BVwG W119 2160874-1

BVwGW119 2160874-128.1.2022

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §55

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2022:W119.2160874.1.00

 

Spruch:

W119 2160874-1/38E

 

 

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a Eigelsberger als Einzelrichterin über die Beschwerde der XXXX , geb. XXXX , StA. Volksrepublik China, vertreten durch die BBU GmbH und durch Rechtsanwältin Prof. Mag. Dr. Vera M. WELD, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 17.5.2017, Zahl: 1073913408/ 150688684, nach einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3, 57 AsylG 2005, § 9 BFA-VG und §§ 46, 52, 55 FPG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige der Volksrepublik China, reiste illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 17.6.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Im Rahmen ihrer Erstbefragung vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am selben Tag gab sie im Wesentlichen an, in XXXX geboren, ledig sowie ohne Bekenntnis zu sein und der Volksgruppe der Han anzugehören. In XXXX habe sie von 1975 bis 1980 die Grundschule und von 1980 bis 1982 die Hauptschule besucht und als Verkäuferin gearbeitet.

Zu ihrem Fluchtgrund brachte die Beschwerdeführerin vor, Ende März 2015 eine Chinesin kennengelernt zu haben, welche ihr empfohlen hätte, Gesundheitsdecken an ältere Leute zu verkaufen. Da jede Decke ca. 11 000 RMB gekostet hätte, hätte sie sehr gut verdienen können. Nach ca. einem Monat habe sie 30 bis 40 Stück verkauft und Mitte April 2015 erfahren, dass diese Chinesin von der Polizei festgenommen worden sei, weil es sich bei diesen Decken um Betrug gehandelt hätte. Die Polizei habe ebenfalls nach der Beschwerdeführerin gesucht, die aus Angst vor einer Festnahme und einer Inhaftierung im Gefängnis geflüchtet sei. Dies sei ihr einziger Fluchtgrund.

Am 4.5.2017 wurde die Beschwerdeführerin vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: Bundesamt oder belangte Behörde) niederschriftlich einvernommen und erklärte im Wesentlichen zunächst, in XXXX in China geboren zu sein. Ihre Eltern seien beide eines natürlichen Todes verstorben, in der Heimat lebe noch ihr Bruder. Sie selbst sei ledig und habe keine Sorgepflichten. Gewohnt habe sie zuletzt alleine in der Provinz Liaoning, in der Stadt XXXX . Weiters gab sie an, konfessionslos zu sein und der Volksgruppe der Han anzugehören. Ihre Muttersprache sei Chinesisch, weitere Sprachen könne sie nicht. In China habe sie neun Jahre die Schule besucht und über zehn Jahre als Gemüseverkäuferin gearbeitet. Zusätzlich sei sie für ca. einen Monat Vertriebsverkäuferin gewesen.

Bezüglich ihres Fluchtgrundes brachte sie vor, dass die Kunden, die Ihr Produkt gekauft hätten, nach einiger Zeit entdeckt hätten, dass es unecht gewesen wäre. Daraufhin hätten sie von der Beschwerdeführerin ihr Geld zurückverlangt und sie China verlassen, um einer Festnahme durch die Polizei zu entgehen. Sie hätte Angst gehabt, dass sie sie erschlagen. Weitere Fluchtgründe gebe es nicht.

Mehrmals aufgefordert, Einzelheiten und Details zu nennen, erklärte die Beschwerdeführerin, sie hätten ihr gesagt, wenn sie ihnen das Geld nicht zurückzahle, würden sie sie schlagen. Im März hätte sie mit der Arbeit gekommen, schon im April habe man bemerkt, dass die Produkte nicht echt gewesen seien. Alle wären vor ihrer Wohnung gewesen und hätten ihr Geld wiederhaben wollen. Dann hätten sie die Polizei angerufen, weswegen sie weggelaufen sei. Bei den verkauften Produkten habe es sich um gesundheitsfördernde Decken gehandelt. Wenn man diese verwende, würde man keine Kopfschmerzen bekommen, der Blutdruck niedriger sein und sie wären auch gut für Herzkrankheiten. Die Decke wäre gut für alle Krankheiten. Aus welchen Materialien sie hergestellt worden sei, wisse sie nicht, sie hätten einen näher genannten Markennamen, die Herstellerfirma kenne sie jedoch nicht. Ihre Arbeit sei gewesen, die Decken zu verkaufen bzw. neue Kunden zu finden. Den Chef der Firma kenne sie nicht, die Firmenphilosophie wäre gewesen, die Gesundheit zu fördern. Eine Decke hätte 15 000 RMB gekostet. Bei einer Rückkehr befürchte die Beschwerdeführerin, dass die Polizei sie festnehmen und ihr die Arme und Beine abhacken würde. Sie sei nicht mehr die Jüngste und zudem sei sie krank, konkret sei ihr Blutdruck sehr hoch. Beim Arzt sei sie noch nie gewesen und nehme auch keine verschriebenen Medikamente.

Mit dem gegenständlichen, im Spruch angeführten, Bescheid wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG hinsichtlich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf ihren Herkunftsstaat Volksrepublik China abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG nicht erteilt, gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz wurde gegen die Beschwerdeführerin eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführerin gemäß § 46 FPG in die Volksrepublik China zulässig sei (Spruchpunkt III.). Unter Spruchpunkt IV. wurde festgehalten, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.

Dagegen wurde rechtzeitig Beschwerde in vollem Umfang erhoben.

Mit Beschluss vom 21.10.2020, GZ W 119 2160874-1/7E, stellte das Bundesverwaltungsgericht das Beschwerdeverfahren gemäß § 24 Abs. 2 AsylG ein. Nach Übermittlung der neuen Meldeadresse beantragte die Beschwerdeführerin am 17.12.2020 durch ihren bevollmächtigten Vertreter die Fortsetzung des Beschwerdeverfahrens, woraufhin das Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss vom 8.2.2021, GZ 119 2160874-1/10Z, das Verfahren gemäß § 24 Abs. 2 AsylG fortsetzte.

Am 17.5.2021 langte beim Bundesverwaltungsgericht eine Stellungnahme der Beschwerdeführerin ein, in der im Wesentlichen vorgebracht wurde, dass die Beschwerdeführerin in der Heimat wegen ihrer Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der prostituierten Frauen in China von Verfolgung bedroht wäre. Zudem sei sie eine alleinstehende Frau ohne sozialen Anschluss, welche im reiferen Alter nach jahrelanger Tätigkeit als Prostituierte nach einem Aufenthalt aus dem Ausland zurückkehre und von finanzieller Notlage, aber auch unmenschlichen Haftstrafen wegen der Ausübung der Prostitution bedroht sei.

Am 18.5.2021 führte das Bundesverwaltungsgericht unter Beiziehung einer Dolmetscherin für die Sprache Chinesisch eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der das Bundesamt als Verfahrenspartei nicht teilnahm.

Die Beschwerdeführerin legte eingangs einen Befundbericht eines Neurologen vom 16.1.2020, einen MRT-Befund vom 13.2.2020, ein histologisches Gutachten vom 26.6.2019, einen vorläufigen Entlassungsbericht der gynäkologischen Abteilung eines Krankenhauses vom 21.8.2019 sowie diverse Fotos, die die Integration belegen sollen, die Bestätigung über die erfolgte Meldung der Prostitutionsausübung gemäß § 5 Abs. 1 WPG 2011 sowie die Einkommensteuerbescheide 2017 und 2018 und Einnahmen Ausgaben-Rechnungen von 2016 vor.

Sie erklärte im Wesentlichen, in XXXX in der Provinz Liaoning geboren zu sein und in der Heimat die Pflichtschule besucht zu haben. In China lebe noch ein älterer Bruder, der keine Familie habe und Handys verkaufe. Sie würden sich immer zum Neujahr begrüßen. Nachgefragt, wie ihr Verhältnis zum Bruder gewesen sei, als sie noch in China gelebt habe, antwortete die Beschwerdeführerin, zwei Jahre nach ihrer Ausreise hätten sie noch Kontakt gehabt, später nicht mehr, weil er sich über sie geärgert hätte. Grund dafür sei, dass sie, nachdem sie ihre erste Arbeit als Köchin in einem Restaurant verloren habe, zehn Jahre lang bis zum Jahr 2015 an einem Stand in XXXX Gemüse verkauft und dann an einem Kettenverkauf teilgenommen hätte. Kettenverkauf heiße Bettwarenverkauf und die Personen, die bei ihr gekauft hätten, hätten das Geld zurückverlangt. Da sie nicht dort gewesen sei, hätten sie ihren Bruder aufgesucht.

Nach der Pflichtschule habe die Beschwerdeführerin keine Berufsausbildung absolviert, sondern als Köchin gearbeitet und anschließend zehn Jahre Gemüse an einem Stand verkauft.

2015 sei sie von einem Mann angeworben worden, um die Waren, die gut für die Gesundheit wären, zu verkaufen. Nachdem sie dies ca. einen Monat lang getan habe, sei sie draufgekommen, dass die Waren gefälscht gewesen seien. Konkret habe sie Decken verkauft, die gegen Krankheiten helfen könnten. Nachgefragt, was dies für spezielle Bettdecken wären, antwortete die Beschwerdeführerin zunächst, eine „große weiße Decke“, nachgefragt ob es sich um eine medizinische Bettdecke gehandelt habe, erwiderte sie, nein, eine allgemeine Decke. Man habe ihr gesagt, dass wenn man sich damit zudecke, ein magnetisches Feld in der Decke entstehe. Helfen solle sie gegen Herzkrankheiten und Blutversorgung im Gehirn und Gelenkserkrankungen. Welches Unternehmen diese Decke produziere wisse sie nicht. Verkauft habe sie diese in einer Halle, in einem Zimmer. Jeder Kunde habe die Decke 10 Minuten probieren können, nach 10 Minuten fühle man sich wohl. Sie glaube, sie habe über 100 Stück verkauft, das Innenleben der Decken habe sie sich nicht ansehen können.

Nach zwei Tagen sei die Wirkung der Decken verschwunden, woraufhin die Kunden „uns“ aufgesucht hätten. Die Beschwerdeführerin habe das Geld nicht kassiert, sondern ihr Vorgesetzter, die Kunden hätten bei den anderen bezahlt. Nachgefragt, bei welchen anderen, antwortete die Beschwerdeführerin, sie hätten das Geld ihr gegeben und sie es sofort weitergegeben. Wie der bzw. die Vorgesetzte geheißen habe, wisse sie nicht, sie habe bei ihr nicht den ganzen Namen gesagt. Wenn der Kunde komme, bringe die Vorgesetzte eine Decke zur Beschwerdeführerin und kassiere das Geld. Sie selbst habe nur die Werbung gemacht, eigentlich habe ihre Vorgesetzte den Verkauf abgewickelt. Dass die Beschwerdeführerin belangt worden sei, erklärte sie damit, dass sie die Decke vorgestellt habe. Die Kunden hätten sie zurückgeben und das Geld erstattet haben wollen. Die Vorgesetzte habe das gesehen und sei verschwunden. Daraufhin hätten die unzufriedenen Kunden eine Anzeige bei der Polizei erstattet, die die Vorgesetzte der Beschwerdeführerin gesucht habe. Da die Kunden angekündigt hätten, weitere Anzeigen machen zu wollen, habe sich die Beschwerdeführerin auch versteckt. Sie sei davongelaufen, manchmal habe man sie dort gefunden und geschlagen. Dadurch wäre ihr Gedächtnis immer schlechter geworden. Vorgehalten, vor der Behörde habe sie gesagt, dass sie Angst habe, von den Kunden geschlagen zu werden, antwortete die Beschwerdeführerin, Angst sei viel schlimmer. Auch befürchtete sie, dass die Polizei sie festnehme. Kunden hätten ihr gesagt, dass die Polizei sie festnehmen werde.

Vorgehalten, die Beschwerdeführerin habe zuerst gesagt, die Kunden hätten sich auch an ihren Bruder gewandt, antwortete die Beschwerdeführerin, dies sei einige Jahre später gewesen.

In der Heimat habe die Beschwerdeführerin zunächst mit ihren Eltern zusammengelebt und dann in einer Wohnung eines guten Freundes.

Aktuell sei sie beim Gynäkologen und wegen des Herzens in medizinischer Behandlung.

Der Versuch der erkennenden Richterin, mit der Beschwerdeführerin auf Deutsch zu kommunizieren scheiterte, weil sie kein Wort Deutsch sprach.

Dass die Beschwerdeführerin nach über fünf Jahren in Österreich noch keinen Deutschkurs besucht habe, begründete sie damit, dass sie die ersten beiden Jahre hier sehr fremd gewesen sei und es ihr danach gesundheitlich nicht gut gegangen wäre. Wenn die Pandemie vorbei sei, wolle sie gut Deutsch lernen. Seit Corona sei sie nicht mehr berufstätig. Den Herren, der draußen auf sie wartete, verstehe sie manchmal, manchmal nicht. Wenn sie ihn nicht verstehe, dolmetsche dessen Gattin. Die beiden seien Freunde der Beschwerdeführerin. Auch habe sie einen Partner, mit dem sie nicht zusammenlebe, den sie aber alle drei bis fünf Tage aufsuche. Sie kenne ihn seit letztem September oder Oktober, kennengelernt hätten sie sich bei der Arbeit. Im September habe sie ihre Tätigkeit schon ausüben dürfen. Er rufe sie an und dann suche sie ihn auf. Zu ihren Geburtstagen würden sie etwas zusammen unternehmen. Als Zeuge wolle sie ihn jedoch nicht einvernehmen lassen. Vielleicht wolle er die Beziehung nicht angeben, er sei verheiratet gewesen. Ihr Freund bezahle Lebensmittel für sie und habe ihr auch Schmuck geschenkt. Verwandte in Österreich habe die Beschwerdeführerin nicht, und auch keine Kurse besucht. Ehrenamtliche Tätigkeiten übe sie nicht aus.

Bezüglich Ihrer Rückkehrbefürchtung erklärte die Beschwerdeführerin, in China habe sie keine Freunde, keine Verwandten und keinen Wohnsitz. Zudem sei sie hier als Prostituierte tätig gewesen, was dort verboten sei.

Im Rahmen der Verhandlung wurde der vor dem Verhandlungssaal wartende Bekannte der Beschwerdeführerin als Zeuge einvernommen und gab im Wesentlichen an, die Beschwerdeführerin ungefähr seit 2015 oder 2016 zu kennen. Er sei damals mit einer Chinesin liiert gewesen, mit der er mittlerweile verheiratet sei, und habe die Beschwerdeführerin, die daraufhin mit seiner Frau zusammengearbeitet habe, im Bereich des Naschmarktes kennengelernt. Als die Beschwerdeführerin eine Wohnung gesucht habe, habe er sie bei sich aufgenommen, sie sei bei ihm gemeldet gewesen, bis sie eine eigene Unterkunft gefunden habe. So sei der soziale Kontakt entstanden, sie hätten sie zuweilen zu Geburtstagen eingeladen und auch gemeinsam Kurzurlaube verbracht. Später habe die Beschwerdeführerin einen Freund gehabt, der mittlerweile verstorben sei. Sie feierten zusammen in einer Gruppe von Leuten die österreichischen und chinesischen Feiertage und gingen auch miteinander essen. Soviel er wisse, habe die Beschwerdeführerin wieder einen österreichischen Freund. Der Zeuge selbst spreche ein wenig Chinesisch und sie hätten zusammen Deutsch gelernt. Die Beschwerdeführerin kaufe alleine ein, fahre zur Arbeit und mit dem Zug. Mit schwierigen Dokumenten komme sie zu ihnen.

Seitens der Richterin wurden die Länderfeststellungen zur Situation in China (Gesamtaktualisierung am 16.12.2019, letzte Information vom 4.6.2020) sowie ein Länderbericht zur Coronakrise in China in das Verfahren eingeführt und eine zweiwöchige Frist zur Abgabe einer Stellungnahme gewährt.

In der am 31.5.2021 erstatteten Stellungnahme der Beschwerdeführerin wurde im Wesentlichen erneut darauf verwiesen, dass der Anknüpfungspunkt zu einem Konventionsgrund in ihrer Zugehörigkeit zur „sozialen Gruppe der prostituierten Frauen in China“ liege. Zu ihrem Bruder bestehe nur sporadischer Kontakt, zudem habe er sich nach den Angaben der Beschwerdeführerin über sie geärgert, sodass kein Vertrauensverhältnis mehr existiere und keine Unterstützung von ihm zu erwarten sei. Sie habe weder ein soziales noch ein familiäres Netzwerk, auf das sie in China zurückgreifen könnte, keine Berufsausbildung, sei über 50 Jahre alt, somit nahe dem Pensionsalter von Frauen in China und lebe nun seit über fünf Jahren im Ausland. Zudem sei sie bereits einmal aufgrund einer Vorstufe von Gebärmutterkrebs an der Gebärmutter operiert und es bestehe der Verdacht auf eine schwere Diabeteserkrankung. Diesbezüglich wurden mit dieser Stellungnahme die aktuellen Laborwerte vorgelegt sowie eine Überweisung für eine weiterführende Untersuchung, damit die Behandlungsmöglichkeiten eingeschätzt und eine differenziertere Diagnose erstellt werden können. Außerdem liege der dringende Verdacht auf Diabetes Mellitus vor, welcher zur Abklärung noch weiterer ärztlicher Untersuchung bedürfe.

Mit Schriftsatz des Bundesverwaltungsgerichtes (Parteiengehör) vom 2.9.2021, GZ W119 2160874-1/25Z, wurde die Beschwerdeführerin darauf hingewiesen, dass aufgrund der vorgelegten Laborbefunde, die sich lediglich auf ihre Diabeteserkrankung beziehen, nicht festgestellt werden könne, ob ihre Erkrankungen (Diabetes mellitus, Hypertonie und Dyslipidämie) zu einem erhöhten Risiko eines schweren COVID-19 Verlaufes führen könnten. Es wurde ersucht, detaillierte Befundberichte zur Diabeteserkrankung (wesentlich vor allem der HBA1c-Wert), zur Hypertonie (Bekanntgabe der Werte, die zu dieser Diagnose führten) und zur Dyslipidämie (Bekanntgabe der Werte, die zu dieser Diagnose führten) binnen zwei Wochen ab Zustellung dieses Schreibens vorzulegen. Diese Befundberichte seien für die Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens erforderlich. Wenn eine Erkrankung nicht in der Verordnung angeführt sei, bedürfe es einer einzelfallbezogenen medizinischen Bewertung, um das Risiko eines Krankheitsverlaufes abschätzen zu können.

Mit einer mit 9.9.2021 datierten Stellungnahme legte die Beschwerdeführerin ein Arztschreiben einer Gruppenpraxis vor, in dem allgemein angeführt wurde, dass aufgrund der Kumulation der vorliegenden Befunde ein erhöhtes Risiko im Falle einer Covid 19-Infektion bestehe. Entsprechend konkret begründet wurde dies nicht.

Am 5.12.2021 erstellte ein Facharzt für Innere Medizin im Auftrag des Bundesverwaltungsgerichtes ein Internistisches Sachverständigengutachten auf Basis der von der Beschwerdeführerin vorgelegten Befunde und kam zur folgenden zusammenfassenden Beurteilung:

„Bei der Beschwerdeführenden Partei liegen folgende Diagnosen vor:

 Hochgradige plattenepitheliale intraepitheliale Neoplasie (Karzinom) im Bereich der Gebärmutter, Diagnose 14.06.2019 im Rahmen einer Curettage und notwendige Nachcurettage am 21.08.2019.

 Arterielle Hypertonie, derzeit soweit ersichtlich mit einem AT-II-Blocker therapiert.

Einzig vorliegender Blutdruckwert 140/100 basierend vom 09.09.2019.

 Diabetes mellitus Typ II – HbA1c 5,9 (Normbereich), aber ein pathologischer Glucose-

Toleranztest, therapiert mit Metformin

 Hyperlipidämie (therapiert mit einem Statin 20 mg)

Weitere Vorerkrankungen:

 St.p. zerebraler Insult 2010

 

Bezugnehmend auf die gestellte Frage kann nur wie folgt geantwortet werden:

In der Rechtvorschrift für Covid-19-Risikopatienten sind folgende medizinische Indikationen angeführt:

 Aktive Krebserkrankung mit einer jeweils innerhalb der letzten 6 Monate erfolgten onkologischen Pharmatherapie (oder Biologischen Therapie) oder einer erfolgten Strahlentherapie sowie metastasierenden Krebserkrankungen ohne laufende Therapie.

 Diabetes mellitus Typ II mit einem regelmäßig erhöhten HbA1c über 8,5.

 Arterielle Hypertonie mit bestehenden Endorganschäden, insbesondere chronische Herz- oder Niereninsuffizienz oder nicht kontrollierbarer Blutdruckeinstellung.

 

Beurteilung:

In den mir vorliegenden Befunden ist „nur“ eine hochgradige plattenepitheliale intraepitheliale Neoplasie der Gebärmutter ersichtlich, inwieweit weiterführende onkologische Maßnahmen gesetzt worden sind, sind mir keine Informationen vorliegend, das heißt aber eine aktive Krebserkrankung dürfte vorliegen.

Inwieweit hier eine Therapie, außerchirurgische Sanierung stattgefunden hat ist nicht erhebbar.

Weiters die relevanten angeführten Diagnosen wie Diabetes mellitus Typ II, arterielle Hypertonie entspricht nicht einer medizinischen Indikation einer Covid-19-Risikogruppe.

Das heißt zusammengefasst, ist das Vorliegen der gynäkologischen Neoplasie der einzige Grund, der für die Zuordnung in eine Covid-19-Risokogruppe fallen würde.

 

Ob weiterführende onkologische Maßnahmen wie Strahlentherapie, Chemotherapie,biologische Therapien stattgefunden haben, bzw eine metastasierende Krebserkrankungen vorliegt (Ergebnisse einer genauen Durchuntersuchung liegen nicht vor bzw. wurde möglicherweise auch nicht gemacht),

ist in den vorliegenden Unterlagen nicht ersichtlich.

 

Anders gesagt es liegen keine AHP dafür vor dass die Maßnahmen notwendig waren, bzw. Ergebnisse im Sinne einer metastasierenden Krebserkrankung bei der Patientin vorliegen.

 

Die anderen angeführten Diagnosen sind wie gesagt nicht in die Risikogruppe für besonders

schwere Covid-19-Verläufe einzuordnen.

[…]“

Am 21.12.2021 wurde die mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht fortgesetzt, das vom Sachverständigen erstellte Gutachten in das Verfahren eingeführt und der Beschwerdeführerin von der Dolmetscherin übersetzt.

Jene äußerte sich dazu im Wesentlichen dahingehend, dass sie regelmäßig Medikamente nehme und die nächste Kontrolle beim Gynäkologen im Februar habe. Bei der letzten Kontrolle habe es geheißen, dass sie eine kleine „Beule“ hätte. Bei ihrer Untersuchung gehe es um „Kopf, Blut und […] Zucker“ die vorgelegten Medikamente nehme sie seit August, bei Cerebokan handle es sich um einen Blutverdünner für ihren Kopf. Seitens der erkennenden Richterin wurde angemerkt, dass es ein Medikament aus Blättern des Ginkgobaumes sei, welches die Durchblutung im Bereich sehr kleiner Blutgefäße fördere. Weiters nehme die Beschwerdeführerin Thrombo ASS 75 mg zur Verminderung des Risikos eines Herzinfarktes bzw. Schlaganfalles, Atorvastatin Genericon 20 mg zur Regulierung der Blutfette, Metformin Hexal 500 mg (laut Beschwerdeführerin zur Regulierung des Blutzuckerspiegels) sowie Candesarcomp 16 mg/12,5 mg zur Behandlung des Bluthochdruckes.

Bezüglich der Fluchtgründe habe sich seit der letzten Verhandlung nichts geändert, die Beschwerdeführerin betonte, jetzt gehe es nur um ihre Krankheit. Bezüglich ihrer integrativen Fortschritte brachte sie vor, im Februar einen A1 Sprachkurs machen zu wollen. Sonst habe sich auch hier nichts geändert.

Die erkennende Richterin übergab die Länderfeststellungen zur Situation in China, Gesamtaktualisierung am 5.1.2021, und gewährte eine dreiwöchige Frist zur Abgabe einer Stellungnahme hierzu bzw. zu dem Sachverständigengutachten.

