VwGH 88/08/0180

VwGH88/08/01807.7.1992

Der VwGH hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Puck,Dr. Müller und Dr. Novak als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde 1. der K-GmbH und 2. der Dr. S, beide in X, beide vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in X, gegen den Bescheid des BM für Arbeit und Soziales vom 21.4.1988, Zl. 121.313/1-7/88, betreffend Versicherungspflicht nach dem ASVG und dem AlVG (mitbeteiligte Parteien: 1. Steiermärkische Gebietskrankenkasse 2. PVA der Angestellten 3. Allgemeine Unfallversicherungsanstalt) zu Recht erkannt:

Normen

ABGB §916 Abs1;
ASVG §4 Abs2;
WTBO §28 Abs1 idF 1982/352;
WTBO §28 Abs2 idF 1982/352;
WTBO §28;
ABGB §916 Abs1;
ASVG §4 Abs2;
WTBO §28 Abs1 idF 1982/352;
WTBO §28 Abs2 idF 1982/352;
WTBO §28;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird hinsichtlich des Zeitraumes vom 20. März 1986 bis 7. Juli 1986 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) hat den beschwerdeführenden Parteien Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1.1. Mit Bescheid vom 19. September 1986 lehnte die mitbeteiligte Steiermärkische Gebietskrankenkasse die für die Zweitbeschwerdeführerin per 20. März 1985 als Steuerberaterin erstattete Versicherungsanmeldung und die per 7. Juli 1986 erstattete Versicherungsabmeldung nach dem ASVG und dem AlVG ab. Nach der Begründung dieses Bescheides sei die Zweitbeschwerdeführerin bei der als Dienstgeberin auftretenden erstbeschwerdeführenden Gesellschaft seit deren Gründung am 5. Juli 1984 mit einem Geschäftsanteil von 25 vH beteiligt und habe bis 17. April 1986 als deren alleinzeichnungsberechtigte Geschäftsführerin fungiert. Diese Organstellung sei nicht geeignet, ein Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit zu begründen. Außerdem lege der Gründungsvertrag der erstbeschwerdeführenden Ges.m.b.H. in Punkt 12 fest, daß es zur Abänderung des Gesellschaftsvertrages und der Beschlußfassung über die Auflösung der Gesellschaft der Zustimmung sämtlicher Gesellschafter bedürfe. Insofern komme der Zweitbeschwerdeführerin in diesen Angelegenheiten eine sogenannte Sperrminorität zu, die es ihr ermögliche, solche Beschlüsse zu verhindern. Ferner habe die Zweitbeschwerdeführerin als Gesellschafterin der Erstbeschwerdeführerin die ihr obliegenden Tätigkeiten nach den zwingenden Vorschriften der Wirtschaftstreuhänder-Berufsordnung, BGBl. Nr. 125/1955 (im folgenden: WT-BO), eigenverantwortlich ausgeübt; infolgedessen sei sie nicht einem Arbeitgeberwillen unterworfen gewesen und somit in unternehmerischer Weise selbständig tätig geworden.

Die beschwerdeführenden Parteien erhoben Einspruch.

