BVwG W156 2004603-1

BVwGW156 2004603-116.8.2017

AlVG §1 Abs1 lita
ASVG §4 Abs1 Z1
ASVG §4 Abs2
B-VG Art.133 Abs4

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2017:W156.2004603.1.00

 

Spruch:

W156 2004603-1/9E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Alexandra Krebitz als Einzelrichterin über die Beschwerde der Wiener Gebietskrankenkasse, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien, MA40, betreffend Nichtfeststellung der Voll- (Kranken-, Unfall, Pensions-) und Arbeitslosenversicherungspflicht als Dienstnehmer in Bezug auf Dr. M XXXX A XXXX zu Recht erkannt:

 

A) Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG stattgegeben und der

angefochtene Bescheid behoben.

 

Es wird festgestellt, dass Dr. M XXXX A XXXX aufgrund ihrer Tätigkeit für die Z XXXX GmbH von 01.04.2006 bis laufend der Voll- (Kranken-, Unfall, Pensions-) und Arbeitslosenversicherungspflicht als Dienstnehmer gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 ASVG sowie § 1 Abs. 1 lit a AlVG unterliegt.

 

B) Die Revision ist nicht zulässig.

 

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

 

I. Verfahrensgang:

 

1. Nach Durchführung einer GPLA bei der Z XXXX GmbH (in Folge als mitbeteiligte Partei 1, kurz MP1 bezeichnet), für den Zeitraum 2006 bis 2009 erließ die Wiener Gebietskrankenkasse am 02.11.2011 einen Bescheid. In diesem stellte sie fest, dass Fr. Dr. M XXXX A XXXX (in weiterer Folge als mitbeteiligte Partei 2, kurz MP2 bezeichnet) aufgrund ihrer Tätigkeit für die genannte GmbH von 01.04.2006 bis laufend der Voll- (Kranken-, Unfall, Pensions-) und Arbeitslosenversicherungspflicht als Dienstnehmerin gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 ASVG sowie § 1 Abs. 1 lit. a AlVG unterliege.

 

Weiters wurden im Bescheid die Beitragsgrundlagen für den Zeitraum 01.04.2006 bis 31.12.2009 auf die jeweiligen Kalenderjahre aufgeschlüsselt festgestellt.

 

Die MP2 sei eindeutig, sowohl zeitlich als auch örtlich, an die Vorgaben der MP1 gebunden gewesen um die übernommene Verpflichtung zur Ausübung ihrer Tätigkeit wahrnehmen zu können. Auch die Pauschalhonorierung weise daraufhin, dass es sich um eine Entlohnung im Rahmen eines Dienstverhältnisses gehandelt habe. Es sei absolut kein Unternehmerrisiko für die MP2 vorgelegen. Sie habe ausschließlich die Tätigkeit persönlich erbringen müssen und sich auch in die betriebliche Struktur der MP1 eingefügt.

 

Weiters werde auf die gesetzlichen Bestimmungen des § 12 Abs. 4 und

5. des Wiener Krankenanstaltengesetzes hingewiesen, wonach die Landesregierung die Genehmigung zur Bestellung des ärztlichen Leiters zu erteilen habe, wenn der vorgesehene Arzt den gesetzlichen Voraussetzungen entspricht. Bei Verhinderung des ärztlichen Leiters müsse er durch einen geeigneten Arzt vertreten werden.

 

Betrachte man den vorliegenden Sachverhalt unter diesen Gesichtspunkten, so ergebe sich eindeutig, dass bei der Beschäftigung der MP2 die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber den Merkmalen selbstständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit überwiegen. Für die im Spruch genannten Zeiträume liege somit ein die Versicherungspflicht begründetes Beschäftigungsverhältnis gemäß § 4 Abs. 2 ASVG vor.

 

2. Die MP1 brachte im Wege ihrer rechtsfreundlichen Vertretung mit Schreiben vom 03.12.2011 fristgerecht einen Einspruch gegen den Bescheid ein.

 

Bei der MP2 handle es sich um eine niedergelassene Fachärztin, die zum Großteil selbständig für verschiedene Firmen tätig sei, ihre Entlohnung sei erfolgsorientiert. Sie habe frei entscheiden können, ob und wann sie tätig werden wollte. Eine fixe Anwesenheit sei weder notwendig noch vereinbart gewesen. Es habe auch keine Vorgaben hinsichtlich des zu wählenden Arbeitsplatzes gegeben. Eine Arbeitspflicht habe nicht bestanden. Aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen sei jedenfalls eine Vertretung, die vom Landeshauptmann bestellt werde, einzusetzen gewesen.

 

Der wirtschaftliche Erfolg sei ausschließlich von ihrem Fleiß und Geschick abhängig gewesen, sodass auch das unternehmerische Risiko vorgelegen habe. Sie habe ihre eigenen Untersuchungsgeräte mitgebracht und ihren Arbeitsmantel selbst beschafft. Sie habe keinen Zutrittscode oder Schlüssel zu den Betriebsräumlichkeiten gehabt und sei bei Weihnachtsfeiern oder Geburtstagsfeiern nicht eingeladen gewesen.

 

3. Am 15.06.2012 erließ der Landeshauptmann von Wien, MA40 (in weiterer Folge: belangte Behörde), den nunmehr angefochtenen Bescheid. In dem als Teilbescheid bezeichneten Bescheid stellte die belangte Behörde fest, dass Fr. Dr. A XXXX

 

1.) auf Grund ihrer Beschäftigung als ärztliche Leiterin bei der Z XXXX GmbH in der Zeit vom 1. April 2006 bis laufend nicht der Voll- (Kranken-, Unfall-, Pensions-) und Arbeitslosenversicherungspflicht gemäß § 4 Absatz 1 Ziffer 1 in Verbindung mit Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG) und der Arbeitslosenversicherungspflicht gemäß § 1 Absatz 1 lit. a Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 (AIVG) unterliege.

 

2.) auf Grund ihrer Beschäftigung als ärztliche Leiterin bei der Z XXXX GmbH in der Zeit

 

vom 1. April 2006 bis laufend nicht der Voll- (Kranken-, Unfall-, Pensions-) und Arbeitslosenversicherungspflicht aufgrund eines freien Dienstvertrages gemäß § 4 Absatz 1 Ziffer 14 in Verbindung mit § 4 Absatz 4 ASVG und der Arbeitslosenversicherungspflicht gemäß § 1 Absatz 1 lit. a und Abs. 8 Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 (AIVG) unterliege.

 

Aus dem festgestellten Sachverhalt ergebe sich, dass die Tätigkeit von Frau Dr. A XXXX nicht jeweils auf Abruf erfolgte, sondern auf Dauer angelegt sei. Es liegt kein Zielschuldverhältnis im Sinn einer Verpflichtung zur Herbeiführung eines im Vertrag konkretisierten Erfolges vor.

 

Die im Sachverhalt angenommenen umfassenden Tätigkeiten seien gattungsmäßig umschrieben, da sie sich zu einer Vielzahl von Dienstleistungen auf eine gewisse Dauer verpflichte. Ein Werk als eine in sich geschlossene Einheit sowie ein Erfolg sei nicht geschuldet.

 

Die Arbeitszeit habe sich zwar organisationsbedingt und aus betriebstechnischen Gründen zum überwiegenden Teil nach den Öffnungszeiten des Instituts gerichtet. Innerhalb der Öffnungszeiten und der durch die WGKK vorgegebenen Mindestanwesenheitsstunden habe sie jedoch ihre Arbeitszeit sehr flexibel einteilen können. Sie sei dabei keinen Weisungen seitens der Einspruchswerberin und keinen Kontrollen unterlegen.

 

Grundvoraussetzung für die Annahme persönlicher Abhängigkeit im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG sei die persönliche Arbeitspflicht. Aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen des Wiener Krankenanstaltengesetzes habe eine geeignete Vertreterin der Landesregierung angezeigt werden müssen, (vgl. § 12 Abs. 5 Wr. KAG).