Diese Stellungnahme langte am 11.1.2022 beim Bundesverwaltungsgericht ein. Demnach bestätige der Sachverständige ausdrücklich, dass die Beschwerdeführerin aufgrund ihrer gynäkologischen Neoplasie in die Covid-19-Risikogruppe gemäß § 2 Abs. 1 der Risikogruppen-Verordnung falle. Diesbezüglich habe der Gutachter seinem Aktengutachten nicht alle notwendigen Befunde zugrunde gelegt und treffe keine abschließenden Feststellungen zu einer erfolgten Therapie der Krebserkrankung. Gleichzeitig verkenne er, dass die Beschwerdeführerin auch aufgrund ihrer weiteren Diagnosen und der damit einhergehenden Kumulation der Erkrankungen zusätzlich auch gemäß § 2 Abs 2 der Covid-Risikogruppe-Verordnung in die Covid-19-Risikogruppe fiele. Mit Schriftsatz von 9.9.2021 habe die Beschwerdeführerin eine medizinische Einschätzung einer Gruppenpraxis für Allgemeinmedizin vorgelegt, wonach sie aufgrund der bei ihr kumulativ vorliegenden Diagnosen einer Covid-19-Risikogruppe angehöre. In dieser Einschätzung sei also das Vorliegen des Abs. 2 leg cit. bestätigt worden. Diese Ergebnisse habe der Sachverständige seinem Gutachten nicht zu Grunde gelegt. Eine Prüfung der Kumulation der Krankheitsbilder wäre jedoch notwendig gewesen, um eine umfassende Prüfung einer COVID-19 Risikogruppe darzustellen. Das Gutachten sei demnach unvollständig und die Beschwerdeführerin beantrage eine Gutachtensergänzung im Hinblick auf die Frage, ob eine Kumulation der Befunde dazu führe, dass sie in eine Risikogruppe für einen schweren COVID-19-Verlauf falle und zwar unter Miteinbeziehung eines Befundes einer aktuellen gynäkologischen Nachuntersuchung in die Beurteilung.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige der Volksrepublik China, stammt aus der Stadt XXXX in der Provinz Liaoning, ist konfessionslos und gehört der Volksgruppe der Han an.

Die Beschwerdeführerin reiste illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 17.6.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Das Fluchtvorbringen, wegen des Verkaufs von gefälschten bzw. unwirksamen Gesundheitsdecken von den Kunden bzw. der Polizei verfolgt zu werden, hat sich als nicht glaubwürdig erwiesen.

Die Beschwerdeführerin ist bei einer Rückkehr wegen der nur in Österreich ausgeübten Prostitution in China nicht ernsthaft von Verfolgung durch die Behörden bedroht.

Der Beschwerdeführerin droht allein aufgrund der allgemeinen Sicherheitslage ohne Hinzutreten individueller Faktoren in der Volksrepublik China Aktuell mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit ihrer Person, ebenso wenig wäre ihr im Falle einer Rückkehr ins Herkunftsland die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen.

Die Beschwerdeführerin wuchs in XXXX auf, wurde dort sozialisiert, absolvierte die Pflichtschule und erwirtschaftete sich anschließend zunächst ihr Einkommen als Köchin in einem Restaurant und die letzten zehn Jahre vor der Ausreise als Gemüseverkäuferin. Ihre Muttersprache ist Chinesisch. Sie hat keine Sorgepflichten. Festgestellt wird daher, dass die Beschwerdeführerin in der Lage ist, durch eigene Erwerbstätigkeit in China ihren Unterhalt zu sichern. Zudem befindet sich noch ihr Bruder in der Heimat, der als Handyverkäufer tätig ist und auch keine Sorgepflichten hat. Da das Fluchtvorbringen der Beschwerdeführerin unglaubwürdig ist, sind ihre Angaben, das Vertrauensverhältnis zwischen den beiden wäre deshalb zerstört, weil sich die angeblich geschädigten Kunden Jahre später an ihn gewandt hätten, nicht glaubwürdig. Die Beschwerdeführerin verfügt in der Volksrepublik China über Freunde, ein solcher gewährte ihr auch eine Wohnmöglichkeit.

Bei der Beschwerdeführerin liegen folgende medizinische Diagnosen vor:

 Hochgradige plattenepitheliale intraepitheliale Neoplasie (Karzinom) im Bereich der Gebärmutter, Diagnose 14.6.2019 im Rahmen einer Curettage und notwendige Nachcurettage am 21.8.2019. Ergebnisse im Sinne einer existierenden metastasierenden Krebserkrankung liegen jedoch laut dem vom Bundesverwaltungsgericht in Auftrag gegebenen Sachverständigengutachten nicht vor.

 Arterielle Hypertonie, derzeit soweit ersichtlich mit einem AT-II-Blocker therapiert.

Einzig vorliegender Blutdruckwert 140/100 basierend vom 9.9.2019.

 Diabetes mellitus Typ II – HbA1c 5,9 (Normbereich), aber ein pathologischer Glucose-

Toleranztest, therapiert mit Metformin

 Hyperlipidämie (therapiert mit einem Statin 20 mg)

Weitere Vorerkrankungen:

 St.p. zerebraler Insult 2010

In Österreich halten sich weder Familienangehörige noch Verwandte der Beschwerdeführerin auf. Die Beschwerdeführerin hat in Österreich einen Partner, den sie alle drei bis fünf Tage trifft und der sie beim Kauf von Lebensmitteln unterstützt. Dennoch existiert kein familienähnliches Verhältnis in der hier relevanten Identität, zumal ansonsten keine finanzielle Abhängigkeit besteht.

Die unbescholtene Beschwerdeführerin verfügt über keine Deutschkenntnisse, besuchte keine Kurse oder Ausbildungen und war nie ehrenamtlich tätig. Ihren Unterhalt verdient sie sich im Bundesgebiet legal als Sexarbeiterin und sie hat in Österreich ein freundschaftliches Netzwerk.

 

Zur Situation in China

 

COVID-19

Letzte Änderung: 16.12.2020

Nach bekanntwerden von COVID-19 Fällen im Dezember 2019, wurde von den Behörden trotz eines umfassenden, landesweit ausgebauten Meldesystems für Epidemien die bestehenden Vorfälle verharmlost und vertuscht (TNYT 1.2.2020). Die chinesischen Behörden haben medizinische Fachkräfte, die über das "geheimnisvolle Lungenleiden" informierten, vorgeworfen, Falschinformationen zu verbreiten (DP 4.4.2020).

Wuhan wurde als Ausgangspunkt der Pandemie rund eineinhalb Monate nach der Registrierung des ersten Patienten unter Quarantäne gestellt (DW 12.2.2020), nachdem von staatlicher Seite mehr als 55.000 Infektionsfälle gemeldet wurden (TG 23.4.2020). Später folgten weitere Regionen, in denen – je nach Anzahl der Infektionen – unterschiedlich strenge Maßnahmen durch die Regierung angeordnet wurden. Von den ergangenen drastischen Regelungen waren rund 60 Millionen Menschen betroffen (Addendum 20.3.2020; vgl. ZO 14.4.2020, SF 9.4.2020).

Die Industrieproduktion ging im Januar und Februar um 13,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum zurück (ZO 14.4.2020), was den stärksten Einbruch seit 30 Jahren bedeutet (LVAk 5.2020; vgl. ZO 14.4.2020). Mittlerweile meldet China kaum noch neue COVID-19 Fälle (DW 8.5.2020; vgl. FORBES 17.4.2020), doch treten vermehrt "importierte Fälle" auf (FORBES 17.4.2020; vgl. DS 27.3.2020). Verschwiegen wird jedoch in den Staatsmedien stets, dass es sich bei den eingereisten Infizierten bis zu 90 Prozent um Staatsbürger der Volksrepublik China handelt. Ausländer, darunter auch Diplomaten, durften damals nur in Ausnahmefällen ins Land (LVAk 5.2020).

Seit 28.3.2020 besteht ein Einreiseverbot für ausländische Staatsbürger (WKO 10.12.2020). Das chinesische Gesundheitssystem hielt nicht mit der wirtschaftlichen Entwicklung mit. Gemäß aktuellen Vergleichszahlen der OECD sind für 1.000 Einwohner 2,7 Krankenschwestern und -pfleger sowie zwei Ärzte verfügbar. Zwar räumt die Regierung Schwachstellen im zentralisierten Gesundheitswesen ein (HB 19.2.2020), jedoch haben Kritik am Vorgehen der Regierung, wie auch eine kritische Berichterstattung mitunter Verhaftungen wegen der "Verbreitung falscher Gerüchte" zur Folge (RSF 14.4.2020). Der chinesische Präsident Xi Jinping hat sich währenddessen verpflichtet, ein leistungsfähiges öffentliches Gesundheitssystem aufzubauen, das für Chinas Entwicklungsstrategie und nationale Sicherheit von entscheidender Bedeutung ist (SCMP 5.6.2020).

Im März und April 2020 nahmen Fabriken und unterschiedliche Unternehmen, ihre Arbeit wieder auf (LVAk 5.2020). In der Jahresmitte 2020 stellte sich die COVID-19-Gesamtsituation sich landesweit stabil dar, sporadische Fälle traten auf (XN 4.6.2020; vgl. FR 26.5.2020) und es wird von vereinzelten (XN 4.6.2020; vgl. DW 30.5.2020, FR 26.5.2020), vorrangig aus dem Ausland importierten Fällen von Neuinfektionen berichtet (CGTN 8.6.2020; vgl. FR24 1.6.2020, AnA 26.5.2020, TG 23.5.2020). Das seit 28.3.2020 gültige Einreiseverbot für ausländische Staatsbürger nach Festlandchina, auch für solche mit gültiger Aufenthaltsberechtigung ist weiterhin aufrecht (BMEIA 24.11.2020; vgl. MoFA CH 26.3.2020).

Im Ursprungsland des Coronavirus bleiben die Neuinfektionen seit Monaten derart niedrig, dass an den offiziellen Zahlen Zweifel bestehen. Konstant vermelden die chinesischen Behörden zwar neue Infektionen, aber die sind nahezu täglich im niedrigen zweistelligen Bereich. Tauchen doch kleinere Cluster auf, müssen sich alle Bewohner einem Test unterziehen. Zudem werden für einzelne Stadtviertel oder gesamte Städte strikte Ausgangssperren verhängt. Verwunderlich aber ist es dennoch, dass die Zahl der Neuinfektionen so gut wie nie 30 überschreitet (DS 12.10.2020).

 

Quellen:

• Addendum (20.3.2020): Chinas Kampf gegen das Coronavirus: Europa, sei gewarnt!

https://www.addendum.org/coronavirus/china-und-das-coronavirus/ , Zugriff 15.12.2020

• AnA – Anadolu Agency (26.5.2020): COVID-19: 7 new cases in China, 19 in South

Korea, https://www.aa.com.tr/en/asia-pacific/covid-19-7-new-cases-in-china-19-in-south-korea/1853895 , Zugriff 15.12.2020

• BMEIA – Bundesministerium für Europäische und Internationale Angelegenheiten (24.11.2020): China (Volksrepublik China), Aktuelle Hinweise, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/china/ , Zugriff 15.12.2020

• CGTN – China Global Television Network (8.6.2020): Chinese mainland reports 4 new COVID-19 cases, no new deaths, https://news.cgtn.com/news/2020-06-08/Chinese-mainland-reports-4-new-COVID-19-cases-no-new-deaths-R9cUqfA6re/index.html , Zugriff 15.12.2020

• DP – Die Presse (4.4.2020): Was China vertuscht und die WHO ignoriert hat, https://www.diepresse.com/5795657/was-china-vertuscht-und-die-who-ignoriert-hat , Zugriff 11.12.2020

• DS – Der Standard (12.10.2020): China, das Reich der rätselhaften Corona-Zahlen, https://www.derstandard.at/story/2000120861503/china-das-reich-der-raetselhaften-corona-zahlen , Zugriff 15.12.2020

• DS – Der Standard (27.3.2020): China riegelt wegen Corona seine Grenzen ab,

https://www.derstandard.at/story/2000116236843/china-riegelt-wegen-corona-seine-grenzen-ab , Zugriff 15.12.2020

• DW – Deutsche Welle (30.5.2020): Kaum noch Neuinfektionen: China lockert

Corona-Auflagen, https://www.dw.com/de/kaum-noch-neuinfektionen-china-lockert-corona-auflagen/av-53366246 , Zugriff 15.12.2020

• DW – Deutsche Welle (8.5.2020): Kaum noch Neuinfektionen: China lockert Corona-

Auflagen, https://www.dw.com/de/kaum-noch-neuinfektionen-china-lockert-corona-auflagen/av-53366246 , Zugriff 15.12.2020

• DW – Deutsche Welle (12.2.2020): China setzt auf Massen-Quarantäne gegen Corona-Virus, https://www.dw.com/de/china-setzt-auf-massen-quarant%C3%A4ne-gegen-corona-virus/a-52348053 , Zugriff 16.11.2020

• FORBES (17.4.2020): China Just Admitted Coronavirus Death Toll In Wuhan Was 50%

Higher Than Reported, https://www.forbes.com/sites/isabeltogoh/2020/04/17/china-just-admitted-coronavirus-death-toll-in-wuhan-was-50-higher-than-reported/#15c7d120702f ,

Zugriff 15.12.2020

• FR – Frankfurter Rundschau (26.5.2020): China nach Corona: Stadt will Gesundheit

der Bürger überwachen, https://www.fr.de/panorama/corona-virus-schweden-internationale-lage-russland-lockerungen-infizierte-zr-13754379.html , Zugriff 15.12.2020

• FR24 – F (1.6.2020): China reports highest number of new Covid-19 cases in nearly

3 weeks, https://www.france24.com/en/20200601-china-reports-highest-number-of-new-covid-19-cases-in-nearly-3-weeks , Zugriff 15.12.2020

• HB – Handelsblatt (19.2.2020): Coronavirus offenbart gravierende Mängel an Chinas

Gesundheitssystem, https://www.handelsblatt.com/politik/international/krankenversorgung-coronavirus-offenbart-gravierende-maengel-an-chinas-gesundheitssystem/25561166.html?ticket=ST-1039047-CrBiznv23udUClzvzT0p-ap4 , Zugriff 15.12.2020

• LVAk – Landesverteidigungsakademie Hauser, Gunther (5.2020): Chinas Aufstieg zur Globalmacht der Weg einer Regionalmacht zum weltpolitischen Akteur, Seite 167.

• MoFA Ch – Ministry of Foreign Affairs of the People‘s Republic of China (26.3.2020):

Ministry of Foreign Affairs of the People's Republic of China National Immigration

Administration Announcement on the Temporary Suspension of Entry by Foreign Nationals

Holding Valid Chinese Visas or Residence Permits, https://www.fmprc.gov.cn/mfa_eng/wjbxw/t1761867.shtml?from=groupmessage&isappinstalled=0 , Zugriff 15.12.2020

• RSF – Reporters Sans Frontières (14.4.2020): Whistleblowing doctor missing after

criticizing Beijing's coronavirus censorship, https://www.ecoi.net/de/dokument/2027934.html ,

Zugriff 15.12.2020

• SCMP – South China Morning Post (5.6.2020): Xi Jinping vows to build strong public health

system to ensure China’s stability, https://www.scmp.com/news/china/politics/article/3087609/xi-jinping-vows-build-strong-public-health-system-ensure-chinas , Zugriff 15.12.2020

• SF – Sience Focus (9.4.2020): Aggressive Wuhan lockdown ‘halted coronavirus

outbreak’ in China, https://www.sciencefocus.com/news/aggressive-wuhan-lockdown-halted-coronavirus-outbreak-in-china/ , Zugriff 15.12.2020

• TG – The Guardian (23.5.2020): Global report: China records no new Covid-19 cases

for first time as Hertz files for bankruptcy, https://www.theguardian.com/world/2020/may/23/global-report-china-no-new-covid-19-cases-hertz-bankruptcy , Zugriff 15.12.2020

• TG – The Guardian (23.4.2020): China coronavirus cases may have been four times

official figure, says study, https://www.theguardian.com/world/2020/apr/23/china-coronavirus-cases-might-have-been-four-times-official-figure-says-study , Zugriff 15.12.2020

• TNYT – The New York Times (1.2.2020): As New Coronavirus Spread, China’s Old Habits Delayed Fight, https://www.bundesheer.at/pdf_pool/publikationen/01_2020_s_iss_hauser_china_1949_2019_kern_ae_final1105webv.pdf , Zugriff 9.12.2020

https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/china-update-reisehinweise-quarantaenebestimmungen.html#heading_aktuell_wichtig ,

• WKO – Wirtschaftskammer Österreich (10.12.2020): Coronavirus: Situation in China, Aktuelle Lage und laufende Updates, https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/china-update-reisehinweise-quarantaenebestimmungen.html#heading_aktuell_wichtig , Zugriff 15.12.2020

• XN - XINHUANET (4.6.2020): China stresses targeted COVID-19 containment measures,

developing vaccines and drugs, http://www.xinhuanet.com/english/2020-06/04/c_139114738.htm , Zugriff 15.12.2020

• ZO – Zeit Online (14.4.2020): Chinas Exporte sinken um 6,6 Prozent, https://www.zeit.de/wirtschaft/2020-04/coronavirus-china-exporte-rueckgang , Zugriff 15.12.2020

 

Sicherheitslage

Letzte Änderung: 17.12.2020

Wegen der Ausbreitung von COVID-19 kommt es in China zu verschärften Einreisekontrollen, Gesundheitsüberprüfungen und seit 28.03.2020 zu einer Einreisesperre für Ausländer (BMEIA 24.11.2020). Die Fallzahlen haben sich in China auf einem niedrigen Niveau stabilisiert (AA 7.12.2020).

Aufgrund einer massiven Präsenz von Sicherheitskräften in besonders gefährdeten Regionen ist eine Wahrscheinlichkeit von Terroranschlägen in China generell niedrig (GW 19.6.2020). Berichten zufolge wurden in den letzten zehn Jahren 170 Millionen Überwachungskameras in Städten und Gemeinden im ganzen Land installiert (DFAT 3.10.2020). Dennoch kann es vereinzelt zu Demonstrationen und Zusammenstößen mit den Sicherheitskräften kommen. Auch sind in den letzten Jahren in China Anschläge verübt worden (EDA 23.7.2020). Konflikte und mutmaßliche Diskriminierung und Ungleichbehandlung durch die Han-Mehrheitsbevölkerung und die anhaltende harte Linie der lokalen Regierung, können die laufende Problematik der muslimischen Gemeinschaft über die uigurischen Minderheiten hinaus noch verschärfen (GW 17.6.2020).

Zwar gibt es in China noch keine unversöhnlichen ethnischen, sozialen oder religiösen Spaltungen, soziale Unruhen sind allerdings an der Tagesordnung. Auch wenn die meisten Demonstrationen als Ausdruck der Unzufriedenheit mit der Regierungspolitik personell meist gering ausfallen, betreffen sie dennoch existentielle Fragen wie Lohnrückstände, dem Abriss von Häusern und der Umsiedlung oder Enteignung (BS 29.4.2020). Landerwerb ohne volle Einbeziehung der örtlich Betroffenen stößt zunehmend auf Proteste, insbesondere in Guangdong, Fujian, Zhejiang, Jiangsu, Shandong und Sichuan. Proteste wegen der Modalitäten von Zwangsumsiedlungen wie auch Entschädigungsleistungen sind an der Tagesordnung und die Behörden verfolgen einige der Anführer solcher Proteste strafrechtlich. Die Wahrscheinlichkeit von Protesten, vor allem in Form von Demonstrationen und Blockaden, wird in Bezug auf den Bau größerer Infrastrukturprojekte, dem Bergbau, etc. auch weiterhin hoch eingeschätzt. Wesentliche Störungen sind aufgrund einer starken Sicherheitspräsenz unwahrscheinlich (GW 17.6.2020; vgl. USDOS 11.3.2020, BS 29.4.2020).

China hat anhand der Vorkommnisse der späten 1980er Jahre gelernt, dass soziale Spannungen zu einer ernsthaften Gefährdung des Systems führen können. Infolgedessen wurde ein engmaschiges Kontroll- und Regulierungssystem sowohl in urbanen Kerngebieten als auch in den peripheren Siedlungsgebieten der Minderheiten aufgebaut (LVAk 9.2019). Die staatliche Kontrolle durch eine massive, sichtbare Polizeipräsenz an strategischen Punkten und wichtigen Orten wird aufrechterhalten (BS 29.4.2020). Medienberichten zu Folge haben die chinesische Polizei und die Sicherheitsbehörden 2016 damit begonnen, Fotodatenbanken, künstliche Intelligenz und Überwachungskameras mit Gesichtserkennungstechnologie zu kombinieren, um Verdächtige und "destabilisierende Akteure" in der Gesellschaft aufzuspüren (DFAT 3.10.2020). Berichten zufolge werden auch gewonnene DNA-Proben, Urinproben, Sprachaufzeichnungen, Fingerabdrücke, Fotos und eine Vielzahl von persönlichen Daten von den Sicherheitsbehörden gesammelt (BBC 19.12.2019; vgl. RFA 23.8.2019, HRW 16.5.2017).

Auf der Tagung des Volkskongresses im Mai 2020 kündigte der Ministerpräsident an, dass auch trotz der wirtschaftlichen Folgen der Covid-19-Pandemie sowie des Handelskonflikts mit den Vereinigten Staaten, der Verteidigungshaushalt im laufenden Jahr abermals deutlich steigen soll. Die Ankündigung erfolgte vor dem Hintergrund der in den vergangenen Jahren gewachsenen Spannungen zwischen China und mehreren Nachbarstaaten sowie die USA wegen der von Peking erhobenen Gebietsansprüche im Südchinesischen Meer (SN 22.5.2020; vgl. FAZ 21.5.2020, WKO 12.5.2020)

China und Russland:

Die chinesisch-russischen Beziehungen werden aus chinesischer Sicht als eine "stabile strategische Partnerschaft" betrachtet (LVAk 5.2020; vgl. GH 17.2.2016). Diese politische, wirtschaftliche und auch militärische Partnerschaft beruht auf einer nüchternen Einschätzung der jeweiligen nationalen Interessen (CISR 2020; vgl. LVAk 5.2020). Langfristigen Aussichten für die chinesisch-russische Partnerschaft sind ungewiss. Vor dem Hintergrund eines unruhigen internationalen Umfelds stehen China und Russland vor großen Herausforderungen, um die Dynamik ihrer Zusammenarbeit aufrechtzuerhalten (CISR 2020).

Seit 2003 arbeiten Russland und China eng im UN-Sicherheitsrat zusammen. Um die jeweiligen Positionen zu koordinieren, werden die diplomatische Rahmenstrukturen der BRICS (Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika)-Gruppe und die SCO (Shanghai Cooperation Organization – SCO), Russland, China, Indien, Kasachstan, Kirgisistan, Pakistan, Tadschikistan und Usbekistan genutzt. Äußerst relevant stellt sich die Sicherheitskooperation innerhalb der SCO dar. Diese widmet sich dem Kampf der "three evil forces", Terrorismus, Separatismus (Taiwan, Tibet und Xinjiang) und Extremismus. In diesen Bereichen soll auch ein Austausch nachrichtendienstlicher Informationen erfolgen und Auslieferungsabkommen exekutiert werden (LVAk 5.2020; vgl. BAMF 2.2020).

China und Indien:

Der südasiatische Subkontinent ist der bedeutendste geopolitische Rivale Chinas in Asien (IPG 15.10.2020). Die Streitigkeiten zwischen China und Indien über den Grenzverlauf im bevölkerungsarmen Himalaya-Gebiet ist seit dem Grenzkrieg von 1962 nicht beigelegt (LVAk 5.2020). China und Indien beanspruchen gegenseitig Geländeabschnitte, wobei es gelegentlich zu gewalttätigen Auseinandersetzungen in diesem Grenzgebieten kommt (LVAk 5.2020; vgl. REUTERS 2.9.2020). Ein "Handgemenge" zwischen indischen und chinesischen Soldaten führte zuletzt am 15. Juni 2020 zum Tod von Soldaten auf beiden Seiten (WSJ 17.6.2020).