1.2. Diesem Einspruch gab der Landeshauptmann von Steiermark mit Bescheid vom 16. November 1987 keine Folge und bestätigte den Bescheid der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse. Nach der Begründung dieses Bescheides sei die Zweitbeschwerdeführerin zum Zeitpunkt ihrer Versicherungsanmeldung am 20. März 1985 als alleinzeichnungsberechtigte geschäftsführende Gesellschafterin tätig geworden und sei seit 10. April 1986 infolge eines Generalversammlungsbeschlusses kollektivvertretungsbefugt gewesen. Es könne gesagt werden, daß die Zweitbeschwerdeführerin glaublich bei Ausübung ihrer Tätigkeit eine bestimmte Arbeitszeit einzuhalten gehabt habe und daß diese Arbeitszeit von den drei Gesellschaftern überwacht worden sei. Es werde auch nicht bezweifelt, daß die Zweitbeschwerdeführerin an die Beschlüsse der Generalversammlung in Ausübung ihrer Geschäftsführertätigkeit gebunden gewesen sei. Dennoch müsse festgestellt werden, daß der Zweitbeschwerdeführerin durch ihre Einzelzeichnungsberechtigung bis zum 10. April 1986 und vor allem durch ihre Gesellschaftsanteile von 25 vH und die damit verbundene Sperrminorität tatsächlich ein maßgeblicher Einfluß auf grundsätzliche Fragen der Existenz dieses Unternehmens zukomme. Wenn auch seit 10. April 1986 vorgesehen sei, daß die zwei Geschäftsführer nunmehr kollektiv zu vertreten hätten, so könne eine nachträgliche Änderung der Zeichnungsberechtigung eine bis zu diesem Zeitpunkt gegebene Sachlage nicht rückwirkend ändern. Aber auch nach dieser Änderung liege kein sozialversicherungspflichtiges Dienstverhältnis vor, da der Punkt 12 des Gesellschaftsvertrages nach wie vor bestehe, wonach zur Abänderung des Gesellschaftsvertrages sowie zum Beschluß über die Auflösung der Gesellschaft die Zustimmung aller Gesellschafter notwendig sei. Durch diese sogenannte Sperrminorität habe die Zweitbeschwerdeführerin als geschäftsführende Gesellschafterin der Ges.m.b.H. maßgeblichen Einfluß auf grundsätzliche Fragen der Existenz der Ges.m.b.H., gleichgültig, ob mit Einzelzeichnungs- oder mit Kollektivzeichnungsberechtigung.

Die Beschwerdeführer erhoben Berufung.

1.3. Mit Bescheid vom 21. April 1988 gab der Bundesminister für Arbeit und Soziales dieser Berufung keine Folge und bestätigte den Bescheid des Landeshauptmannes aus seinen zutreffenden Gründen.

Dem Vorbringen der Berufung, ab 17. April 1986 liege kein Hindernis für den Bestand eines sozialversicherungspflichtigen Dienstverhältnisses der Beschwerdeführerin mehr vor, werde entgegengehalten, daß dieser Umstand nicht Gegenstand dieses Verfahrens sei, weil hier nur über den Bestand der Versicherungspflicht "während der Zeit ab 20.3.1985" abzusprechen sei. Eine Entscheidung darüber, ob Versicherungspflicht ab 18. April 1986 bestanden habe, obliege in erster Instanz der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse und nicht der Berufungsbehörde.

Den Beschwerdeführern sei beizupflichten, daß ein Wirtschaftstreuhänder, der seinen Beruf im Rahmen einer Wirtschaftstreuhandgesellschaft m.b.H. ausübe, diesen nach der WT-BO nur eigenverantwortlich ausüben könne. Diese Bestimmung sage nichts darüber aus, ob nach der tatsächlichen Art der Ausübung seiner Tätigkeit im Rahmen der Gesellschaft die Pflichtversicherung in der Sozialversicherung begründet werde oder nicht. Um darüber Feststellungen treffen zu können, seien für den Bereich der Sozialversicherung die tatsächlichen Verhältnisse maßgeblich. Dazu sei es notwendig, die Einwirkungsmöglichkeiten des Gesellschafters auf die Gestion der Gesellschaft zu prüfen. Diesbezüglich sei unbestritten, daß die Zweitbeschwerdeführerin mit 25 vH am Stammkapital der erstbeschwerdeführenden Ges.m.b.H. beteiligt sei. Aus Punkt 12 des Gesellschaftsvertrages gehe hervor, daß zur Abänderung des Gesellschaftsvertrages sowie zum Beschluß über die Auflösung der Gesellschaft die Zustimmung aller Gesellschafter notwendig sei. Dadurch sei die Zweitbeschwerdeführerin in die Lage versetzt, Beschlüsse der Generalversammlung zu verhindern; sie habe demnach eine Rechtsstellung, die zwar nicht die formelle Abhängigkeit des Geschäftsführers von der Ges.m.b.H., aber die für die persönliche Abhängigkeit wesentlichen Merkmale der Fremdbestimmbarkeit ausschließe. Daran ändere der Umstand nichts, daß nach den Angaben der Zweitbeschwerdeführerin und des Dr. K vom 19. Jänner 1988 bei der Art der Beschäftigung der Zweitbeschwerdeführerin gewisse Merkmale persönlicher Abhängigkeit vorhanden seien.

1.4. Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird. Die Beschwerdeführer erachten sich in ihrem Recht verletzt, daß die Zweitbeschwerdeführerin ab 20. März 1986 in die Pflichtversicherung aufgenommen werde. Das Datum vom 20. März 1985 sei in der Versicherungsanmeldung irrtümlich angeführt worden, gemeint sei immer der 20. März 1986 gewesen.

Für das Weisungsrecht der Generalversammlung gegenüber der Zweitbeschwerdeführerin genüge die einfache Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Die Zweitbeschwerdeführerin habe im Hinblick auf ihre nur 25 vH Beteiligung am Stammkapital kein entscheidendes Mitspracherecht. Für die gesamte Geschäftstätigkeit der Ges.m.b.H. gelte das Mehrheitsprinzip (§ 16 GmbHG). Punkt 12 des Gesellschaftsvertrages beträfe lediglich die Abänderung dieses Vertrages und die Gesellschaftsauflösung und fordere hiefür die Zustimmung aller Gesellschafter. Dies seien jedoch Belange, die die Frage der persönlichen Abhängigkeit des Geschäftsführers nicht beträfen. Die tatsächliche Geschäftsführung durch die Zweitbeschwerdeführerin sei strikt nach den Weisungen der Generalversammlung erfolgt, wobei alle Merkmale der persönlichen Abhängigkeit gegeben seien.

Die Bestimmungen der WT-BO über die Eigenverantwortlichkeit der Berufungstätigkeit des Steuerberaters sage nichts darüber aus, ob nach der tatsächlichen Art der Ausübung dieser Tätigkeit die Pflichtversicherung in der Sozialversicherung begründet werde oder nicht. Der Begriff der Eigenverantwortlichkeit sei nicht mit dem Begriff der Selbständigkeit gleichzusetzen. Die Eigenverantwortlichkeit meine lediglich eine besondere Sorgfaltspflicht in der Ausübung des Berufes, wie dies auch bei anderen Berufen gegeben sei (z.B. bei Ärzten im Krankenhaus).

1.5. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor. Die mitbeteiligte Steiermärkische Gebietskrankenkasse und die mitbeteiligte Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten erstatteten Gegenschriften.

2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

2.1. Gegenstand des Abspruches der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse und damit der die erhobenen Rechtsmittel abweisenden Sprüche der Einspruchsbehörde und der belangten Behörde war der Zeitraum vom 20. März 1985 bis zum 7. Juli 1986. Dem Beschwerdepunkt zufolge ist vor dem Verwaltungsgerichtshof die Versicherungspflicht (nur) im Zeitraum vom 20. März 1986 bis zum 7. Juli 1986 strittig.

Entgegen der Auffassung der belangten Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides war auch der Zeitraum vom 18. April 1986 bis zum 7. Juli 1986 Gegenstand des Verwaltungsverfahrens und - wie gesagt - auch des Abspruches im Spruch der belangten Behörde selbst.

Die Begründung der belangten Behörde für die Abweisung der Berufung, was den Zeitraum ab 18. April 1986 betrifft, nämlich daß dieser Zeitraum nicht Gegenstand des Verfahrens sei und darüber erst eine Entscheidung durch die Gebietskrankenkasse zu fällen sein werde, ist jedenfalls unzutreffend.

2.2. Gemäß § 4 Abs. 2 ASVG ist Dienstnehmer im Sinne dieses Bundesgesetzes, wer in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wird; hiezu gehören auch Personen, bei deren Beschäftigung die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber den Merkmalen selbständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit überwiegen.

Zur Frage nach den unterscheidungskräftigen Merkmalen eines Beschäftigungsverhältnisses in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit verweist der Verwaltungsgerichtshof unter Heranziehung des § 43 Abs. 2 VwGG auf seine Erkenntnisse vom 24. Juni 1976, Zl. 415/75 = ZfVB 1976/4/856; vom 20. Mai 1980, Slg. NF Nr. 10.140/A = ZfVB 1981/3/886 (zum IESG); und vom 13. September 1985, Zl. 84/08/0016 = ZfVB 1986/5/2130.

2.3.1. Für die Beurteilung der rechtlichen und wirtschaftlichen Abhängigkeit eines geschäftsführenden Gesellschafters einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung von der Gesellschaft ist zunächst zu prüfen, ob und inwieweit er auf Grund der getroffenen Vereinbarungen einen beherrschenden Einfluß auf die GesmbH hat. Ein solcher ist z.B. auch dann anzunehmen, wenn ein geschäftsführender Gesellschafter nach dem Gesellschaftsvertrag eine Beschlußfassung der Generalversammlung auf Grund einer sogenannten Sperrminorität verhindern kann (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 7. September 1979, Zl. 1706/77 = ZfVB 1980/3/918, eines

verstärkten Senates vom 10. Dezember 1986, Slg. NF

Nr. 12.325/A, vom 16. Oktober 1986, Zl. 81/08/0125 = ZfVB 1987/3/1281, und vom 19. Februar 1991, Zl. 90/08/0092).

Die Zweitbeschwerdeführerin konnte als Gesellschafter-Geschäftsführerin unbestritten (anders noch der Bescheid des Landeshauptmannes von 16. November 1987, Seite 8 unten) allein wegen ihres Anteiles von nur 25 vH am Stammkapital der erstbeschwerdeführenden Ges.m.b.H. keinen beherrschenden Einfluß auf diese Gesellschaft ausüben.

Die belangte Behörde führte allerdings aus, aus Punkt 12 des Gesellschaftsvertrages gehe hervor, daß zur Abänderung des Gesellschaftsvertrages sowie zum Beschluß über die Auflösung der Gesellschaft die Zustimmung aller Gesellschafter notwendig sei. Dadurch sei die Zweitbeschwerdeführerin in die Lage versetzt, Beschlüsse der Generalversammlung zu verhindern. Dies schließe die für die persönliche Abhängigkeit wesentlichen Merkmale der Fremdbestimmbarkeit aus. Im Bescheid des Landeshauptmannes wird diese Befugnis ebenso als "Sperrminorität" bezeichnet wie die (vermeintlichen) mit der Einzelzeichnungsberechtigung im Zusammenhalt mit der 25 vH Beteiligung am Stammkapital verbundenen (Verhinderungs)Befugnisse.

Diese Argumentation ist verfehlt. Es ist für die Frage der persönlichen Abhängigkeit im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG unerheblich, ob die Gesellschafterin in der Lage ist, Beschlüsse der Generalversammlung zur Abänderung des Gesellschaftsvertrages oder zur Auflösung der Gesellschaft zu verhindern. Entscheidend ist vielmehr, ob es der Zweitbeschwerdeführerin möglich war zu verhindern, daß ihr in ihrer Eigenschaft als Geschäftsführerin Weisungen über die Ausübung dieser ihrer Beschäftigung (also hinsichtlich der Arbeitsortes, der Arbeitszeit und des arbeitsbezogenen Verhaltens) erteilt werden. Dies war im Beschwerdefall nach den getroffenen Feststellungen der belangten Behörde nicht möglich.

2.3.2. Die belangte Behörde prüfte demnach zu Recht die weitere Frage, ob der geschäftsführende Gesellschafter (die Zweitbeschwerdeführerin) auf Grund anderer Umstände einen beherrschenden Einfluß auf die GesmbH ausübte.

Dabei ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entscheidend, ob sich Anhaltspunkte dafür ergeben, daß der geschäftsführende Gesellschafter faktisch mehr Rechte in Anspruch nimmt, als ihm auf Grund des Gesellschaftsvertrages und des Geschäftsführervertrages zustehen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 20. März 1981, Zl. 3385/79 = ZfVB 1982/4/1334, vom 18. Dezember 1981, Zl. 3241/79 = ZfVB 1983/1/195, und vom 16. Oktober 1986, Zl. 81/08/0125 = ZfVB 1987/3/1281). Bei der Ausübung und Inanspruchnahme von Befugnissen durch den Geschäftsführer, die über die vertraglich festgelegten Rechte hinausgehen, besteht nämlich die Möglichkeit, daß sich eine Deutung als notwendig erweist, die vertraglichen Vereinbarungen als Scheinvertrag zu werten, was wiederum die Konsequenz haben könnte, daß ein beherrschender Einfluß des Geschäftsführers anzunehmen wäre (vgl. auch hiezu die eben zitierten Erkenntnisse sowie das ebenfalls bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 19. Februar 1991, Zl. 90/08/0092).

Nach dieser Rechtsprechung gelangt man somit auf zwei Wegen zur Verneinung der Versicherungspflicht eines über KEINE SPERRMINORITÄT verfügenden geschäftsführenden Gesellschafters einer GesmbH: Entweder wegen des faktischen Beherrschungstatbestandes oder weil schon nach der vertraglich bedungenen Gestaltung des Beschäftigungsverhältnisses kein Dienstverhältnis im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG vorliegt.

2.4.1. Daß die Beschwerdeführerin über die ihr eingeräumten rechtlichen Befugnisse hinaus faktisch mehr Rechte für sich in Anspruch genommen hätte, als ihr nach der Gesetzes- und Vertragslage zustanden, ist im Verwaltungsverfahren nicht festgestellt worden. Auch die Verwaltungsakten enthalten keinen Hinweis in diese Richtung.

2.4.2. Die Verneinung der Versicherungspflicht könnte aber auch darin ihren Grund haben, daß schon nach der vertraglich bedungenen Gestaltung des Beschäftigungsverhältnisses kein Dienstverhältnis im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG vorläge. In den Bescheiden der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse und des Landeshauptmannes wird die Eigenverantwortlichkeit des Wirtschaftstreuhänders (der Zweitbeschwerdeführerin) als Argument gegen die persönliche und wirtschaftliche Abhängigkeit der Zweitbeschwerdeführerin angeführt. § 28 WT-BO lautete in der Stammfassung:

"Der Beruf des Wirtschaftstreuhänders ist, sofern der Wirtschaftstreuhänder nicht im Angestelltenverhältnis bei anderen Wirtschaftstreuhändern tätig ist, eigenverantwortlich auszüben. Die erforderliche Eigenverantwortlichkeit ist nicht gegeben, wenn der Wirtschaftstreuhänder bei Ausübung seiner Berufstätigkeit an Weisungen fachlicher Art gebunden ist."

Durch die WT-BO-Novelle 1982, BGBl. Nr. 352, wurde der eben wiedergebene Wortlaut als Absatz 1 bezeichnet und ihm folgender Absatz 2 angefügt:

"(2) Die Unabhängigkeit eines Prüfers vom Geprüften bzw. vom Auftraggeber ist insbesondere dann nicht gegeben, wenn einer der Beteiligten unmittelbaren Einfluß auf die Führung der Geschäfte des anderen hat oder wenn Befangenheitsgründe (§ 35 Abs. 4 und 5) vorliegen. Wer die Bücher geführt oder den Abschluß selbst erstellt hat, darf nicht als Abschlußprüfer tätig werden; die beratende Mitwirkung an der Abschlußerstellung ist jedoch kein Ausschließungsgrund."

Vor dem Hintergrund dieser Bestimmung erkennt nun die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid richtig, daß die Regelung der Wirtschaftstreuhänder-Berufsordnung über die eigenverantwortliche Ausübung des Berufes des nicht angestellten Wirtschaftstreuhänders, den dieser in einer Wirtschaftstreuhand-Gesellschaft (z.B. wie hier als Geschäftsführer) ausübt, nichts über die Gestaltung der nach § 4 Abs. 2 ASVG relevanten Beschäftigungsmerkmale, etwa der Weisungsgebundenheit hinsichtlich des arbeitsbezogenen Verhaltens, aussagt. Die zitierte Bestimmung der WT-BO läßt nämlich klar die Zielrichtung der geforderten Art der Eigenverantwortlichkeit erkennen, wenn es im zweiten Satz des § 28 Abs. 1 leg. cit heißt, die erforderliche Eigenverantwortlichkeit sei nicht gegeben, wenn der Wirtschaftstreuhänder bei der Ausübung seiner Berufstätigkeit an Weisungen FACHLICHER Art gebunden sei, wobei dies sodann durch Absatz 2 noch näher spezifiziert wird. Dem gegenüber ist für die Prüfung der persönlichen Abhängigkeit nicht die Weisungsgebundenheit betreffend das Arbeitsverfahren und die Arbeitsergebnisse, sondern betreffend das arbeitsbezogene Verhalten maßgebend (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 17. September 1991, Zl. 90/08/0152, und vom 17. Dezember 1991, Zl. 91/08/0057).

Auf Grund der von der Zweitbeschwerdeführerin und von Dr. K gemachten Angaben geht die belangte Behörde in diesem Zusammenhang davon aus, daß bei der Art der Beschäftigung der Zweitbeschwerdeführerin "gewisse Merkmale persönlicher Abhängigkeit vorhanden" gewesen seien. Im übrigen enthält der angefochtene Bescheid in dieser Frage keine weiteren Ausführungen. Er bestätigt vielmehr den Bescheid des Landeshauptmannes aus seinen zutreffenden Gründen und verweist somit auf diese. Dort heißt es, wie bereits oben zu Punkt 1.2. wiedergegeben, daß die Zweitbeschwerdeführerin "glaublich" bei Ausübung ihrer Tätigkeit eine bestimmte Arbeitszeit einzuhalten gehabt und diese Arbeitszeit "von den drei Gesellschaftern" überwacht worden sei; es werde auch nicht bezweifelt, daß sie an die Beschlüsse der Generalversammlung in Ausübung ihrer Geschäftsführertätigkeit gebunden gewesen sei. Allerdings bewirke die "Sperrminorität", daß die Zweitbeschwerdeführerin tatsächlich einen maßgebenden Einfluß auf grundsätzliche Fragen der Existenz des Unternehmens gehabt habe. Diese Ausführungen lassen erkennen, daß Landeshauptmann und Bundesminister in ihren Erwägungen an sich - d.h. losgelöst von der Frage der sogenannten Sperrminorität - das Vorliegen eines sozialversicherungsrechtlichen Beschäftigungsverhältnisses im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG nicht ausgeschlossen haben.

2.5. Aus der verfehlten Auffassung der belangten Behörde in der Frage der sogenannten Sperrminorität der Zweitbeschwerdeführerin in der erstbeschwerdeführenden Gesellschaft m.b.H. folgt, daß die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet hat.

Der angefochtene Bescheid war daher in dem in Beschwerde gezogenen zeitlichen Umfang wie im Spruch gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

2.6. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 2 VwGG in Verbindung mit Art. I Z. 1 und Art. III Abs. 2 der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 104/1991.

2.7. Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

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