

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