China betreibt im Zuge seiner "String of pearls Strategy" (CEFIP 13.8.2019; vgl. FA 9/10 2019) den weiteren Ausbau von Häfen in befreundeten Staaten an der nördlichen Küste des Indischen Ozeans wie Kambodscha, Myanmar, Bangladesch, Sri Lanka, Pakistan, den Malediven und darüber hinaus in Afrika forciert aus und bedroht damit im Zuge der "Belt and Road"-Initiative Einflusssphären Indiens in diesem Raum (DRM 26.8.2019). Die guten Beziehungen zwischen China und Pakistan stellen besonders im Hinblick auf den verbindenden Wirtschaftskorridor und die Unterstützung Chinas der pakistanische Anliegen im Kaschmir ein weiterer Konfliktpunkt zwischen China und Indien dar (SWP 2016; vgl. DRM 26.8.2019).

China und USA:

Die Verschlechterung der Beziehungen zwischen China und den USA sowie eine zunehmend konfrontative diplomatische Sprache und militärische Haltung erhöhen das Risiko unbeabsichtigter Eskalationen in den umstrittenen Regionen (GW 23.8.2020; vgl. DRM 26.8.2020).

 

Quellen:

• AA – Auswärtiges Amt (7.12.2020): China: Reise- und Sicherheitshinweise, Aktuelles, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/china-node/chinasicherheit/200466#content_1 , Zugriff 11.12.2020

• BBC – British Broadcasting Corporation (5.12.2019): Chinese residents worry about rise of facial recognition, https://www.bbc.com/news/technology-50674909 , Zugriff 11.12.2020

• BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (2.2020): Länderreport 22; China; Situation der Muslime, https://www.ecoi.net/en/file/local/2025535/laenderreport-22-china.pdf , Zugriff 14.12.2020

• BMEIA – Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres (24.11.2020): China, Aktuelle Hinweise, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/china/ , Zugriff 11.12.2020

• BS – Bertelsmann Stiftung (29.4.2020): Country Report China, https://www.ecoi.net/en/file/local/2029406/country_report_2020_CHN.pdf , Zugriff 11.12.2020

• CEFIP – Carnegie Endowmwnt for International Peace (13.8.2019): New Delhi Remains Washington’s Best Hope in Asia, https://carnegieendowment.org/2019/08/13/new-delhi-remains-washington-s-best-hope-in-asia-pub-79666 , Zugriff 11.12.2020

• DFAT – Australian Government - Department of Foreign Affairs and Trade (3.10.2019): DFAT Country Information Report China, https://www.ecoi.net/en/file/local/2019379/country-information-report-china.pdf , Zugriff 11.12.2020

• DRM – De Re Militaria (26.8.2019): The Chinese String of Pearls or How Beijing is Conquering the Sea, https://drmjournal.org/2019/08/26/the-chinese-string-of-pearls-or-how-beijing-is-conquering-the-sea/ , Zugriff 11.12.2020

• EDA – Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (23.7.2020): Reisehinweise für China, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/vertretungen-und-reisehinweise/china/reisehinweise-fuer-china.html , Zugriff 11.12.2020

• FA – Foreign Affairs (9/10 2019): The India Dividend, New Delhi Remains Washington’s Best Hope in Asia, https://www.foreignaffairs.com/articles/india/2019-08-12/india-dividend?gpp=WlLQHrv60hOMo/LWqt4OfjptV0xxVkgyaFRqSTlDUWN3TFhkQmNUNmRnVDZ2T3g3cjFvOU9Udm4zRTFNKzRDdTZ4bG5wWWdpdlVXTUdkT1JJOjlmMGVkZTNjMTY2NTg0YjBlYjJmODI0MTVkN2Q4MzhlYzFlMmE0MmVlMDhiMGQxZGRlMjA2OGY1ZmU3ZmY2MmU%3D , Zugriff 11.12.2020

• FAZ – Frankfurter Allgemeine Zeitung (21.5.2020): China erstmals seit 1990 ohne Wachstumsziel, https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/volkskongress-eroeffnet-china-erstmals-seit-1990-ohne-wachstumsziel-16780739.html , Zugriff 11.12.2020

• GH – Gateway House (17.2.2016): How China Sees Russia, https://www.gatewayhouse.in/how-china-sees-russia/ , Zugriff 11.12.2020

• GW – GardaWorld (23.8.2020): China Country Report, Executiv Summary https://www.garda.com/crisis24/country-reports/china , Zugriff 11.12.2020

• GW – GardaWorld (19.6.2020): China Country Report, Terrorism, https://www.garda.com/crisis24/country-reports/china , Zugriff 11.12.2020

• GW – GardaWorld (17.6.2020): China Country Report, Social Stability, https://www.garda.com/crisis24/country-reports/china , Zugriff 11.12.2020

• HRW – Human Rights Watch (16.5.2017): China: Police DNA Database Threatens Privacy, https://www.ecoi.net/de/dokument/1400058.html , Zugriff 11.12.2020

• IPG – Internationale Politik und Gesellschaft (15.10.2020): Indische Visionen, https://www.ipg-journal.de/regionen/asien/artikel/indien-4712/ , Zugriff 11.12.2020

• LVAk – Landesverteidigungsakademie (5.2020): Hauser, Gunther (5.2020): Chinas Aufstieg zur Globalmacht der Weg einer Regionalmacht zum weltpolitischen Akteur, Seite 101 - 108, 109 - 112.

• LVAk – Landesverteidigungsakademie (9.2019): Buchas, Peter/Feichtinger, Walter/Vogl, Doris (Hg.): Chinas Grand Strategy im Wandel, Militärwissenschaftliche Publikationsreihe der Landesverteidigungsakademie, 1.2019, S.228

• REUTERS (2.9.2020): Grenzkonflikt zwischen Indien und China flammt wieder auf, https://de.reuters.com/article/indien-china-grenzkonflikt-idDEKBN25Z181 , Zugriff 11.12.2020

• RFA – Radio Free Asia (23.8.2019): China Gears up to Collect Citizens' DNA Nationwide, https://www.rfa.org/english/news/china/collect-08232019115209.html , Zugriff 11.12.2020

• SN – Salzburger Nachrichten (22.5.2020): Chinas Volkskongress eröffnet - Hongkong und Corona im Fokus, https://www.sn.at/politik/weltpolitik/chinas-volkskongress-eroeffnet-hongkong-und-corona-im-fokus-87870631 , Zugriff 11.12.2020

• SWP – Stiftung Wissenschaft und Politik (2016): Wagner, C.: Die Auswirkungen des China-Pakistan Economic Corridor (CPEC). Deutsches Institut für Internationale Politik und Sicherheit, https://nbnresolving.org/urn:nbn:de:0168-ssoar-46698-5 , Zugriff 11.12.2020

• USDOS – US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 - China, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026349.html , Zugriff 11.12.2020

• WSJ – Wall Street Journal (17.6.2020): The China-India Clash, https://www.wsj.com/articles/the-china-india-clash-11592435121 , Zugriff 11.12.2020

 

Rechtsschutz / Justizwesen

Letzte Änderung: 17.12.2020

Die Führung unternimmt Schritte, das Rechtssystem auszubauen (AA 1.12.2020). Auf der Plenartagung des Zentralausschusses der KPCh im Oktober 2019 wurde die Notwendigkeit betont, die Macht der KPCh zu festigen und ihre Kontrolle über alle Ebenen der chinesischen Gesellschaft auszuweiten (FH 4.3.2020). Gewaltenteilung und Mehrparteiendemokratie werden abgelehnt (DP 27.6.2019). Im März 2018 wurden neue Kontroll- und Ausgleichsmechanismen in die Verfassung aufgenommen, um die Umsetzung zentraler Richtlinien und Vorschriften durchzusetzen. Die Zentralregierung verlässt sich zunehmend auf große Datenmengen, die sie zur Überwachung und Kontrolle der Umsetzung der Reformpolitik auf den verschiedenen Verwaltungsebenen einsetzt. Eine unabhängige Strafjustiz existiert in China nicht. Strafrichter und Staatsanwälte unterliegen der politischen Kontrolle von staatlichen Stellen und Parteigremien (AA 12 .2020; vgl. FH 4.3.2020). Die Kontrolle der Gerichte durch politische Institutionen ist ein verfassungsrechtlich verankertes Prinzip (ÖB 10.2020). Die KP dominiert das Rechtssystem auf allen Ebenen und erlaubt Parteifunktionären, Urteile und Verurteilungen zu beeinflussen (FH 4.3.2020; vgl. AI 30.1.2020). Während Bürger in nicht-politischen Fällen ein gewisses Maß an fairer Entscheidung erwarten können, unterliegen solche, die politisch sensible Fragen oder die Interessen mächtiger Gruppen berühren, den politisch-juristischen Ausschüssen (FH 4.3.2020). Seit dem vierten Jahresplenum des 18. Zentralkomitees 2014 betont die Führung die Rolle des Rechts und ergriff Maßnahmen zur Verbesserung der Qualität gerichtlicher Verfahren und zum Aufbau eines "sozialistisches Rechtssystem chinesischer Prägung" unter dem Motto "den Gesetzen entsprechend das Land regieren". Echte Rechtsstaatlichkeit im Sinne der Achtung des Legalitätsprinzips in der Verwaltung und der Unabhängigkeit der Gerichtsbarkeit wird dabei aber dezidiert abgelehnt. Das in den Beschlüssen reflektierte Verständnis von Recht soll die Macht des Staates, d.h. der Kommunistischen Partei (KP), keinesfalls einschränken, sondern vielmehr stärken (ÖB 10.2020; vgl. AA 1.12.2020).

Die Richterernennung erfolgt auf Provinzebene durch Rechtskomitees, welchen hochrangige Partei-Funktionäre angehören und welche von einem KP-Inspektorat überwacht werden. Richter sind verpflichtet, über Einflussnahme seitens lokaler Politiker auf Verfahren Bericht zu erstatten. Es ist für Richter schwierig, zwischen "Unabhängigkeit" von lokalen politischen Einflüssen, und Loyalität zur KP-Linie (welche regelmäßig miteinander und mit einflussreichen Wirtschafts- und Privatinteressen verbunden sind) zu navigieren. Trotz laufender Reformbemühungen gibt es – vor allem auf unterer Gerichtsebene – noch immer einen Mangel an gut ausgebildeten Richtern (ÖB 10.2020).

Ein umfassender Regelungsrahmen unterhalb der gesetzlichen Ebene soll "Fehlverhalten" von Justizbeamten und Staatsanwälten in juristischen Prozessen unterbinden (AA 1.12.2020).

Das umstrittene System der „Umerziehung durch Arbeit“ („laojiao“) wurde Ende 2013 offiziell abgeschafft. Missbräuchliche Einweisungen politisch missliebiger Personen (vor allem Petitionäre oder Dissidenten) in psychiatrische Anstalten aber auch willkürliche Festsetzungen in sogenannten schwarzen Gefängnissen („black jails“ bzw. „legal education center“) ohne faires Gerichtsverfahren oder aufgrund falscher oder gefälschter medizinischer Gutachten kommen weiterhin vor (AA 1.12.2020).

Mit der letzten großen Novellierung 2013 sieht die Strafprozessordnung genaue Regeln für Festnahmen vor, führt die "Hochachtung und der Schutz der Menschenrechte" an und verbietet Folter und Bedrohung bzw. Anwendung anderer illegaler Methoden zur Beweisermittlung. Es besteht jedoch eine teilweise erhebliche Divergenz zwischen den Rechtsvorschriften und deren Umsetzung, und werden diese zum Zwecke der Unterdrückung von politisch unliebsamen Personen instrumentalisiert. Laut Strafprozessordnung müssen auch im Falle einer Festnahme wegen Terrorismus, der Gefährdung der Staatssicherheit oder der schwerwiegenden Korruption die Angehörigen von in Untersuchungshaft befindlichen Personen innerhalb von 24 Stunden über die erfolgte Festnahme informiert werden. Es müssen von den Behörden jedoch keine Angaben zum Grund der Festnahme oder über den Aufenthaltsort der festgenommenen Person gegeben werden. Da Verdächtige sich formell in Untersuchungshaft befinden, muss der Ort der Festhaltung laut Gesetz auch in diesen Fällen eine offizielle Einrichtung sein (ÖB 10.2020). Das Strafprozessgesetz sieht zudem vor, dass Verdächtige, die die staatliche Sicherheit gefährden, an einem "designierten Ort" bis zu sechs Monate unter "Hausarrest" gestellt werden können (ÖB 10.2020).

Im Zusammenhang mit verwaltungsstrafrechtlich bewehrten rechtswidrigen Handlungen kann die Polizei zudem "Verwaltungsstrafen" verhängen. Diese Strafen reichen von Ermahnungen über Geldbußen bis hin zu einer "Verwaltungshaft" (ohne richterliche Entscheidung) von bis zu 15 Tagen. Der Aufenthalt in den offiziell nicht existenten "schwarzen Gefängnissen" kann zwischen wenigen Tagen und in einigen Fällen langjährigen Haftaufenthalten variieren (AA 1.12.2020).

Das 2019 erneut revidierte Strafverfahrensgesetz verbessert dem Wortlaut nach die Stellung des Beschuldigten/Angeklagten und des Verteidigers im Ermittlungs- und Strafprozess. Die Umsetzung steht aber in jedem Fall unter dem politischen Eingriffsvorbehalt der jeweiligen Parteiorgane, die fester integrierter Bestandteil auch bei den Strafgerichten sind (AA 1.12.2020).

Seit 2014 wurden schrittweise Reformen zur Verbesserung der Justizleistung unter Wahrung der Parteivormachtstellung durchgeführt. Die Änderungen konzentrierten sich auf die Erhöhung der Transparenz, Professionalität und Autonomie gegenüber den lokalen Behörden (FH 4.3.2020).

Das chinesische Strafgesetz hat die früher festgeschriebenen "konterrevolutionären Straftaten" abgeschafft und im Wesentlichen durch "Straftaten, welche die Sicherheit des Staates gefährden" (Art. 102-114 chin. StGB) ersetzt. Gerade dieser Teil des Strafgesetzes fällt durch eine Vielzahl unbestimmter Rechtsbegriffe auf (AA 1.12.2020). Der Handlungsraum für Menschenrechtsanwälte zur Ausübung ihrer Tätigkeit wird immer weiter eingeschränkt. Menschenrechtsanwälte sind behördlicher Überwachung, Belästigungen, Einschüchterungen und Inhaftierungen ausgesetzt (AI 30.1.2020). Prozesse, bei denen die Anklage auf Terrorismus oder "Verrat von Staatsgeheimnissen" lautet, werden unter Ausschluss der Öffentlichkeit geführt. Was ein Staatsgeheimnis ist, kann nach chinesischer Gesetzeslage auch rückwirkend festgelegt werden. Angeklagte werden in diesen Prozessen weiterhin in erheblichem Umfang in der Wahrnehmung ihrer Rechte beschränkt. Unter anderem wird dem Beschuldigten meist nicht erlaubt, Verteidiger seiner Wahl zu beauftragen; nur in seltenen Ausnahmefällen wird vom Gericht überhaupt eine Verteidigung bestellt (AA 1.12.2020).

Das mehrjährige harte Vorgehen gegen Menschenrechtsanwälte hat den Zugang der Angeklagten zu unabhängigem Rechtsbeistand geschwächt (FH 4.3.2020). Anwälten und Mitarbeitern von Kanzleien und Aktivisten droht bei öffentlicher Kritik am System Festnahme und Haft (AI 1.10.2019; vgl. ZO 29.1.2019, DP 19.1.2018). Von schikanösen Maßnahmen können auch Familienangehörige betroffen sein (AI 1.10.2019; vgl. TT 29.3.2016).

Seit der offiziellen Abschaffung des Systems der "Umerziehung durch Arbeit" werden Menschenrechtsaktivisten nicht mehr in administrativer Haft angehalten, sondern systematisch auf Basis von Strafrechtstatbeständen wie Staatsgefährdung, Separatismus, Volksverhetzung, oder gemeiner Vergehen oder Verbrechen verurteilt, womit der Anschein der Rechtsstaatlichkeit erweckt werden soll. Aufgrund der vagen Tatbestände, des Zusammenhalts der einzelnen Institutionen und des Mangels an unabhängiger engagierter anwaltlicher Vertretung, kann ein strafrechtlich relevanter Sachverhalt relativ leicht "geschaffen" werden (ÖB 10.2020). Eine neue Form der außergerichtlichen Inhaftierung für Ziele von Antikorruptions- und offiziellen Fehlverhaltensuntersuchungen, die als „Liuzhi“ bekannt ist, wurde 2018 zusammen mit der Einrichtung der National Supervisory Commission (NSR) eingeführt. Einzelpersonen können unter Anwendung dieser Maßnahmen bis zu sechs Monate lang ohne Zugang zu Rechtsbeistand inhaftiert werden (FH 4.3.2020).

Wegen der mangelnden Unabhängigkeit der Justiz wählen viele Betroffene von Behördenwillkür den Weg der Petition bei einer übergeordneten Behörde (z.B. Provinz- oder Zentralregierung). Petitionen von Bürgerinnen und Bürgern gegen Rechtsbrüche lokaler Kader in den Provinzen nehmen seit einigen Jahren ab. Petitionäre, die Vergehen von lokalen Behörden und Kadern anzeigen wollen, werden häufig von angeheuerten Schlägertrupps aufgegriffen und ohne Kontakt zur Außenwelt in Gefängnissen festgehalten. Diese Art des Verschwindenlassens ist eine weit verbreitete, von der Regierung aber stets verleugnete Methode, um unliebsame Personen aus dem Verkehr zu ziehen (AA 1.12.2020; vgl. ÖB 10.2020).

 

Quellen:

• AA – Auswärtiges Amt (1.12.2020): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Volksrepublik China, https://www.ecoi.net/en/file/local/2041768/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_China_%28Stand_Oktober_2020%29%2C_01.12.2020.pdf , Zugriff 16.12.2020

• AI – Amnesty International (30.1.2020): Human Rights in Asia-Pacific; Review of 2019 - China, https://www.ecoi.net/de/dokument/2023866.html , Zugriff 10.12.2020

• AI – Amnesty International (1.10.2019): Sippenhaft in China, https://www.amnesty.de/informieren/aktuell/china-sippenhaft-china , Zugriff 10.12.2020

• DP – Die Presse (27.6.2019): Chinesische Höchstrichterin: „Gewaltentrennung ist für China ungeeignet“, https://www.diepresse.com/5650654/chinesische-hochstrichterin-bdquogewaltentrennung-ist-fur-china-ungeeignetldquo , Zugriff 10.12.2020

• DP – Die Presse (19.1.2018): Haft für Anwalt: China setzt Verfolgungswelle gegen Kritiker fort, https://www.diepresse.com/5356720/haft-fur-anwalt-china-setzt-verfolgungswelle-gegen-kritiker-fort , Zugriff 10.12.2020

• FH – Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 - China, https://www.ecoi.net/de/dokument/2025907.html , Zugriff 10.12.2020

• ÖB Peking (10.2020): Asylländerbericht Volksrepublik China

• TAZ – Die Tageszeitung (29.3.2016): Peking setzt auf Sippenhaft, https://taz.de/Neue-Stufe-der-Repression-in-China/ !5291032/, Zugriff 20.11.2019

• ZO – Zeit Online (29.1.2019): Bürgerrechtsanwalt zu viereinhalb Jahren Haft verurteilt. https://www.zeit.de/politik/ausland/2019-01/tianjin-buergerrechtsanwalt-china-viereinhalb-jahre-haft , Zugriff 10.12.2020

 

Sicherheitsbehörden

Letzte Änderung: 17.12.2020

Zivile Behörden haben die Kontrolle über die Militär- und Sicherheitskräfte (USDOS 11.3.2020). Xi Jinping, Präsident und Vorsitzender der Kommunistischen Partei Chinas, ist Oberkommandierender der Streitkräfte, welche seit 1997 direkt der Kommunistischen Partei Chinas unterstellt sind (GX 10.11.2019). Die Ausgaben für die innere Sicherheit sind in allen Provinzen und Regionen im Zeitraum von 2007 bis 2016 um 215 Prozent angestiegen und erhöhten sich 2018 insbesondere in sensiblen Minderheitenregionen wie Xinjiang und Tibet weiter (DFAT 3.10.2019).

Sicherheitsbehörden sind das Ministerium für Staatssicherheit, das Ministerium für Öffentliche Sicherheit und die Bewaffnete Volkspolizei (BVP) der Volksbefreiungsarmee. Das Ministerium für Staatssicherheit soll vor Staatsfeinden, Spionen und konterrevolutionären Aktivitäten zur Sabotage oder dem Sturz des chinesischen sozialistischen Systems schützen. In die Zuständigkeit dieses Ministeriums fallen auch der Inlands- und Auslandsgeheimdienst. Darüber hinaus beschäftigen zahlreiche lokale Kader u.a. entlassene Militärangehörige in paramilitärischen Schlägertrupps. Diese Banden gehen häufig bei Zwangsaussiedlung im Zuge von Immobilienspekulation durchaus auch im Zusammenspiel mit der BVP gegen Zivilisten vor. Die Zuständigkeiten des Ministeriums für Öffentliche Sicherheit sind die innere Sicherheit, Wirtschaft und Kommunikationssicherheit, neben der Verantwortung für Polizeieinsätze und Gefängnisverwaltung. Die Organisationseinheit auf niedrigster Ebene sind die lokalen Polizeikommissariate, die für den alltäglichen Umgang mit der Bevölkerung verantwortlich sind und die Aufgaben von Polizeistationen erfüllen (ÖB 10.2020).

Im Juni 2017 wurde mit dem Aufklärungsgesetz ("Intelligence Law" 2017; geändert 2018), durch das Ständige Komitee des Nationalen Volkskongresses Chinas ein neues Gesetz erlassen, welches über die staatlichen Sicherheitsbehörden hinaus jedes einzelne Mitglied der chinesischen Gesellschaft aufruft, zur nationalen Aufklärungsarbeit beizutragen und nachrichtendienstlich relevante Informationen über Dritte, die an Aktivitäten beteiligt sind, welche der nationalen Sicherheit Chinas oder seinen Interessen schaden können, an die Behörden weiterzugeben (DFAT 3.10.2019). Darüber hinaus besteht ein enges Netz an lokalen Partei-Büros welche mittels freiwilliger „Blockwarte“ die Bewegungen der Bewohner einzelner Viertel überwachen und mit der Polizei zusammenarbeiten (ÖB 10.2020).

Die Behörde für Staatssicherheit kann seit Mitte April 2017 Beträge zwischen 10.000 und 500.000 Yuan (etwa 68.000 Euro) für nützliche Hinweise an Informanten auszahlen, welche durch ihre Mitarbeit bei der Enttarnung von ausländischen Spionen helfen. Informationen können über eine speziell eingerichtete Hotline, Briefe oder bei einem persönlichen Besuch bei der Behörde gegeben werden. So sich die Hinweise als zweckdienlichen herausstellen, soll der Informant das Geld erhalten (FAZ 11.4.2017).

 

Quellen:

• DFAT – Australian Government - Department of Foreign Affairs and Trade (3.10.2019): DFAT Country Information Report China, https://www.ecoi.net/en/file/local/2019379/country-information-report-china.pdf , Zugriff 10.12.2020

• GX – German Xinhuan (10.11.2019): Xi nimmt an Sitzung der ZMK zur militärischen Entwicklung auf der Primarstufe teil, http://german.xinhuanet.com/2019-11/11/c_138545144.htm , Zugriff 10.12.2020

• FAZ – Frankfurter Allgemeine Zeitung (11.4.2017): Peking belohnt Bürger für Enttarnung ausländischer Spione, http://www.faz.net/aktuell/politik/china-bezahlt-buerger-fuer-enttarnung-auslaendischer-spione-14967307.html , Zugriff 10.12.2020

• ÖB Peking (10.2020): Asylländerbericht Volksrepublik China

• USDOS – US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 - China, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026349.html , Zugriff 10.12.2020

 

Folter und unmenschliche Behandlung

Letzte Änderung: 17.12.2020

China ratifizierte bereits 1988 die UN-Konvention gegen Folter. Nach Art. 247 und 248 StGB wird Folter zur Erzwingung eines Geständnisses oder zu anderen Zwecken in schweren Fällen mit bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe, in besonders schweren Fällen mit bis zu lebenslänglicher Freiheitsstrafe oder Todesstrafe geahndet (AA 1.12.2020; vgl. ÖB 10.2020).