 

Da die MP2 selbst eine geeignete Vertreterin bestimmt habe und diese jederzeit einsetzen hätte können, sei von einer generellen Vertretungsbefugnis auszugehen. Die MP2 hätte sich auch jederzeit selbst Hilfskräften bedienen können und hätte die Vertretung und die Hilfskräfte selbst bezahlt. Sie hätte auch sanktionslos Patienten ablehnen können.

 

Ein Vertretungsrecht und die Möglichkeit sich Hilfskräften zu bedienen, schließe aber eine persönliche Abhängigkeit und in der Folge die Dienstnehmereigenschaft nach § 4 Abs. 2 ASVG aus. Ebenso die Möglichkeit, sanktionslos Tätigkeiten (Patienten) abzulehnen.

 

Die MP2 habe neben eigenen Betriebsmitteln auch die Infrastruktur sowie Betriebsmittel (= Liege) der MP1 benützt. Die von ihr handschriftlich durchgeführte Befundung sei von Mitarbeitern der MP1 auf das Institutsnetzwerk übertragen worden. Für ihre Tätigkeit habe sie nicht viel benötigt, da sie sich aktive Bewegungsabläufe beim meistens stehenden Patienten angeschaut habe.

 

Auf Grund der Angaben in der Verhandlung ergebe sich, dass die MP2 ihre Tätigkeit für die MP1 weitgehend selbstständig ausgeübt habe, da sie die Zeiten, in denen sie tätig geworden sei, weitgehend selbstständig bestimmen habe können, keinen Weisungen unterlegen sei, nicht kontrolliert worden sei, sich auch durch eine Person eigener Wahl auf gleichem fachlichen Niveau vertreten lassen habe können und sich auch Hilfskräften bedienen konnte. Sie habe auch sanktionslos Tätigkeiten ablehnen können.

 

Da sie auch Betriebsmittel der MP1 verwendet habe, sei auch die wirtschaftliche Abhängigkeit gegeben.

 

Ohne Ausnahmebestimmungen des § 4 Abs. 4 ASVG sei die MP2 aufgrund der fehlenden persönlichen Abhängigkeit und da eine auf Dauer angelegte Leistung geschuldet werde, als freie Dienstnehmerin einzustufen. Da sie seit 1991 Mitglied der Ärztekammer sei und sie seit 1.4.2006 bis laufend in der Pensionsversicherung nach dem FSVG versichert sei, sei von keinem freien Dienstvertrag auszugehen, da die Ausnahmebestimmungen des § 4 Abs. 4 lit. a und lit. c ASVG zum Tragen kämen.

 

Hinsichtlich des angefochtenen Spruchpunktes 2 (Feststellung der Beitragsgrundlagen) des Bescheides der Wiener Gebietskrankenkasse vom 2. November 2011 zu VA-VR XXXX werde ein gesonderter Bescheid nach rechtskräftiger Feststellung der Versicherungspflicht ergehen, da zuerst rechtskräftig festzustellen sei, ob und in welchem Zeitraum eine Versicherungspflicht vorliege.

 

4. Gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien brachte die Wiener Gebietskrankenkasse (in weiterer Folge: Beschwerdeführerin) mit Schreiben vom 22.06.2012 fristgerecht Berufung ein.

 

Zur Führung von Abteilungen und Departments (Unterabteilungen) für die Behandlung bestimmter Krankheiten, von Laboratorien, Ambulatorien oder Prosekturen seien Fachärzte des einschlägigen medizinischen Sonderfaches, wenn ein solches nicht besteht, fachlich qualifizierte Ärzte zu bestellen, die zur Leitung (Organisation, Personalführung) geeignet sind. Für den Fall der Verhinderung sei die Vertretung durch einen in gleicherweise qualifizierten Arzt sicherzustellen. (§ 12 Abs. 2 Wr. KAG)

 

Gemäß § 12 Abs. 4 des Wr. KAG sei die Bestellung des ärztlichen Leiters und des Leiters der Prosektur außer bei Stellen, die auf Grund der einschlägigen Universitätsvorschriften besetzt werden, von der Landesregierung zu genehmigen. Die Genehmigung sei zu erteilen, wenn die vorgesehenen Ärzte den gesetzlichen Voraussetzungen entsprechen. Diese Genehmigung sei, sofern sie nicht im Rahmen der Bewilligung zum Betrieb der Krankenanstalt erfolge, vor Dienstantritt zu erteilen.

 

Bei Verhinderung der ärztlichen Leitung müsse diese durch eine geeignete Person vertreten werden, welche der Landesregierung anzuzeigen sei. Die Voraussetzungen des Abs. 3 seien in der Anzeige zu bescheinigen. (§ 12 Abs. 5 Wr. KAG)

 

Wie diesen Regelungen entnommen werden könne, müsse der ärztliche Leiter und dessen Vertreter nicht nur angezeigt, sondern auch von der Landesregierung genehmigt werden (vgl. § 12 Abs. 4 und Abs. 5 Wr. KAG). Der gesetzliche Wortlaut der §§ 12 Abs. 2 und Abs. 5 Wr. KAG, würden klarstellen, dass nur für den Fall der Verhinderung die Vertretung durch einen in gleicher Weise qualifizierten Arzt sicherzustellen sei.

 

Gemäß § 539a Abs. 3 ASVG hätte die belangte Behörde den Sachverhalt hinsichtlich der Feststellungen zum Vorliegen einer generellen Vertretungsbefugnis daher dahingehend beurteilen müssen, dass die MP2 sich als ärztliche Leiterin nur im Verhinderungsfall von ihrem gesetzlich vorgesehenen Vertreterin hätte vertreten lassen können. Diese verfahrensrechtliche Vorgabe wurde seitens der belangten Behörde nicht beachtet und habe dies zu einer abweichenden Sachverhaltsfeststellung geführt.

 

In diesem Zusammenhang werde auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen, wonach nur dann, wenn der zur Leistung Verpflichtete nach seiner Entscheidungsbefugnis seine Arbeitsverpflichtung nach Belieben zur Gänze oder teilweise Dritten überbinden darf, keine persönliche Abhängigkeit vorliege. Voraussetzung sei jedenfalls, dass eine generelle, d.h. nicht auf bestimmte Arbeiten oder Ereignisse, wie Krankheit oder Urlaub beschränkte Befugnis zur Vertretung vorliegt (stRspr, vgl. zB Erkenntnis vom 20. Februar 2008, ZI. 2007/08/0053, mwN). Eine generelle Vertretungsbefugnis habe auch mit einem wechselseitigen Vertretungsrecht von mehreren von einem Dienstgeber beschäftigten Personen nichts zu tun (vgl. zB das hg. Erkenntnis vom 20. April 2005, ZI. 2002/08/0222, mwN). (VwGH vom 15.09.2010, 2007/08/0167)

 

Wenn sich demnach die MP2 nur im Verhinderungsfall vertreten lassen konnte, liege entgegen der Rechtsmeinung der belangten Behörde, nach der erwähnten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kein generelles, die persönliche Abhängigkeit im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG ausschließendes Vertretungsrecht, vor.

 

Hinsichtlich des Arbeitsortes habe die belangte Behörde die Feststellung getroffen, dass die MP2 seit 2006 möglichst jeden Tag am Institut sei, da dies von vom Wiener Krankenanstaltengesetz gefordert werde.

 

Hinsichtlich der Gebundenheit an Arbeitszeiten, habe die belangte Behörde festgestellt, dass sich die Arbeitszeit der MP2 zwar organisationsbedingt und aus betriebstechnischen Gründen zum überwiegenden Teil nach den Öffnungszeiten des Instituts gerichtet habe, sie sich aber innerhalb dieses Zeitfensters die Arbeitszeit sehr flexibel einteilen habe können.