In den letzten Jahren wurden außerdem einige Verordnungen erlassen, die formell für Tatverdächtige im Ermittlungsverfahren einen besseren Schutz vor Folter bieten sollen. Ein großes Problem bleibt jedoch die mangelnde Umsetzung dieser Rechtsinstrumente. Die Sicherheitsbehörden genießen weiterhin auch aufgrund des Mangels an Kontrolle und Transparenz einen großen Handlungsspielraum. Sicherheitskräfte setzen sich routinemäßig über rechtliche Schutzbestimmungen hinweg. Für die Polizei stellt Straflosigkeit im Falle von Brutalität und bei verdächtigen Todesfällen in Gewahrsam die Norm dar (ÖB 10.2020; vgl. FH 4.3.2020, AI 30.1.2020). 2019 kam es landesweit zu einer ungewöhnlich hohen Zahl gut dokumentierter Fälle, in denen politische und religiöse Gefangene in der Haft oder kurz nach ihrer Entlassung aufgrund der Verweigerung angemessener medizinischer Versorgung starben. Bürger, die Wiedergutmachung für Misshandlungen in der Haft oder Aufklärung verdächtiger Todesfälle von Familienmitgliedern einfordern, werden oft mit Repressalien oder mit Gefängnisstrafen belegt (FH 4.3.2020).

Menschenrechtsaktivisten äußern Besorgnis darüber, dass Rechtsanwälte und Aktivisten weiterhin nach Inhaftierung verschiedenen Formen von Folter, Misshandlung oder erniedrigender Behandlung ausgesetzt sind (USDOS 11.3.2020). Angehörige der ethnischen Minderheit der Uiguren berichten von systematischer Folter und anderer erniedrigender Behandlung durch im Strafvollzug und in den Internierungslagern beschäftigte Beamte (USDOS 11.3.2020; vgl. DFAT 3.9.2019).

Die chinesische Führung erklärte 2014 das Ziel, die Rechtsstaatlichkeit zu verbessern und Folter, Misshandlungen und Missstände in der Justiz zu verhindern. Gleichzeitig wird radikal gegen unabhängige Rechtsanwälte, Menschenrechtsverteidiger, und Medien vorgegangen, sodass das Ziel einer Verbesserung der Rechtsstaatlichkeit in Frage gestellt wird. Neben politischen Absichtserklärungen und einigen wenigen "Vorzeigefällen", in denen Fehlurteile - etwa nach vollzogener Todesstrafe posthum - revidiert wurden, oder einzelne Polizisten nach tödlicher Folter (und öffentlicher Empörung) entlassen werden, ist jedoch nicht bekannt, dass strukturelle Maßnahmen getroffen werden, um das Risiko von Folter und Misshandlungen zu vermindern (ÖB 10.2020; vgl. AI 22.2.2018).

Das revidierte Strafverfahrensrecht verbietet die Verwendung von Geständnissen und Zeugenaussagen, die unter Folter oder anderweitig mit illegalen Mitteln zustande gekommen sind (neuer Art. 53), sowie sonstiger illegal erlangter Beweismittel (Art. 54) im Strafprozess. Trotzdem soll Folter in der Untersuchungshaft häufiger vorkommen als in regulären Gefängnissen (AA 1.12.2020). Die Anwendung von Folter ist nach wie vor weit verbreitet und wird eingesetzt, um Geständnisse zu erhalten oder politische und religiöse Dissidenten zu zwingen, ihre Überzeugungen zu widerrufen (FH 4.3.2020).

Soweit die chinesische Regierung und die staatlich gelenkte Presse Folterfälle einräumen, stellen sie diese als vereinzelte Übergriffe "unterer Amtsträger" dar, gegen die man energisch vorgehe (AA 1.12.2020).

 

Quellen:

• AA – Auswärtiges Amt (1.12.2020): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Volksrepublik China, https://www.ecoi.net/en/file/local/2041768/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_China_%28Stand_Oktober_2020%29%2C_01.12.2020.pdf , Zugriff 16.12.2020

• AI – Amnesty International (30.1.2020): Human Rights in Asia-Pacific; Review of 2019 - China, https://www.ecoi.net/de/dokument/2023866.html , Zugriff 9.12.2020

• AI – Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - China, https://www.ecoi.net/de/dokument/1424999.html , Zugriff am 9.12.2020

• DFAT – Australian Government - Department of Foreign Affairs and Trade (3.10.2019): DFAT Country Information Report China, https://www.ecoi.net/en/file/local/2019379/country-information-report-china.pdf , Zugriff 9.12.2020

• FH – Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 - China, https://www.ecoi.net/de/dokument/2025907.html , Zugriff 9.12.2020

• ÖB Peking (102020): Asylländerbericht Volksrepublik China

• USDOS – US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 - China, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026349.html , Zugriff 9.12.2020

 

Korruption

Letzte Änderung: 18.12.2020

Korruption stellt nach wie vor ein großes Problem im Land dar (USDOS 11.3.2020). China scheint im Korruptionswahrnehmungsindex (Corruption Perceptions Index) von Transparency International (TI) für das Jahr 2019 mit einer Bewertung von 41 (von 100) (0 sehr korrupt, 100 kaum korrupt) auf dem 80. Rang von 180 Staaten (TI 2020) auf. 2018 erreichte China eine Reihung auf dem 87. Rang von 180 Staaten mit 39 Punkten (TI 2019).

Trotz diverser Anti-Korruptionsmaßnahmen bewirken Korruption und deren Auswirkungen auf die Wirtschaft des Landes nach wie vor deutliche Zeichen von Unzufriedenheit in der Bevölkerung (LVAk 9.2019). Die weitest verbreiteten Formen von Korruption in China sind Bestechung, Veruntreuung öffentlicher Gelder und Günstlingswirtschaft durch Regierungsvertreter. Korruption, politische Einmischung und Vermittlungsleistungen sind beim Erwerb öffentlicher Dienstleistungen und im Umgang mit dem Rechtssystem üblich (DFAT 3.10.2019) und sind zum Teil auf politische und kulturelle Gründe zurückzuführen (LI 2020). Korruption ist in China Teil des politischen Systems (LVAk 5.2020). Auch sind die von der Regierung stark regulierten Bereichen wie Landnutzung, Immobilien, Bergbau und Entwicklung der Infrastruktur sind anfällig für Betrug, Bestechung und Schmiergeldzahlungen (USDOS 11.3.2020).

Bei seinem Amtsantritt startete Präsident Xi eine landesweite Anti-Korruptionskampagne (DFAT 3.10.2019; vgl. FH 4.3.2020). Ziel dieser Kampagne ist es, korrupte Beamte zu finden (DFAT 3.10.2019; vgl. ÖB 10.2020). Im ersten Halbjahr 2018 wurden 302.000 Untersuchungen m Zusammenhang mit Korruption durchgeführt (DFAT 3.10.2019). 350.000 bis mehr als eine Million Beamte wurden nach offiziellen Angaben bisher überprüft und bestraft (FH 4.3.2020; vgl. ÖB 10.2020). Unter den Gemaßregelten befinden sich hochrangige Staats- und Parteifunktionäre aus dem Sicherheitsapparat, dem Militär, dem Außenministerium, staatlichen Unternehmen und den staatlichen Medien (DFAT 3.10.2019; vgl. FH 4.3.2020). Das parteiinterne Untersuchungssystem, das von der KP-Zentralkommission für Disziplininspektion (CCDI) gegen KP-Mitglieder durchgeführt werden kann (shuanggui), ist im chinesischen Recht nicht geregelt. Laut NGO-Berichten werden im Rahmen der Shuanggui-Untersuchungen auch verschiedene Formen der Folter und unmenschlichen Behandlung angewendet (darunter Schläge, Schlafentzug, Einzelhaft), um die Beschuldigten zu Geständnissen zu bewegen. Auch sollen Richter mit den außergerichtlichen KP-Organen bei der "Beschaffung" von Geständnissen zusammengearbeitet haben (ÖB 10.2020).

Obwohl die Beamten mit strafrechtlichen Sanktionen wegen Korruption konfrontiert waren, setzen die Regierung und die KP Chinas das Gesetz nicht konsequent und transparent um (USDOS 11.3.2020), jedoch haben die Anti-Korruptionsbemühungen bei den Beamten eine abschreckende Wirkung erzeugt und die Zurschaustellung demonstrativen Reichtums verringert. Man geht davon aus, dass die Korruption auf allen Regierungsebenen nach wie vor weit verbreitet ist (FH 4.3.2020).

In der Praxis bedeutet dies aber auch eine Politik der verstärkten Unterdrückung Andersdenkender, sowie die strikte, aber in der Praxis selektive und intransparente Bekämpfung von Korruption in Partei und Gesellschaft (AA 1.12.2020).

 

Quellen:

• AA – Auswärtiges Amt (1.12.2020): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Volksrepublik China, https://www.ecoi.net/en/file/local/2041768/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_China_%28Stand_Oktober_2020%29%2C_01.12.2020.pdf , Zugriff 16.12.2020

• DFAT – Australian Government - Department of Foreign Affairs and Trade (3.10.2019): DFAT Country Information Report China, https://www.ecoi.net/en/file/local/2019379/country-information-report-china.pdf , Zugriff 9.12.2020

• FH – Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 - China, https://www.ecoi.net/de/dokument/2025907.html , Zugriff 9.12.2020

• LI – Laenderdaten.Info (2020): Korruption in China, https://www.laenderdaten.info/Asien/China/korruption.php , Zugriff 16.12.2020

• LVAk – Landesverteidigungsakademie (5.2020): Hauser, Gunther (5.2020): Chinas Aufstieg zur Globalmacht der Weg einer Regionalmacht zum weltpolitischen Akteur, Seite 177

• LVAk – Landesverteidigungsakademie (9.2019): Buchas, Peter/Feichtinger, Walter/Vogl, Doris (Hg.):Chinas Grand Strategy im Wandel, Militärwissenschaftliche Publikationsreihe der Landesverteidigungsakademie, 1.2019, S.193

• ÖB Peking (10.2020): Asylländerbericht Volksrepublik China

• TI – Transparency International (2020): Corruption Perceptions Index 2019, https://www.ti-austria.at/wp-content/uploads/2020/01/download_cpi_2019_pdf.pdf , Zugriff 9.12.2020

• TI – Transparency International (2019): Corruption Perceptions Index 2018, https://www.transparency.org/cpi2018 , Zugriff 9.12.2020

• USDOS – US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 - China, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026349.html , Zugriff 9.12.2020

 

Allgemeine Menschenrechtslage

Letzte Änderung: 18.12.2020

Offiziell erkennt China die grundlegenden Prinzipien der Charta der Vereinten Nationen sowie der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte an. Außerdem hat die Volksrepublik China einer Reihe von Übereinkünften zum Schutz der Menschenrechte der Vereinten Nationen zugestimmt (GIZ 9.2020a; vgl. ÖB 10.2020).

Die Menschenrechtslage in China bietet ein zwiespältiges und trotz aller Fortschritte im Ergebnis negatives Bild. 2004 wurde der Begriff "Menschenrechte" in die Verfassung aufgenommen, die individuellen Freiräume der Bürger in Wirtschaft und Gesellschaft wurden in den letzten Jahren erheblich erweitert. Andererseits bleiben die Wahrung der inneren Stabilität und der Machterhalt der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) oberste Prämisse und rote Linie (AA 1.12.2020).

Die Menschenrechtslage ist weiterhin durch ein systematisches Vorgehen gegen jede Form von Dissens gekennzeichnet (AI 30.1.2020). Seit der offiziellen Abschaffung des Systems der "Umerziehung durch Arbeit" werden Menschenrechtsaktivisten nicht mehr in administrativer Haft angehalten, sondern systematisch auf Basis von Strafrechtstatbeständen wie Staatsgefährdung, Separatismus, Volksverhetzung, oder gemeiner Vergehen oder Verbrechen verurteilt, womit der Anschein der Rechtsstaatlichkeit erweckt werden soll. Aufgrund der vagen Tatbestände, des Zusammenhalts der einzelnen Institutionen und des Mangels an unabhängiger engagierter anwaltlicher Vertretung, kann ein strafrechtsrelevanter Sachverhalt relativ leicht "geschaffen" werden (ÖB 10.2020).

Oberstes Ziel ist die Aufrechterhaltung „sozialer Stabilität“, die aus Sicht der chinesischen Führung unerlässlich für die weitere Entwicklung des Landes ist. Die chinesische Führung geht kompromisslos gegen jene vor, die als Bedrohung dieser Prioritäten angesehen werden, wie beispielsweise regierungskritische Schriftsteller, Blogger, Bürgerrechtsaktivisten, Menschenrechtsanwälte, Petitionäre oder Mitglieder nicht anerkannter Religionsgemeinschaften (Falun Gong, Hauskirchen etc.). Einschüchterungsmaßnahmen umfassen etwa Hausarrest, willkürliche Haft in sogenannten schwarzen Gefängnissen ("black jails" bzw. "legal education center"), Folter, Berufsverbote und Druck auf Familienangehörige durch Bedrohungen bis hin zur "Sippenhaft". Flankiert wird dies durch neue Gesetzgebung sowie eine Verschärfung von bestehenden Verordnungen und Gesetzen in den letzten Jahren. Personen, die in Opposition zu Regierung und herrschender Ideologie stehen, setzen sich unmittelbar der Gefahr von Repression durch staatliche Stellen aus, wenn sie aus Sicht der Regierung die Kommunistische Partei, die Einheit des Staates oder das internationale Ansehen Chinas gefährden. Die Schwelle ist immer dann erreicht, wenn die chinesischen Sicherheitsbehörden annehmen, dass ein – noch so loses – Netzwerk gebildet werden könnte. Aus Sicht der Regierung geht von separatistischen Bestrebungen und Untergrundaktivitäten innerhalb Chinas die größte Gefahr aus (AA 1.12.2020).

Es gibt weiterhin besorgniserregende Verletzungen rechtsstaatlicher Mindeststandards in ganz China. So gibt es immer noch willkürliche Inhaftierungen durch die Regierung, erzwungenes Verschwindenlassen von Personen, sowie Folter und unrechtmäßige Tötungen durch die Regierung, harte und lebensbedrohliche Gefängnis- und Haftbedingungen, politische Gefangene, willkürliche Eingriffe in die Privatsphäre, erhebliche Probleme mit der Unabhängigkeit der Justiz, Zensur und Sperrung von Webseiten, physische Angriffe und strafrechtliche Verfolgung von Journalisten, Anwälten, Schriftstellern, Bloggern, Dissidenten, Petitionären und anderen Personen sowie deren Familienangehörigen, Eingriffe in das Recht auf friedliche Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, einer restriktiven Gesetzgebung gegenüber Nichtregierungsorganisationen (NGOs), strenge Einschränkungen der Religionsfreiheit, erhebliche Einschränkungen der Bewegungsfreiheit, Korruption, Geburtenbeschränkungen, in manchen Fällen Zwang zur Sterilisation oder Abtreibung, Menschenhandel und Kinderarbeit (USDOS 11.3.2020).

Häufig kommt es zu Übergriffen lokaler Amtspersonen bzw. von denen beauftragter Dritter. Dies betrifft im Schwerpunkt die Überwachung politisch Andersdenkender auf lokaler Ebene. Zumeist handelt es sich um Demonstrantinnen und Demonstranten bei Fällen mit wirtschaftlichem Hintergrund (illegale Landnahme, Korruption etc.). Petentinnen und Petenten, die Vergehen von lokalen Behörden und Kadern anzeigen wollen, werden häufig von angeheuerten Schlägertrupps aufgegriffen und ohne Kontakt zur Außenwelt in Gefängnissen festgehalten. Diese Art des Verschwindenlassens ist eine weit verbreitete, von der Regierung aber stets verleugnete Methode, um Unliebsame aus dem Verkehr zu ziehen (AA 1.12.2020).

Die chinesische Regierung hat 2020 ein soziales Kreditsystem (SCS) eingeführt, das Menschen in allen Lebenslagen bewertet und entsprechend belohnt oder bestraft (EuZ 29.8.2019; vgl. LVAk 9.2019). Als Datenquellen werden das Verhalten in den sozialen Medien, beim Online-Shopping, beim Verfassen von Kurznachrichten, aber auch Kranken- und Gerichtsakten, Verkehrsdelikte, Steuersünden, rüpelhaftes Verhalten in der Öffentlichkeit, Rauchen in öffentlichen Räumen etc. genutzt (EuZ 29.8.2019). Die derzeitigen Tests will die Regierung bis Ende 2020 abschließen, um dann landesweit ein verpflichtendes einheitliches SCS einzuführen. Starten soll es aller Voraussicht nach in Peking. Unklar ist derzeit noch, wie später auch ländliche Regionen angeschlossen werden sollen, die aktuell noch keinen Internetzugang haben.Trotz aller Kontrolle ist die Zustimmung hoch (HO 8.5.2020).

 

Quellen:

• AA – Auswärtiges Amt (1.12.2020): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Volksrepublik China, https://www.ecoi.net/en/file/local/2041768/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_China_%28Stand_Oktober_2020%29%2C_01.12.2020.pdf , Zugriff 16.12.2020

• AI – Amnesty International (30.1.2020): Human Rights in Asia-Pacific; Review of 2019 - China, https://www.ecoi.net/de/dokument/2023866.html , Zugriff 9.12.2020

• EuZ – Entwicklung und Zusammenarbeit (29.8.2019): Digitale Überwachung, Niemand kann sich entziehen, https://www.dandc.eu/de/article/china-fuehrt-ein-punktesystem-zur-sozialen-bewertung-seiner-buerger-ein , Zugriff 9.12.2020

• GIZ – Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (9.2020a): Länderinformationsportal China, Geschichte und Staat, https://www.liportal.de/china/geschichte-staat/ , Zugriff 9.12.2020

• HO – HEISE Online (8.5.2020): Social Scoring in China, https://www.heise.de/ct/artikel/Social-Scoring-in-China-4713878.html , 14.12.2020

• LVAk – Landesverteidigungsakademie (9.2019): Buchas, Peter/Feichtinger, Walter/Vogl, Doris (Hg.):Chinas Grand Strategy im Wandel, Militärwissenschaftliche Publikationsreihe der Landesverteidigungsakademie, 1.2019, S.168

• ÖB Peking (10.2020): Asylländerbericht Volksrepublik China

• USDOS – US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 - China, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026349.html , Zugriff 9.12.2020

 

Haftbedingungen

Letzte Änderung: 18.12.2020

Die Haftbedingungen sind im Allgemeinen sehr hart (AA 1.12.2020), mit unzureichender Ernährung, regelmäßigen Misshandlungen und Entzug von medizinischen Hilfeleistungen (FH 4.3.2020). Das Gesetz verbietet körperliche Misshandlungen und Herabwürdigungen von Häftlingen, wie auch die Erzwingung von Geständnissen (USDOS 11.3.2020). In vielen Fällen wird Inhaftierten in Untersuchungsgefängnissen anfänglich der Zugang zu Rechtsbeistand verwehrt (AI 2.8.2019; vgl. AI 22.8.2019), was mit dem "Verdacht auf Untergrabung der Staatsgewalt" (AI 22.8.2019) oder der "Gefährdung der nationalen Sicherheit" begründet wurde (AI 22.2.2017).

Im Jahr 2018 waren rund 1,7 Millionen Verurteilte in den 752 Haftanstalten (683 Gefängnisse, 41 Frauengefangenenhäuser und 28 Jugendstrafvollzugsanlagen) inhaftiert. Gemäß Zurechnungen von Personen in Untersuchungshaft erhöht sich die Zahl der Gefangenen auf rund 2,36 Millionen Personen. Der Frauenanteil beträgt etwa 8,4 Prozent (WPB 2018).

Neben der Freiheitsstrafe existieren verschiedene Formen freiheitsentziehender Maßnahmen, sogenannte Administrativhaft: "Haft zur Erziehung" (shourong jiaoyu), "Haft zur Umerziehung" und "Zwangsmäßige Drogenrehabilitation in Isolation". Sie zielen häufig auf Prostituierte und Drogenabhängige, aber auch politisch missliebige Personen (z.B. Anti-Falun Gong-Kampagne) ab (AA 1.12.2020). Nach Abschaffung des Systems "Umerziehung durch Arbeit" (laojiao) (AA 1.12.2020) wurden hunderte dieser Haftanstalten in sogenannte "legal education center" umbenannt (AA 14.12.2018).

Willkürliche Verhaftungen oder Hausarrest (soft detention) ohne gerichtliche Verfahren kommen häufig vor. Personen werden oft über lange Zeit hinweg in ihrer eigenen Wohnung oder an anderen Orten ohne Zugang zur Außenwelt festgesetzt, insbesondere um wichtige politische Veranstaltungen oder Gedenktage herum (AA 1.12.2020).

Illegale und nicht deklarierte Anhaltezentren, sog. "black jails" sind weiterhin landesweit in Verwendung. In psychiatrischen Anstalten dürften unliebsame geistig gesunde Menschen zusammen mit geistig abnormen Rechtsbrechern weggesperrt werden (ÖB 10.2020; vgl. AA 14.12.2018).

Berichten zu Folge sind politische Gefangene, darunter Angehörige der Falun Gong, Uiguren, tibetische Buddhisten und im Untergrund ihren Glauben praktizierende Christen, in Haftanstalten der Gefahr von gewaltsamen Organentnahmen ausgesetzt (WSJ 5.2.2019).

Missbräuchliche Einweisungen politisch missliebiger Personen (vor allem Petitionäre oder Dissidenten) in psychiatrische Anstalten ohne faires Gerichtsverfahren oder aufgrund falscher oder gefälschter medizinischer Gutachten kommen weiterhin vor (AA 1.12.2020). Die Polizei kann in solchen Anstalten Personen nach eigenem Gutdünken ohne zeitliche Begrenzungen festhalten (ÖB 10.2020).

 

Quellen:

• AA – Auswärtiges Amt (1.12.2020): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Volksrepublik China, https://www.ecoi.net/en/file/local/2041768/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_China_%28Stand_Oktober_2020%29%2C_01.12.2020.pdf , Zugriff 16.12.2020

• AA – Auswärtiges Amt (14.12.2018): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Volksrepublik China, https://www.ecoi.net/en/file/local/1456146/4598_1547112750_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-volksrepublik-china-stand-oktober-2018-14-12-2018.pdf , Zugriff 9.12.2020

• AI – Amnesty International (22.8.2019): Drei NGO-Mitarbeiter wegen Subversion in Haft, https://www.amnesty.de/sites/default/files/2019-08/113_2019_DE_China.pdf , Zugriff 9.12.2020

• AI – Amnesty International (2.8.2019): Aktivist zu 12 Jahren Haft verurteilt, https://www.amnesty.de/sites/default/files/2019-08/284-7_2016_DE_China.pdf , Zugriff 9.12.2020

• AI – Amnesty International (22.2.2017): Amnesty International Report 2016/17 - The State of the World's Human Rights - China, http://www.ecoi.net/local_link/336465/479116_de.html , Zugriff am 9.12.2020

• FH – Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 - China, https://www.ecoi.net/de/dokument/2025907.html , Zugriff 9.12.2020

• ÖB Peking (10.2020): Asylländerbericht Volksrepublik China

• USDOS – US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 - China, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026349.html , Zugriff 9.12.2020

• WPB – World prison Brief (2018): World Prison Brief data China, https://www.prisonstudies.org/country/china , Zugriff 9.12.2020

• WSJ – Wall Street Journal (5.2.2019): The Nightmare of Human Organ Harvesting in China, https://www.wsj.com/articles/the-nightmare-of-human-organ-harvesting-in-china-11549411056 , Zugriff 9.12.2020

 

Frauen

Letzte Änderung: 18.12.2020

Frauen genießen denselben Rechtsstatus und dieselben Rechte wie Männer (USDOS 11.3.2020). Gleichberechtigung zwischen Frauen und Männern ist erklärtes politisches Ziel der Regierung. Allerdings gibt es noch immer wenige Frauen in gehobenen Positionen, so auch in der Politik. Im Ständigen Ausschuss des Polit-Büros ist keine Frau vertreten (AA 1.12.2020; vgl. USDOS 11.3.2020). Das Wahlgesetz sieht ein generelles Kontingent für weibliche Minderheitenvertreter vor, doch die Verwirklichung dieser Kontingente erfordert oft, dass die Wahlbehörden gegen das Wahlgesetz verstoßen (USDOS 11.3.2020).

Der Global Gender Gap Report über die Ungleichbehandlung der Geschlechter aus dem Jahr 2018 listet China in der Kategorie "Überleben und Gesundheit" auf einem der letzten Plätze (GGGR 2020).

Gewalt gegen Frauen und insbesondere häusliche Gewalt und Missbrauch von Mädchen, auch in öffentlichen Einrichtungen wie Schulen, sind Tabuthemen und weit verbreitet (ÖB 10.2020; vgl. DFAT 3.10.2019, USDOS 11.3.2020). Vor 2001 war körperliche Misshandlung nicht einmal ein Scheidungsgrund. Gesetze traten erst im März 2016 in Kraft, seit häusliche Gewalt gesetzlich strafbar ist. Ein neues Gesetz, das Anfang 2021 in Kraft tritt, sieht eine 30-tägige Bedenkzeit vor, bevor sich chinesische Paare scheiden lassen können. Diese Klausel gilt allerdings nicht für Fälle von häuslicher Gewalt (BBC 24.6.2020).

In der patriarchalisch veranlagten chinesischen Gesellschaft sind Frauen vor allem in ländlichen Gebieten benachteiligt (AA 1.12.2020). Es besteht kein politisches Bewusstsein zu Geschlechtergleichheit oder Frauenrechten. Besonders in ländlichen Gebieten kommt es zu geschlechtsspezifischer Diskriminierung, ungleichem Zugang zu öffentlichen Leistungen und Landrechten (ÖB 10.2020). Nach dem Gesetz über den Schutz und die Rechte von Frauen ist sexuelle Belästigung von Frauen strafbar. Das Gesetz ist jedoch sehr vage formuliert, entsprechende Regelungen im Strafgesetz fehlen (AA 1.12.2020; vgl. HRW 17.1.2019).

Das erste Gesetz des Landes zur Bekämpfung häuslicher Gewalt, das insbesondere den Erlass von Gewaltschutzanordnungen vorsieht, trat erst im März 2016 nach jahrelangem Druck der Zivilgesellschaft in Kraft (AA 15.12.2016). Berichten zufolge kommt es in mindestens einem Viertel der Familien zu häuslicher Gewalt (USDOS 11.3.2020; vgl. FH 2.2019a). Vergewaltigung ist illegal, Strafen für Vergewaltigung reichen von drei Jahren Gefängnis bis zur Hinrichtung. Die meisten Fälle von Vergewaltigung werden durch private Vergleiche beendet. Die Anerkennung häuslicher Gewalt durch die Gerichte verbesserte sich (USDOS 11.3.2020).

Das Familiengewaltgesetz definiert häusliche Gewalt als zivile und nicht als kriminelle Handlung zwischen Familienmitgliedern. Aktivisten kritisieren, dass das neue Gesetz keine Unterstützung für die Opfer bietet und dass es für die Opfer äußerst schwierig ist, Gerichtsverfahren gegen ihre Täter zu gewinnen, vor allem wegen des Versagens der Behörden in der Beweissicherung und weil kaum Zeugen vor Gericht aussagen (USDOS 11.3.2020; vgl. FH 4.3.2020). Einige Gerichte bieten Opfern Schutz durch Verhängung einstweiliger Verfügungen an, welche Täter von einer Kontaktaufnahme mit dem Opfer abhalten sollen. Die offizielle Unterstützung ist nicht immer wirksam, weil sie die Opfer nicht immer erreicht. Auch wird häusliche Gewalt durch die öffentlichen Sicherheitskräfte oftmals ignoriert (USDOS 11.3.2020).

Zwangsprostitution und Menschenhandel werden strafrechtlich verfolgt. Auch „einfache“ Prostitution ist in China illegal – das Zuwiderhandeln aller Beteiligten kann mit einer Administrativhaft von bis zu 15 Tagen und/oder einem Bußgeld geahndet werden (AA 1.12.2020). Vom Menschenhandel sind besonders Frauen und Kinder aus ländlichen Gebieten betroffen. Es gibt einen nationalen Aktionsplan gegen den Handel mit Frauen und Kindern. Menschenhändler können mit der Todesstrafe belegt werden (ÖB 10.2020).

 

Quellen:

• AA – Auswärtiges Amt (1.12.2020): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Volksrepublik China, https://www.ecoi.net/en/file/local/2041768/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_China_%28Stand_Oktober_2020%29%2C_01.12.2020.pdf , Zugriff 16.12.2020

• AA – Auswärtiges Amt (15.12.2026): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Volksrepublik China, ttps://www.ecoi.net/en/file/local/1122765/4598_1483948616_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-der-volksrepublik-china-stand-oktober-2016-15-12-2016.pdf, Zugriff 11.02.2021

• BBC – bbc.com 24.06.2020: China: City to let people getting married see their partner's abuse history, https://www.bbc.com/news/world-asia-china-53168754 , Zugriff 11.02.2021

• DFAT – Australian Government - Department of Foreign Affairs and Trade (3.10.2019): DFAT Country Information Report China, https://www.ecoi.net/en/file/local/2019379/country-information-report-china.pdf , Zugriff 27.11.2020

• GGGR – Global Gender Gap Report (2020): The Global Gender Gap Report 2020, http://www3.weforum.org/docs/WEF_GGGR_2020.pdf , Zugriff 9.12.2020

• ÖB Peking (10.2020): Asylbericht Volksrepulik China

• USDOS – US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 - China, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026349.html , Zugriff 9.12.2020

 

Bewegungsfreiheit

Letzte Änderung: 17.12.2020

Das Gesetz sieht eine innerstaatliche Bewegungsfreiheit, die Möglichkeit von Auslandsreisen und die Möglichkeit einer Rückkehr vor (ÖB 13.8.2020; vgl. USDOS 11.3.2020). Doch werden diese Rechte nicht immer durch die Regierung ermöglicht. Die Behörden verschärften die Beschränkungen der Bewegungsfreiheit vor wichtigen Jubiläen, Besuchen ausländischer Würdenträger oder großen politischen Ereignissen, um Demonstrationen vorzubeugen (USDOS 11.3.2020).

Ein Umzug bzw. eine Umregistrierung in einer anderen Region ist (nur) im Rahmen der gesetzlichen Regelungen des Hukousystems (Haushaltsregistrierungssystem) möglich – insbesondere wenn man in einem anderen Ort eine Arbeitsstelle hat und der Arbeitgeber entsprechend die Formalitäten erfüllt. In einigen Orten (z.B. Beijing und Shanghai) gibt es lange (mehrjährige) Wartezeiten für die Umregistrierung des Hukou nach einem Punktesystem, da der Zuzug hier streng geregelt wird (ÖB 28.5.2020; vgl. NMoFA 1.7.2020).

Städte mit niedrigerem Rang, die weniger entwickelt sind und eine geringere Bevölkerungszahl haben, haben vergleichsweise einfachere Vorschriften eingeführt, um dem Ziel der Zentralregierung zu entsprechen, Migranten in diese Gebiete zu leiten und zusätzliche Arbeitskräfte bereitzustellen, um das Wirtschaftswachstum anzukurbeln. Seit einer Reform-Agenda durch den Staatsrat der Volksrepublik China im Juli 2014 richtet sich die Registrierung nunmehr nach dem ständigen Wohnsitz bzw. dem Ort der Erwerbstätigkeit und nicht mehr nach dem Geburtsort. Umsiedlungswilligen Landbewohnern soll der Anreiz geboten werden, sich in Städte mit geringeren oder mittleren Bevölkerungszahlen anzusiedeln. So sind Hemmnisse gegen die Ansiedlungen von Landbevölkerung in kleinen und mittleren Städten deutlich geringer. Städte mit einer Einwohnerzahl von unter 3 Millionen sind im Hinblick auf das Regierungsziel, Wachstum und Bevölkerungszuwachs in den weniger entwickelten und bewohnten Regionen zu fördern, deutlich geneigter, Hukous auszustellen. Bei großen Städten herrschen höhere Auflagen, geringere Quoten und mehr Wettbewerb. Städte mit über 5 Millionen Einwohnern sollen eine restriktive Ansiedlungspolitik betreiben. Dem Ministerium für öffentliche Sicherheit zufolge sollen 2016 insgesamt 28,9 Millionen neue Niederlassungsbewilligungen für Städte, insbesondere für mittlere und kleinere Städte, ausgestellt worden sein. Grundsätzlich besteht daher für Personen, die Verfolgung durch nicht staatliche Akteure befürchten, die reale Möglichkeit einer internen Fluchtalternative in mittleren und kleinen Städten (UK Home Office, März 2018).

Durch das Hukou-System wird verhindert, dass rund 290 Millionen Arbeits- und Binnenmigranten in den Städten, in denen sie arbeiten, vollen legalen Status als Einwohner genießen. Durch die Regierung wurde angekündigt, das geltende System schrittweise zu reformieren und die Vorteile des städtischen Wohnsitzes auf 100 Millionen Migranten auszuweiten. Doch würde eine Umsetzung dieses Plans immer noch eine große Mehrheit der Migranten ohne gleiche Rechte oder vollen Zugang zu sozialen Diensten bedeuten (FH 4.3.2020; vgl. NMoFA 1.7.2020).

Anderswo in China, wo 2019 die ersten Stufen eines Sozialkreditsystems eingeführt wurden, sehen sich Berichten zufolge Millionen von Bürgern aufgrund ihrer niedrigen Punktzahlen mit Einschränkungen bei Flug- und Bahnreisen konfrontiert. Millionen Menschen, viele von ihnen Uiguren und Tibeter, sind von staatlichen Einschränkungen beim Zugang zu Auslandsreisen und Reisepässen betroffen (FH 4.3.2020; vgl. HRW 14.1.2020).

Die beschriebenen Repressionen erfolgen landesweit nicht einheitlich. Da wegen der Größe des Landes und der historisch überkommenen Strukturen Einfluss und Kontrolle der Zentralregierung in den einzelnen Landesteilen unterschiedlich stark ausgeprägt sind, treten staatliche oder dem Staat zurechenbare Übergriffe in den Regionen unterschiedlich häufig auf. Daher kann es im Einzelfall möglich sein, durch einen Ortswechsel Repressalien auszuweichen. Allerdings ist ein Umzug von in der Volksrepublik China lebenden Chinesen in einen anderen Landesteil durch die restriktive Registrierungspraxis („Hukou“-System) nur schwer möglich (Verlust des Zugangs zu Bildung und Sozialleistungen). Für Personen aus ländlichen Gebieten ist es schwierig, legal in eine Stadt zu ziehen. Insbesondere für aus politischen Gründen Verfolgte gibt es keine sichere Ausweichmöglichkeit innerhalb Chinas (AA 1.12.2020).

Ein Untertauchen, also eine nicht registrierte Niederlassung in einen anderen Landesteil als jenem des Melde-Wohnorts, ist schwierig. Sowohl bei Inlandsflügen als auch bei Zugfahrten wird systematisch die Identität überprüft, auch Zugtickets können nur mit Personalausweis gekauft werden und sind nicht übertragbar. Kraftfahrzeuge mit Kennzeichen von außerhalb der Stadt oder der Provinz und deren Passagiere werden systematisch überprüft. Es besteht ein sehr effizientes System der Überwachung durch Nachbarschaftskomitees. In der Tibetischen Autonomen Region und in Xinjiang besteht eine besonders strenge Überwachung unter anderem durch das System der kollektiven Bestrafung von Dorfgemeinschaften und starken Einschränkungen der Bewegungsfreiheit, wonach Personen, die ihr Dorf oder ihre Region verlassen wollen, hierfür Genehmigungen einholen müssen, welche teilweise nur für bestimmte andere Regionen ausgestellt werden. In Xinjiang werden darüber hinaus in von Uiguren bewohnten Gegenden an Straßensperren Identitätskontrollen – vor allem von jungen männlichen Uiguren – durch die bewaffnete Volkspolizei und die Volksbefreiungsarmee durchgeführt (ÖB 10.2020).

Die Bewegungsfreiheit für Tibeter ist stark eingeschränkt (IHRWch 17.8.2018). Ohne zahlreiche Genehmigungen dürfen sie sich außerhalb ihres Wohngebietes nicht bewegen und auch nicht arbeiten. Das Alltagsleben für Tibeter ist durch eine Vielzahl von Kontrollen gekennzeichnet (ST 30.8.2019).

Seit 2016 gelten für die Einwohner Xinjiangs strenge Auflagen für den Erwerb von Reisedokumenten. Biometrische-Daten, eine DNA-Blutprobe, Fingerabdrücke sowie eine Stimmaufzeichnung und ein dreidimensionales Foto des Körpers müssen bei einem Antrag zur Verfügung gestellt werden (DZ 25.11.2016; vgl. BBC 7.6.2016). Personen in der Provinz Xinjiang müssen für Reisebewegungen zwischen Städten bei der Polizei eine Erlaubnis erwirken und eine Vielzahl von Kontrollpunkten durchlaufen. Es wird von einer Zunahme von Kontrollmaßnahmen auf Flughäfen, Bahnhöfen, sowie Kontrollpunkten an öffentlichen Bewegungslinien, wie Straßen, etc. berichtet (HRW 9.9.2018).

Die Meldekarte ("Hukou-System") ist weiterhin nötig für die (legale) Aufnahme einer Arbeit oder den Zugang zu öffentlichen Dienstleistungen. Chinesen, die keinen für ihre Zwecke gültigen Hukou haben (z.B. minderjährige Wanderarbeiter, welche offiziell noch nicht arbeiten dürften), verwenden mitunter gefälschte "Hukou-Karten" oder solche von Verwandten (ÖB 10.2020).

 

Quellen:

• AA – Auswärtiges Amt (1.12.2020): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Volksrepublik China, https://www.ecoi.net/en/file/local/2041768/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_China_%28Stand_Oktober_2020%29%2C_01.12.2020.pdf , Zugriff 16.12.2020

• BBC – British Broadcasting Corporation (7.6.2016): Chinese police require DNA for passports in Xinjiang, http://www.bbc.com/news/world-asia-china-36472103 , Zugriff 27.11.2020

• DZ – Die Zeit (25.11.2016): China sammelt Pässe in Unruheprovinz ein, http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2016-11/china-xinjiang-konflikt-unruhen-bewohner-reisepaesse , Zugriff 27.11.2020

• FH – Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 - China, https://www.ecoi.net/de/dokument/2025907.html , Zugriff 27.11.2020

• IHRWch – Informationsplattform Human Rights Schweiz (17.8.2018): Länderinformation: Menschenrechte in China, https://www.humanrights.ch/de/service/laenderinfos/china/ , Zugriff 26.11.2020

• HRW – Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 - China, https://www.ecoi.net/de/dokument/2022687.html , Zugriff 26.11.2020

• NMoFA – Netherlands Ministry of Foreign Affairs (1.7.2020): Country of origin information report China

• ÖB Peking (13.8.2020): Auskunft des Vertrauensanwaltes

• ÖB Peking (28.5.2020): Auskunft des Vertrauensanwaltes

• ÖB Peking (10.2020): Asylländerbericht Volksrepublik China

• ST – Save Tibet (30.8.2019): Aktuelle Situation, https://tibet.at/tibet/land-und-leute/aktuelle-situation/ , Zugriff 26.11.2020

• UK Home Office - Country Information and Guidance - China: Background Information, including actors of protection and internal relocation – Version 2.0, March 2018, https://www.ecoi.net/en/file/local/1426114/1226_1520428482_china-background-cpin-v2-0-march-2018.pdf

• USDOS – US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 - China, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026349.html , Zugriff 26.11.2020

 

Grundversorgung und Wirtschaft

Letzte Änderung: 18.12.2020

Mit der Öffnung Chinas gegenüber dem kapitalistischen Westen schaffte es das Land, ausgelöst durch wirtschaftliche Reformen, in den letzten vier Jahrzehnten den Aufstieg von einem planwirtschaftlichen Agrarstaat zur zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt (Darimont 2020). Der Lebensstandard hat sich für die Bevölkerung dabei insgesamt verbessert (NZZ 26.5.2020).

In den Jahren von 2000 bis 2010 erreichte China ein Wirtschaftswachstum zwischen 8 und 14 Prozent (GIZ 6.2020b; vgl. BS 2020). China soll 2020 zu den wenigen Ländern zählen, die ein Plus vor das Wirtschaftswachstum setzen können. Wirtschaftsexperten rechnen mit einer Zunahme des Bruttoinlandsprodukts von immerhin 1,7 Prozent. Auf ein vorgegebenes Wachstumsziel ist 2020 angesichts der Unsicherheiten über die wirtschaftliche Entwicklung verzichtet worden (WKO 9.10.2020; vgl. WKO 10.2020).

Die Ausbreitung von COVID-19 im Dezember 2019 in der Provinz Hubei führte Anfang 2020 zum massiven Einbruch des Wirtschaftswachstums (GIZ 6.2020b). Quarantäneverordnungen und Reiseverbote legten das wirtschaftliche Leben in der Folge weitgehend lahm (ZO 14.4.2020). Zahlreiche Unternehmen konnten ihren Betrieb nicht wie geplant wiederaufnehmen. Nicht zuletzt aufgrund nachlassender internationaler Nachfrage kann davon ausgegangen werden, dass China sein Wachstumsziel verfehlen wird (WKO 9.10.2020).

Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln ist seit einigen Jahren gewährleistet (AA 1.12.2020), doch kam es in den letzten Jahren zu einem rasanten Anstieg der Nahrungsmittelpreise (ÖB 10.2020). Trotz beispielloser Erfolge bei der Armutsbekämpfung geht die UNO davon aus, dass derzeit noch über 124,5 Millionen Menschen unterernährt sind. Die ländliche Bevölkerung ist bezüglich der Nahrungsmittelsicherheit, vor allem im unterentwickelten Westen des Landes, strukturell benachteiligt (GIZ 6.2020b). Der Lebensstandard der Bevölkerung steigt kontinuierlich an, der Abstand zwischen Stadt- und Landbevölkerung, deren Einkommen im Vergleich zur Stadt lediglich etwa ein Drittel beträgt, ist seit den 1990er-Jahren kontinuierlich gewachsen (AA 1.12.2020; vgl. UN DESA 2020). Neben Armutsproblemen hat China vor allem mit einer immer stärkeren Einkommensungleichheit zu kämpfen (GIZ 6.2020b). Mehr als 60 Prozent der Bevölkerung leben im urbanen Umfeld (CIA 24.11.2020), Das aktuelle Pro-Kopf-Einkommen lag 2019 bei 42.359 Yuan (rund 5.300 EUR), wohingegen auf dem Land nur 16.021 Yuan (rund 2.000 EUR) verdient wurden (GIZ 6.2020b).

Alle der 2012 angegebenen 832, von landesweit insgesamt 2.851 Verwaltungseinheiten auf Kreisebene, die damals noch als arm eingestuft worden sind, gelten gegenwärtig auf der Grundlage statistischer Daten hinsichtlich des Durchschnittseinkommens nicht mehr als arm. Präsident Xi Jinping erklärte 2015, die Armut, in der noch etwa 70 Millionen Menschen der Landbevölkerung lebten, bis Ende 2020 beseitigen zu wollen. Kritiker argumentieren, dass China die Armutsgrenze zu niedrig angesetzt habe und dass die Nachricht eine starke Zunahme der Einkommensunterschiede zwischen Stadt und Land verdecke. Auch habe sich das Programm zur Beseitigung der Armut auf die Landbevölkerung konzentriert und berücksichtige nicht die in den Städten lebenden Armen. Seit den 1990er-Jahren wurden mit dem Aufstieg Chinas zur zweitgrößten Volkswirtschaft in der Volksrepublik etwa 700 Millionen Menschen aus der Armut gehoben (BAMF 30.11.2020).

Trotz des laufenden Ausbaus des Sozialsystems bleibt angesichts des niedrigen Niveaus der Sozialleistungen die familiäre Solidarität in Notfällen ein entscheidender Faktor. Die meisten sozialen Leistungen sind zudem an die Wohnrechtsregistrierung ("Hukou-System") gekoppelt, wobei auf dem Land mit einem noch niedrigeren Niveau an staatlicher Hilfeleistung zu rechnen ist. Eine Eingliederung in den Arbeitsmarkt in den ländlichen Regionen ist oft sehr schwierig (ÖB 10.2020).

Seit 2012 geht die chinesische Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter kontinuierlich zurück. Bis 2030 soll ein Viertel der Bevölkerung Chinas älter als 60 Jahre sein. Auch die Einführung der Zwei-Kind-Politik 2016 hat zu keiner Entspannung beigetragen. Damit ist zu befürchten, dass wenige Menschen im arbeitsfähigen Alter somit für eine immer größer werdende Anzahl an Pensionisten aufkommen müssen und das chinesische Pensionssystem damit an seine Kapazitätsgrenzen stößt. Angesichts der demographischen Entwicklung sind Gebiete mit vielen Wanderarbeitern übermäßig belastet (ÖB 10.2020). Provinzen, die nicht über genügend eigene Mittel verfügen, erhalten Subventionen von der Zentralregierung (Darimont 2020).

Das Pensionsantrittsalter liegt bei Männern bei 60 Jahren, bei Frauen bei 50 bzw. 55 Jahren (öffentlich Bedienstete). Frühpension sowie eine Aufschiebung des Pensionsantrittes ist möglich, sofern die Voraussetzung einer Teilnahme am Arbeitsmarkt von 15 Jahren erfüllt ist. In Fällen von Schwerarbeit ist ein Pensionsantritt auch unter 15 Arbeitsjahren möglich. Grundsätzlich leisten Arbeitnehmer Beiträge in der Höhe von 8 Prozent ihres Einkommens, Arbeitgeber tragen mit maximal 20 Prozent bei. Bis 2015 mussten öffentliche Bedienstete keine eigenen Beiträge zur Pension leisten (ÖB 10.2020).

Das chinesische Sozialsystem deckt folgende Gruppen ab:

• Senioren: Personen über 60 Jahre, arbeitsunfähig, ohne Einkommen, ohne Unterhaltszahlungen und Beihilfe oder deren Angehörige sie nicht unterstützen können.

• Waisen ohne Verwandtschaft.

• Ausgesetzte Babys und Kinder, deren biologische Eltern nicht auffindbar sind (IOM 2019).

Das seit 2014 bestehende Programm zur Sicherung des Existenzminimums ("di bao") ähnelt der Sozialhilfe. Dafür ist eine lokale Wohnmeldung ("Hukou-System") vorausgesetzt, weshalb die Millionen Wanderarbeiter in Städten in der Regel keinen Anspruch haben. Ein nationales Gesetz ist seit Jahren in Planung, bisher jedoch nicht verabschiedet, da unklar ist, wie eine überregionale Bedarfsprüfung angesichts der Mobilität der Bevölkerung und der Größe des Landes bewerkstelligt werden kann. Die Höhe des "di bao" wird regional festgelegt und beträgt in Städten durchschnittlich 373 RMB (ca. 52 EUR) und auf dem Land 203 RMB (28 EUR) (ÖB 10.2020).

Laut einem Beschluss des Staatsrats vom 11. Oktober 2016 sollen bis 2020 allerdings 100 Millionen Chinesen, die ohne städtischen "Hukou" (Meldeberechtigung) bereits "ständig" in Städten leben, Zugang zu sozialen Leistungen, wie medizinischer Versorgung und Bildung erhalten. Bisher verfügten nur 39,9 Prozent der Stadtbewohner über einen städtischen "Hukou" mit Zugang zu sozialen Leistungen, dieser Prozentsatz solle in den kommenden fünf Jahren auf 45 Prozent steigen. Entsprechende Durchführungsverordnungen wurden bisher nicht erlassen. Die Maßnahmen betreffen jedoch nicht einmal die Hälfte der derzeit geschätzten 288 Millionen Wanderarbeiter (ÖB 10.2020).