 

In diesem Zusammenhang werde auf die Bestimmung des § 13 Abs. 1a Wr. KAG in Verbindung mit § 539a Abs. 3 ASVG verwiesen.

 

§ 13 Abs. 1a des Wr. KAG sehe vor, dass in Krankenanstalten in der Betriebsform selbstständiger Ambulatorien für physikalische Therapie, in denen keine Turnusärzte ausgebildet werden, an Stelle einer dauernden ärztlichen Anwesenheit der ärztliche Dienst so organisiert sein kann, dass ärztliche Hilfe jederzeit erreichbar ist und durch regelmäßige tägliche Anwesenheit die erforderlichen ärztlichen Anordnungen für das Personal nach dem Bundesgesetz über die Regelung der gehobenen medizinisch-technischen Dienste (MTD-Gesetz) und für Heilmasseure nach dem Bundesgesetz über die Berufe und die Ausbildungen zum medizinischen Masseur und zum Heilmasseur (Medizinischer Masseur- und Heilmasseurgesetz - MMHmG) sowie, neben ärztlichen Anordnungen, auch die erforderliche Aufsicht über medizinische Masseure nach dem MMHmG und Personal nach dem Bundesgesetz über die Regelung des medizinisch-technischen Fachdienstes und der Sanitätshilfsdienste (MTF-SHD-G) gewährleistet sei.

 

Überdies regle § 12 Abs. 3 letzter Satz Wr. KAG, dass Angehörige der medizinisch-technischen Dienste und Hebammen dem ärztlichen Leiter unterstellt seien.

 

Nach diesen rechtlichen Vorgaben, hätte die belangte Behörde daher feststellen müssen, dass die MP2 in ihrer Funktion als ärztliche Leiterin täglich anwesend gewesen sei, um dem Personal des medizinisch-technischen Dienstes die erforderlichen ärztlichen Anordnungen zu geben.

 

Da die belangte Behörde auch hier die Bestimmung des § 539a Abs. 3 ASVG nicht beachtet habe, liege auch hier eine Rechtswidrigkeit infolge einer Außerachtlassung von Verfahrensbestimmungen vor.

 

Die belangte Behörde hätte daher hinsichtlich der Beurteilung der Gebundenheit an Arbeitszeiten die Feststellung treffen müssen, dass die MP2 regelmäßig täglich im Ambulatorium anwesend gewesen sei bzw. anwesend zu sein hatte.

 

In seinen Feststellungen führe der Landeshauptmann von Wien aus, dass die Unterwerfung unter betriebliche Ordnungsvorschriften, seiner Verpflichtung zur Befolgung von Weisungen des Dienstgebers, der Überwachung der Arbeit durch den Dienstgeber und die disziplinäre Verantwortung im gegenständlichen Fall fehlen würde.

 

Zur Feststellung, dass die MP2 nicht den Weisungen der MP1 unterlegen sei, sei anzumerken, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Erteilung von (nach der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung an sich unterscheidungskräftigen) Weisungen bezüglich arbeitsbezogenem Verhalten in der Regel dann unterbleibt, wenn und sobald der Arbeitnehmer von sich aus weiß, wie er sich im Betrieb des Dienstgebers zu bewegen und zu verhalten hat (Hinweis E 25.2.1988, 86/08/0242); in diesen Fällen äußert sich das Weisungsrecht in Form von Kontrollrechten ("stille Autorität des Arbeitgebers"; Hinweis E 25.5.1987, 83/08/0128).

 

Nach der Rechtsprechung des VwGH müsse die Behörde, wenn widersprechende Beweisergebnisse vorliegen, dazu in der Begründung, soll diese dem Gesetz entsprechen, im einzelnen Stellung nehmen und schlüssig darlegen, was sie dazu veranlasst hat, dem einen mehr Vertrauen entgegenzubringen als dem anderen.(VwGH 89/03/0220, VwGH 89/09/0164).

 

Ergänzend werde dazu bemerkt, dass nach der Rechtsprechung des VwGH ärztliche Leiter von Krankenanstalten unbestritten in einem Dienstverhältnis stehen (VwGH 93/98/0162).

 

Bei zutreffender rechtlichen Beurteilung des Sachverhaltes hätte die belangte Behörde daher zur Auffassung kommen müssen, dass hinsichtlich der Kriterien des verfahrensgegenständlichen Beschäftigungsverhältnisses der MP2 alle Tatbestandsmerkmale des § 4 Abs. 2 ASVG erfüllt seien, und dass sie aus diesem Grund seit 01.04.2006 bis laufend der Voll- (Kranken-, Unfall-, Pensions-)versicherungspflicht gemäß § 4 Abs. 1 Z 1. in Verbindung mit Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG) und der Arbeitslosenversicherungspflicht unterliege.

 

5. Die MP1 gab am 05.09.2012 eine Stellungnahme im Wege ihrer rechtsfreundlichen Vertretung ab. Die Berufung sei nicht gerechtfertigt. Die MP2 habe sich jederzeit vertreten lassen können. Es habe keine Kontrollen seitens der GmbH gegeben, denen die MP2 unterlegen wäre. Mangels Bindungsvorschrift hinsichtlich der Arbeitszeit, Arbeitsort und arbeitsbezogenes Verhalten sowie der Möglichkeit der jederzeitigen Inanspruchnahme einer Vertretung sei das Vorliegen einer persönlichen Abhängigkeit zu verneinen.

 

6. Mit Schreiben vom 11.12.2013 erfolgte die Vorlage des Beschwerdeaktes an das Bundesverwaltungsgericht.

 

7. Auf eine Anfrage des BVwG vom 03.03.2017 teilte das Finanzamt 1/23 mit, dass seitens des Finanzamtes die Erledigung bezüglich der Frage, ob die MP2 in einem Dienstverhältnis gemäß § 47 Abs. 2 EStG steht, bis zum Vorliegen der Entscheidung auf der sozialversicherungsrechtlichen Seite ausgesetzt wurde.

 

8. Auf Anfrage des BVwG vom 23.05.2017 teilte die Magistratsabteilung 40 der Stadt Wien mit, dass die MP2 unverändert als ärztliche Leiterin der MP1 aufscheine.

 

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

1. Feststellungen:

 

1.1. Die MP2 war ab dem 29.10.2002 für die MP1 (Institut für physikalische Medizin) als ärztliche Leiterin tätig. Die MP1 ist eine Krankenanstalt im Sinne eines selbständigen Ambulatoriums.

 

1.2. Die Tätigkeit als ärztliche Leiterin umfasst die medizinisch-fachärztliche Verantwortung im Rahmen des Institutes, Erstuntersuchungen, Kontrolluntersuchungen und Abschlussuntersuchungen, weiters die Aufsicht über das medizinisch-technische Personal und die Schulung des Personals in Erster Hilfe.

 

1.3. Gemäß den Angaben der MP2 in der Niederschrift vom 07.07.2011 war als Arbeitsort der Sitz der MP1 vereinbart, die Arbeitszeiten waren flexibel gestaltet. Gemäß den Vorgaben der Wiener Gebietskrankenkasse waren die Anwesenheitszeiten am Dienstag und Donnerstag von 08:00 bis 10:00 Uhr festgelegt. Laut Krankenanstaltengesetz war eine tägliche Anwesenheit ohne Zeitangabe erforderlich.

 

1.4. Statt einer Honorarlegung erfolgte die Bezahlung durch ein fixes monatliches Entgelt.

 

1.5. Eine eigenmächtige, jederzeitige Vertretung durch eine beliebige Person ist nicht möglich. Ihre Stellvertreterin wurde von der MP2 zwar selbst bestimmt, jedoch war deren Bestellung mit einer Meldung an die MA40 verbunden. Die Vertretung wurde von der MP2 nicht in Anspruch genommen.

 

1.6. Urlaube wurden von der MP2 nur während der der Schließungszeiten des Institutes konsumiert.

 

1.7. Die Betriebsmittel wurden von der MP2 selbst bereitgestellt, sie hat auch die Untersuchungsliegen und den Schreibtisch des Institutes für die Erledigung ihrer Tätigkeit verwendet.

 

1.8. Das Haupteinkommen erwirtschaftete die MP2 nach eigenen Angaben nicht am Institut der MP1, sondern an der Wiener Privatklinik.

 

2. Beweiswürdigung:

 

Aufgrund der vorliegenden Beweismittel und des Aktes der belangten Behörde ist das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) in der Lage, sich vom entscheidungsrelevanten Sachverhalt im Rahmen der freien Beweiswürdigung ein ausreichendes Bild zu machen.

 

Insbesondere herangezogen wurden die Angaben der MP2 in der Niederschrift vor der Wiener Gebietskrankenkasse am 07.07.2011 sowie in der Niederschrift vor der MA40 vom 19.04.2012.

 

3. Rechtliche Beurteilung:

 

Mit der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I Nr. 51/2012, wurde mit 01.01.2014 (Art. 151 Abs. 51 Z 6 B-VG) das Bundesverwaltungsgericht (Art. 129 B-VG) eingerichtet. Gemäß Art. 151 Abs. 51 Z 8 B-VG geht die Zuständigkeit zur Weiterführung der mit Ablauf des 31. Dezember 2013 bei sonstigen Behörden anhängigen Verfahren, in denen diese Behörden sachlich in Betracht kommende Oberbehörde oder im Instanzenzug übergeordnete Behörde sind, mit Ausnahme von Organen der Gemeinde, auf die Verwaltungsgerichte über. Im konkreten Fall ist somit die Zuständigkeit des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz, bei welchem das gegenständliche Verfahren mit Ablauf des 31. Dezember 2013 anhängig war, mit 1. Jänner 2014 auf das Bundesverwaltungsgericht übergegangen.

 

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gemäß § 414 Abs. 2 ASVG entscheidet in Angelegenheiten nach § 410 Abs. 1 Z 1, 2 und 6 bis 9 ASVG das Bundesverwaltungsgericht auf Antrag einer Partei durch einen Senat; dies gilt auch für Verfahren, in denen die zitierten Angelegenheiten als Vorfragen zu beurteilen sind.

 

Gegenständlich liegt zwar eine Angelegenheit vor, die eine Senatszuständigkeit unter Beteiligung von Laienrichtern begründet (Feststellung der Versicherungspflicht). Da die Senatszuständigkeit jedoch nur auf Antrag vorgesehen ist und ein solcher Antrag nicht gestellt wurde, liegt Einzelrichterzuständigkeit vor.

 

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

 

3.1. Verfahrensrelevante materiellrechtliche Bestimmungen:

 

Die Bezug habende Bestimmung des ASVG lautet:

 

§ 4. (1) In der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung sind auf Grund dieses Bundesgesetzes versichert (vollversichert), wenn die betreffende Beschäftigung weder gemäß den §§ 5 und 6 von der Vollversicherung ausgenommen ist, noch nach § 7 nur eine Teilversicherung begründet: 1. die bei einem oder mehreren Dienstgebern beschäftigten Dienstnehmer;

 

2. die in einem Lehrverhältnis stehenden Personen (Lehrlinge);

 

3. die im Betrieb der Eltern, Großeltern, Wahl- oder Stiefeltern ohne Entgelt regelmäßig beschäftigten Kinder, Enkel, Wahl- oder Stiefkinder, die das 17. Lebensjahr vollendet haben und keiner anderen Erwerbstätigkeit hauptberuflich nachgehen, alle diese, soweit es sich nicht um eine Beschäftigung in einem land- oder forstwirtschaftlichen oder gleichgestellten Betrieb (§ 27 Abs. 2) handelt;

 

4. die zum Zwecke der vorgeschriebenen Ausbildung für den künftigen, abgeschlossene Hochschulbildung erfordernden Beruf nach Abschluß dieser Hochschulbildung beschäftigten Personen, wenn die Ausbildung nicht im Rahmen eines Dienst- oder Lehrverhältnisses erfolgt, jedoch mit Ausnahme der Volontäre;

 

5. Schülerinnen/Schüler an Schulen für Gesundheits- und Krankenpflege und Auszubildende in Lehrgängen nach dem Gesundheits- und Krankenpflegegesetz (GuKG), BGBl. I Nr. 108/1997, Schülerinnen/Schüler und Auszubildende in Lehrgängen zu einem medizinischen Assistenzberuf nach dem Medizinische Assistenzberufe-Gesetz (MABG), BGBl. I Nr. 89/2012, sowie Studierende an einer medizinisch-technischen Akademie nach dem MTD-Gesetz, BGBl. Nr. 460/1992;

 

6. Vorstandsmitglieder (Geschäftsleiter) von Aktiengesellschaften, Sparkassen, Landeshypothekenbanken sowie Versicherungsvereinen auf Gegenseitigkeit und hauptberufliche Vorstandsmitglieder (Geschäftsleiter) von Kreditgenossenschaften, alle diese, soweit sie auf Grund ihrer Tätigkeit als Vorstandsmitglied (GeschäftsleiterIn) nicht schon nach Z 1 in Verbindung mit Abs. 2 pflichtversichert sind;

 

7. die Heimarbeiter und die diesen nach den jeweiligen gesetzlichen Vorschriften über die Heimarbeit arbeitsrechtlich gleichgestellten Personen;

 

8. Personen, denen im Rahmen beruflicher Maßnahmen der Rehabilitation nach den §§ 198 oder 303 berufliche Ausbildung gewährt wird, wenn die Ausbildung nicht auf Grund eines Dienst- oder Lehrverhältnisses erfolgt;

 

9. Fachkräfte der Entwicklungshilfe nach § 2 des Entwicklungshelfergesetzes, BGBl. Nr. 574/1983;

 

10. Personen, die an einer Eignungsausbildung im Sinne der §§ 2b bis 2d des Vertragsbedienstetengesetzes 1948, BGBl. Nr. 86, teilnehmen;

 

11. die Teilnehmer/innen des Freiwilligen Sozialjahres, des Freiwilligen Umweltschutzjahres, des Gedenkdienstes oder des Friedens- und Sozialdienstes im Ausland nach dem Freiwilligengesetz, BGBl. I Nr. 17/2012;

 

12. Personen, die eine Geldleistung gemäß § 4 des Militärberufsförderungsgesetzes, BGBl. Nr. 524/1994, beziehen;

 

13. geistliche Amtsträger der Evangelischen Kirchen AB. und HB. hinsichtlich der Seelsorgetätigkeit und der sonstigen Tätigkeit, die sie in Erfüllung ihrer geistlichen Verpflichtung ausüben, zum Beispiel des Religionsunterrichtes, ferner Lehrvikare, Pfarramtskandidaten, Diakonissen und die Mitglieder der evangelischen Kirchenleitung, letztere soweit sie nicht ehrenamtlich tätig sind;

 

14. die den Dienstnehmern im Sinne des Abs. 4 gleichgestellten Personen.

 

(2) Dienstnehmer im Sinne dieses Bundesgesetzes ist, wer in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wird; hiezu gehören auch Personen, bei deren Beschäftigung die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber den Merkmalen selbständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit überwiegen. Als Dienstnehmer gelten jedenfalls Personen, die mit Dienstleistungsscheck nach dem Dienstleistungsscheckgesetz (DLSG), BGBl. I Nr. 45/2005, entlohnt werden. Als Dienstnehmer gilt jedenfalls auch, wer nach § 47 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 EStG 1988 lohnsteuerpflichtig ist, es sei denn, es handelt sich um 1. Bezieher von Einkünften nach § 25 Abs. 1 Z 4 lit. a oder b EStG 1988 oder

 

2. Bezieher von Einkünften nach § 25 Abs. 1 Z 4 lit. c EStG 1988, die in einem öffentlich-rechtlichen Verhältnis zu einer Gebietskörperschaft stehen oder

 

3. Bezieher/innen von Geld- oder Sachleistungen nach dem Freiwilligengesetz.

 

(Anm.: Abs. 3 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 139/1997)

 

(4) Den Dienstnehmern stehen im Sinne dieses Bundesgesetzes Personen gleich, die sich auf Grund freier Dienstverträge auf bestimmte oder unbestimmte Zeit zur Erbringung von Dienstleistungen verpflichten, und zwar für 1. einen Dienstgeber im Rahmen seines Geschäftsbetriebes, seiner Gewerbeberechtigung, seiner berufsrechtlichen Befugnis (Unternehmen, Betrieb usw.) oder seines statutenmäßigen Wirkungsbereiches (Vereinsziel usw.), mit Ausnahme der bäuerlichen Nachbarschaftshilfe,

 

2. eine Gebietskörperschaft oder eine sonstige juristische Person des öffentlichen Rechts bzw. die von ihnen verwalteten Betriebe, Anstalten, Stiftungen oder Fonds (im Rahmen einer Teilrechtsfähigkeit),

 

wenn sie aus dieser Tätigkeit ein Entgelt beziehen, die Dienstleistungen im wesentlichen persönlich erbringen und über keine wesentlichen eigenen Betriebsmittel verfügen; es sei denn,

 

a) dass sie auf Grund dieser Tätigkeit bereits nach § 2 Abs. 1 Z 1 bis 3 GSVG oder § 2 Abs. 1 BSVG oder nach § 2 Abs. 1 und 2 FSVG versichert sind oder

 

b) dass es sich bei dieser Tätigkeit um eine (Neben‑)Tätigkeit nach § 19 Abs. 1 Z 1 lit. f B-KUVG handelt oder

 

c) dass eine selbständige Tätigkeit, die die Zugehörigkeit zu einer der Kammern der freien Berufe begründet, ausgeübt wird oder

 

d) dass es sich um eine Tätigkeit als Kunstschaffender, insbesondere als Künstler im Sinne des § 2 Abs. 1 des Künstler-Sozialversicherungsfondsgesetzes, handelt.

 

(Anm.: Abs. 5 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 39/1997)

 

(6) Eine Pflichtversicherung gemäß Abs. 1 schließt für dieselbe Tätigkeit (Leistung) eine Pflichtversicherung gemäß Abs. 4 aus.

 

(Anm.: Abs. 7 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 39/1997)

 

Die maßgeblichen Bestimmungen des FSVG lauten:

 

§ 1. Dieses Bundesgesetz regelt die Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung einiger Gruppen im Inland freiberuflich selbständig Erwerbstätiger nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen.

 

§ 2. (1) Auf Grund dieses Bundesgesetzes sind, soweit es sich um natürliche Personen handelt, in der Pensionsversicherung der in der gewerblichen Wirtschaft selbständig Erwerbstätigen pflichtversichert: 1. die Mitglieder der Österreichischen Apothekerkammer in der Abteilung für selbständige Apotheker;

 

2. die Mitglieder der Österreichischen Patentanwaltskammer;

 

3. die Mitglieder der Architekten- und Ingenieurkonsulentenkammern nach § 1 Abs. 1 Z 1 des Ziviltechnikerkammergesetzes 1993, BGBl. Nr. 157/1994, im Folgenden kurz ZiviltechnikerInnen.

 

(2) Auf Grund dieses Bundesgesetzes sind, soweit es sich um natürliche Personen handelt, in der Unfall- und Pensionsversicherung der in der gewerblichen Wirtschaft selbständig Erwerbstätigen pflichtversichert: 1. die ordentlichen Kammerangehörigen einer Ärztekammer, wenn sie freiberuflich tätig und nicht als Wohnsitzärzte (§ 47 des Ärztegesetzes 1998, BGBl. I Nr. 169) in die Ärzteliste eingetragen sind;

 

2. die Mitglieder der Österreichischen Zahnärztekammer, ausgenommen Angehörige des Dentistenberufs, wenn sie freiberuflich tätig und nicht als Wohnsitzzahnärzte/Wohnsitzzahnärztinnen (§ 29 des Zahnärztegesetzes, BGBl. I Nr. 126/2005) in die Zahnärzteliste eingetragen sind.

 

Eine freiberufliche Tätigkeit ist auch eine Tätigkeit im Rahmen einer Gruppenpraxis nach § 52a Abs. 1 Z 1 ÄrzteG 1998 bzw. nach § 26 Abs. 1 Z 1 ZÄG oder als (geschäftsführender) Gesellschafter einer Gruppenpraxis nach § 52a Abs. 1 Z 2 ÄrzteG 1998 bzw. nach § 26 Abs. 1 Z 2 ZÄG. Als freiberufliche Tätigkeit gilt auch die Behandlung von Pfleglingen der Sonderklasse im Sinne des § 49 Abs. 3 Z 26 ASVG sowie die Tätigkeit als Notarzt/Notärztin im Sinne des § 49 Abs. 3 Z 26a ASVG.

 

(3) Die Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung besteht nur, wenn sie das 15. Lebensjahr vollendet haben.

 

Die Bezug habenden Bestimmungen des Wiener Krankenanstaltengesetzes lauten:

 

§ 12.

 

(1) Der ärztliche Dienst darf nur von Ärzten versehen werden, die zur Ausübung des ärztlichen Berufes berechtigt sind. In Krankenanstalten, deren Größe dies erfordert, ist die Leitung des ärztlichen Dienstes hauptberuflich auszuüben. In Zentral- und Schwerpunktkrankenanstalten ist die Leitung des ärztlichen Dienstes jedenfalls hauptberuflich auszuüben. Zum Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens dieser Bestimmung bestehende Genehmigungen nach Abs. 4 werden von dieser Regelung nicht berührt.

 

(2) Zur Führung von Abteilungen und Departments (Unterabteilungen) für die Behandlung bestimmter Krankheiten, von Laboratorien, Ambulatorien oder Prosekturen sind Fachärzte des einschlägigen medizinischen Sonderfaches, wenn ein solches nicht besteht, fachlich qualifizierte Ärzte zu bestellen, die zur Leitung (Organisation, Personalführung) geeignet sind. Für den Fall der Verhinderung ist die Vertretung durch einen in gleicher Weise qualifizierten Arzt sicherzustellen.

 

(3) Für die Leitung (Organisation, Personalführung) des ärztlichen Dienstes und für die mit der ärztlichen Behandlung der Patientinnen und Patienten zusammenhängenden Aufgaben ist eine zur Leitung befähigte Person zu bestellen, welche nach dem Ärztegesetz 1998 oder dem Zahnärztegesetz berufsberechtigt ist sowie im Hinblick auf das Leistungsangebot der Krankenanstalt entsprechend fachlich geeignet ist. Das Verfügungsrecht des Rechtsträgers in wirtschaftlichen Angelegenheiten bleibt unberührt. Angehörige der medizinischtechnischen Dienste und Hebammen sind dem ärztlichen Leiter unterstellt. (4) Die Bestellung des ärztlichen Leiters und des Leiters der Prosektur ist außer bei Stellen, die auf Grund der einschlägigen Universitätsvorschriften besetzt werden, von der Landesregierung zu genehmigen. Die Genehmigung ist zu erteilen, wenn die vorgesehenen Ärzte den gesetzlichen Voraussetzungen entsprechen. Diese Genehmigung ist, sofern sie nicht im Rahmen der Bewilligung zum Betrieb der Krankenanstalt erfolgt, vor Dienstantritt zu erteilen.

 

(5) Bei Verhinderung der ärztlichen Leitung muss diese durch eine geeignete Person vertreten werden, welche der Landesregierung anzuzeigen ist. Die Voraussetzungen des Abs. 3 sind in der Anzeige zu bescheinigen.

 

( ..)

 

§ 13.

 

(1) Der ärztliche bzw. zahnärztliche Dienst muss so eingerichtet sein, dass 1. ärztliche Hilfe in der Anstalt jederzeit sofort erreichbar ist;

 

2. in Krankenanstalten bzw. Organisationseinheiten, die als Ausbildungsstätten oder Lehrambulatorien anerkannt sind, die Ausbildung der Turnusärztinnen und Turnusärzte gewährleistet ist;

 

3. in dislozierten Wochenkliniken kann außerhalb der Betriebszeiten von einer dauernden Anwesenheit von Fachärztinnen oder Fachärzten der in Betracht kommenden Sonderfächer abgesehen werden, wenn im Bedarfsfall die Weiterbetreuung der Patientinnen und Patienten durch die Mutterabteilung außerhalb der Betriebszeit sichergestellt ist;

 

4. in dislozierten Tageskliniken kann außerhalb der Betriebszeiten von einer dauernden Anwesenheit von Fachärztinnen oder Fachärzten der in Betracht kommenden Sonderfächer abgesehen werden, wenn die erforderliche postoperative und konservative Nachsorge sichergestellt ist.

 

(1a) In Krankenanstalten in der Betriebsform selbstständiger Ambulatorien für physikalische Therapie, in denen keine Turnusärzte ausgebildet werden, kann an Stelle einer dauernden ärztlichen Anwesenheit der ärztliche Dienst so organisiert sein, dass ärztliche Hilfe jederzeit erreichbar ist und durch regelmäßige tägliche Anwesenheit die erforderlichen ärztlichen Anordnungen für das Personal nach dem Bundesgesetz über die Regelung der gehobenen medizinischtechnischen Dienste (MTD-Gesetz) und für Heilmasseure nach dem Bundesgesetz über die Berufe und die Ausbildungen zum medizinischen Masseur und zum Heilmasseur (Medizinischer Masseur- und Heilmasseurgesetz – MMHmG) sowie, neben ärztlichen Anordnungen, auch die erforderliche Aufsicht über medizinische Masseure nach dem MMHmG und Personal nach dem Bundesgesetz über die Regelung des medizinischtechnischen Fachdienstes und der Sanitätshilfsdienste (MTF-SHD-G) gewährleistet ist.

 

( ..)

 

Zu A) Stattgebung der Beschwerde:

 

Im vorliegenden Beschwerdeverfahren ist strittig, ob die MP2 auf Grund ihrer Tätigkeit für die MP1 auf Werkvertragsbasis, in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit in einem Dienstverhältnis im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG oder als freie Dienstnehmerin im Sinne des § 4 Abs. 4 ASVG tätig wurde.

 

a) (Nicht‑)Vorliegen eines Werkvertrages

 

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. u. a. VwGH 20.03.2014, 2012/08/0024) liegt ein Werkvertrag dann vor, wenn die Verpflichtung zur Herstellung eines Werkes gegen Entgelt besteht, wobei es sich um eine im Vertrag individualisierte und konkretisierte Leistung, also eine in sich geschlossene Einheit handeln muss. Der Werkvertrag begründet grundsätzlich ein Zielschuldverhältnis. Die Verpflichtung besteht darin, die genau umrissene Leistung - in der Regel bis zu einem bestimmten Termin - zu erbringen. Mit der Erbringung der Leistung endet das Vertragsverhältnis. Das Interesse des Bestellers und die Vertragsverpflichtung des Werkunternehmers sind lediglich auf das Endprodukt als solches gerichtet. Für einen Werkvertrag essenziell ist ein "gewährleistungstauglicher" Erfolg der Tätigkeit, nach welchem die für den Werkvertrag typischen Gewährleistungsansprüche bei Nichtherstellung oder mangelhafter Herstellung des Werks beurteilt werden können.

 

Den Feststellungen zufolge war (u.a.) vereinbart, dem Institut auf unbefristete Zeit als ärztliche Leiterin und Fachärztin für Physikalische Medizin zur Verfügung zu stehen.

 

Im Sinne der gesetzlichen Bestimmungen zeichnet der ärztliche Leiter als für die mit der ärztlichen Behandlung der Pfleglinge zusammenhängenden Aufgaben (letzt-)verantwortlich. Die Tätigkeit des ärztlichen Leiters besteht daher im Wesentlichen darin, die ärztliche Fachaufsicht auszuüben und sicherzustellen, dass das Personal den gesetzlichen Vorgaben entsprechend in einer den Erfahrungen der medizinischen Wissenschaft entsprechenden Weise tätig wird.

 

Die Tätigkeit als Fachärztin für Physikalische Medizin umfasste den Feststellungen zufolge die Begutachtung von Patienten sowie die Erstellung und Überwachung der Therapiepläne.

 

Die einzelnen sich daraus ergebenden Aufgaben sind nicht im Vorhinein bestimmbar (konkretisiert), sondern richten sich im Bedarfsfall nach den in der jeweiligen Situation bestehenden Erfordernissen.

 

Somit wird kein abgeschlossenes Werk, bei dessen Nichtherstellung oder mangelhafter Herstellung Gewährleistungsansprüche entstehen, sondern der Art nach (gattungsmäßig) umschriebene Tätigkeiten geschuldet, die lediglich zu einem Arbeiten, Tun, Wirken verpflichten.

 

Im vorliegenden Fall wurde somit ein Dauerschuldverhältnis begründet, das im Lichte der Judikatur nicht als Werkvertrag zu qualifizieren ist.

 

Im Weiteren ist daher zu prüfen, ob die MP2 ihre Tätigkeit im Rahmen eines der Pflichtversicherung nach § 4 ASVG unterliegenden Dienstverhältnisses erbracht hat.

 

b) Vorliegen eines versicherungspflichtigen Dienstverhältnisses

 

Grundvoraussetzung für die Annahme eines Dienstverhältnisses gemäß § 4 Abs. 1 iVm Abs. 2 oder § 4 Abs. 4 ASVG ist die persönliche Arbeitspflicht. Fehlt sie, dann liegt ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis im Sinn dieser Bestimmungen schon deshalb nicht vor (Müller DRdA 2010, 371; vgl. auch VwGH 01.10.2015, Ro 2015/08/0020).

 

Die persönliche Arbeitspflicht fehlt dann, wenn dem zur Leistung Verpflichteten ein "generelles Vertretungsrecht" zukommt, wenn er also jederzeit nach Gutdünken beliebige Teile seiner Verpflichtung auf Dritte überbinden kann (vgl. VwGH, 17.11.2004, 2001/08/0131). Damit wird vor allem die Situation eines selbständig Erwerbstätigen in den Blick genommen, der - anders als ein letztlich nur über seine eigene Arbeitskraft disponierender (abhängig) Beschäftigter - im Rahmen seiner unternehmerischen Organisation (oft werkvertragliche) Leistungen zu erbringen hat und dabei Hilfspersonal zum Einsatz bringt oder sich eines Vertreters (Subunternehmers) bedient.

 

Von einer die persönliche Arbeitspflicht ausschließenden generellen Vertretungsbefugnis kann nur dann gesprochen werden, wenn der Erwerbstätige berechtigt ist, jederzeit und nach Gutdünken irgendeinen geeigneten Vertreter zur Erfüllung der von ihm übernommenen Arbeitspflicht heranzuziehen bzw. ohne weitere Verständigung des Vertragspartners eine Hilfskraft beizuziehen. Keine generelle Vertretungsberechtigung stellt die bloße Befugnis eines Erwerbstätigen dar, sich im Fall der Verhinderung in bestimmten Einzelfällen, z.B. im Fall einer Krankheit oder eines Urlaubs oder bei bestimmten Arbeiten innerhalb der umfassenderen Arbeitspflicht vertreten zu lassen; ebenso wenig die bloß wechselseitige Vertretungsmöglichkeit mehrerer vom selben Vertragspartner beschäftigter Personen (vgl. VwGH, 16.11.2011, 2008/08/0152, mwN).

 

Im gegenständlichen Fall spricht gegen das Vorliegen eines "generellen Vertretungsrechts" dass eine jederzeitige Vertretungsmöglichkeit durch eine beliebige Person ihres Vertrauens nicht gegeben ist. Dies schon deshalb nicht, da die Vertretung im Voraus gegenüber dem Amt der Wiener Landesregierung namhaft zu machen war, was eine jederzeitige und beliebige Vertretung schon ausschließt.

 

Zudem führte die MP2 in ihrer Niederschrift am 07.07.2011 aus, dass die Leistungserbringung als ärztliche Leiterin höchstpersönlich sei und ein Vertretungsrecht nur in rein medizinischen Angelegenheiten besteht.

 

Ohne Bedeutung ist auch, dass die (medizinische) Vertretung durch die MP2 selbst entlohnt geworden wäre, weil dies nichts an der Vertretungsbefugnis selbst ändert (vgl. VwGH, 17.10.2012, 2010/08/0256).

 

c) Vorliegen eines Dienstverhältnisses in persönlicher Abhängigkeit

 

Nach der Bejahung der persönlichen Arbeitspflicht ist zu klären, ob bei Erfüllung der übernommenen Arbeitspflicht die Merkmale persönlicher Abhängigkeit einer Person vom Empfänger der Arbeit gegenüber jener persönlicher Unabhängigkeit überwiegen und somit persönliche Abhängigkeit im Sinn des § 4 Abs. 2 ASVG gegeben ist. Dies hängt - im Ergebnis in Übereinstimmung mit dem arbeitsrechtlichen Verständnis dieses Begriffspaares - davon ab, ob nach dem Gesamtbild der konkret zu beurteilenden Beschäftigung die Bestimmungsfreiheit des Beschäftigten durch die Beschäftigung weitgehend ausgeschaltet oder - wie bei anderen Formen einer Beschäftigung (z.B. auf Grund eines freien Dienstvertrages im Sinn des § 4 Abs. 4 ASVG) - nur beschränkt ist (VwGH, 26.08.2014, 2012/08/0100 mwH auf VwGH (verst. Senat), 10.12.1986, 83/08/0200, VwSlg 12325 A/1986).

 

Bei der Abgrenzung zwischen einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis und einem freien Dienstvertrag ist grundsätzlich von der vertraglichen Vereinbarung auszugehen, weil diese die rechtlichen Konturen des Beschäftigungsverhältnisses sichtbar macht und daher als Deutungsschema für die tatsächlichen Verhältnisse dient. Der Vertrag hat die Vermutung der Richtigkeit für sich. Diese müsste durch den Nachweis, dass die tatsächlichen Verhältnisse von den vertraglichen Vereinbarungen über das Vorliegen eines freien Dienstvertrages abweichen, entkräftet werden (VwGH, 25.06.2013, 2013/08/0093).

 

Den Feststellungen zufolge wurde kein Dienstvertrag abgeschlossen, dem die genannte Richtigkeitsvermutung zukommen könnte. Somit hat hier die genannte Abgrenzung zwischen einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis und einem freien Dienstvertrag nach dem Gesamtbild der konkret zu beurteilenden Beschäftigung zu erfolgen.

 

Für das Vorliegen der persönlichen Abhängigkeit sind - im Ergebnis in Übereinstimmung mit dem arbeitsrechtlichen Verständnis dieses Begriffes - als Ausdruck der weitgehenden Ausschaltung der Bestimmungsfreiheit des Beschäftigten durch seine Beschäftigung nur seine Bindung an Ordnungsvorschriften über den Arbeitsort, die Arbeitszeit, das arbeitsbezogene Verhalten sowie die sich darauf beziehenden Weisungs- und Kontrollbefugnisse und die damit eng verbundene (grundsätzlich) persönliche Arbeitspflicht unterscheidungskräftige Kriterien zur Abgrenzung von anderen Formen der Gestaltung einer Beschäftigung, während das Fehlen anderer - im Regelfall freilich auch vorliegender - Umstände (wie z.B. die längere Dauer des Beschäftigungsverhältnisses oder ein das Arbeitsverfahren betreffendes Weisungsrecht des Empfängers der Arbeitsleistung) dann, wenn die unterscheidungskräftigen Kriterien kumulativ vorliegen, persönliche Abhängigkeit nicht ausschließt (vgl. E VwGH, 31.01.2007, 2005/08/0176, mwN).

 

Im vorliegenden Fall steht fest, dass die MP2 ihre Tätigkeit weitgehend in den Betriebsräumlichkeiten der MP1 ausgeübt hat. Dieser Umstand ist alleine jedoch nicht unterscheidungskräftig, weil die Ausübung der vereinbarten Tätigkeit (Leitung des ärztlichen Dienstes, fachärztliche Tätigkeit) der Natur der Sache nach nur im Institut möglich war. Für die Beurteilung der persönlichen Abhängigkeit sind daher im vorliegenden Fall die Bindung an Ordnungsvorschriften über die Arbeitszeit und das arbeitsbezogene Verhalten sowie die sich darauf beziehenden Weisungs- und Kontrollbefugnisse ausschlaggebend.

 

Dass bei der Vereinbarung der Wochentage betriebliche Erfordernisse, wie vorliegend eine höhere Patientenfrequenz an bestimmten Wochentagen, zu berücksichtigen waren, steht der Annahme eines freien Dienstverhältnisses nicht entgegen, zumal auch im Falle einer unabhängigen Beschäftigung zu erwarten ist, dass derartige betriebliche Erfordernisse Berücksichtigung finden.

 

In der Gesamtbetrachtung ist jedoch im Beschwerdefall von einer stillen Autorität des Arbeitgebers auszugehen. Es mag zutreffend sein, dass arbeitsbezogene Weisungen unterblieben sind. Entscheidend ist, wieweit dem Rechtsträger des Institutes Weisungsbefugnisse zustehen. Im medizinischen Bereich fehlen sie schon auf Grund des ÄrzteG; im Verwaltungsbereich können sie immerhin auftreten; bei "kollegialer Führung" des Krankenhauses können jedoch auch diesbezüglich Zweifel bestehen. Halten sich die Elemente der persönlichen Abhängigkeit mit jenen selbständiger Dienste die Waage, entscheidet der Parteiwille, vgl Rz 70. Zum leitenden Arzt einer Klinikambulanz Arb 9317; Krejci in Rummel, ABGB3 § 1151 ABGB Rz 75 (Stand 1.1.2000, rdb.at)

 

Allein aufgrund des behaupteten Fehlens von Weisungen kann die persönliche Abhängigkeit nicht ausgeschlossen werden, zumal sich die MP2 den "Gegebenheiten des Betriebes" angepasst hat. Der Arbeitsort war vorgegeben, die Arbeitszeiten waren zwar flexibel gestaltet, jedoch ergab sich eine tägliche Anwesenheit der MP2 und eine Rufbereitschaft. Die erforderlichen ärztlichen Anordnungen und die Aufsicht über das medizinische Personal konnte sie zudem nur vor Ort vornehmen. Es liegt daher auf der Hand, dass die MP2 nicht in der Lage war, ihren Arbeitsalltag völlig frei und jederzeit selbst zu regeln oder zu ändern.

 

Die Bestimmungsmerkmale der persönlichen Abhängigkeit müssen nicht alle allgemein vorliegen und können in unterschiedlich starker Ausprägung bestehen (Arb 9845, 9972; DRdA 1986/23, ARD 3973/10/88, SZ 70/52). Entscheidend ist, ob die Merkmale der persönlichen Abhängigkeit ihrem Gewicht und ihrer Bedeutung nach überwiegen.

 

Selbst das Fehlen eines an sich unterscheidungskräftigen Merkmales persönlicher Abhängigkeit lässt im Hinblick darauf, dass schon das Überwiegen dieser Merkmale bei der anzustellenden Gesamtbetrachtung genügt, keinen zwingenden Schluss darauf zu, dass die zu beurteilende Tätigkeit nicht der Versicherungspflicht unterliegt; es kommt vielmehr darauf an, ob unter Berücksichtigung aller im Einzelfall gegebenen Umstände die Bestimmungsfreiheit des Beschäftigten durch seine Beschäftigung und während dieser weitgehend ausgeschaltet ist (vgl. das Erkenntnis vom 17. November 2004, ZI. 2001/08/0158, mit weiteren Hinweisen auf die Vorjudikatur).

 

Für die Prüfung der persönlichen Abhängigkeit ist nicht die Weisungsgebundenheit betreffend das Arbeitsverfahren und die Arbeitsergebnisse maßgebend, sondern nur jene betreffend das arbeitsbezogene Verhalten. Die (notwendige) Freiheit von Weisungen fachlicher Art, wie sie für die Ausübung einer Tätigkeit, die in weitgehender Eigenverantwortung verrichtet werden muss (hier: Arzt), kennzeichnend ist, schließt daher das Vorliegen eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses nicht aus (Hinweis E 7. Juli 1992, 88/08/0180 - Wirtschaftstreuhänder), VwGH 97/08/0169 vom 21.11.2001.

 

Nach ständiger Rechtsprechung hat die persönliche Abhängigkeit die wirtschaftliche Abhängigkeit zwangsläufig zur Folge und muss daher nicht gesondert geprüft werden (ua. VwGH vom 22.12.2009, 2006/08/0317; VwGH vom 25.04.2007, 2005/08/0137; VwGH vom 20.12.2006, 2004/08/0221).

 

§ 2 Abs. 2 ÄrzteG erweist eindeutig, dass die von Spitalsärzten "eigenverantwortliche" (also in fachlicher Hinsicht weisungsfreie) Ausführung der eigentlichen medizinischen Tätigkeit mit der Ausübung dieser Tätigkeit im Rahmen eines Dienstverhältnisses iSd § 1151 ABGB und damit in einem Beschäftigungsverhältnis nach § 4 Abs. 2 ASVG durchaus vereinbar ist (VwGH 93/08/0162 vom 31.05.1994).

 

Gemäß Radner-Haslinger-Reinberg, Krankenanstaltenrecht, Anmerkungen zu § 7 des OÖKAG, 156 wird es im allgemeinen zutreffend sein, dass Spitalsärzte in Dienstverhältnissen im Sinne des § 1151 ABGB bzw. in Beschäftigungsverhältnissen nach § 4 Abs. 2 ASVG zum Träger der Krankenanstalt stehen (vgl. dazu OGH, Arb 9489, Bydlinski, Verträge, 355 ff), so ist doch letzteres nicht schlechthin zwingend. Atypische Fälle sind vielmehr durchaus denkbar.

 

In der Gesamtschau (keine Möglichkeit der Vertretung, persönliche Abhängigkeit, wirtschaftliche Abhängigkeit, Einbindung in den Betrieb der GmbH, etc) kann jedoch festgestellt werden, dass im vorliegenden Fall gerade kein solcher atypischer Fall vorliegt, sondern die Gesamtbetrachtung der Umstände zum Ergebnis führen, dass ein Dienstverhältnis als Dienstnehmerin und daher eine Vollversicherungspflicht gemäß § 4 Abs. 1 iVm Abs. 2 ASVG vorliegt.

 

Der Umstand, dass die MP2 seit dem 01.04.2006 in der Pensionsversicherung nach den Bestimmungen des FSVG versichert war, steht einer Pflichtversicherung nach den Bestimmungen des ASVG nicht entgegen:

 

Der VfGH hat wiederholt (Hinweis auf die Erkenntnisse Slg. 4714/1964, 4801/1964, 6015/1969, 6181/1970) ausgesprochen, dass die österreichische Sozialversicherung von dem Grundgedanken getragen wird, dass die Angehörigen eines Berufsstandes eine Risikengemeinschaft bilden, in der der Versorgungsgedanke im Vordergrund steht, der den Versicherungsgedanken in der Ausprägung der Vertragsversicherung zurückdrängt. Es ist für die Pflichtversicherung ohne Belang, ob der Einzelne der Sozialversicherung bedarf, sie erwünscht oder ob er sie für sinnlos erachtet. Über den individuellen Sonderinteressen stehen die gemeinsamen Interessen der in der Pflichtversicherung zusammengeschlossenen Personen. Die Risikengemeinschaft ist eine Solidaritätsgemeinschaft. Dieser Gemeinschaftsgedanke ist für die Sozialversicherung typisch und wesentlich. Gehört nun eine Person mehreren Berufsgruppen an, so entspricht es diesem Grundgedanken, sie auch sozialversicherungsrechtlich jeder dieser Berufsgruppen zuzuordnen. Eine sich hieraus ergebende Doppelversicherung ist somit verfassungsrechtlich unbedenklich (VwGH Ro 2015/08/0021 vom 07.10.2015).

 

Eine bestehende Pflicht(sozial)versicherung schließt eine (mehrere) weitere Versicherungspflicht(en) nicht aus. Soweit die Sozialversicherungsgesetze keine Subsidiaritätsverhältnisse anordnen, kommt nämlich das Prinzip der Mehrfachversicherung zum Tragen. Das heißt, dass im Fall der gleichzeitigen Erfüllung mehrerer Pflichtversicherungstatbestände auch mehrfache Pflichtversicherungen begründet werden (VwGH Ra 2015/08/0173 v 12.10.2016).

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden und der Beschwerde stattzugeben.

 

Entfall der mündlichen Verhandlung:

 

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

 

Gemäß § 24 Abs. 3 1. Satz VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen.

 

Die Beschwerdeführerin hat einen solchen Antrag auf mündliche Verhandlung nicht gestellt. Das Bundesverwaltungsgericht erachtete die Durchführung einer mündlichen Verhandlung von Amts wegen gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG auch nicht für erforderlich. Weder kann dem Grundsatz der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs im vorliegenden Fall durch eine mündliche Verhandlung besser und effizienter entsprochen werden, noch erscheint eine mündliche Verhandlung im Lichte des Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC geboten (vgl. mwN Fister/Fuchs/Sachs, Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren [2013], Anm. 5 zu § 24 VwGVG).

 

Der Sachverhalt erschien zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Bescheides aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde hinreichend geklärt.

 

Der Sachverhalt war auch in wesentlichen Punkten weder ergänzungsbedürftig noch erschien er in entscheidenden Punkten als nicht richtig. Rechtlich relevante und zulässige Neuerungen wurden in der Beschwerde nicht vorgetragen (vgl. zum Erfordernis einer schlüssigen Beweiswürdigung im erstinstanzlichen Bescheid und zur Verhandlungspflicht bei Neuerungen VwGH 11.11.1998, 98/01/0308, und 21.01.1999, 98/20/0339; zur Bekämpfung der Beweiswürdigung in der Berufung VwGH 25.03.1999, 98/20/0577, und 22.04.1999, 98/20/0389; zum Abgehen von der erstinstanzlichen Beweiswürdigung VwGH 18.02.1999, 98/20/0423; zu Ergänzungen des Ermittlungsverfahrens VwGH 25.03.1999, 98/20/0475; siehe auch Ra 2014/20/0017, wonach sich die bisher zu § 67d AVG ergangene Rechtsprechung auf das Verfahren vor den Verwaltungsgerichten insoweit übertragen lässt, als sich die diesbezüglichen Vorschriften weder geändert haben noch aus systematischen Gründen sich eine geänderte Betrachtungsweise als geboten darstellt).

 

Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:

 

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

 

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

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