 

Quellen:

• AA – Auswärtiges Amt (1.12.2020): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Volksrepublik China, https://www.ecoi.net/en/file/local/2041768/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_China_%28Stand_Oktober_2020%29%2C_01.12.2020.pdf , Zugriff 16.12.2020

• BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Deutschland) (30.11.2020): Briefing Notes, Zugriff 3.12.2020

• BS – Bertelsmann Stiftung (2020): Country Report China, https://www.ecoi.net/en/file/local/2029406/country_report_2020_CHN.pdf , Zugriff 28.11.2020

• CIA – Central Intelligence Agency (24.11.2020): The World Factbook - China, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/ch.html , Zugriff 27.11.2020

• Darimont, Barbara (2020): Wirtschaftspolitik der Volksrepublik China, Springer Fachmedien Verlag

• GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (6.2020b): China – Wirtschaft und Entwicklung, https://www.liportal.de/china/wirtschaft-entwicklung/ , Zugriff 27.11.2020

• IOM – International Organisation for Migration (2019): Länderinformationsblatt China 2019, https://files.returningfromgermany.de/files/CFS_2019_China_DE.pdf , Zugriff 28.11.2020

• ÖB Peking (10.2020): Asylländerbericht Volksrepublik China

• NZZ – Neue Züricher Zeitung (26.5.2020): Chinas erfolgsverwöhnte Jugend spürt erstmals die Folgen einer Krise, https://www.nzz.ch/wirtschaft/chinas-mittelstand-muss-den-guertel-enger-schnallen-ld.1555955 , Zugriff 9.12.2020

• UN DESA – United Nations Department of Economic and Social Affairs (2020): World Social Report 2020, https://www.un.org/development/desa/dspd/wp-content/uploads/sites/22/2020/01/World-Social-Report-2020-FullReport.pdf , Zugriff 9.12.2020

• WKO – Wirtschaftskammer Österreich (9.10.2020): Die chinesische Wirtschaft, https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/die-chinesische-wirtschaft.html#heading_wirtschaftslage , Zugriff 27.11.2020

• WKO – Wirtschaftskammer Österreich (10.2020): Länderprofil China, https://wko.at/statistik/laenderprofile/lp-china.pdf , Zugriff 27.11.2020

• ZO – Zeit Online (14.4.2020): Autoritäre Führung ist nicht besser, https://www.zeit.de/politik/ausland/2020-04/corona-krise-pandemie-gesundheitssystem-regierung-eindaemmung/komplettansicht , Zugriff 27.11.2020

 

Medizinische Versorgung

Letzte Änderung: 17.12.2020

China verkündete Ende 2014, die Abdeckung von 95 Prozent der Bevölkerung mit grundlegender Krankenversicherung erreicht zu haben. In der Praxis bestehen jedoch große Unterschiede in Qualität und Umfang der Absicherung (ÖB 10.2020).

Die Meldekarte (Hukou) ist weiterhin nötig für den (legalen) Zugang zu öffentlichen Dienstleistungen. Laut einem Beschluss des Staatsrats vom 11. Oktober 2016 sollen bis 2020 allerdings 100 Mio. Chinesen, die ohne städtischen Hukou (Meldeberechtigung) bereits "ständig" in Städten leben, Zugang zu sozialen Leistungen wie medizinischer Versorgung und Bildung erhalten. Bisher verfügten nur 39,9 Prozent der Stadtbewohner über einen städtischen Hukou mit Zugang zu sozialen Leistungen. Dieser Prozentsatz solle in den kommenden fünf Jahren auf 45 Prozent steigen. Die Maßnahmen betreffen jedoch nicht einmal die Hälfte der derzeit geschätzten 288 Mio. Wanderarbeiter. Chinesen, die keinen für ihre Zwecke gültigen Hukou haben (z.B. minderjährige Wanderarbeiter, welche offiziell noch nicht arbeiten dürften), verwenden mitunter gefälschte Hukou-Karten oder solche von Verwandten (ÖB 10.2020).

Grundsätzlich wird es allen chinesischen Staatsbürger ermöglicht, am Ort ihrer Haushaltsregistrierung Leistungen der nationalen Grundkrankenversicherung in Anspruch zu nehmen. Das gilt nach erfolgter Registrierung auch für chinesische Staatsbürger, die aus dem Ausland zurückgekehrt sind. Dabei werden von der Krankenversicherung in der Regel eine medizinische Grundversorgung in für den Wohnort designierten Krankenhäusern abgedeckt. Dabei können medizinische Leistungen nur dann bezogen werden, wenn eine Hukou-Registrierung besteht (ÖB 13.8.2020).

Das chinesische Gesundheitssystem hält nicht mit der wirtschaftlichen Entwicklung Schritt. Gemäß aktuellen Vergleichszahlen der OECD sind für 1.000 Einwohner 2,7 Krankenschwestern/-pfleger sowie zwei Ärzte verfügbar (HB 19.2.2020). Auch die finanzielle Absicherung im Krankheitsfall ist nach wie vor ungenügend. Krankheiten, die intensive ärztliche und/oder therapeutische Behandlungen erfordern, stellen für Bezieher durchschnittlicher und niedriger Einkommen nach wie vor enorme, häufig existenzbedrohende finanzielle Belastungen dar. Wie auch in anderen Politikfeldern herrscht im Gesundheitswesen ein gravierendes Stadt-Land-Gefälle vor. Elementare medizinische Dienstleistungen sind in abgelegenen ländlichen Gebieten kaum vorhanden, eine zeitnahe ärztliche Versorgung kaum möglich, und die vorhandenen Krankenhäuser sind schlecht ausgestattet. Auch wer in einer städtischen Krankenversicherung versichert ist, muss einen großen Teil der Behandlungskosten selbst tragen, da die Erstattungsbeträge aus der Krankenversicherung in der Regel nicht mehr als 60 Prozent betragen (ÖB 10.2020; vgl. IOM 2019, AA 1.12.2020). Ärztliche Behandlungskosten müssen von Patienten im Voraus bezahlt werden. Die meisten Versicherten erhalten eine Kostenerstattung bei jährlichen Kosten bis 1.300 RMB (170 EUR), darüber hinausgehende Kosten müssen selbst getragen werden. Bedienstete von Staatsbetrieben erhalten nahezu kompletten Kostenersatz. Obwohl die chinesische Regierung kontinuierlich mehr in das Gesundheitswesen investiert, ist die Abdeckung oft ungenügend. Besonders im ländlichen Raum müssen häufig arme Familien ihre gesamten Ersparnisse für Behandlungen kranker Familienmitglieder aufwenden. Auch die staatlichen Krankenhäuser müssen sich weitgehend selbst finanzieren, und tun dies vor allem durch extensives Verschreiben überteuerter Medikamente (10.2020).

Chinas System der Haushaltsregistrierung (das Hukousystem) trägt zu beobachtbaren Ungleichgewichten und der Marginalisierung von Landbewohnern und Migranten in den urbanen Zentren bei. Neuzuwanderer in städtische Gebiete haben aufgrund der strengen Registrierungsanforderungen oft keinen Zugang zu Gesundheitsversorgung, Bildung und Wohnraum (UNDESA 2020).

In China gibt es keine niedergelassenen, sondern nur in den Kliniken angestellte Ärzte (coliquio 10.8.2018). Krankenhäuser sind sowohl in großen als auch in kleinen Städten zu finden (IOM 2019). Der Arztberuf genießt in China relativ geringes Ansehen, Ärzte können von ihrem Grundgehalt kaum leben und es herrscht akuter Mangel an qualifiziertem Personal. Die große Unzufriedenheit der Bevölkerung mit dem Gesundheitssystem äußert sich regelmäßig in gewalttätigen Übergriffen gegen medizinisches Personal (ÖB 10.2020).

Der Markt für Medikamente in China ist relativ gut entwickelt. Grundsätzlich sind Medikamente im ganzen Land erhältlich. Während die Kosten für lokal hergestellte Medikamente gering sind, ist importierte Medizin mit besonderen Wirkstoffen sehr teuer (IOM 2019). Seit März 2016 wurde eine Reihe von Maßnahmen angekündigt, darunter eine Anhebung der Kostenerstattung für Patienten, die Anhebung der Zahl der Ärzte auf 70.000, die zentralisierte Beschaffung von Medikamenten für Spitäler und der Aufbau eines nationalen Netzwerks für die Kostenerstattung in der Krankenversicherung, sodass Kosten landesweit erstattet werden können (ÖB 10.2020).

 

Quellen:

• AA – Auswärtiges Amt (1.12.2020): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Volksrepublik China, https://www.ecoi.net/en/file/local/2041768/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_China_%28Stand_Oktober_2020%29%2C_01.12.2020.pdf , Zugriff 16.12.2020

• AA – Auswärtiges Amt (1.12.2020): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Volksrepublik China

• coliquio (10.8.2018): Als Arzt in China: Keine Halbgötter in Weiß, https://www.als-arzt-ins-ausland.de/china , Zugriff 9.12.2020

• HB – Handelsblatt (19.2.2020): Coronavirus offenbart gravierende Mängel an Chinas Gesundheitssystem, https://www.handelsblatt.com/politik/international/krankenversorgung-coronavirus-offenbart-gravierende-maengel-an-chinas-gesundheitssystem/25561166.html?ticket=ST-1039047-CrBiznv23udUClzvzT0p-ap4 , Zugriff 9.12.2020

• IOM – International Organisation for Migration (2019): Länderinformationsblatt China 2019, https://files.returningfromgermany.de/files/CFS_2019_China_DE.pdf , Zugriff 9.12.2020

• ÖB Peking (13.8.2020): Auskunft des Vertrauensanwaltes

• ÖB Peking (10.2020): Asylländerbericht Volksrepublik China

• UN DESA – United Nations Department of Economic and Social Affairs (2020): World Social Report 2020, https://www.un.org/development/desa/dspd/wp-content/uploads/sites/22/2020/01/World-Social-Report-2020-FullReport.pdf , Zugriff 9.12.2020

 

Rückkehr

Letzte Änderung: 18.12.2020

Grundsätzlich besitzen chinesische Staatsbürger nach ihrer Rückkehr nach China das Recht, sich wieder im Land niederzulassen und sich unter entsprechenden Bedingungen auch im "Hukou-System" registrieren zu lassen. Voraussetzung dafür ist eine "Bescheinigung zur Rückkehr und Ansiedlung von Auslandschinesen". Voraussetzungen für die Ausstellung einer solchen Rückkehrbescheinigung ist der Nachweis eines gesicherten Lebensunterhaltes und die Verfügbarkeit einer rechtlichen häuslichen Unterkunft für die rückkehrende Person. Auch wenn diese Bescheinigung verbindlichen Rechtsanspruch besitzt, obliegen dem Staat Möglichkeiten, diese Ansprüche bei Vorliegen von Straftaten betreffend der allgemeinen Sicherheit und Ordnung, deren Auslegung einen weiten Raum für Anschuldigungen bieten, zu verwehren. Für eine Registrierung an einem anderen Ort als dem bisherigen Lebensmittelpunkt sind zusätzliche lokal erlassene Bedingungen zu erfüllen, unter anderem auch eine Straffreiheit der Antragsteller (ÖB 10.2020).

Es erfolgen lückenlose, automatisierte Kontrollen an den Grenzkontrollstellen (ÖB 10.2020). Ein Asylantrag allein ist nach chinesischem Recht kein Straftatbestand. Personen, die China illegal, etwa unter Verletzung der Grenzübertritts-Bestimmungen verlassen haben, können bestraft werden (AA 1.12.2020). Es ist anzunehmen, dass die chinesischen Behörden über das Verhalten chinesischer Asylsuchender während ihres Aufenthalts außerhalb Chinas informiert sind (DFAT 3.10.2020). Im Oktober 2016 wurden zur Verstärkung der Überwachung von Auslandskontakten in einem ersten Schritt die Pässe der Einwohner Xinjiangs zurückgerufen. Zudem haben die Behörden in Xinjiang 2017 alle chinesischen Uigurinnen und Uiguren im Ausland aufgefordert, bis Ende Mai 2017 in die VR China zurückzukehren, um sich registrieren zu lassen. Verstöße dagegen können nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen von den chinesischen Behörden sanktioniert werden. Doch auch die freiwillige Rückkehr in der vorgegebenen Frist ist keine Garantie für Straffreiheit und Sicherheit (AA 1.12.2020).

Einige Gruppen (v.a. Angehörige der Minderheiten der Uiguren und Tibeter) sowie als politische- bzw. Menschenrechtsaktivisten eingestufte oder im "Shuanggui" System [ein nicht gesetzlich geregeltes Verfahren, welches eine zeitlich nicht näher begrenzte Arrestierung erlaubt] verfolgte Personen riskieren nach ihrer Rückkehr nach China regelmäßig unfaire Verfahren (ÖB 10.2020; vgl. AA 1.12.2020). Der Verbleib von Angehörigen dieser generalverdachtsmäßig als staatsgefährdend angesehenen Minderheiten bleibt nach deren Rückkehr oft ungeklärt und es ist mit einem ungewissem, auf unbestimmte Zeit festgelegten Verbleib dieser Personengruppen zu rechnen (AA 1.12.2020).

Oppositionelle Betätigung im Ausland kann zu Problemen führen, wenn die Behörden der Ansicht sind, dass "Verbrechen gegen die nationale Sicherheit" (etwa Verrat von Staatsgeheimnissen, Separatismus, Terrorismus) begangen wurden. Einige Gruppen (v.a. Angehörige der Minderheiten der Uighuren und Tibeter) sowie als politische- bzw. Menschenrechtsaktivisten eingestufte oder im "Shuanggui" System verfolgte Personen riskieren nach ihrer Rückkehr nach China regelmäßig unfaire Verfahren (ÖB 10.2020).

Das chinesische Außenministerium konfisziert, annulliert oder verweigert die Verlängerung der Reisepässe von Uiguren und anderen im Ausland lebenden turksprachigen Muslimen, einschließlich Personen mit rechtmäßigem Daueraufenthaltsstatus oder Staatsbürgerschaft in anderen Ländern, als Zwangsmaßnahme, um sie zur Rückkehr nach Xinjiang zu bewegen (USDOS 10.6.2020).

Darüber hinaus fordert die Zentralregierung andere Regierungen auf, Uiguren, die aus China geflohen sind, in ihre Heimat rückzuführen (NYP 22.9.2019). China übt dabei auf seine Nachbarstaaten Druck aus, uigurische Flüchtlinge, die pauschal des "Terrorismus" bezichtigt werden, beschleunigt nach China rückzuführen (DW 17.2.2020). Auch wurden entsprechende Auslieferungsabkommen mit einigen, an die Autonome Region Xinjiang grenzende Nachbarstaaten, wie Kasachstan (ÖB Nur-Sultan 7.2020a), Kirgisistan (ÖB Nur-Sultan 7.2020b), Tadschikistan (ÖB Nur-Sultan 8.2020) und Usbekistan (ÖB Moskau 17.5.2019) abgeschlossen. Die Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) beobachtet mit großer Sorge, dass sich der Einfluss Chinas bei der Verfolgung religiöser und ethnischer Minderheiten weltweit immer weiter ausdehnt, wie das Beispiel der Uiguren in der Türkei zeigt (IGFM 22.6.2020; vgl. NM 19.5.2020). In den letzten Jahren kam es, vermutlich auf chinesischen Druck, immer wieder zur Abschiebung von uigurischen Asylwerbern aus Nachbarländern, zumeist aus Kambodscha, Thailand, Pakistan, Malaysia, Algerien und Ägypten (ÖB 10.2020; vgl. AA 1.12.2020, SZ 12.4.2019, DW 17.2.2020). Es gibt auch Berichte, wonach die chinesischen Behörden die Rückkehr von Uigurinnen und Uiguren mit Aufenthaltsrecht in EU-Mitgliedstaaten zur „Umerziehung“ in ihren Heimatorten in Xinjiang erzwingen. Oftmals werden dafür in China lebende Familienmitglieder als Faustpfand benutzt. Über den Verbleib der rückkehrenden Personen ist oft nichts bekannt (AA 1.12.2020).

Die Rückkehrsituation für mittellose, kinderreiche Personen ohne Aussicht auf einen Arbeitsplatz und ohne familiäre Anbindung in China, insbesondere auf dem Land, ist als schwierig zu beurteilen (ÖB 10.2020).

 

Quellen:

• AA – Auswärtiges Amt (1.12.2020): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Volksrepublik China, https://www.ecoi.net/en/file/local/2041768/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_China_%28Stand_Oktober_2020%29%2C_01.12.2020.pdf , Zugriff 16.12.2020

• DFAT – Australian Government - Department of Foreign Affairs and Trade (3.10.2020): DFAT Country Information Report China, https://www.ecoi.net/en/file/local/2019379/country-information-report-china.pdf , Zugriff 27. 11.2020

• DW – Deutsche Welle (17.2.2020): Exklusiv: Neue Beweise für Chinas willkürliche Unterdrückung der Uiguren, https://www.dw.com/de/exklusiv-neue-beweise-f%C3%BCr-chinas-willk%C3%BCrliche-unterdr%C3%BCckung-der-uiguren/a-52398868 , Zugriff 9.12.2020

• IGFM – Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte (22.6.2020): In der Türkei lebenden Uiguren droht gewaltsame Rückführung, https://www.igfm.de/erdogan-opfert-uiguren-fuer-wirtschaft-abschiebung-aus-tuerkei/ , Zugriff 1.12.2020

• NM – Nordic Monitor (19.5.2020): Turkey-China extraction agreement may target Uyghurs living in Turkey, https://www.nordicmonitor.com/2020/05/turkey-china-extradition-agreement-may-target-uyghur-diaspora-in-turkey/ , Zugriff 9.12.2020

• NYP – New York Post (22.9.2019): Pompeo blasts China’s treatment of minority Uighurs, https://nypost.com/2019/09/22/pompeo-blasts-chinas-treatment-of-minority-uighurs/ , Zugriff 9.12.2020

• ÖB Moskau (17.5.2019): Auskunft der Konsularabteilung

• ÖB Nur-Sultan (7.2020a): Asylländerbericht Kasachstan

• ÖB Nur-Sultan (7.2020b): Asylländerbericht Kasachstan

• ÖB Nur-Sultan (8.2020): Asylländerbericht Turkmenistan

• ÖB Peking (13.8.2020): Auskunft des Vertrauensanwaltes

• ÖB Peking (10.2020): Asylländerbericht Volksrepublik China

• SZ – Süddeutsche Zeitung (12.4.2019): Wo die Moscheen verschwinden, https://www.sueddeutsche.de/politik/china-und-die-uiguren-wo-die-moscheen-verschwinden-1.4407686 , Zugriff 26.11.2019

• USDOS – US Department of State (10.6.2020): 2019 Report on International Religious Freedom: China (Includes Tibet, Xinjiang, Hong Kong, and Macau), https://www.ecoi.net/de/dokument/2031249.html , Zugriff 1.12.2020

 

 

 

 

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zur Herkunft, Volksgruppe, Konfessionslosigkeit und zur Staatsangehörigkeit der Beschwerdeführerin sowie zu der heimatlichen Ausbildung, der beruflichen Tätigkeit und dem Familienangehörigen in der Volksrepublik China ergeben sich aus dem diesbezüglich einheitlichen, plausiblen und daher glaubwürdigen Vorbringen.

Dass die Beschwerdeführerin bei einer Rückkehr in die Volksrepublik China nicht ernsthaft von Verfolgung bedroht wäre, beruht darauf, dass das Vorbringen zu ihrer Fluchtgeschichte in einer Gesamtschau äußerst vage und widersprüchlich und somit insgesamt nicht glaubwürdig war.

Im Rahmen ihrer Erstbefragung vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab die Beschwerdeführerin zu ihrem Fluchtgrund an, Ende März 2015 eine Chinesin kennengelernt zu haben, welche ihr empfohlen hätte, Gesundheitsdecken an ältere Leute zu verkaufen. Da jede Decke ca. 11 000 RMB gekostet hätte, hätte sie sehr gut verdienen können. Nach ca. einem Monat habe sie 30 bis 40 Stück verkauft und Mitte April 2015 erfahren, dass diese Chinesin von der Polizei festgenommen worden sei, weil es sich bei diesen Decken um Betrug gehandelt hätte. Die Polizei habe ebenfalls nach der Beschwerdeführerin gesucht, die aus Angst vor einer Festnahme und einer Inhaftierung im Gefängnis geflüchtet sei. Dies sei ihr einziger Fluchtgrund.

Dabei widerspricht sie sich jedoch bereits bei wesentlichen Punkten gegenüber ihren späteren Angaben.

Das Gericht verkennt bei der Würdigung der Aussagen der Beschwerdeführerin in der Erstbefragung nicht, dass gemäß § 19 Abs. 1 AsylG die Erstbefragung zwar "insbesondere" der Ermittlung der Identität und der Reiseroute eines Fremden dient und sich nicht auf die "näheren" Fluchtgründe zu beziehen hat. Die Beweisergebnisse der Erstbefragung dürfen nicht unreflektiert übernommen werden (vgl. VwGH 13.11.2014, Ra 2014/18/0061). Ein vollständiges Beweisverwertungsverbot normiert § 19 Abs. 1 AsylG jedoch nicht. Im Rahmen beweiswürdigender Überlegungen können Widersprüche und sonstige Ungereimtheiten in den Angaben in der Erstbefragung zu späteren Angaben - unter Abklärung und in der Begründung vorzunehmender Offenlegung, worauf diese fallbezogen zurückzuführen sind – einbezogen werden (VwGH 26.03.2019, Ra 2018/19/0607 bis 0608-12, VwGH 28.6.2018, Ra 2018/19/0271, mwN).

War es bei der Erstbefragung noch eindeutig eine Frau („Chinesin“), die sie für den angeblichen fluchtursächlichen Verkauf angeworben hätte, sprach sie später im weiteren Verfahrensverlauf von einem Mann. Zudem hätte jede Decke 11.000 RMB gekostet und sie nach ca. einem Monat 30 bis 40 Stück verkauft, vor dem Bundesverwaltungsgericht wären es dann 15.000 RMB und ca. 100 verkaufte Decken gewesen. Somit sind aber bereits Kernpunkte ihres Fluchtvorbringens äußerst widersprüchlich, von denen zu erwarten wäre, dass sie einheitlich vorgebracht würden, wenn die Vorfälle sich tatsächlich so zugetragen hätten.

Aber auch die übrigen Angaben vor dem Bundesamt bzw. dem Bundesverwaltungsgericht waren äußerst widersprüchlich und blieb die Beschwerdeführerin trotz mehrmaligen Nachfragens vor dem Bundesamt und der erkennenden Richterin äußerst vage und war nicht in der Lage, konkrete und einheitliche Angaben zu ihrem Fluchtgrund zu machen, sondern antwortete oft ausweichend.

Vor der Behörde brachte sie vor, dass die Kunden, die Ihr Produkt gekauft hätten, nach einiger Zeit entdeckt hätten, dass es unecht gewesen wäre. Daraufhin hätten sie von der Beschwerdeführerin ihr Geld zurückverlangt und sie China verlassen, um einer Festnahme durch die Polizei zu entgehen. Sie hätte Angst gehabt, dass sie sie erschlagen. Weitere Fluchtgründe gebe es nicht.

Mehrmals aufgefordert, Einzelheiten und Details zu nennen, erklärte die Beschwerdeführerin im Rahmen ihrer Einvernahme, sie (die Kunden) hätten ihr gesagt, wenn sie ihnen das Geld nicht zurückzahle, würden sie sie schlagen. Alle wären vor ihrer Wohnung gewesen und hätten ihr Geld wiederhaben wollen, wobei schon fraglich ist, wie sie in einer Millionenstadt wie XXXX den Wohnort der Beschwerdeführerin herausfinden hätten sollen. Dann hätten sie die Polizei angerufen, weswegen sie weggelaufen sei. Bei einer Rückkehr befürchte die Beschwerdeführerin, dass die Polizei sie festnehmen und ihr die Arme und Beine abhacken würde, was trotz der Menschenrechtsproblematik in China völlig übertrieben und nicht nachvollziehbar ist. Vor dem Bundesverwaltungsgericht brachte sie dann vor, die Kunden hätten die Decken zurückgeben und das Geld erstattet haben wollen. Ihre Vorgesetzte habe das gesehen und sei verschwunden. Somit hätten die Kunden das Geld aber beim Verkaufsstand und nicht – wie vorher behauptet bei der Wohnung - zurückverlangt. Daraufhin hätten die unzufriedenen Kunden bezüglich der Vorgesetzten (und noch nicht der Beschwerdeführerin) eine Anzeige bei der Polizei erstattet. Da die Kunden angekündigt hätten, weitere Anzeigen machen zu wollen, habe sich die Beschwerdeführerin auch versteckt. Sie sei davongelaufen, manchmal habe man sie dort gefunden – wo und wie gab sie nicht an - und geschlagen. Vorgehalten, vor der Behörde habe sie gesagt, dass sie lediglich davor Angst habe, von den Kunden geschlagen zu werden, antwortete die Beschwerdeführerin dann wiederum, Angst sei viel schlimmer. Auch befürchtete sie, dass die Polizei sie festnehme. Kunden hätten ihr gesagt, dass die Polizei sie festnehmen werde. Somit sind insgesamt auch hier die wesentlichen Angaben äußerst widersprüchlich.

Weiters erklärte sie vor der Behörde, ihre Arbeit sei gewesen, die Decken zu verkaufen bzw. neue Kunden zu finden. Vor dem Bundesverwaltungsgericht gab sie dann hingegen an, sie habe das Geld nicht kassiert, sondern ihr Vorgesetzter, die Kunden hätten bei den anderen bezahlt, somit hätte sie die Decken im Gegensatz zu ihrem bisherigen Vorbringen nicht selbst verkauft. Nachgefragt bei welchen anderen, antwortete die Beschwerdeführerin, sie hätten das Geld ihr gegeben und sie es sofort weitergegeben. Wie der bzw. die Vorgesetzte geheißen habe, wisse sie nicht, sie habe bei ihr nicht den ganzen Namen gesagt, was ebenfalls nicht nachvollziehbar ist. Wenn der Kunde komme, bringe die Vorgesetzte eine Decke zur Beschwerdeführerin und kassiere das Geld. Sie selbst habe nur die Werbung gemacht, eigentlich habe ihre Vorgesetzte den Verkauf abgewickelt.

Nicht plausibel ist auch, dass die Beschwerdeführerin weder wusste, aus welchen Materialien das von ihr verkaufte Produkt hergestellt worden sei und zwar einen Markennamen nannte, die Herstellerfirma und deren Chef jedoch kannte.

Somit ist es der Beschwerdeführerin insgesamt nicht gelungen, ihre Fluchtgeschichte glaubhaft zu machen.

Festzuhalten ist außerdem, dass obwohl - wie in den von der Rechtsvertretung verfassten Stellungnahmen vorgebracht – Prostitution in China selbst verboten ist und geahndet wird, die Beschwerdeführerin nicht wegen ihrer in Österreich legal verrichteten Sexarbeit ernsthaft von Verfolgung bedroht wäre, zumal die hiesigen Behörden dies nicht den chinesischen melden. Dass die Beschwerdeführerin bereits in der Volksrepublik China als Prostituierte tätig gewesen wäre, wurde weder behauptet noch sind Anhaltspunkte darauf im Akt ersichtlich. Auch kann sich die Beschwerdeführerin wie unten ausgeführt im Falle einer Rückkehr ihren Unterhalt wieder auf in China legale Weise, zum Beispiel in ihren dort bisher ausgeübten Tätigkeiten als Köchin oder Gemüseverkäuferin, verdienen und wäre somit nicht gezwungen, sich zu prostituieren.

Bezüglich des Gesundheitszustandes der Beschwerdeführerin ist folgendes festzuhalten:

Am 5.12.2021 erstellte ein Facharzt für Innere Medizin im Auftrag des Bundesverwaltungsgerichtes ein Internistisches Sachverständigengutachten auf Basis sämtlicher von der Beschwerdeführerin vorgelegten Befunde – im Gegensatz zum Vorbringen der Stellungnahme vom 11.1.2022 wurde hierbei eindeutig auch das ärztliche Schreiben vom 9.9.2021 berücksichtigt – und kam zur folgenden zusammenfassenden Beurteilung:

„Bei der Beschwerdeführenden Partei liegen folgende Diagnosen vor:

 Hochgradige plattenepitheliale intraepitheliale Neoplasie (Karzinom) im Bereich der Gebärmutter, Diagnose 14.06.2019 im Rahmen einer Curettage und notwendige Nachcurettage am 21.08.2019.

 Arterielle Hypertonie, derzeit soweit ersichtlich mit einem AT-II-Blocker therapiert.

Einzig vorliegender Blutdruckwert 140/100 basierend vom 09.09.2019.

 Diabetes mellitus Typ II – HbA1c 5,9 (Normbereich), aber ein pathologischer Glucose-

Toleranztest, therapiert mit Metformin

 Hyperlipidämie (therapiert mit einem Statin 20 mg)

Weitere Vorerkrankungen:

 St.p. zerebraler Insult 2010

 

Bezugnehmend auf die gestellte Frage kann nur wie folgt geantwortet werden:

In der Rechtvorschrift für Covid-19-Risikopatienten sind folgende medizinische Indikationen angeführt:

 Aktive Krebserkrankung mit einer jeweils innerhalb der letzten 6 Monate erfolgten onkologischen Pharmatherapie (oder Biologischen Therapie) oder einer erfolgten Strahlentherapie sowie metastasierenden Krebserkrankungen ohne laufende Therapie.

 Diabetes mellitus Typ II mit einem regelmäßig erhöhten HbA1c über 8,5.

 Arterielle Hypertonie mit bestehenden Endorganschäden, insbesondere chronische Herz- oder Niereninsuffizienz oder nicht kontrollierbarer Blutdruckeinstellung.

 

Beurteilung:

In den mir vorliegenden Befunden ist „nur“ eine hochgradige plattenepitheliale intraepitheliale Neoplasie der Gebärmutter ersichtlich, inwieweit weiterführende onkologische Maßnahmen gesetzt worden sind, sind mir keine Informationen vorliegend, das heißt aber eine aktive Krebserkrankung dürfte vorliegen.

Inwieweit hier eine Therapie, außerchirurgische Sanierung stattgefunden hat ist nicht erhebbar.

Weiters die relevanten angeführten Diagnosen wie Diabetes mellitus Typ II, arterielle Hypertonie entspricht nicht einer medizinischen Indikation einer Covid-19-Risikogruppe.

Das heißt zusammengefasst, ist das Vorliegen der gynäkologischen Neoplasie der einzige Grund, der für die Zuordnung in eine Covid-19-Risokogruppe fallen würde.

 

Ob weiterführende onkologische Maßnahmen wie Strahlentherapie, Chemotherapie,biologische Therapien stattgefunden haben, bzw eine metastasierende Krebserkrankungen vorliegt (Ergebnisse einer genauen Durchuntersuchung liegen nicht vor bzw. wurde möglicherweise auch nicht gemacht),

ist in den vorliegenden Unterlagen nicht ersichtlich.

 

Anders gesagt es liegen keine AHP dafür vor dass die Maßnahmen notwendig waren, bzw. Ergebnisse im Sinne einer metastasierenden Krebserkrankung bei der Patientin vorliegen.

 

Die anderen angeführten Diagnosen sind wie gesagt nicht in die Risikogruppe für besonders

schwere Covid-19-Verläufe einzuordnen.“

 

Die Beschwerdeführerin war zuvor seitens des Bundesverwaltungsgerichts ausdrücklich dazu aufgefordert worden, sämtliche notwendigen Befunde vorzulegen und war sie eigenen Angaben in der Verhandlung zufolge auch zuvor Ende April 2021 beim Gynäkologen gewesen, sodass davon auszugehen ist, dass sie ein entsprechendes Attest, welches eine nach wie vor existierende aktive oder metastasierende Krebserkrankung bestätigen würde, vorgelegt hätte.

 

Das vorgelegte Schreiben einer Gemeinschaftspraxis vom 9.9.2021 enthielt nur einen vagen Satz bezüglich eines kumulativ vorliegenden erhöhten Risikos bezüglich Covid 19, ohne dies auch nur ansatzweise konkret zu begründen und es wurde im Sachverständigengutachten eindeutig berücksichtigt.

 

Auch ist festzuhalten, dass die Beschwerdeführerin ihren Schlaganfall bereits fünf Jahre vor ihrer Ausreise erlitten hat und trotzdem problemlos in China leben und arbeiten konnte. Im Bundesgebiet ist sie – unter Berücksichtigung der Pandemiebeschränkungen – nach wie vor als Prostituierte tätig, die vorgelegten Medikamente nimmt sie ihren eigenen Angaben zufolge erst seit August 2021: Bei Cerebokan handelt es sich um ein Medikament aus Blättern des Ginkgobaumes, welches die Durchblutung im Bereich sehr kleiner Blutgefäße fördert. Weiters dient Thrombo ASS 75 mg zur Verminderung des Risikos eines Herzinfarktes bzw. Schlaganfalles, Atorvastatin Genericon 20 mg zur Regulierung der Blutfette, Metformin Hexal 500 mg (zur Regulierung des Blutzuckerspiegels) sowie Candesarcomp 16 mg/12,5 mg zur Behandlung hohen Blutdrucks.

 

Es liegen keine Hinweise auf eine Arbeitsunfähigkeit der, außerhalb der Pandemiebeschränkungen nach wie vor als Prostituierte tätigen, Beschwerdeführerin vor und wurde eine solche auch nicht ansatzweise behauptet.

Zudem ist darauf hinzuweisen, dass, auch wenn an den offiziellen Zahlen Zweifel bestehen, die Infektionszahlen in China nach wie vor niedrig sind und die Ansteckungsgefahr geringer als in Österreich ist (vgl. China: WHO Coronavirus Disease (COVID-19) Dashboard With Vaccination Data | WHO Coronavirus (COVID-19) Dashboard With Vaccination Data)

Es ist auch aufgrund der vorliegenden Länderberichte nicht ersichtlich, dass in der Heimat das Ansteckungsrisiko bzw. das Risiko eines schweren Verlaufes höher wäre, als in Österreich, im Gegenteil ist dieses sogar geringer als im Bundesgebiet.

 

Somit ist insgesamt auf Basis sämtlicher vorliegender Befunde, Medikamente und der Angaben der Beschwerdeführerin trotz der durch die Pandemie schwierigeren Lage nicht davon auszugehen, dass die XXXX jährige Beschwerdeführerin, die abgesehen von den letzten sechs Jahren ihr Leben in der Heimat verbrachte, dort die Pflichtschule absolvierte, danach durchgehend ihren Lebensunterhalt als Köchin und Verkäuferin selbst erwirtschaftete, zudem ihren Bruder, ein freundschaftliches Netzwerk und keine Sorgepflichten hat, bei einer Rückkehr wegen ihrer Krankheit in exzeptionelle Umstände geraten könnte und es wäre ihr dort möglich, z.B. wieder als Köchin oder Verkäuferin, zu arbeiten.

Die Feststellungen zur Integration der Beschwerdeführerin in Österreich basieren auf ihren diesbezüglich glaubwürdigen Angaben im Rahmen der mündlichen Verhandlungstermine vor dem Bundesverwaltungsgericht sowie der Einvernahme des Zeugen durch die erkennende Richterin am 18.5.2021 und den integrationsbelegenden Fotos. Die Feststellung zu den fehlenden Deutschkenntnissen ergibt sich zudem daraus, dass die Beschwerdeführerin im Rahmen der mündlichen Verhandlung keine einzige Frage auf Deutsch beantworten konnte, die Feststellung zu ihrer Tätigkeit als Prostituierte aus den vorgelegten Unterlagen.

Die Länderfeststellungen gründen auf den jeweils angeführten Länderberichten angesehener staatlicher und nichtstaatlicher Einrichtungen. Angesichts der Seriosität der Quellen und der Plausibilität ihrer Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln, sodass sie den Feststellungen zur Situation in der Volksrepublik China zugrunde gelegt werden konnten. Die nach wie vor aktuellen Feststellungen wurden der Beschwerdeführerin und ihrer rechtlichen Vertretung im Rahmen der Einvernahme vor dem Bundesamt unter Einräumung einer Stellungnahmemöglichkeit vorgehalten und es wurde ihnen nicht entgegengetreten.

 

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

In vorliegendem Fall ist in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen und obliegt somit in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I 2013/33 i.d.F. BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit .). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft. Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 3 Bundesgesetz über die Einrichtung und Organisation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA-Einrichtungsgesetz - BFA-G) BGBl. I Nr. 87/2012 idgF obliegt dem Bundesamt die Vollziehung des BFA-VG (Z 1), die Vollziehung des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005), BGBl.I Nr. 100 (Z 2), die Vollziehung des 7., 8. und 11. Hauptstückes des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr.100 (Z 3) und die Vollziehung des Grundversorgungsgesetzes - Bund 2005, BGBl.I Nr.100 (Z 4).

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

Soweit das Verwaltungsgericht nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, hat es gemäß § 27 VwGVG den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs.1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen. Gemäß § 9 Abs.1 VwGVG hat die Beschwerde u.a. (Z 3) die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt, sowie (Z 4) das Begehren zu enthalten. In den erläuternden Bemerkungen der Regierungsvorlage zur Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I Nr. 51/2012, wurde zu § 27 VwGVG ausgeführt: "Der vorgeschlagene § 27 legt den Prüfungsumfang des Verwaltungsgerichtes fest. Anders als die Kognitionsbefugnis einer Berufungsbehörde (vgl. § 66 Abs. 4 AVG) soll die Kognitionsbefugnis des Verwaltungsgerichtes durch den Inhalt der Beschwerde beschränkt sein."

 

Zu A)

Spruchpunkt I.:

Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides:

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 AsylG 2005 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, idF des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974 (Genfer Flüchtlingskonvention - GFK), droht.

 

Als Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK ist anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes ist nach ständiger Rechtsprechung des VwGH die "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung" (vgl. VwGH 22.12.1999, Zl. 99/01/0334; 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011). Eine solche liegt dann vor, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0370; 21.09.2000, Zl. 2000/20/0286).

 

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen (VwGH 24.11.1999, Zl. 99/01/0280). Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 19.12.1995, Zl. 94/20/0858; 23.09.1998, Zl. 98/01/0224; 09.03.1999, Zl. 98/01/0318;

09.03.1999, Zl. 98/01/0370; 06.10.1999, Zl. 99/01/0279 mwN;

19.10.2000, Zl. 98/20/0233; 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131;

25.01.2001, Zl. 2001/20/0011).

 

Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen muss (VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0318; 19.10.2000, Zl. 98/20/0233). Bereits gesetzte vergangene Verfolgungshandlungen können im Beweisverfahren ein wesentliches Indiz für eine bestehende Verfolgungsgefahr darstellen, wobei hierfür dem Wesen nach eine Prognose zu erstellen ist (VwGH 05.11.1992, Zl. 92/01/0792; 09.03.1999, Zl. 98/01/0318). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der GFK genannten Gründen haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 nennt, und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatstaates bzw. des Staates ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein, wobei Zurechenbarkeit nicht nur ein Verursachen bedeutet, sondern eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr bezeichnet (VwGH 16.06.1994, Zl. 94/19/0183).

 

Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Es ist erforderlich, dass der Schutz generell infolge Fehlens einer nicht funktionierenden Staatsgewalt nicht gewährleistet wird (vgl. VwGH 01.06.1994, Zl. 94/18/0263; 01.02.1995, Zl. 94/18/0731). Die mangelnde Schutzfähigkeit hat jedoch nicht zur Voraussetzung, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht - diesfalls wäre fraglich, ob von der Existenz eines Staates gesprochen werden kann -, die ihren Bürgern Schutz bietet. Es kommt vielmehr darauf an, ob in dem relevanten Bereich des Schutzes der Staatsangehörigen vor Übergriffen durch Dritte aus den in der GFK genannten Gründen eine ausreichende Machtausübung durch den Staat möglich ist. Mithin kann eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewendet werden kann (VwGH 22.03.2000, Zl. 99/01/0256).

 

Verfolgungsgefahr kann nicht ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Einzelverfolgungsmaßnahmen abgeleitet werden, vielmehr kann sie auch darin begründet sein, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden, und zwar wegen einer Eigenschaft, die der Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, (auch) er könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein (VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0370; 22.10.2002, Zl. 2000/01/0322).

 

Die Voraussetzungen der GFK sind nur bei jenem Flüchtling gegeben, der im gesamten Staatsgebiet seines Heimatlandes keinen ausreichenden Schutz vor der konkreten Verfolgung findet (VwGH 08.10.1980, VwSlg. 10.255 A). Steht dem Asylwerber die Einreise in Landesteile seines Heimatstaates offen, in denen er frei von Furcht leben kann, und ist ihm dies zumutbar, so bedarf er des asylrechtlichen Schutzes nicht; in diesem Fall liegt eine sog. "inländische Fluchtalternative" vor. Der Begriff "inländische Fluchtalternative" trägt dem Umstand Rechnung, dass sich die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung iSd. Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK, wenn sie die Flüchtlingseigenschaft begründen soll, auf das gesamte Staatsgebiet des Heimatstaates des Asylwerbers beziehen muss (VwGH 08.09.1999, Zl. 98/01/0503 und Zl. 98/01/0648).

 

Grundlegende politische Veränderungen in dem Staat, aus dem der Asylwerber aus wohlbegründeter Furcht vor asylrelevanter Verfolgung geflüchtet zu sein behauptet, können die Annahme begründen, dass der Anlass für die Furcht vor Verfolgung nicht (mehr) länger bestehe. Allerdings reicht eine bloße - möglicherweise vorübergehende - Veränderung der Umstände, die für die Furcht des betreffenden Flüchtlings vor Verfolgung mitbestimmend waren, jedoch keine wesentliche Veränderung der Umstände iSd. Art. 1 Abschnitt C Z 5 GFK mit sich brachten, nicht aus, um diese zum Tragen zu bringen (VwGH 21.01.1999, Zl. 98/20/0399; 03.05.2000, Zl. 99/01/0359).

Wie in den Feststellungen und der Beweiswürdigung ausgeführt, ist es nicht glaubwürdig, dass die Beschwerdeführerin in der Heimat ernsthaft von Verfolgung aus Gründen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Ansichten bedroht wäre.

Zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides - Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten:

Wird ein Asylantrag "in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten" abgewiesen, so ist dem Asylwerber gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, "wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde". Nach § 8 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung dieses Status mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 AsylG 2005 zu verbinden.

 

Gemäß Art. 2 EMRK wird das Recht jedes Menschen auf das Leben gesetzlich geschützt. Abgesehen von der Vollstreckung eines Todesurteils, das von einem Gericht im Falle eines durch Gesetz mit der Todesstrafe bedrohten Verbrechens ausgesprochen worden ist, darf eine absichtliche Tötung nicht vorgenommen werden. Letzteres wurde wiederum durch das Protokoll Nr. 6 beziehungsweise Nr. 13 zur Abschaffung der Todesstrafe hinfällig. Gemäß Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.

 

Gemäß § 8 Abs. 3 und 6 AsylG 2005 ist der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich dieses Status abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005) offensteht oder wenn der Herkunftsstaat des Asylwerbers nicht festgestellt werden kann. Daraus und aus mehreren anderen Vorschriften (§ 2 Abs. 1 Z 13, § 10 Abs. 1 Z 2, § 27 Abs. 2 und 4 AsylG 2005) ergibt sich, dass dann, wenn dem Asylwerber kein subsidiärer Schutz gewährt wird, sein Antrag auf interanationalen Schutz auch in dieser Beziehung förmlich abzuweisen ist.

 

Nach der (zur Auslegung der Bestimmungen zum subsidiären Schutz anwendbaren) Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 8 Asylgesetz 1997 (AsylG 1997) iVm § 57 Fremdengesetz 1997 BGBl I 75 (FrG) ist Voraussetzung einer positiven Entscheidung nach dieser Bestimmung, dass eine konkrete, den Asylwerber betreffende, aktuelle, durch staatliche Stellen zumindest gebilligte oder (infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt) von diesen nicht abwendbare Gefährdung bzw. Bedrohung vorliege. Die Anforderungen an die Schutzwilligkeit und -fähigkeit des Staates entsprechen jenen, wie sie bei der Frage des Asyls bestehen (VwGH 08.06.2000, Zl. 2000/20/0141). Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher nicht geeignet, eine positive Entscheidung nach dieser Gesetzesstelle zu tragen, wenn nicht besondere Umstände hinzutreten, die ihnen einen aktuellen Stellenwert geben (vgl. VwGH 14.10.1998, Zl. 98/01/0122; 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011).

 

Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird - auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei anzugehören - der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten (oder anderer in § 8 Abs. 1 AsylG 2005 erwähnter) Rechte ausgesetzt wäre, so kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen (VwSlg. 15.437 A/2000;

VwGH 25.11.1999, Zl. 99/20/0465; VwGH 08.06.2000, Zl. 99/20/0586;

VwGH 21.09.2000, Zl. 99/20/0373; VwGH 21.06.2001, Zl. 99/20/0460;

VwGH 16.04.2002, Zl. 2000/20/0131).

Diese in der Judikatur zum AsylG 1997 angeführten Fälle sind nun zT durch andere in § 8 Abs. 1 AsylG 2005 erwähnte Fallgestaltungen ausdrücklich abgedeckt. Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat (unter dem Gesichtspunkt des § 57 FrG, dies ist nun auf § 8 Abs. 1 AsylG 2005 zu übertragen) als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (VwGH 27.02.2001, Zl. 98/21/0427).

 

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 57 FrG hat der Fremde glaubhaft zu machen, dass er aktuell bedroht sei, dass die Bedrohung also im Falle, dass er abgeschoben würde, in dem von seinem Antrag erfassten Staat gegeben wäre und durch staatliche Stellen zumindest gebilligt wird oder durch sie nicht abgewandt werden kann. Gesichtspunkte der Zurechnung der Bedrohung im Zielstaat zu einem bestimmten "Verfolgersubjekt" sind nicht von Bedeutung; auf die Quelle der Gefahr im Zielstaat kommt es nicht an (VwGH 21.08.2001, Zl. 2000/01/0443; VwGH 26.02.2002, Zl. 99/20/0509). Diese aktuelle Bedrohungssituation ist mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender Angaben darzutun, die durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauert werden (VwGH 2.8.2000, Zl. 98/21/0461). Dies ist auch im Rahmen des § 8 AsylG 1997 (nunmehr: § 8 Abs. 1 AsylG 2005) zu beachten (VwGH 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011). Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in seiner Sphäre gelegen sind und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.09.1993, Zl. 93/18/0214).

 

Im konkreten Fall bedeutet dies Folgendes:

Wie bereits oben ausgeführt, bestehen keine stichhaltigen Gründe für die Annahme, dass das Leben oder die Freiheit der Beschwerdeführerin aus Gründen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Ansichten bedroht wäre. Zu prüfen bleibt, ob es begründete Anhaltspunkte dafür gibt, dass durch die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den Herkunftsstaat Art. 2 oder 3 EMRK oder das Protokoll Nr. 6 zur EMRK verletzt würde.

Im Falle der Beschwerdeführerin und unter Berücksichtigung der zur aktuellen Lage in der Volksrepublik China herangezogenen Erkenntnisquellen haben sich keine konkreten Anhaltspunkte dahingehend ergeben, wonach die unmittelbar nach erfolgter Rückkehr allenfalls drohenden Gefahren nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht wären, dass sich daraus bei objektiver Gesamtbetrachtung für die Beschwerdeführerin mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit das reale Risiko einer derart extremen Gefahrenlage ergeben würde, die im Lichte der oben angeführten Rechtsprechung einen außergewöhnlichen Umstand im Sinne des Art. 3 EMRK darstellen und somit einer Rückführung entgegenstehen würde.

 

Vor dem Hintergrund der Feststellungen liegt keine gemäß der Judikatur des EGMR geforderte Exzeptionalität der Umstände vor, um die Außerlandesschaffung eines Fremden im Hinblick auf außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegende Gegebenheiten im Zielstaat im Widerspruch zu Art. 3 EMRK erscheinen zu lassen (VwGH vom 21.08.2001, Zl. 2000/01/0443). Es existieren keine begründeten Anhaltspunkte dafür, dass die Beschwerdeführerin mit der hier erforderlichen Wahrscheinlichkeit befürchten müsste, im Herkunftsland Übergriffen von im gegebenen Zusammenhang interessierender Intensität ausgesetzt zu sein.

 

Davon zu unterscheiden ist aber nach Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes das Prüfungskalkül des Art. 3 EMRK, das für die Annahme einer solchen Menschenrechtsverletzung das Vorhandensein einer die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz bedrohenden Lebenssituation unter exzeptionellen Umständen fordert (vgl. dazu das Erkenntnis des VwGH vom 19. Juni 2017, Ra 2017/19/0095, Rz. 18).

Im Fall der Beschwerdeführerin ergeben sich aus den getroffenen Länderfeststellungen keine Hindernisse für eine Rückverbringung in die Volksrepublik China.

 

Die Beschwerdeführerin wuchs in XXXX auf, wurde dort sozialisiert, absolvierte die Pflichtschule und erwirtschaftete sich anschließend zunächst ihr Einkommen als Köchin in einem Restaurant und die letzten zehn Jahre vor der Ausreise als Gemüseverkäuferin. Ihre Muttersprache ist Chinesisch. Sie hat keine Sorgepflichten. Wie in den Feststellungen und der Beweiswürdigung näher ausgeführt, ist insgesamt auf Basis sämtlicher Befunde, Medikamente und der Angaben der Beschwerdeführerin trotz der durch die Pandemie schwierigeren Lage nicht davon auszugehen, dass die XXXX jährige Beschwerdeführerin, die abgesehen von den letzten sechs Jahren ihr Leben in der Heimat verbrachte, dort die Pflichtschule absolvierte, danach durchgehend ihren Lebensunterhalt als Köchin und Verkäuferin selbst erwirtschaftete, zudem in der Heimat ihren Bruder, ein freundschaftliches Netzwerk und keine Sorgepflichten hat, bei einer Rückkehr in exzeptionelle Umstände geraten könnte und es wäre ihr dort möglich, z.B. wieder als Köchin oder Verkäuferin, zu arbeiten.

 

Insgesamt gesehen handelt es sich im vorliegenden Fall nach dem Maßstab der Rechtsprechung des EGMR um keinen "ganz außergewöhnlichen Fall, in dem die humanitären Gründe gegen die Rückführung zwingend sind", fehlt es doch an sämtlichen dafür maßgeblichen Kriterien: Denn im Fall D. vs Vereinigtes Königreich (EGMR vom 02.05.1997, 30240/96) lagen die ganz außergewöhnlichen Umstände darin, dass sich der Beschwerdeführer erstens in der Endphase einer tödlichen Erkrankung befand, zweitens für ihn im Herkunftsstaat keine Krankenbehandlung und -pflege verfügbar war und drittens mangels Angehöriger seine Grundbedürfnisse nicht gesichert waren.

 

Nach der Rechtsprechung des EuGH in seinem Urteil vom 18. Dezember 2014, C-542/13 , M'Bodj, Rn. 43 bis 46, ist es einem Mitgliedstaat verwehrt, "Bestimmungen zu erlassen oder beizubehalten, mit denen die in dieser Richtlinie vorgesehene Rechtsstellung einer Person mit Anspruch auf subsidiären Schutz einem an einer schweren Krankheit leidenden Drittstaatsangehörigen wegen der Gefahr der Verschlechterung seines Gesundheitszustands, die auf das Fehlen einer angemessenen Behandlung in seinem Herkunftsland zurückzuführen ist, zuerkannt wird, da solche Bestimmungen mit dieser Richtlinie nicht vereinbar sind". Daher ist es dem nationalen Gesetzgeber - auch unter Berufung auf Art. 3 der Statusrichtlinie - verboten, Bestimmungen zu erlassen oder beizubehalten, die einem Fremden den Status des subsidiär Schutzberechtigten unabhängig von einer Verursachung durch Akteure oder einer Bedrohung in einem bewaffneten Konflikt im Herkunftsstaat zuerkennen (vgl. VwGH 6.11.2018, Ra 2018/01/0106, mwN auf die Rechtsprechung des EuGH, insbesondere EuGH 4.10.2018, C-652/16 , Ahmedbekova). Bis zur Schaffung einer unionsrechtskonformen Rechtslage durch den Gesetzgeber des AsylG 2005 ist weiterhin davon auszugehen, dass eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 und 3 MRK durch eine schwere Krankheit nach nationalem Recht den Status des subsidiär Schutzberechtigten begründet (vgl. zu allem VwGH 23.4.2020, Ra 2019/01/0368-0371, mwN). (VwGH 12.7.2021, Ra 2021/01/0114)

 

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat im Allgemeinen kein Fremder ein Recht, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet oder suizidgefährdet ist. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, allerdings muss der Betroffene auch tatsächlich Zugang zur notwendigen Behandlung haben. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK. Solche liegen jedenfalls vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben, aber bereits auch dann, wenn stichhaltige Gründe dargelegt werden, dass eine schwerkranke Person mit einem realen Risiko konfrontiert würde, wegen des Fehlens angemessener Behandlung im Zielstaat der Abschiebung oder des fehlenden Zugangs zu einer solchen Behandlung einer ernsten, raschen und unwiederbringlichen Verschlechterung ihres Gesundheitszustands ausgesetzt zu sein, die zu intensivem Leiden oder einer erheblichen Verkürzung der Lebenserwartung führt (vgl. aus der jüngeren Rechtsprechung etwa VwGH 22.2.2021, Ra 2020/01/0280-0281, mwN und Hinweis auf EGMR 13.12.2016, Paposhvili gegen Belgien, 41738/10).

 

Ob derartige außergewöhnliche Umstände vorliegen, ist eine von der Behörde bzw. vorliegend dem BVwG zu beurteilende Rechtsfrage. Diese Beurteilung setzt aber nachvollziehbare Feststellungen über die Art der Erkrankung des Betroffenen und die zu erwartenden Auswirkungen auf den Gesundheitszustand im Falle einer (allenfalls medizinisch unterstützten) Abschiebung voraus (vgl. auch dazu VwGH, Ra 2019/01/0368-0371, mwN). (vgl. zur Covid-19-Pandemie etwa VwGH 10.9.2020, Ra 2020/01/0181, mwN).

 

Die gesundheitlichen Beschwerden der Beschwerdeführerin weisen nicht jene besondere Schwere auf, welche nach der oben angeführten höchstgerichtlichen Rechtsprechung zu Art. 3 EMRK eine Abschiebung nach China als eine unmenschliche Behandlung erscheinen lassen würde. Dass die von ihr benötigten Medikamente in China nicht erhältlich sind, hat die Beschwerdeführerin weder vorgebracht noch ist dies den Länderberichten zu entnehmen. Nach den Länderfeststellungen ist in China der Zugang zur Gesundheitsversorgung grundsätzlich gegeben, sodass die medizinische und medikamentöse Behandlung der Beschwerdeführerin grundsätzlich gewährleistet ist, wenn gleich die medizinische und medikamentöse Behandlung nicht gleichwertig und schwerer zugänglich ist. Selbst wenn eine solche (grundsätzlich verfügbare) Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, so führt ein solcher Umstand im Falle seines Vorliegens vor dem Hintergrund der oben angeführten Judikatur zu keinem anderen Ergebnis für die Beschwerdeführerin.

 

Auch wurde nicht hinreichend konkret dargelegt, dass sich der Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin im Falle einer Überstellung derartig verschlechtern würde, dass eine Überstellung iSd o.a. Judikatur als unzulässig anzusehen wäre. Abgesehen davon werden von der Fremdenpolizeibehörde anlässlich einer Abschiebung auch der aktuelle Gesundheitszustand und insbesondere die Transportfähigkeit der Betroffenen beurteilt sowie gegebenenfalls bei gesundheitlichen Problemen die entsprechenden Maßnahmen gesetzt.

 

Die Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz über die Definition der allgemeinen COVID-19-Risikogruppe (COVID-19-Risikogruppe-Verordnung) StF: BGBl. II Nr. 203/2020, Fassung vom 20.1.2022 lautet auszugsweise:

„[…] § 2. (1) Medizinische Indikationen für die Zuordnung zur COVID-19-Risikogruppe nach § 735 Abs. 1 ASVG bzw. § 258 Abs. 1 B-KUVG sind:1. fortgeschrittene funktionelle oder strukturelle chronische Lungenkrankheiten, welche eine dauerhafte, tägliche, duale Medikation benötigen, wiea) pulmonale Hypertonien,b) Mucoviscidosen/zystische Fibrosen sowiec) COPD im fortgeschrittenen Stadium GOLD III ab Patientengruppe C;2. chronische Herzerkrankungen mit Endorganschaden, die dauerhaft therapiebedürftig sind, wiea) ischämische Herzerkrankungen sowieb) Herzinsuffizienzen;3. a) aktive Krebserkrankungen mit einer jeweils innerhalb der letzten sechs Monate erfolgten onkologischen Pharmakotherapie (Chemotherapie, Biologika) und/oder einer erfolgten Strahlentherapie sowieb) metastasierende Krebserkrankungen auch ohne laufende Therapie;4. Erkrankungen, die mit einer dauerhaften und relevanten Immunsuppression behandelt werden müssen, wiea) Knochenmarkstransplantation innerhalb der letzten zwei Jahre oder unter einer immunsuppressiven Therapie oder mit Graft vs Host Disease,b) Organtransplantation innerhalb des letzten Jahres oder unter einer immunsuppressiven Therapie oder mit Graft vs Host Disease,c) dauernde Kortisontherapie > 20 mg bzw. Prednisonäquivalent/Tag länger als zwei Wochen,d) Immunsuppression mit Cyclosporin, Tacrolimus, Mycophenolat Azathioprin, Methotrexat Tyrosinkinaseinhibitoren, laufender Biologikatherapie (bei nicht onkologischer Diagnose) sowiee) HIV mit hoher Viruslast;5. fortgeschrittene chronische Nierenerkrankungen wiea) chronische Niereninsuffizienz mit glomerulärer Filtrationsrate < 45 ml/min,b) bei Nierenersatztherapie sowiec) bei St.p. Nierentransplantation;6. chronische Lebererkrankungen mit Organumbau und dekompensierter Leberzirrhose ab Childs-Stadium B;7. ausgeprägte Adipositas ab dem Adipositas Grad III mit einem BMI >= 40;8. Diabetes mellitusa) Typ I mit regelmäßig erhöhtem HBA1c > 7,5%,b) Typ II mit regelmäßig erhöhtem HBA1c > 8,5%,c) Typ I oder II mit Endorganschäden;9. arterielle Hypertonie mit bestehenden Endorganschäden, insbesondere chronische Herz- oder Niereninsuffizienz, oder nicht kontrollierbarer Blutdruckeinstellung.

(2) Abgesehen von den in Abs.1 genannten medizinischen Indikationen ist die Ausstellung eines COVID-19-Risiko-Attests nur dann zulässig, wenn sonstige schwere Erkrankungen mit funktionellen oder körperlichen Einschränkungen vorliegen, die einen ebenso schweren Krankheitsverlauf von COVID-19 wie bei den in Abs. 1 gelisteten Krankheitsbildern annehmen lassen. Dies ist von dem/der das COVID-19-Risiko-Attest ausstellenden Arzt/Ärztin in seinen/ihren Aufzeichnungen entsprechend zu begründen und zu dokumentieren.“

 

 

Bei der Beschwerdeführerin liegen folgende medizinische Diagnosen vor:

 Hochgradige plattenepitheliale intraepitheliale Neoplasie (Karzinom) im Bereich der Gebärmutter, Diagnose 14.6.2019 im Rahmen einer Curettage und notwendige Nachcurettage am 21.8.2019. Ergebnisse im Sinne einer existierenden metastasierenden Krebserkrankung liegen jedoch laut dem vom Bundesverwaltungsgericht in Auftrag gegebenen Sachverständigengutachten nicht vor.

 Arterielle Hypertonie, derzeit soweit ersichtlich mit einem AT-II-Blocker therapiert.

Einzig vorliegender Blutdruckwert 140/100 basierend vom 9.9.2019.

 Diabetes mellitus Typ II – HbA1c 5,9 (Normbereich), aber ein pathologischer Glucose-

Toleranztest, therapiert mit Metformin

 Hyperlipidämie (therapiert mit einem Statin 20 mg)

Weitere Vorerkrankungen:

 St.p. zerebraler Insult 2010

 

Insgesamt ist – wie in den Feststellungen und der Beweiswürdigung näher ausgeführt – dem Ergebnis des internistischen Sachverständigengutachtens vom 5.12.2021 zu folgen, wonach die Beschwerdeführerin nicht in die Covid 19 Risikogruppe für einen schweren Verlauf fällt.

 

Es liegen auch keine Hinweise auf eine Arbeitsunfähigkeit der, außerhalb der Pandemiebeschränkungen nach wie vor als Prostituierte tätigen, Beschwerdeführerin vor und wurde eine solche auch nicht ansatzweise behauptet.

 

Die vorgebrachte Gesundheitsbeeinträchtigung der Beschwerdeführerin erreicht somit im Hinblick auf die in China grundsätzlich bestehende Gesundheitsversorgung nicht jene Schwere, die eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten würde.

 

Unter Berücksichtigung der Länderberichte und der persönlichen Situation der Beschwerdeführerin ist in einer Gesamtbetrachtung nicht zu erkennen, dass sie im Fall ihrer Abschiebung nach China in eine ausweglose Lebenssituation geraten und real Gefahr laufen würde, eine Verletzung ihrer durch Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der durch die Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention geschützten Rechte zu erleiden.

 

Schließlich kann auch nicht gesagt werden, dass eine Abschiebung der Beschwerdeführerin für diese als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts mit sich bringen würde. In der Volksrepublik China ist eine Zivilperson nicht allein aufgrund ihrer Anwesenheit einer solchen Bedrohung ausgesetzt.

 

Insoweit war auch die Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides gemäß § 8 Abs. 1 AsylG als unbegründet abzuweisen.

 

Zur Frage der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung - Spruchpunkte III. bis IV. des angefochtenen Bescheides:

 

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt wird.

 

Gemäß § 57 Abs. 1 AsylG ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:

 

1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

 

2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

 

3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

 

Die Beschwerdeführerin befindet seit Juni 2015 im Bundesgebiet und ihr Aufenthalt ist nicht geduldet. Sie ist nicht Zeugin oder Opfer von strafbaren Handlungen und auch kein Opfer von Gewalt. Die Voraussetzungen für die amtswegige Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 liegen daher nicht vor, wobei dies weder im Verfahren noch in der Beschwerde auch nur behauptet wurde.

 

Gemäß § 52 Abs. 2 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

 

1. dessen Antrag auf internationalen Schutz wegen Drittstaatsicherheit zurückgewiesen wird,

 

2. dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

 

3. ihm der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder

 

4. ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird

und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

 

Die Beschwerdeführerin ist als Staatsangehörige der Volksrepublik China keine begünstigte Drittstaatsangehörige und es kommt ihr kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zu, da mit der erfolgten Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz das Aufenthaltsrecht nach § 13 AsylG 2005 mit der Erlassung dieser Entscheidung endet.

Gemäß § 55 Abs. 1 AsylG ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn

 

1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und

 

2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. I Nr. 189/1955) erreicht wird.

 

Liegt gemäß Abs. 2 leg. cit. nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen.

 

Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

Gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG sind bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK insbesondere zu berücksichtigen:

 

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

 

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

 

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

 

4. der Grad der Integration,

 

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

 

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

 

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

 

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

 

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

 

Gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG ist über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), verfügen, unzulässig wäre.

Gemäß § 9 Abs. 5 BFA-VG darf gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 FPG nicht erlassen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint.

 

Gemäß § 9 Abs. 6 BFA-VG darf gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG vorliegen. § 73 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974 gilt."

 

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

Art. 8 Abs. 2 EMRK erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffes; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinne wird eine Ausweisung nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung. Bei dieser Abwägung sind insbesondere die Dauer des Aufenthaltes, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens und dessen Intensität, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, den Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert, die Bindungen zum Heimatstaat, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, aber auch Verstöße gegen das Einwanderungsrecht und Erfordernisse der öffentlichen Ordnung maßgeblich. Auch die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, ist bei der Abwägung in Betracht zu ziehen (Vgl. VfGH vom 29.09.2007, B 1150/07-9).

 

Hierbei ist neben diesen (beispielhaft angeführten) Kriterien, aber auch auf die Besonderheiten der aufenthaltsrechtlichen Stellung von Asylwerbern Bedacht zu nehmen, zumal etwa das Gewicht einer aus dem langjährigen Aufenthalt in Österreich abzuleitenden Integration dann gemindert ist, wenn dieser Aufenthalt rechtswidrig oder lediglich auf unberechtigte Asylanträge zurückzuführen ist (vgl. VfGH vom 12.06.2007, B 2126/06; VfGH vom 29.09.2007, Zl. B 1150/07-9; VwGH vom 24.04.2007, 2007/18/0173; VwGH vom 15.05.2007, 2006/18/0107, und 2007/18/0226).

 

Nach ständiger Rechtsprechung der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts kommt dem öffentlichen Interesse aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung iSd Art 8 Abs 2 EMRK ein hoher Stellenwert zu. Der Verfassungsgerichtshof und der Verwaltungsgerichtshof haben in ihrer Judikatur ein öffentliches Interesse in dem Sinne bejaht, als eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung von Personen, die sich bisher bloß auf Grund ihrer Asylantragsstellung im Inland aufhalten durften, verhindert werden soll (VfSlg. 17.516 und VwGH vom 26.06.2007, Zl. 2007/01/0479).

 

Zu den in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) zu Art. 8 EMRK entwickelten Grundsätzen zählt unter anderem auch, dass das durch Art. 8 EMRK gewährleistete Recht auf Achtung des Familienlebens, das Vorhandensein einer "Familie" voraussetzt.

 

In der bisherigen Spruchpraxis der Straßburger Instanzen wurden als unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zu schützende Beziehungen neben den zwischen Ehegatten und ihren minderjährigen Kindern ipso iure zu bejahenden Familienleben bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; s. auch EKMR 07.12.1981, B 9071/80, X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Onkel bzw. Tante und Neffen bzw. Nichten (EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; EKMR 05.07.1979, B 8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt (vgl. Baumgartner, ÖJZ 1998, 761; Rosenmayer, ZfV 1988, 1). Als Kriterien hiefür kommen in einer Gesamtbetrachtung etwa das Vorliegen eines gemeinsamen Haushaltes, die Intensität und die Dauer des Zusammenlebens bzw. die Gewährung von Unterhaltsleistungen in Betracht. Das Kriterium einer gewissen Beziehungsintensität wurde von der Kommission auch für die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern gefordert (EKMR 6.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215). Sich bei der Prüfung allein auf das Kriterium der Abhängigkeit zu beschränken, greift jedenfalls zu kurz (vgl. VwGH vom 26.01.2006, Zl. 2002/20/0423).

 

Nach der st. Rsp. des EGMR ist das nach Art. 8 EMRK geschützte Familienleben nicht auf durch Heirat rechtlich formalisierte Beziehungen beschränkt ist, sondern auch faktische Familienbindungen erfasst, bei welchen die Partner außerhalb des Ehestandes zusammenleben (VwGH 28.6.2011 2008/01/0527)

Zur Frage, ob eine nichteheliche Lebensgemeinschaft ein Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK begründet, stellt der EGMR auf das Bestehen enger persönlicher Bindungen ab, die sich in einer Reihe von Umständen - etwa dem Zusammenleben, der Länge der Beziehung oder der Geburt gemeinsamer Kinder - äußern können. Ausgehend davon hat die Asylbehörde das Nichtvorliegen eines Familienlebens nicht ausreichend begründet, indem sie es nur als "nicht ausgeschlossen" erachtete, dass der Asylwerber im Haushalt seiner "Freundin" lebe, ohne ausdrückliche Feststellungen über Art und Dauer dieses Zusammenlebens zu treffen, und die Beziehung ohne weitere Begründung als "lose und nicht derartig innig" beurteilte, dass dadurch ein Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK begründet würde (VwGH 28.6.2011 2008/01/0527)

 

Für den konkreten Fall ergibt sich Folgendes:

Die Beschwerdeführerin befindet sich seit Juni 2015 im österreichischen Bundesgebiet. Sie ist zum Aufenthalt in Österreich jedoch nur auf Grund eines Antrages auf internationalen Schutz, der sich letztlich als nicht begründet erwiesen hat, berechtigt, sodass sie sich ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst gewesen sein musste. Anhaltspunkte dafür, dass ihr ein nicht auf asylrechtliche Bestimmungen gestütztes Aufenthaltsrecht zukäme, sind nicht ersichtlich.

Die Beschwerdeführerin hat in Österreich keine Verwandten oder Familienangehörigen. Es gibt zwar einen Partner, den sie alle drei bis fünf Tage aufsucht und der sie beim Kauf von Lebensmitteln unterstützt bzw. ihr auch Schmuck schenkt. Dennoch existiert kein familienähnliches Verhältnis in der hier relevanten Intensität, zumal ansonsten keine finanzielle Abhängigkeit besteht und die Beschwerdeführerin es am 18.5.2021 auch ablehnte, ihn als Zeugen befragen zu lassen, weil er vielleicht die Beziehung nicht bestätigen würde und auch verheiratet gewesen wäre.

Die unbescholtene Beschwerdeführerin verdient sich im Bundesgebiet ihren Unterhalt legal als Sexarbeiterin.

Sie verfügt aber über keine Deutschkenntnisse, besuchte keine Kurse oder Ausbildungen und war nie ehrenamtlich tätig. Zudem ist nach wie vor von einer stärkeren Bindung zu ihrem Heimatland auszugehen, dessen Landessprache ihrer Muttersprache ist und wo sie, abgesehen von den letzten sechs Jahren in Österreich, durchgehend gelebt, die Schule besucht und gearbeitet, und zudem ihren Bruder und auch einen Freundeskreis hat.

Auch wenn sie in Österreich über ein freundschaftliches Netzwerk verfügt, so überwiegen, berücksichtigt man in der speziellen Konstellation alle genannten Aspekte, im Rahmen einer Gesamtbetrachtung im konkreten Einzelfall letztlich die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung zugunsten eines geordneten Fremdenwesens die aus den erwähnten Umständen in ihrer Gesamtheit erwachsenden privaten Interessen am Verbleib im österreichischen Bundesgebiet (vgl. dazu auch VwGH 28.01.2015, Zl. Ra 2014/20/0121). Deshalb ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gegen die Beschwerdeführerin zulässig.

 

Gemäß § 52 Abs. 9 FPG hat das Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich sei.

Nach § 50 Abs. 1 FPG ist die Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.

Nach § 50 Abs. 2 FPG ist Abschiebung in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005).

Nach § 50 Abs. 3 FPG ist Abschiebung in einen Staat unzulässig, solange der Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.

Unter Zugrundelegung des bisher Ausgeführten können keine Gründe erkannt werden, aus denen sich eine Unzulässigkeit der Abschiebung im Sinne des § 50 FPG ergeben würde. Die Zulässigkeit der Abschiebung der Beschwerdeführerin in den Herkunftsstaat ist gegeben.

§ 55 FPG lautet auszugsweise:

„Frist für die freiwillige Ausreise

§ 55 (1) Mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 wird zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt.

(2) Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.

(3) Bei Überwiegen besonderer Umstände kann die Frist für die freiwillige Ausreise einmalig mit einem längeren Zeitraum als die vorgesehenen 14 Tage festgesetzt werden. Die besonderen Umstände sind vom Drittstaatsangehörigen nachzuweisen und hat er zugleich einen Termin für seine Ausreise bekanntzugeben.“

Besondere Umstände im Sinne des § 55 Abs. 2 FPG sind im Beschwerdeverfahren nicht vorgebracht worden, weshalb die von der belangten Behörde gesetzte Frist für die freiwillige Ausreise den gesetzlichen Bestimmungen entspricht.

 

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Wie der oben dargelegten rechtlichen Beurteilung zu entnehmen ist, warf die Tatsachenlastigkeit des gegenständlichen Falles keine Auslegungsprobleme der anzuwendenden Normen auf, schon gar nicht waren - vor dem Hintergrund der bereits bestehenden Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes - Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen. Die Revision war daher nicht zuzulassen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte