BVwG L502 2147604-1

BVwGL502 2147604-110.1.2018

AsylG 2005 §10 Abs2
AsylG 2005 §57
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs1 Z1
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z1
FPG §55 Abs1a

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2018:L502.2147604.1.00

 

Spruch:

L502 2147604-1/28E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Nikolas BRACHER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Libanon, vertreten durch RA Dr. Blum, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.01.2017, FZ. XXXX , nach Durchführung von mündlichen Verhandlungen am 27.02.2017, 23.05.2017 und 14.06.2017, zu Recht erkannt:

 

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

 

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

 

I. Verfahrensgang und Sachverhalt

 

1. Der Beschwerdeführer (BF) reiste am 18.08.2007 auf illegale Weise nach Österreich ein und stellte am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz.

 

2. Nach Durchführung einer Einvernahme des BF am 24.08.2007 wies das (vormalige) Bundesasylamt diesen Antrag mit Bescheid vom 31.01.2008 sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG (Spruchpunkt I.) als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Libanon gemäß § 8 Abs. 1 Z. 1 AsylG (Spruchpunkt II.) ab, gemäß § 10 Abs. 1 Z. 2 AsylG wurde der BF aus dem österreichischen Bundesgebiet in den Libanon ausgewiesen (Spruchpunkt III.).

 

Dagegen wurde vom BF fristgerecht Beschwerde an den (vormaligen) Asylgerichtshof (AsylGH) erhoben.

 

3. Mit Schreiben vom 19.08.2008 informierte die BPD den AsylGH darüber, dass der BF wegen des Verdachts des versuchten Ladendiebstahls bei der Staatsanwaltschaft zur Anzeige gebracht wurde.

 

Mit Schreiben vom 08.11.2008 informierte das Stadtpolizeikommando den AsylGH darüber, dass der BF wegen des Verdachts der Körperverletzung zur Anzeige gebracht wurde.

 

4. Am 27.11.2012 führte der AsylGH in der Sache des BF eine mündliche Beschwerdeverhandlung durch.

 

5. Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 17.12.2012, GZ. XXXX , wurde die Beschwerde des BF gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 31.01.2008 gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1 Z. 1 und 10 Abs. 1 Z. 2 AsylG als unbegründet abgewiesen.

 

Die Behandlung der gegen dieses Erkenntnis erhobenen Beschwerde wurde vom Verfassungsgerichtshof, nachdem von diesem der Beschwerde vorerst mit Beschluss vom 10.01.2013 die aufschiebende Wirkung zuerkannt worden war, mit Entscheidung vom 21.02.2013, Zl. XXXX , abgelehnt.

 

Der BF hielt sich im Gefolge dessen weiterhin im Bundesgebiet auf.

 

6. Ein Erstantrag des BF vom 19.04.2013 auf Ausstellung eines Aufenthaltstitels in Form einer Rot-Weiß-Rot-Karte plus gemäß § 41a Abs. 9 NAG wurde von der zuständigen Niederlassungsbehörde mit Bescheid vom 18.09.2013 rechtskräftig als unzulässig zurückgewiesen.

 

7. Am 08.11.2013 wurde dem BF eine Information zur Ausreiseverpflichtung mit Frist bis 24.11.2013 zugestellt.

 

Der BF kam in der Folge seiner Ausreiseverpflichtung weiterhin nicht nach.

 

8. Der Einleitung eines Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme folgend wurde dem BF vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) gemäß § 55 AsylG ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen für die Dauer von 21.08.2014 bis 06.08.2015 erteilt.

 

9. Mit Urteil des LG XXXX vom 14.03.2016 wurde der – seit 26.06.2015 in der JA XXXX in Untersuchungshaft befindliche - BF wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs. 1 StGB und des Vergehens der versuchten Bestimmung zur falschen Beweisaussage nach § 288 Abs. 4 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 3 Jahren verurteilt. Dieses Urteil erwuchs nach Abweisung einer dagegen erhobenen Berufung mit Urteil des OLG XXXX vom 11.07.2016 in Rechtskraft.

 

Der BF verbüßte in der Folge seine Haftstrafe in der JA XXXX .

 

10. Eine Kopie des Urteils des LG XXXX langte am 27.07.2016 beim BFA ein.

 

11. Dem BF wurde mit Schreiben des BFA vom 10.08.2016 zur beabsichtigten Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt Verhängung eines Einreiseverbotes schriftlich Parteigehör eingeräumt und wurde er aufgefordert zu den ihm unter einem übermittelten Länderinformationen zum Libanon Stellung zu nehmen sowie sein aktuelles Privat- und Familienleben darzulegen.

 

Mit Schreiben seines anwaltlichen Vertreters vom 30.08.2016 nahm der BF dazu Stellung.

 

12. Mit Schreiben des BFA vom 10.10.2016 wurde der BF aufgefordert ihm übermittelte ergänzende Fragen zu beantworten und wurde ihm unter einem ein länderkundlicher Erhebungsbericht des Verbindungsbeamten des BM f. Inneres an der ÖB Amman zur Frage einer eventuellen Doppelbestrafung im Herkunftsstaat des BF zur Kenntnis gebracht.

 

Dazu nahm der BF mit Schreiben seines Vertreters vom 20.10.2016 Stellung, insbesondere verwies er darauf, dass er am 17.07.2015 einen Antrag auf Verlängerung seines Aufenthaltstitels gestellt habe, über den bislang noch nicht entschieden worden sei.

 

13. Mit Schreiben des BFA vom 10.11.2016 wurde der BF aufgefordert anhand der ihm unter einem vorgegebenen Fragen eine schriftliche Darstellung der von ihm in der Stellungnahme vom 20.10.2016 behaupteten individuellen Gefährdung bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat zu übermitteln.

 

Mitgeteilt wurde dem BF auch, dass laut Auskunft der zuständigen Niederlassungsbehörde vom 31.10.2016 von ihm kein Verlängerungsantrag seinen Aufenthaltstitel betreffend gestellt worden sei, weshalb von seinem unrechtmäßigen Aufenthalt auszugehen sei.

 

14. Mit Schreiben seines Vertreters an das BFA vom 07.11.2016 legte der BF ein Katechumenenprotokoll der römisch –katholischen Kirche vom 30.09.2016 vor, dem zufolge er zur Taufvorbereitung zugelassen worden sei. Ergänzend ausgeführt wurde, dass der BF auch aufgrund dieses Umstandes im Libanon bei einer Rückkehr Probleme erwarte.

 

15. Mit Schreiben seines Vertreters an das BFA vom 28.11.2016 brachte der BF vor, "verbal über dritte Personen" (gemeint: im Herkunftsstaat) bedroht worden zu sein, und beantragte im Hinblick darauf die zeugenschaftliche Einvernahme von zwei namhaft gemachten Personen.

 

16. Am 20.12.2016 wurden diese Zeugen vor dem BFA niederschriftlich einvernommen.

 

17. Mit dem im Spruch genannten Bescheid des BFA vom 04.01.2017 wurde dem BF kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG erteilt und gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z. 1 FPG erlassen (Spruchpunkt I). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG in den Libanon zulässig ist (Spruchpunkt II). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z. 1 FPG wurde gegen ihn ein auf die Dauer von 8 Jahren befristetes Einreiseverbot verhängt (Spruchpunkt III). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt (Spruchpunkt IV).

 

Der Bescheid wurde dem Vertreter des BF am 09.01.2017 zugestellt.

 

18. Mit Verfahrensanordnung des BFA vom 04.01.2017 wurde dem BF gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG von Amts wegen ein Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren beigegeben.

 

19. Mit 23.01.2017 wurde vom Vertreter des BF Beschwerde gegen den Bescheid des BFA vom 04.01.2017 an das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) erhoben.

 

Unter anderem wurde dargetan, dass der BF seit mehreren Jahren eine Beziehung mit einer österr. Staatsangehörigen führe und eine Eheschließung mit dieser geplant sei.

 

Beantragt wurde zum Beweis einer nunmehr (auch) von seiner Herkunftsfamilie ausgehenden Bedrohung die Einvernahme von bereits zuvor genannten Zeugen sowie einer in Deutschland lebenden Schwester des BF.

 

20. Die Beschwerdevorlage des BFA langte am 16.02.2017 bei der nunmehr zur Entscheidung berufenen Abteilung des BVwG ein.

 

21. Im Wege des BFA langte am 21.02.2017 beim BVwG eine Urkundenvorlage des Vertreters des BF vom 16.02.2017 mit diversen Fotos und Unterstützungsschreiben zugunsten des BF ein.

 

22. Am 16.03.2017 fand eine mündliche Beschwerdeverhandlung in der Sache des BF statt, in der es im Beisein seines Vertreters sowie dem eines Organwalters der belangten Behörde zur Befragung des BF sowie zur zeugenschaftlichen Einvernahme seiner Freundin kam.

 

Im Zuge der Verhandlung wurde von Letztgenannter ein Mobiltelefon des BF als Beweismittel vorgelegt und in der Folge zum Akt genommen. Der BF legte wiederum eine Stellungnahme der Begutachtungs- und Evaluationsstelle für Gewalt- und Sexualstraftäter beim BM f. Justiz vom August 2016 und eine zeitlich aktuelle Bestätigung der JA XXXX über seine Beschäftigung in der Anstaltswäscherei vor.

 

23. Mit Eingabe des Vertreters des BF, einlangend beim BVwG am 22.03.2017, wurden eine Stellungnahme zum Ergebnis der mündlichen Verhandlung, eine Kopie des Taufscheins des BF, ein persönliches Schreiben der in Deutschland lebenden Schwester des BF und ein Schreiben der Freundin des BF vorgelegt.

 

24. Mit Schreiben des BVwG vom 21.03.2017 wurde dem Vertreter des BF zur Kenntnis gebracht, dass sich das als Beweismittel vorgelegte Mobiltelefon als nicht (mehr) betriebsfähig gezeigt hatte, und wurde - im Hinblick auf die sodann am 29.03.2017 erfolgte Aushändigung des Telefons an die Freundin des BF - aufgetragen die behaupteter Weise darauf enthaltenen Kurznachrichten in sonstiger nachvollziehbarer Form vorzulegen.

 

25. Mit Eingaben des Vertreters des BF vom 03.04.2017 und 10.04.2017 wurden dem BVwG in Druckform gebrachte Kurznachrichten in arabischer Sprache ohne Datumsangaben sowie Zahlungsbelege über die Anfertigung der Ausdrucke übermittelt.

 

26. Die vorgelegten Kurznachrichten wurden vom BVwG mit 05.04.2017 amtswegig einer Übersetzung in die deutsche Sprache zugeführt, welche wiederum am 18.04.2017 beim BVwG einlangte.

 

27. Am 23.05.2017 fand vor dem BVwG die zeugenschaftliche Einvernahme der in Deutschland lebenden Schwester des BF im Beisein seines Vertreters statt.

 

28. Am 14.06.2017 fand eine weitere mündliche Verhandlung vor dem BVwG statt, in deren Rahmen - im Hinblick auf die bisher vorgelegten sowie eine weitere neu hinzugekommene Kurznachricht – unter Beiziehung eines Dolmetschers für die arabische Sprache nochmals in das vom BF als Beweismittel beigebrachte Mobiltelefon Einsicht genommen und der BF selbst als Partei dazu befragt wurde, der seinerseits weitere Urkunden (Geburtsurkunde, Zivilregisterauszug, Ledigenbescheinigung, Heirats- und Scheidungsurkunde, alle jeweils in arabischer Sprache samt beglaubigter Übersetzung; Gewerberegisterauszug, psychotherapeutische Behandlungsbestätigung seiner Freundin) vorlegte.

 

29. Mit Schreiben des BVwG vom 06.11.2017 wurden dem Vertreter des BF sowie der belangten Behörde im Rahmen des Parteiengehörs, unter Hinweis auf jüngste in anderen Rechtssachen ergangene Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofs zu §§ 52 Abs. 9 und 51 Abs. 2 FPG ( XXXX v. 31.08.2017, Ra 2017/21/0157u.a. v. 05.10.2017), die daraus zu folgernde Rechtsansicht zur Kenntnis gebracht, verbunden mit der Aufforderung an den BF dem BVwG bekannt zu geben, ob er Bezug nehmend auf sein bisheriges Vorbringen im gg. Beschwerdeverfahren beabsichtige beim BFA einen (weiteren) Antrag auf internationalen Schutz einzubringen, und jener an das BFA seinerseits das Gericht von einer allfälligen Antragstellung in Kenntnis zu setzen.

 

30. Mit Schreiben an das BVwG vom 22.12.2017 teilte der Vertreter des BF mit, dass der BF aktuell keinen (weiteren) Antrag auf internationalen Schutz einbringen werde, sondern sein bisheriges Vorbringen im Rahmen des beim BVwG anhängigen Verfahrens über die Erlassung einer Rückkehrentscheidung geprüft werden möge. Darüber hinaus wurde mitgeteilt, dass eine vorzeitige bedingte Entlassung des BF aus der Strafhaft mit gleichem Tage zu erwarten sei.

 

31. Einer Anfrage vom 02.01.2018 an die JA XXXX folgend langten beim BVwG mit gleichem Tag eine Kopie des Anhörungsprotokolls sowie des Beschlusses des LG XXXX vom 22.11.2017, dem zufolge der BF seinem Begehren folgend per 22.12.2017 unter Bestimmung einer Probezeit von fünf Jahren vorzeitig bedingt aus der Haft zu entlassen sei, sowie einer Auflistung der Arbeitszeiten des BF innerhalb des Anstaltsbetriebs sowie als Freigänger während seiner Strafhaft ein.

 

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

1. Feststellungen:

 

1.1. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger des Libanon und Angehöriger der Volksgruppe der Araber. Er stammt aus XXXX im Landkreis XXXX (auch: XXXX ) im Süden des Libanon, wo er die Schule besucht hat und vor seiner Ausreise ca. sieben Jahre lang als Automechaniker beschäftigt war.

 

Er hatte am 27.12.2004 in XXXX die Ehe nach muslimischem Ritus mit einer libanesischen Staatsangehörigen geschlossen, von der er auf Betreiben seiner Gattin am 31.10.2013 vom zuständigen Schariagericht in XXXX in Abwesenheit geschieden wurde. Dieser Ehe entstammt eine im Jahr 2008 geborene Tochter, für die er nie persönliche Unterhaltszahlungen leistete und mit der er seit ca. 2010 auch keinen Kontakt mehr hat. Mit seiner früheren Gattin hat der BF seit seiner Ausreise im Jahr 2007 keinen Kontakt mehr.

 

In der engeren Heimat des BF im Libanon halten sich weiterhin der Vater, vier Brüder und zwei Schwestern des BF auf. Eine weitere Schwester lebt seit 17 Jahren in Deutschland. Nachdem diese dort einen Asylantrag gestellt hatte, erhielt sie einen Aufenthaltstitel abgeleitet von ihrem dort aufhältigen Ehegatten palästinensischer Herkunft. Sie reist seit vielen Jahren zumindest einmal jährlich mit Ehegatten und Kindern in den Libanon, wo sie dann im Haus der Schwiegereltern in XXXX wohnt, das unweit des Wohnsitzes ihrer Herkunftsfamilie liegt. Zumindest bis zum Sommer 2016 hat sie dort ihre eigene Herkunftsfamilie besucht, bis zumindest Februar 2017 hatte sie zu dieser auch telefonischen Kontakt. Die Mutter des BF ist vor 2012 an den Folgen eines Unfalls verstorben.

 

Der BF selbst reiste im August 2007 illegal in das österr. Bundesgebiet ein um in der Folge einen Antrag auf internationalen Schutz zu stellen. Im Gefolge der rechtskräftigen Abweisung seines Antrags sowie seiner Ausweisung aus dem Bundesgebiet per 17.12.2012 hielt er sich entgegen seiner Ausreiseverpflichtung unrechtmäßig weiterhin auf österr. Bundesgebiet auf. Mit 20.08.2014 wurde dem BF vom BFA einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 55 AsylG, gültig von 21.08.2014 bis 06.08.2015, ausgefolgt. Am 17.07.2015 richtete der BF durch seinen Vertreter einen "Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltsberechtigung" an die BH XXXX . Nicht feststellbar war, dass der BF an das BFA einen Antrag auf Verlängerung seines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen richtete. Sein Aufenthalt im Bundesgebiet ist seit Ablauf seines Aufenthaltstitels mit 07.08.2015 bis dato unrechtmäßig.

 

Der BF war ehemals Moslem und Angehöriger der schiitischen Glaubensgemeinschaft und wurde am 10.03.2017 während seiner Anhaltung in Strafhaft nach römisch-katholischem Ritus getauft.

 

1.2. Der BF pflegt seit Ende 2011/Anfang 2012 bis dato eine Liebesbeziehung mit einer in XXXX ansäßigen österreichischen Staatsbürgerin im Alter von aktuell 24 Jahren. Diese war auch vorerst von 06.03.2012 bis 18.11.2014 am Wohnsitz des BF gemeldet und im gemeinsamen Haushalt wohnhaft, ehe sie zu ihrer Mutter zog, wo sie bis März 2015 gemeldet war. Zu diesem Zeitpunkt begründete sie andernorts in XXXX einen neuen Wohnsitz in einer Mietwohnung, an dem wiederum der BF seit Oktober 2015 mit einem Hauptwohnsitz gemeldet ist. Der BF wurde mit 25.06.2015 inhaftiert, ab ca. zwei Monate zuvor und damit auch zum Zeitpunkt der vom BF begangenen Straftat, die in der Folge zu seiner strafgerichtlichen Verurteilung führte, war die Beziehung für einige Zeit unterbrochen. Beginnend mit August 2015 wurde die Beziehung wieder aufgenommen und der BF von seiner Freundin regelmäßig in der Haft besucht, im Mai 2016 verlobten sich die beiden. Die Verlobte des BF ist seit November 2015 in einem Kaffeehaus beschäftigt, in dem auch die – von ihrem Gatten bzw. vom Vater der Verlobten des BF seit 1997 geschiedene – Mutter beschäftigt ist, der Vater ist als Telefonist erwerbstätig. Zu beiden Elternteilen hat die Verlobte des BF eine aufrechte Beziehung. Bei der Mutter lebt noch eine jüngere Schwester, ein jüngerer Bruder hat einen eigenen Wohnsitz.

 

Der BF bezog während seines Verfahrens über seinen Antrag auf internationalen Schutz im Zeitraum von 2007 bis 2012, mit Ausnahme seiner anfänglichen Unterbringung nach der Einreise, keine Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung für Asylwerber, sondern wurde er von seinen Familienangehörigen und Verwandten aus dem Libanon und Deutschland finanziell unterstützt. Nach der Aufnahme seiner Beziehung mit seiner Verlobten wurde er auch von dieser wirtschaftlich unterstützt. Er hat im Dezember 2012 die Deutschprüfung auf dem Niveau A2 absolviert und verfügt über gute Deutschkenntnisse für den Alltagsgebrauch. Er hat am 29.11.2012 in Österreich ein Handelsgewerbe angemeldet, in dessen Rahmen er bis zu seiner Inhaftierung mit Autos gehandelt hat. Während der Zeit seines Haftaufenthalts arbeitete er beginnend mit September 2015 bis Dezember 2017 vor allem in der Wäscherei der Justizanstalt, dort zuletzt als Vorarbeiter, zwischen September und Dezember 2012 war er auch als Freigänger in einem Reifenhandelsunternehmen tätig. Es sind keine gravierenden Erkrankungen oder sonstige gesundheitliche Einschränkungen des BF bekannt.

 

1.3. Im Jahr 2008 wurde der BF wegen des Vorwurfs der absichtlichen Körperverletzung (durch einen Faustschlag gegen einen anderen Asylwerber) angezeigt.

 

Im Jahr 2009 wurde ein Strafverfahren gegen den BF wegen des 2008 gegen ihn erhobenen Vorwurfs des versuchten Ladendiebstahls durch seine Zahlung eines Geldbetrages in Höhe von 100,- EUR diversionell erledigt.

 

Ein Strafverfahren wegen § 12 2. Fall iVm §§ 223 und 224 StGB wurde von der Staatsanwaltschaft mit 09.11.2011 mangels "Nachweises der Kenntnis von der Fälschung eines Gutachtens" (Anm.: einer sogen. KFZ-Plakette) eingestellt.

 

Mit Urteil des LG XXXX vom 14.03.2016, XXXX , wurde er des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 StGB sowie des Vergehens der versuchten Bestimmung zur falschen Zeugenaussage nach §§ 15 und 12 2. Fall iVm § 288 StGB schuldig gesprochen und zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Diese Verurteilung erwuchs mit Entscheidung des OLG XXXX vom 11.07.2016 in Rechtskraft.

 

Der BF befand sich beginnend mit 25.06.2015 in Untersuchungs- und im Gefolge seiner strafgerichtlichen Verurteilung bis 22.12.2017 in Strafhaft, aus der er mit gleichem Tag unter Bestimmung einer Probezeit von fünf Jahren sowie unter den Auflagen der Bewährungshilfe sowie der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit bzw. Meldung der Arbeitssuche beim AMS vorzeitig bedingt entlassen wurde.

 

1.4. Zur aktuellen Lage im Herkunftsstaat des BF wird auf die länderkundlichen Feststellungen der belangten Behörde im bekämpften Bescheid verwiesen, die auch der gg. Entscheidung des BVwG zugrunde gelegt wurden.

 

1.5. Für den Fall einer Rückkehr des BF in den Herkunftsstaat war weder eine individuelle Bedrohung ausgehend von Angehörigen der Herkunftsfamilie seiner früheren Gattin noch eine solche ausgehend von Angehörigen seiner eigenen Herkunftsfamilie feststellbar.

 

Auch eine sonstige Gefahrenlage aufgrund allgemeiner Umstände im Herkunftsstaat, die auf den BF durchschlagen könnten, oder eine allfällige Existenzgefährdung mangels hinreichender Lebensgrundlagen war nicht feststellbar.

 

2. Beweiswürdigung:

 

2.1. Beweis erhoben wurde im gegenständlichen Beschwerdeverfahren durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt des Bundesamtes im gg. Verfahren einschließlich des dort einliegenden Urteils des LG XXXX in der Strafsache des BF und in den Verfahrensakt des AsylGH über den vormaligen Antrag auf internationalen Schutz des BF, die Einholung ergänzender Auskünfte der österr. Strafvollzugsbehörden, die Einsichtnahme in das Zentrale Melderegister, das Betreuungsinformationssystem und das Informationsverbundsystem zentrales Fremdenregister sowie die Durchführung mündlicher Verhandlungen in der gg. Beschwerdesache vor dem BVwG, in der es zur Befragung des BF und seiner Verlobten sowie zur Inaugenscheinnahme der vom BF vorlegten Beweismittel kam.

 

2.2. Die Feststellungen zur Person des BF sowie zu seinem persönlichen und beruflichen Werdegang und seinen aktuellen privaten und familiären Verhältnissen in Österreich und im Libanon konnten aufgrund der diesbezüglich miteinander übereinstimmenden Angaben des BF vor dem AsylGH, dem BFA und dem BVwG und jenen seiner Verlobten vor dem BVwG sowie unter Berücksichtigung der Auskünfte der og. Datenbanken getroffen werden.

 

2.3. Die Feststellungen zur illegalen Einreise des BF in das österr. Bundesgebiet, zum Verfahrensverlauf seinen Antrag auf internationalen Schutz betreffend, dem auf die rechtskräftige Abweisung seines Antrags folgend vorerst unrechtmäßigen, in der Folge auf der Grundlage eines ihm vom BFA erteilten einjährigen Aufenthaltstitels vorübergehend rechtmäßigen und seit Ablauf der Gültigkeit dieses Aufenthaltstitels wiederum unrechtmäßigen Aufenthalts des BF im Bundesgebiet stützen sich auf den Inhalt der og. Verfahrensakten und den Inhalt der dazu eingesehenen Auszüge aus dem Informationsverbundsystem zentrales Fremdenregister, die ein übereinstimmendes Gesamtbild ergaben.

 

Soweit von der Vertretung des BF im erstinstanzlichen Verfahren über die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gegen den BF vorerst behauptet worden war, dass noch vor Ablauf der Gültigkeit des dem BF vom BFA ausgefolgten Aufenthaltstitels dessen Verlängerung beantragt worden und dieses Verfahren nach wie vor anhängig sei, ergab sich aus dem vorliegenden Akteninhalt im Übrigen, dass seinerzeit eine Verlängerung dieses Titels offenkundig bei einer – hierfür nicht zuständigen - Niederlassungsbehörde und nicht beim BFA beantragt worden war, ein solcher Antrag daher auch keine Weitergeltung des bisherigen Aufenthaltsrechts des BF bewirkte und sohin, mangels neuerlicher Erteilung eines Aufenthaltstitels durch das BFA an den BF, dieser nach Ablauf der Gültigkeit des ihm ausgefolgten ersten Aufenthaltstitels in weiterer Folge unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig war bzw. nach wie vor ist. Ein dieser Feststellung entgegen stehendes Vorbringen der Vertretung des BF fand sich auch weder in der Beschwerde gegen den erstinstanzlichen Bescheid, wo bereits das BFA zu eben diesem Ergebnis gekommen war, noch in den mündlichen Verhandlungen vor dem BVwG oder einer schriftlichen Eingabe im Beschwerdeverfahren.

 

2.4. Die Feststellungen zu den bisherigen Ermittlungsverfahren der österr. Sicherheitsbehörden gegen den BF sowie der bisherigen strafgerichtlichen Verfolgung des BF in Österreich waren auf der Grundlage der diesbezüglich unstrittigen Verfahrensunterlagen zu treffen.

 

2.5. Zu den von der erstinstanzlichen Behörde getroffenen Feststellungen die aktuelle Lage im Herkunftsstaat betreffend ist in Ansehung des betreffenden Teils der Entscheidungsbegründung anzuführen, dass sich die Behörde um eine umfassende und ausgewogene Auswahl an Quellen sowohl staatlichen als auch nichtstaatlichen Ursprungs bemühte. Von der Vertretung des BF wurde weder der Wahrheitsgehalt der ausgewählten Berichte widerlegt noch ein substantiiertes anderslautendes Vorbringen erstattet, weshalb das erkennende Gericht keine Veranlassung hatte, von den erstinstanzlich getroffenen länderkundlichen Feststellungen abzugehen oder etwaige eigene Beweismittel zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat des BF in das Verfahren einzuführen.

 

2.6. Zu den Feststellungen oben unter 1.5. gelangte das BVwG aus nachfolgend dargestellten Erwägungen:

 

2.6.1. Seinen Antrag auf internationalen Schutz vom Jahre 2007 begründete der BF unmittelbar nach seiner Einreise damit, dass er von Angehörigen der Hisbollah verfolgt werde und sein Haus von israelischen Soldaten zerstört worden sei. In seiner Erstbefragung gab er zu seinen Fluchtgründen an, er habe im Libanon eine Autoreparaturwerkstatt besessen, die während des Kriegs zwischen der Hisbollah und der israelischen Armee von den Israelis zerstört worden sei, sein Wohnhaus sei ebenfalls zerstört worden. Seine Gattin sei zwar im neunten Monat schwanger und brauche sie aus diesem Grund ärztliche Hilfe und finanzielle Unterstützung durch den BF, da er jedoch nicht Mitglied der Hisbollah sei und deshalb keine finanzielle Unterstützung erhalten habe, habe er sein Heimatland verlassen. Auf die Frage zu seinen Rückkehrbefürchtungen gab der BF abschließend an: "Ich habe viele Schulden. Außerdem werde ich von der Hisbollah gesucht, weil ich kein Mitglied dieser Organisation bin." Vor dem Bundesasylamt gab der BF dazu vorerst an, im Libanon würden sich nach wie vor seine Eltern und diverse Geschwister sowie seine Gattin aufhalten, seit 1997 habe er in seiner engeren Heimat als Kraftfahrzeugmechaniker gearbeitet. Auf die Frage nach seinen Fluchtgründen verwies er auf seine bei seiner Erstbefragung gemachten Angaben, ergänzend führte er an, dass er "auch einmal" seitens der Hisbollah gewarnt worden sei, da zu seinem Bekanntenkreis zwei Sunniten gehört hätten. Sonst sei "aber durch die Hisbollah nichts passiert". Im Zuge einer weiteren niederschriftlichen Einvernahme ergänzte der BF, dass die Hisbollah ihm fälschlicher Weise vorgeworfen habe, dass er als Spion für Israel gearbeitet habe. Bisher habe er dies aus Angst, dass ihm in Österreich nicht geglaubt werde, nicht angegeben. Nochmals aufgefordert seine Fluchtgründe umfassend zu schildern, vermeinte der BF, er sei aus dem Libanon geflohen, da er "große Probleme" mit der Hisbollah gehabt habe. Er sei von dieser Organisation für einen Spion Israels gehalten worden und habe deshalb Angst bekommen, da solche Spione üblicherweise von der Hisbollah hingerichtet werden. Darüber hinaus seien sein Haus und seine Werkstatt und damit letztlich auch seine Existenz während des Krieges zerstört worden, auch habe er seitens der Hisbollah keine finanzielle Unterstützung bekommen, da er nicht Mitglied dieser Organisation gewesen sei. Auf näheres Nachfragen, wie die Probleme mit der Hisbollah denn ausgesehen hätten, gab er zunächst an, er habe keine konkreten Probleme gehabt, man habe ihn lediglich verdächtigt für Israel zu arbeiten. Auf weiteres Nachfragen gab er an, er sei von der Hisbollah "beschattet" worden, die Hisbollah habe ihn "immer wieder zu sich geholt" bzw. meistens von zu Hause abgeholt und in ihr Hauptquartier gebracht, wo er dann für "ein paar Stunden angehalten und ausgefragt" worden sei, wobei er jedoch immer gesagt habe, dass er nichts wissen würde, woraufhin er freigelassen und wieder nach Hause gebracht worden sei. Er sei nicht gefoltert, allerdings grob behandelt worden. Insgesamt sei er fünf Mal auf diese Weise abgeholt worden, konkret vor dem Krieg, also vor dem Juni 2006, zwei Mal und nach dem Krieg zwei bis drei Mal, das letzte Mal sei er etwa zehn Tage vor seiner Ausreise, also etwa im Juli 2007, von der Hisbollah abgeholt worden. Auf die Frage, warum er von der Hisbollah als Spion beschuldigt werden sollte, erwiderte der BF, dies wisse er nicht. Erstmals in der Beschwerdeverhandlung vor dem AsylGH im Jahr 2012 brachte der BF diesbezüglich die Brüder seiner früheren Ehegattin ins Spiel und führte aus, dass deren gesamte Familie ihm feindselig gesonnen sei, da zwei der Brüder bei der Hisbollah arbeiten würden, was auch zur Zerrüttung der Ehe und zur damals noch ausstehenden Scheidung geführt habe. Zudem führte der BF in dieser Verhandlung an, dass er regelmäßig telefonischen Kontakt zu seinem Vater und einem seiner Brüder habe und von diesen auch Geld aus dem Libanon erhalte.

 

In seiner abschließenden Entscheidung vom 17.12.2012 gelangte der AsylGH zum Ergebnis, dass nicht feststellbar gewesen sei, dass der BF irgendeiner Bedrohung durch die Hisbollah ausgesetzt war oder ihm künftig im Fall der Rückkehr eine Verfolgung durch diese drohe. Es sei auch nicht feststellbar gewesen, dass der BF im Fall einer Rückkehr in den Libanon in eine existenzbedrohende Notlage geraten würde Das Vorbringen des BF zu seinen Antragsgründen wurde im Rahmen einer ausführlichen Beweiswürdigung des AsylGH angesichts der gravierenden Steigerung des Vorbringens über den Verfahrensverlauf hinweg sowie wegen grober Widersprüche im persönlichen Vortrag des BF als nicht glaubhaft bewertet.

 

2.6.2. Im gg. Rückkehrentscheidungsverfahren relevierte der BF in der Stellungnahme seines Vertreters vom 30.08.206 dem BFA gegenüber, dass er zwischenzeitig - seit Abschluss des Verfahrens über seinen Antrag auf internationalen Schutz – von seiner früheren Gattin geschieden wurde, wobei er entgegen dem tatsächlichen Sachverhalt behauptete, dass er selbst "sich von seiner früheren Gattin scheiden ließ", dem von ihm im gg. Beschwerdeverfahren vorgelegten Scheidungsausspruch des zuständigen Schariagerichtes vom Oktober 2013 aber zu entnehmen war, dass vielmehr seine frühere Gattin die Scheidung betrieben hat, wofür darüber hinaus auch sprach, dass er im Jahr 2007 den Libanon verlassen hatte, als seine Gattin hochschwanger war, und er auch seit der nachfolgenden Geburt seiner Tochter nie Unterhaltszahlungen leistete, was für das BVwG eine Scheidungsmotivation gerade auf Seiten der Gattin nachvollziehbar machte. Über diese verzerrte Darstellung des Scheidungsverfahrens hinaus vermeinte der BF, dass er "jetzt" von der Familie seiner früheren Gattin bedroht werde, insbesondere sehe er sich durch einen Bruder derselben in Gefahr, der "für die Hisbollah arbeitet" und durch andere in Österreich lebende Libanesen "über die Sachverhalte in Österreich bestens informiert sei".

 

In seiner Stellungnahme an das BFA vom 28.11.2016 verwies der Vertreter des BF abstrakt darauf, dass dieser "verbal über dritte Personen bedroht" worden sei, und benannte unter Hinweis darauf, dass der BF "von diesen Bedrohungen über Freunde Kenntnis erhalten habe", zwei Zeugen, die in persönlichem Kontakt mit dem Vater des BF gewesen seien.

 

Diese beiden Zeugen wurden am 20.12.2016 beim BFA niederschriftlich einvernommen, im Rahmen dessen sich der erste als früherer Nachbar bezeichnete und ausführte, dass der Vater des BF ihm gegenüber – neben seiner Kenntnis von dessen strafgerichtlicher Verurteilung sowie einem vom BF beabsichtigten Religionswechsel, was ihn jeweils "nicht erfreut habe" – auch erwähnt habe, dass er befürchte, dass sich der BF bei einer Rückkehr in Lebensgefahr ausgehend von der Herkunftsfamilie seiner früheren Gattin befände. Die unmittelbare eigene Wahrnehmung von Drohungen dem BF gegenüber verneinte der Zeuge. Nach den möglichen Gründen für eine Bedrohung des BF befragt, erklärte dieser Zeuge, dass er selbst vermute, dass die Familie der früheren Gattin des BF "sehr ungehalten" sei, weil dieser "immer auf Zeit spielte und nicht ehrlich war", so habe er zwar angekündigt für seine Tochter Unterhalt leisten zu wollen, sich aber nicht an diese Ankündigung gehalten. Der zweite Zeuge, ein früher entfernter Nachbar des BF, legte dar, dass er ebenso vom Vater des BF, den er zufällig auf der Straße getroffen habe, gehört habe, dass dieser seinen Sohn bei einer Rückkehr in Lebensgefahr sehe, weil er "fast zehn Jahre lang keinen Unterhalt gezahlt" habe. Unmittelbare eigene Wahrnehmungen über Drohungen gegen den BF verneinte der zweite Zeuge ebenso wie eine persönliche Bekanntschaft mit der früheren Gattin des BF wie auch mit dem Bruder derselben.

 

2.6.3. Die belangte Behörde würdigte das vom BF behauptete Bedrohungsszenario ausgehend von der Herkunftsfamilie seiner früheren Gattin – unter Hinweis darauf, dass eine mögliche Bedrohung des BF durch die Brüder seiner früheren Gattin, die der Hisbollah angehört hätten, bereits vom AsylGH in seiner abschließenden Entscheidung als nicht glaubhaft erachtet wurde – im Lichte dieser Zeugenaussagen (neuerlich) als nicht glaubhaft. So sei es zwar verständlich, dass die Familie der früheren Gattin des BF "nicht gut auf ihn zu sprechen sei", weil er sie in schwangerem Zustand "im Stich gelassen" und "trotz gegenteiliger Zusagen für das gemeinsame Kind nie Unterhalt geleistet" habe. Demgegenüber sei der BF jedoch persönlich nie unmittelbar bedroht und die behauptete Bedrohung stets nur über Dritte kommuniziert worden. Im Übrigen stünde dem BF vor dem Hintergrund der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat staatlicher Schutz vor einer allfälligen Bedrohung durch Privatpersonen zur Verfügung.

 

2.6.4. In der Beschwerde des BF selbst fand sich diesbezüglich keine weitere Argumentation.

 

In der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG befragt, ob sich seit der abschließenden Entscheidung des AsylGH im Oktober 2013 im Hinblick auf die bereits im damaligen Verfahren behauptete Bedrohung durch die Familie seiner früheren Gattin etwas Neues ergeben habe, gab der BF an, dass ihm "keine konkreten Vorfälle einfallen", er gehe aber von einer weiter bestehenden Bedrohung aus, wenn er auch die Probleme wegen seines zwischenzeitig erfolgten Glaubenswechsels als gravierender erachte. Zu im Beschwerdeverfahren relevierten, behaupteter Weise im Jahr 2017 eingegangenen telefonischen Drohungen gegen ihn, in Form von Kurznachrichten auf seinem früheren Geschäftsmobiltelefon, befragt vermeinte er, ihm sei weder die – stets gleichlautende - Nummer des Absenders bekannt noch könne er diese Nachrichten einem bestimmten Absender zuordnen, die Nachrichten würden vermutlich aber entweder von der Familie seiner früheren Gattin oder seiner eigenen Herkunftsfamilie, am ehesten wohl seinem eigenen Bruder stammen. Ein weiteres Vorbringen des BF dazu gab es nicht.

 

2.6.5. Dem BF gelang es mit diesem Vorbringen im gg. Rückkehrentscheidungsverfahren zu einer behaupteter Weise von der Familie seiner früheren Gattin ausgehenden Bedrohung nicht, das erkennende Gericht zu einer anderen Einschätzung in der Frage der Glaubhaftigkeit dieser Behauptung als schon jener des AsylGH gelangen zu lassen.

 

Seine eigenen Aussagen dazu erschöpften sich in bloß vagen Vermutungen ohne substantiiertes tatsächliches Geschehen, auch die von ihm angebotenen Beweise entfalteten keine maßgebliche Beweiskraft. So machten die beiden namhaft gemachten und von der belangten Behörde einvernommenen Zeugen ebenfalls nur vage und unsubstantiierte Angaben, die zum einen per se keine stichhaltigen Anhaltspunkte dafür enthielten, dass es tatsächlich ein Verfolgungsinteresse auf der Seite der Herkunftsfamilie der früheren Gattin des BF gibt, und sich zum anderen auch nur auf Informationen, die sie vom sogen. Hören-Sagen kennen würden, stützten. In gleicher Weise war den vorgelegten Kurznachrichten – unabhängig von der Frage, ob diese Nachrichten überhaupt als authentisch anzusehen sind - mangels Zuordenbarkeit sowie Zuordnung durch den BF selbst was deren mögliche Herkunft angeht nicht geeignet die Behauptung einer allenfalls von der Herkunftsfamilie der früheren Gattin des BF ausgehenden Bedrohung zu untermauern.

 

Schließlich mangelte es dieser Behauptung auch an der nötigen Plausibilität, zieht man in Betracht, dass – wie die belangte Behörde schon sinngemäß ausführte - der BF bereits 2007 seine Heimat verlassen, dabei seine damals hochschwangere Gattin zurückgelassen und seit 2008 für die gemeinsame Tochter nie Unterhaltszahlungen geleistet hat, demgegenüber aber über einen Zeitraum von ca. zehn Jahren vor den österr. Fremdenbehörden eine angebliche Bedrohung in gravierendem Maße – jenseits einer allfälligen, auch von der belangten Behörde als denkmöglich erachteten Missbilligung des Verhaltens des BF seiner früheren Gattin und der gemeinsamen Tochter gegenüber - durch die Herkunftsfamilie der früheren Gattin nie nachvollziehbar dartun konnte, und nun gerade im Angesicht einer drohenden Aufenthaltsbeendigung plötzlich Todesdrohungen dieser Familie gegen ihn wie jene per SMS übermittelten auftauchen sollten.

 

In einer Gesamtsicht dieser Erwägungen war eine angebliche Bedrohung des BF durch die Herkunftsfamilie seiner früheren Gattin sohin als bloße, jedoch nicht glaubhafte Schutzbehauptung zu qualifizieren.

 

2.6.6. Als weiteres und in dieser Hinsicht neues Rückkehrhindernis führte der BF im gg. Rückkehrentscheidungsverfahren ins Treffen, daß er zwischenzeitig während seines Haftaufenthalts zum römisch-katholischen Glauben konvertiert und deshalb bei einer Rückkehr in den Libanon von Angehörigen seiner eigenen Herkunftsfamilie mit dem Tode bedroht sei.

 

Als unstrittig stellte sich diesbezüglich angesichts der vorgelegten Beweismittel alleine die von ihm am 10.03.2017, während seiner Anhaltung in Strafhaft bzw. nach Bescheiderlassung durch das BFA, nach römisch-katholischem Ritus absolvierte Taufe dar.

 

Was eine vor diesem Hintergrund behaupteter Weise bestehende, über eine allfällige bloße Missbilligung hinausgehende, Bedrohung seines Lebens durch nahe Angehörige im Libanon angeht, erfuhr dieses Szenario im Laufe des gg. Verfahrens schon eine sukzessive Steigerung.

 

In der erstinstanzlichen Stellungnahme des BF vom 30.08.2016 im Vorfeld der Taufe fand sich nur der Hinweis, dass er "vom Islam abgefallen sei" und die Absolvierung der Taufe beabsichtige, allfällige befürchtete Konsequenzen fanden dort keine Erwähnung. In seiner Stellungnahme vom 07.11.2016 verwies er neuerlich auf die laufende Taufvorbereitung, und schloss daran die vage Prognose, dass "ihm dieser Umstand im Libanon erhebliche Probleme bereiten" werde, ohne aber in konkreter Weise darzutun, welcher Art und welchen Ursprungs derlei Probleme sein würden.

 

Ein weiteres Vorbringen dazu fand sich in den Aussagen der beiden vom BF namhaft gemachten Zeugen vor dem BFA (vgl. oben). Der erste Zeuge vermeinte jedoch bloß, er habe mit dem Vater des BF im Libanon gesprochen und habe sich dieser über den Religionswechsel seines Sohnes "nicht erfreut" gezeigt. Der zweite Zeuge wiederum führte dazu nur aus, dass der Vater des BF ihm gegenüber gemeint habe, dieser solle nicht mehr zurückkehren, nachdem er die Religion gewechselt habe. Einen möglichen direkten Kontakt zwischen Vater und Sohn hielt der Zeuge aber für nicht wahrscheinlich, weil deren Verhältnis seit jeher problematisch gewesen sei. Aus diesen Zeugenaussagen ließ sich sohin – entgegen der Ankündigung im vorangegangenen Beweisantrag - kein stichhaltiger Hinweis auf das tatsächliche Vorliegen einer von der Herkunftsfamilie ausgehenden substantiellen Bedrohung gewinnen.

 

Auch in der Beschwerde des BF selbst fand sich diesbezüglich kein weiteres Vorbringen.

 

In der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG vom 16.03.2016 legte sodann die Verlobte des BF ein früher von ihm zu Geschäftszwecken verwendetes Mobiltelefon vor, das sie ihm bei einem Haftausgang am 13.02.2017 gezeigt habe und auf dem dort eingegangene Kurznachrichten zu lesen waren, denen zufolge er wegen seiner Konversion zum christlichen Glauben von seiner Herkunftsfamilie "verstoßen wurde" bzw. "mit dem Tode bedroht werde", darüber hinaus sei auch sie selbst bedroht worden, weil man sie als ursächlich für die Konversion erachte. Auf die entsprechende Frage erwiderte die Verlobte, dass der BF (schon damals) den Absender der Nachrichten nicht nennen bzw. die dazu gehörige Telefonnummer nicht identifizieren konnte, was vom BF selbst in der mündlichen Verhandlung auf Befragen auch bestätigt wurde bzw. äußerte er die bloße Vermutung, die Nummer gehöre entweder einem Angehörigen seiner früheren Gattin oder seiner eigenen Familie, er kenne diese Nummer aber (nach wie vor) nicht. Im Weiteren mutmaßte der BF, dass es die Nummer eines seiner Brüder sein könnte.

 

Im Zuge der weiteren vom BVwG durchgeführten Ermittlungen zur Erhebung des Inhalts sowie der Herkunft dieser Kurznachrichten (vgl. oben zum Verfahrensgang) kam hervor, dass den vom BF vorgelegten Ausdrucken und der unter Beiziehung eines Dolmetschers vorgenommenen Einsichtnahme in das Mobiltelefon selbst folgend diese Nachrichten zum einen vom 03.02.207, 13.02.2017, 16.02.2017, 11.03.2017 und 15.03.2017 herrührten und zum anderen von der gleichen Absenderkennnummer stammten, die allgemein verfügbaren Informationen zufolge einem libanesischen Mobilfunknetzbetreiber zuzuordnen war. Der Inhalt dieser Nachrichten lautete im Wesentlichen in ähnlicher Weise, dass der BF und seine Verlobte bei einer Einreise in den Libanon wegen seiner Konversion mit dem Tode bedroht seien.

 

Die Zweifel des BVwG am Zutreffen einer von der Herkunftsfamilie des BF ausgehenden Bedrohung, die durch diese sukzessive Steigerung des Vorbringens hervorgerufen wurden, wurden noch dadurch verstärkt, dass der BF bis zuletzt vermeinte, er kenne die Nummer des Absenders der Nachrichten nicht, sei sich aber sicher, dass sie einem seiner Angehörigen im Libanon, am ehesten seinem Bruder, mit dem er schon zuvor über seine Konversion gesprochen habe, zuzuordnen sei. Dass der Vater aus diesem Grunde dem BF nach dem Leben trachten sollte, war für das Gericht im Lichte der oben erwähnten Zeugenaussagen und mangels stichhaltiger Hinweise darauf in den Aussagen des BF selbst ohnehin nicht erkennbar. Dies galt sinngemäß auch für seine übrigen Brüder. Soweit er über diese hinaus jenen Bruder als möglichen Absender bezeichnete, mit dem er im Dezember 2016 schon einmal telefonisch über seinen Glaubenswechsel gesprochen haben will, erhellte für das Gericht aber zum einen nicht, weshalb er dessen Telefonnummer ca. zwei Monate später nicht identifizieren hätte können, zum anderen wäre anzunehmen gewesen, dass er selbst auch ein Interesse an der Feststellung des Absenders gehabt haben sollte und insoweit gerade dieser Bruder für ihn nahe gelegen wäre, er aber ungeachtet dieser Möglichkeit auch keine Bemühungen anstellte diese Nummer durch Nachfragen zu überprüfen. In ähnlicher Weise wäre anzunehmen gewesen, dass er auch die Telefonnummern seiner anderen Familienangehörigen im Libanon eruieren und vergleichen hätte können, was er ebenso unverständlicher Weise unterließ, wiewohl er selbst ein Interesse daran gehabt haben sollte. Dass demgegenüber die als Zeugin vor dem BVwG befragte, in Deutschland lebende Schwester des BF vermeinte, die Drohnachrichten eingesehen und die Nummer des vom BF genannten Bruders erkannt zu haben, bestärkte das Gericht noch in dieser Erwägung, dass dem BF offenkundig gar nicht daran gelegen war festzustellen, ob diese Nummer nun seinem Bruder gehörte oder nicht.

 

Im Lichte dessen drängte sich insgesamt der Eindruck auf, dass der BF wohl eine für das Gericht nicht näher feststellbare Person in seiner Heimat engagiert hatte um ihm die vorgelegten Nachrichten zur bloßen Untermauerung seines Vorbringens zu übermitteln, er deren Identität aber nicht offenlegen wollte, weil es sich insgesamt um einen konstruierten Sachverhalt handelt.

 

Auffällig war in diesem Zusammenhang auch, dass der BF just unmittelbar nach Einleitung des gg. Verfahrens begann am Taufunterricht teilzunehmen um schließlich die Taufe zu empfangen und demgegenüber im Zeitraum zwischen 2007 und 2016 ein Religionswechsel von ihm offenbar nicht in Betracht gezogen wurde. Auch war den Aussagen des BF und seiner Verlobten zum Beziehungsverlauf seit Ende 2011/Anfang 2012 nicht zu entnehmen, dass trotz dieses langen Zeitraums deren unterschiedliche religiöse Bekenntnisse ein maßgebliches oder gar konfliktträchtiges Thema gewesen wären, was etwa zu seiner späteren Konversion geführt haben könnte, ja vermeinte der BF vor dem BVwG sogar, er sei nie strenggläubiger Moslem gewesen, er habe auch (schon im Libanon) Alkohol konsumiert und habe es wegen dieser liberalen religiösen Auffassung Schwierigkeiten zwischen ihm und den strenggläubigen Angehörigen der Familie seiner früheren Gattin gegeben. Erhellte aus diesen Aussagen sohin der Anlass für den plötzlichen Religionswechsel des BF nicht, so vermochte er auch auf Nachfrage in der mündlichen Verhandlung nicht konkreter darzulegen, welche Motive denn diesem zugrunde lagen, sondern erschöpfte sich seine Erklärung in der oberflächlichen und vagen und sohin auch wenig überzeugenden Aussage, dass "er kein Moslem mehr sein wollte und die religiösen Inhalte der katholischen Lehre gut findet". All dies vermittelte dem erkennenden Gericht daher den Eindruck, dass der BF seinen Religionswechsel und seine Taufe erst und gerade im Hinblick auf dessen Relevierung als Rückkehrhindernis betrieben hat, was ebenfalls gegen die Glaubhaftigkeit der von ihm behaupteten Bedrohung durch seine Herkunftsfamilie wegen des Religionswechsels sprach.

 

In Anbetracht dieser Erwägungen gelang es dem BF sohin nicht, das erkennende Gericht vom Zutreffen der behaupteter Weise von Angehörigen seiner Herkunftsfamilie ausgehenden Bedrohung zu überzeugen.

 

Auch die Aussage der als Zeugin vor dem BVwG befragten Schwester des BF vermochte an dieser Würdigung nichts zu ändern. Zum einen war ihre verbale Darstellung , dass sie zuletzt im Februar 2017 mit zwei der Brüder und dem Vater des BF im Libanon telefoniert habe und die Brüder dabei den Glaubenswechsel des BF missbilligt bzw. sogar mit seiner Tötung gedroht hätten, aufgrund ihres erkennbaren Naheverhältnisses zum BF mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit als Gefälligkeitsaussage zu qualifizieren und insofern in ihrem Beweiswert in weit geringerem Maße zu gewichten als die übrigen, gegen die Glaubhaftigkeit dieser Bedrohung sprechenden Ergebnisse des Beweisverfahrens. Zudem gab sie vor dem BVwG an, ein von ihr ihrer Tochter diktiertes und an das Gericht übermitteltes Schreiben vom 16.03.2017, in welchem sie auf die Bedrohung des BF einging, entspreche jedenfalls der Wahrheit. In diesem Schreiben fand sich aber u.a. die unstimmige Angabe, dass der BF keinen Kontakt mit seiner früheren Gattin und Tochter aufnehmen dürfe und mit diesen seit der Ausreise auch nie gesprochen habe. Demgegenüber hatte der BF aber selbst angegeben, mit der Tochter noch im Jahr 2010 in Kontakt gewesen zu sein. Auch die im genannten Schreiben enthaltene Aussage, dass der BF nicht nur von der Familie seiner früheren Gattin, sondern auch "von seinen Brüdern, Eltern und Freunden" bedroht sei, stellte sich als realitätsfremde und in diesem Umfang vom BF selbst nie behauptete Übertreibung dar, weshalb auch der Inhalt dieses Schreibens gegen die Glaubhaftigkeit der Aussagen der Schwester des BF sprach.

 

Schließlich war in diesem Zusammenhang noch in Betracht zu ziehen, dass den entsprechenden Feststellungen der belangten Behörde im bekämpften Bescheid folgend Angehörige der im Libanon anerkannten Religionsgemeinschaften grundsätzlich keinen Diskriminierungen unterliegen, zu denen auch die über 40 % der Gesamtbevölkerung umfassenden Christen zählen. Im Hinblick auf die Frage, ob es im Libanon im Falle einer Konversion eines Moslems zum Christentum mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu dessen Verfolgung durch Dritte, etwa durch Angehörige seines familiäres Umfelds, kommen würde, fand sich der Hinweis, dass "Konvertiten nur eingeschränkt mit Verständnis ihres familiären und gesellschaftlichen Umfelds rechnen und je nach deren familiären Umfeld auch in physischer Hinsicht bedroht sein können" (vgl. AS 141). Auch aus diesem allgemeinen Hinweis war aus Sicht des BVwG jedoch nicht abzuleiten, dass – über mangelndes Verständnis und die bloße Möglichkeit einer physischen Bedrohung durch Familienangehörige je nach sozialem Umfeld hinausgehend – das gesellschaftliche Klima im Libanon in nachhaltiger Weise von Übergriffen auf Konvertierte in maßgeblicher Zahl geprägt wäre. Gerade angesichts einer jeweils so großen und in etwa auch ausgewogenen Zahl an Muslimen und Christen würde eine andersgelagerte Situation auch an einer entsprechenden Berichtslage sichtbar werden. Ein gegenteiliges Beweisanbot wurde aber auch von der Vertretung des BF nicht gemacht.

 

2.6.7. Zur von der Vertretung des BF erstinstanzlich relevierten Frage einer möglichen neuerlichen Bestrafung des BF wegen des von ihm in Österreich verübten Deliktes der Vergewaltigung ist festzuhalten, dass den von der belangten Behörde zu dieser Frage als Beweismittel herangezogenen Länderinformationen, wonach es im Libanon in diesem Fall zu keiner Doppelbestrafung käme, in der Folge nicht mehr entgegengetreten wurde.

 

2.6.8. Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes dürfen Beweisanträge dann abgelehnt werden, wenn die Beweistatsachen als wahr unterstellt werden, wenn es auf sie nicht ankommt oder wenn das Beweismittel – ohne unzulässige Vorwegnahme der Beweiswürdigung – untauglich ist (vgl. VwGH 27.02.2003, 2002/20/0492; 24.04.2003, 2000/20/0231). Die Beachtlichkeit eines Beweisantrages setzt die ordnungsgemäße Angabe des Beweisthemas, das mit dem Beweismittel unter Beweis gestellt werden soll, somit jener Punkte und Tatsachen voraus, die durch das angegebene Beweismittel geklärt werden sollen. Erheblich ist ein Beweisantrag dann, wenn Beweisthema eine für die Rechtsanwendung mittelbar oder unmittelbar erhebliche Tatsache ist (vgl. VwGH 24.10.2016, XXXX unter Hinweis auf VwGH 18.02.2003, 2001/01/0455). Erheblich ist ein Beweisantrag nur dann, wenn Beweisthema eine Tatsache ist, deren Klärung, wenn sie schon nicht (sachverhalts-)erheblich ist, zumindest mittelbar beitragen kann, Klarheit über eine (sachverhalts-)erhebliche Tatsache zu gewinnen (vgl. VwGH 02.07.2015, 2013/16/0220 unter Hinweis auf VwGH 19.05.2015, 2013/16/0016). Wird nicht aufgezeigt, inwiefern die Vernehmung des beantragten Zeugen eine erhebliche Tatsache ergeben hätte, weil das Beweisthema ohnehin unstrittig ist, so wird kein tauglicher Beweisantrag dargelegt (vgl. VwGH 25.06.2009, 2006/07/0105).

 

Ein Eingehen auf den im Beschwerdeverfahren neuerlich gestellten Beweisantrag auf zeugenschaftliche Befragung jener zwei Auskunftspersonen, die schon vor der belangten Behörde einvernommen wurden, war insoweit erlässlich, als nicht dargelegt wurde, was diese nunmehr in einer mündlichen Verhandlung über das schon Gesagte hinaus zu Gunsten des BF angeben hätten können.

 

3. Rechtliche Beurteilung:

 

Mit Art. 129 B-VG idF BGBl. I 51/2012 wurde ein als Bundesverwaltungsgericht (BVwG) zu bezeichnendes Verwaltungsgericht des Bundes eingerichtet.

 

Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z. 1 B-VG erkennt das BVwG über Beschwerden gegen einen Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

 

Gemäß Art. 131 Abs. 2 B-VG erkennt das BVwG über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 in Rechtssachen in den Angelegenheiten der Vollziehung des Bundes, die unmittelbar von Bundesbehörden besorgt werden.

 

Gemäß Art. 132 Abs. 1 Z. 1 B-VG kann gegen einen Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben, wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet.

 

Gemäß Art. 135 Abs. 1 B-VG iVm § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG) idF BGBl I 10/2013 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

 

Mit dem BFA-Einrichtungsgesetz (BFA-G) idF BGBl. I Nr. 68/2013, in Kraft getreten mit 1.1.2014, wurde das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) als Rechtsnachfolger des vormaligen Bundesasylamtes eingerichtet. Gemäß § 3 Abs. 1 BFA-G obliegt dem BFA u.a. die Vollziehung des BFA-VG, des FPG und des AsylG idgF.

 

Gemäß § 9 Abs. 2 FPG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

 

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG), BGBl. I 33/2013 idF BGBl I 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

 

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

 

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

 

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

 

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn 1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

 

Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

 

Zu A)

 

1.1.

 

§ 10 Abs. 2 AsylG idF BGBl. I Nr. 145/2017 (FrÄG 2017) lautet:

 

"Wird einem Fremden, der sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt, von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt, ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden."

 

§ 52 Abs. 1 Z. 1 FPG idF BGBl. I Nr. 145/2017 (FrÄG 2017) lautet:

 

"Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält".

 

1.2. Die Einreise des BF, eines libanesischen Staatsangehörigen und somit Drittstaatsangehörigen im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 10 FPG, nach Österreich ist nicht rechtmäßig erfolgt. Der BF hält sich seit Ablauf des ihm zuletzt erteilten Aufenthaltstitels mit 07.08.2015 nicht rechtmäßig in Österreich auf.

 

Es kamen im erstinstanzlichen Verfahren keine Gründe dafür vor, dass dem BF allenfalls von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 (Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz) zu erteilen gewesen wäre und wurde diesbezüglich in der Beschwerde auch nichts dargetan.

 

Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG war daher die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z. 1 FPG gegen den BF zu prüfen.

 

3.1.

 

§ 9 BFA-VG lautet:

 

(1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

 

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

 

1.-die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

 

2.-das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

 

3.-die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

 

4.-der Grad der Integration,

 

5.-die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

 

6.-die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

 

7.-Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

 

8.-die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

 

9.-die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

 

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) verfügen, unzulässig wäre.

 

3.2. Bei der Setzung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme kann ein ungerechtfertigter Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens des Fremden iSd. Art. 8 Abs. 1 EMRK vorliegen. Daher muss überprüft werden, ob sie einen Eingriff und in weiterer Folge eine Verletzung des Rechts des BF auf Achtung seines Privat- und Familienlebens in Österreich darstellt.

 

Einer Abwägung der öffentlichen Interessen gegenüber den Interessen eines Fremden an einem Verbleib in Österreich in dem Sinne, ob dieser Eingriff iSd Art 8 Abs 2 EMRK notwendig und verhältnismäßig ist, ist vorauszuschicken, dass die Rückkehrentscheidung bzw. Abschiebung jedenfalls der innerstaatlichen Rechtslage nach einen gesetzlich zulässigen Eingriff darstellt.

 

Nach dem Urteil des EGMR im Fall Moustaquim ist eine Maßnahme dann in einer demokratischen Gesellschaft notwendig, wenn sie einem dringenden sozialen Bedürfnis entspricht und zum verfolgten legitimen Ziel verhältnismäßig ist. Das bedeutet, dass die Interessen des Staates, insbesondere unter Berücksichtung der Souveränität hinsichtlich der Einwanderungs- und Niederlassungspolitik, gegen jene des Berufungswerbers abzuwägen sind.

 

Der EGMR geht davon aus, dass die Konvention kein Recht auf Aufenthalt in einem bestimmten Staat garantiert. Der EGMR erkennt in stRsp weiters, dass die Konventionsstaaten nach völkerrechtlichen Bestimmungen berechtigt sind, Einreise, Ausweisung und Aufenthalt von Fremden ihrer Kontrolle zu unterwerfen, soweit ihre vertraglichen Verpflichtungen dem nicht entgegenstehen (vgl. uva. zB. Urteil Vilvarajah/GB, A/215 § 102 = NL 92/1/07 und NL 92/1/27f.).

 

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofes jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffes; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn wird eine Ausweisung – nunmehr Rückkehrentscheidung – nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden (und seiner Familie) schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.

 

Die Verhältnismäßigkeit einer Rückkehrentscheidung ist dann gegeben, wenn der Konventionsstaat bei seiner aufenthaltsbeendenden Maßnahme einen gerechten Ausgleich zwischen dem Interesse des Fremden auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens einerseits und dem staatlichen Interesse auf Verteidigung der öffentlichen Ordnung andererseits, also dem Interesse des Einzelnen und jenem der Gemeinschaft als Ganzes gefunden hat. Dabei variiert der Ermessensspielraum des Staates je nach den Umständen des Einzelfalles und muss in einer nachvollziehbaren Verhältnismäßigkeitsprüfung in Form einer Interessenabwägung erfolgen.

 

Bei dieser Interessenabwägung sind – wie in § 9 Abs. 2 BFA-VG unter Berücksichtigung der Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ausdrücklich normiert wird – die oben genannten Kriterien zu berücksichtigen (vgl. VfSlg. 18.224/2007; VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479; 26.01.2006, 2002/20/0423).

 

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat fallbezogen unterschiedliche Kriterien (vgl. dazu insbesondere VfGH B 328/07) herausgearbeitet, die bei einer solchen Interessenabwägung zu beachten sind und als Ergebnis einer Gesamtbetrachtung dazu führen können, dass Art 8 EMRK einer Ausweisung entgegensteht:

 

Er hat etwa die Aufenthaltsdauer, die vom EGMR an keine fixen zeitlichen Vorgaben geknüpft wird (EGMR 31.1.2006, Fall Rodrigues da Silva und Hoogkamer, Appl. 50.435/99, ÖJZ 2006, 738 = EuGRZ 2006, 562; 16.9.2004, Fall Ghiban, Appl. 11.103/03, NVwZ 2005, 1046), das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (EGMR 28.5.1985, Fall Abdulaziz ua., Appl. 9214/80, 9473/81, 9474/81, EuGRZ 1985, 567;

20.6.2002, Fall Al-Nashif, Appl. 50.963/99, ÖJZ 2003, 344;

22.4.1997, Fall X, Y und Z, Appl. 21.830/93, ÖJZ 1998, 271) und dessen Intensität (EGMR 2.8.2001, Fall Boultif, Appl. 54.273/00), die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, den Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert (vgl. EGMR 4.10.2001, Fall Adam, Appl. 43.359/98, EuGRZ 2002, 582; 9.10.2003, Fall Slivenko, Appl. 48.321/99, EuGRZ 2006, 560; 16.6.2005, Fall Sisojeva, Appl. 60.654/00, EuGRZ 2006, 554; vgl. auch VwGH 5.7.2005, 2004/21/0124;

11.10.2005, 2002/21/0124), die Bindungen zum Heimatstaat, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, aber auch Verstöße gegen das Einwanderungsrecht und Erfordernisse der öffentlichen Ordnung (vgl. zB EGMR 24.11.1998, Fall Mitchell, Appl. 40.447/98; 11.4.2006, Fall Useinov, Appl. 61.292/00) für maßgeblich erachtet.

 

3.3.1. Im Rahmen einer Abwägung iSd Art. 8 EMRK war im gg. Fall von folgenden Feststellungen auszugehen:

 

Der BF hält sich seit seiner nicht rechtmäßigen Einreise nach Österreich am 18.08.2007 faktisch im Bundesgebiet auf. Davon war sein Aufenthalt von der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutz am gleichen Tag bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens über diesen Antrag mit 17.12.2012 auf der Grundlage einer vorläufigen Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG rechtmäßig, in der Folge war sein Aufenthalt nicht mehr rechtmäßig, seiner Ausreiseverpflichtung angesichts der gegen ihn ausgesprochenen Ausweisung kam er jedoch nicht nach. Auf der Grundlage eines ihm in späterer Folge vom BFA erteilten Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen mit einer Gültigkeit von 07.08.2014 bis 06.08.2015 war er für diesen Zeitraum von einem Jahr nochmals rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig. Insgesamt war sohin der mehr als zehnjährige faktische Aufenthalt des BF für sechs Jahre und vier Monate rechtmäßig, seit August 2015 hält sich der BF bis dato nicht rechtmäßig im Bundesgebiet auf.

 

In Österreich hat der BF zwischen 2012 und 2015 ein selbständiges Handelsgewerbe als Autohändler ausgeübt und damit seinen Lebensunterhalt verdient. Während der Zeit seines Haftaufenthalts war er zwischen September 2015 und Dezember 2017 vor allem in der Wäscherei der Justizanstalt, dort zuletzt als Vorarbeiter, und auch als Freigänger in einem Reifenhandelsunternehmen beschäftigt. Er hat die Deutschprüfung auf dem Niveau A2 abgelegt und verfügt über gute Deutschkenntnisse für den Alltagsgebrauch. Seine Kenntnisse der deutschen Sprache, seine Fachkenntnisse als KFZ-Mechaniker und im KFZ-Handel und seine zuletzt gezeigte berufliche Anpassungsfähigkeit lassen pro futuro eine Selbsterhaltungsfähigkeit des BF erwarten. Über sonstige maßgebliche wirtschaftliche Interessen in Form eines Betriebes oder von Vermögen verfügt der BF nicht, auch eine über gewöhnliche soziale Kontakte hinausgehende außergewöhnliche soziale Integration, etwa in Vereinen oder sonstigen Einrichtungen, war – in Absehung von einer mehrjährigen Beziehung zu einer österr. Staatsangehörigen - nicht feststellbar.

 

Der BF ist in Österreich nicht verheiratet und hat hier keine leiblichen Nachkommen, Verwandten oder sonstigen nahen Angehörigen. Er pflegt jedoch seit Ende 2011/Anfang 2012 bis dato eine Liebesbeziehung mit einer österreichischen Staatsbürgerin im Alter von aktuell 24 Jahren. Diese war auch vorerst von 06.03.2012 bis 18.11.2014 am Wohnsitz des BF gemeldet und im gemeinsamen Haushalt wohnhaft, ehe sie zu ihrer Mutter zog, wo sie bis März 2015 gemeldet war. Zu diesem Zeitpunkt begründete sie andernorts einen neuen Wohnsitz in einer Mietwohnung, an dem wiederum der BF seit Oktober 2015 mit einem Hauptwohnsitz gemeldet ist. Der BF wurde mit 25.06.2015 inhaftiert, ab ca. zwei Monate zuvor und damit auch zum Zeitpunkt der vom BF begangenen Straftat, die in der Folge zu seiner strafgerichtlichen Verurteilung führte, war die Beziehung für einige Zeit unterbrochen. Beginnend mit August 2015 wurde die Beziehung wieder aufgenommen und der BF von seiner Freundin regelmäßig in der Haft besucht, im Mai 2016 verlobten sich die beiden. Die Verlobte des BF ist seit November 2015 in einem Kaffeehaus beschäftigt, in dem auch die – von ihrem Gatten bzw. vom Vater der Verlobten des BF seit 1997 geschiedene – Mutter beschäftigt ist, der Vater ist als Telefonist erwerbstätig. Zu beiden Elternteilen hat die Verlobte des BF eine aufrechte Beziehung. Bei der Mutter lebt noch eine jüngere Schwester, ein jüngerer Bruder hat einen eigenen Wohnsitz.

 

3.3.2. Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits wiederholt ausgesprochen, dass ein über zehnjähriger, überwiegend rechtmäßiger inländischer Aufenthalt - mag dieser auch auf asylrechtliche Bestimmungen zurückzuführen sein - den persönlichen Interessen eines Fremden an einem Verbleib im Bundesgebiet ein großes Gewicht verleihen kann (vgl. etwa VwGH vom 25. September 2009, Zl. 2007/18/0538, mwH). Zu Gunsten des BF waren darüber hinaus eine für einen gewissen Zeitraum erfolgte berufliche Integration sowie bereits erworbene berufliche und sprachliche Qualifikationen auf seiner Seite und ein nachvollziehbares Interesse an der Fortsetzung seiner Beziehung mit seiner österr. Verlobten in Österreich zu gewichten.

 

Im Hinblick auf die mehrjährige, jedoch mehrfach auch unterbrochene Liebesbeziehung des BF zu seiner nunmehrigen Verlobten, mit der er behaupteter Weise nach seiner kürzlich erfolgten Haftentlassung wieder eine Lebensgemeinschaft führt, war über das daraus abzuleitende bzw. vom BF und seiner Verlobten gezeigte Interesse an der Fortsetzung dieser Beziehung im Bundesgebiet hinaus aber auch darauf abzustellen, dass diese in einem Zeitraum entstand und sich verfestigte, an dem sich der Beschwerdeführer wie auch seine Verlobte seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein mussten, insbesondere da sein Aufenthalt angesichts eines unberechtigten Antrags auf internationalen Schutz ab 2012 unrechtmäßig und er angesichts der gegen ihn erlassenen Ausweisung zur Ausreise angehalten war, auch nachdem der Aufenthalt des BF zwischenzeitig von August 2014 bis August 2015 rechtmäßig war, verfügte er in weiterer Folge über keinen weiteren Aufenthaltstitel mehr, was das Gewicht dieser Beziehung des BF mit seiner nunmehrigen Verlobten im Hinblick auf eine Fortsetzung seines Privatlebens im Bundesgebiet maßgeblich schmälert (vgl. Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art 8 MRK, ÖJZ 2007/74, 857 mwN; EGMR 24.11.1998, Fall Mitchell, Appl. 40.447/98; 5.9.2000, Fall Solomon, Appl. 44.328/98; 31.1.2006, Fall Rodrigues da Silva und Hoogkamer, Appl. 50.435/99, ÖJZ 2006, 738 = EuGRZ 2006, 562). Auch hat die Verlobte des BF selbst vor dem BVwG ihre grundsätzliche Bereitschaft erklärt ihre Beziehung mit dem BF ungeachtet mangelnder Sprachkenntnisse und fehlender sonstiger sozialer Anbindung allenfalls auch im Libanon fortzusetzen, darüber hinaus kann der Kontakt zwischen den Beiden auch durch Besuche und auf sonstige Weise aufrecht erhalten werden (vgl. EGMR 11.04.2006, Fall USEINOV, zur Frage der Zumutbarkeit vgl. auch VwGH vom 20.12.2016, XXXX ).

 

Der BF verbrachte demgegenüber den weitaus überwiegenden Teil seines bisherigen Lebens im Libanon, er wurde dort sozialisiert, spricht die Mehrheitssprache seiner Herkunftsregion auf muttersprachlichem Niveau und war vor seiner im Alter von ca. 26 Jahren erfolgten Ausreise für ca. sieben Jahre als Automechaniker erwerbstätig. In seiner engeren Heimat im Libanon leben weiterhin sein Vater und sechs Geschwister sowie weitere entferntere Verwandte. Er verfügt sohin über vorhandene soziale Anknüpfungspunkte in seiner Heimat, auch wenn seine im Jahr 2004 geschlossene Ehe mit einer libanesischen Staatsangehörigen, der eine im Jahr 2008 geborene Tochter entstammt, für die er bisher nie persönliche Unterhaltszahlungen leistete und mit der er seit ca. 2010 auch keinen Kontakt mehr hatte, 2013 in seiner Abwesenheit geschieden wurde.

 

3.3.3. Den oben dargelegten persönlichen Interessen des BF im Sinne einer Fortsetzung seines Privatlebens in Österreich stehen darüber hinaus öffentliche Interessen im Sinne des Schutzes der öffentlichen Ordnung und Sicherheit gegenüber, die zu Lasten des BF zu gewichten waren.

 

So kommt etwa der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen großes Gewicht zu. Hierbei fällt gegen den BF ins Gewicht, dass er trotz bestehender Ausreiseverpflichtung im Gefolge der rechtskräftigen Abweisung seines Schutzbegehrens im Jahr 2012 beharrlich unrechtmäßig im Bundesgebiet verblieb, ehe ihm erst ab 2014 ein Aufenthaltstitel zukam.

 

Insbesondere bewirkte aber, über schon vorangegangene geringfügigere Konflikte des BF mit der österr. Strafrechtsordnung hinaus (vgl. oben), die jüngste strafgerichtliche Verurteilung des Beschwerdeführers eine gravierende Schwächung seiner Rechtsposition (VwGH 21.1.1999, 98/18/0420).

 

Im betreffenden Urteil des LG XXXX wurde festgestellt, dass der BF ein damals 15-jähriges, in einer Betreuungseinrichtung lebendes Mädchen mit Gewalt zur Duldung des Beischlafs genötigt hat, indem er sich unter Einsatz seiner überlegenen Körperkraft und seines Körpergewichtes auf die Minderjährige legte, sie mit den Händen in Rückenlage am Bett fixierte, ihr Hose und Unterhose bis zu den Knien hinunterzog und sodann gegen ihren Willen einen vaginalen Geschlechtsverkehr vollzog. Darüber hinaus wurde festgestellt, dass er in späterer Folge versuchte, eine Person dazu zu bestimmen, als Zeuge im Ermittlungsverfahren wegen dieses Sachverhalts falsch auszusagen.

 

Diese Tathandlungen des BF bildeten, ungeachtet seiner in der Verhandlung vor dem BVwG gezeigten Reumütigkeit und seines Wohnverhaltens in der Strafhaft, das zuletzt zu seiner vorzeitigen bedingten Haftentlassung führte, nicht auch zuletzt in der Zusammenschau mit seiner vorangegangenen, wenn auch weitaus geringfügigeren Delinquenz, ein Persönlichkeitsprofil des BF ab, aus dem ein maßgebliches öffentliches Interesse an der Beendigung seines Aufenthalts zum Schutz der öffentlichen Ordnung und Sicherheit abzuleiten war, zumal eine gegenteilige Einschätzung schon angesichts der eben erst erfolgten Haftentlassung nicht angezeigt war.

 

3.3.4. Im Rahmen einer Abwägung all dieser Fakten iSd Art 8 Abs. 2 EMRK gelangte das erkennende Gericht, vor dem (hier zusammengefassten) Hintergrund des langjährigen, überwiegend rechtmäßigen Aufenthalts des BF und seiner bisherigen beruflichen, sprachlichen und sozialen Integration und der diesen Aspekten gegenüberzustellenden früheren Missachtung der fremdenrechtlichen Bestimmungen sowie vor allem der gravierenden und im Hinblick auf den Tathergang besonders verwerflichen jüngsten Straftat des BF, zu dem Gesamtergebnis, dass das öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung nach Abschluss des gg. Verfahrens und der Einhaltung der österreichischen aufenthalts- und fremdenrechtlichen Bestimmungen die individuellen Interessen des BF im Hinblick auf eine Fortsetzung seines Privatlebens im Bundesgebiet überwiegen.

 

3.4. Nach Maßgabe dieser Interessensabwägung im Sinne des § 9 BFA-VG ist das BFA daher zu Recht davon ausgegangen, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des unrechtmäßigen Aufenthalts des BF im Bundesgebiet das persönliche Interesse des BF am Verbleib im Bundesgebiet überwog und daher durch die angeordnete Rückkehrentscheidung eine Verletzung des Art. 8 EMRK nicht gegeben war. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte dafür hervorgekommen oder in der Beschwerde vorgebracht worden, die im gegenständlichen Fall den Ausspruch, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig sei, rechtfertigen würden.

 

3.5. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I des gegenständlich bekämpften Bescheides war sohin abzuweisen.

 

4.1.

 

§ 52 Abs. 9 FPG idgF lautet:

 

Mit der Rückkehrentscheidung ist gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.

 

§ 50 FPG idgF lautet:

 

(1) Die Abschiebung Fremder in einen Staat ist unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.

 

(2) Die Abschiebung in einen Staat ist unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005).

 

(3) Die Abschiebung in einen Staat ist unzulässig, solange der Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.

 

§ 51 FPG idgF lautet:

 

(1) Während eines Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbots, worüber der Fremde zu verständigen ist, ist auf Antrag des Fremden festzustellen, ob die Abschiebung in einen von ihm bezeichneten Staat, der nicht sein Herkunftsstaat ist, gemäß § 50 unzulässig ist.

 

(2) Bezieht sich ein Antrag gemäß Abs. 1 auf den Herkunftsstaat des Fremden, gilt dieser Antrag als Antrag auf internationalen Schutz. Diesfalls ist gemäß den Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 vorzugehen.

 

4.2. Der VwGH führte in den Entscheidungsgründen seines Erkenntnisses vom 31.08.2017, XXXX , im Einzelnen u.a. wie folgt aus:

 

"Mit dem Erkenntnis des VwGH vom 24.05.2016, XXXX , wurde dem BVwG vor dem Hintergrund des § 52 Abs. 9 FPG aufgetragen zu prüfen, ob die - dem seinerzeitigen Asylerkenntnis vom XX.YY.ZZ. zugrunde liegende - Annahme, dem Revisionswerber drohe in keine (insbesondere) Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung, noch aufrechtzuerhalten sei. Damit wurde allerdings nicht zum Ausdruck gebracht, dass das BVwG insoweit schon eine abschließende Beurteilung vorzunehmen habe. Wie insbesondere die Ausführungen unter der oben wörtlich wiedergegebenen Rz 15 (erg.: des Vorerkenntnisses) zeigen, wäre vielmehr in erster Linie mit dem Revisionswerber, der in der ergänzenden Beschwerdeverhandlung ein konkretes Gefährdungspotential zum Ausdruck brachte, mit Blick auf § 51 Abs. 2 FPG zu erörtern gewesen, ob darin die Stellung eines neuerlichen Antrags auf internationalen Schutz zu erblicken sei (siehe in diesem Sinn auch das hg. Erkenntnis vom 15. September 2016, XXXX , XXXX ). Es ist nämlich, zumal in Anbetracht der vorrangigen Funktion der Feststellung nach § 52 Abs. 9 FPG, (lediglich) den Zielstaat der Abschiebung festzulegen, nicht Aufgabe des BFA bzw. des BVwG, im Verfahren zur Erlassung einer fremdenpolizeilichen Maßnahme letztlich ein Verfahren durchzuführen, das der Sache nach einem Verfahren über einen Antrag auf internationalen Schutz gleichkommt. Die Überlegung, es sei im Rahmen eines Rückkehrentscheidungsverfahrens in eine abschließende Prüfung eines allfälligen Gefährdungsszenarios einzusteigen, erweist sich daher, solange der Führung eines dafür vorgesehenen Verfahrens auf internationalen Schutz nicht ausreichend deutlich entgegen getreten wird, als verfehlt (siehe auch das hg. Erkenntnis vom 20. Dezember 2016, XXXX und XXXX )."

 

4.3. Mit Schreiben des BVwG vom 06.11.2017 wurden dem Vertreter des BF sowie der belangten Behörde im Rahmen des Parteiengehörs, unter Hinweis auf diese Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs zu §§ 52 Abs. 9 und 51 Abs. 2 FPG die daraus zu folgernde Rechtsansicht zur Kenntnis gebracht, verbunden mit der Aufforderung an den BF dem BVwG bekannt zu geben, ob er Bezug nehmend auf sein bisheriges Vorbringen im gg. Beschwerdeverfahren beabsichtigt beim BFA einen (weiteren) Antrag auf internationalen Schutz einzubringen, und jener an das BFA seinerseits das Gericht von einer allfälligen Antragstellung in Kenntnis zu setzen.

 

Mit Schreiben an das BVwG vom 22.12.2017 teilte der Vertreter des BF mit, dass der BF aktuell keinen (weiteren) Antrag auf internationalen Schutz einbringen werde, sondern sein bisheriges Vorbringen im Rahmen des beim BVwG anhängigen Verfahrens über die Erlassung einer Rückkehrentscheidung geprüft werden möge.

 

4.4. Das Vorliegen eines Sachverhalts im Hinblick darauf, ob die Abschiebung des BF in den Libanon gemäß § 50 Abs. 1 und 2 FPG unzulässig ist, weil dadurch Art. 2 oder 3 EMRK oder das 6. bzw. 13. ZPEMRK verletzt würden, weil damit für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes verbunden wäre, oder weil stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort sein Leben oder seine Freiheit aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Ansichten bedroht wären, wurde bereits mit der Entscheidung des AsylGH vom 17.12.2012 Bezug nehmend auf das bis dahin vom BF relevierte Vorbringen verneint.

 

Im gg. Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung trug der BF vor dem BFA und dem BVwG Sachverhalte vor (vgl. oben), die im Rahmen der gg. Beweiswürdigung des BVwG (vgl. die Ausführungen unter Punkt 2.6.) als nicht glaubhaft qualifiziert wurden. Weder war eine Gefährdung des BF durch Angehörige der Herkunftsfamilie seiner früheren Gattin noch durch Angehörige seiner eigenen Herkunftsfamilie, insbesondere im Zusammenhang mit seinem Übertritt vom Islam zum Christentum, feststellbar. Aus diesem Vorbringen war sohin auch kein stichhaltiger Anhaltspunkt für die reale Gefahr einer Rechtsverletzung iSd § 50 Abs. 1 und 2 FPG durch eine Abschiebung des BF in seinen Herkunftsstaat zu gewinnen.

 

Selbst für den Fall der – hier hypothetischen – Annahme, dass der BF durch genannte Privatpersonen bei einer Rückkehr bedroht werden würde, wäre im Übrigen für ihn im Hinblick auf die Behauptung einer ihm drohenden Rechtsverletzung und einer daraus allenfalls zu folgernden Feststellung der Unzulässigkeit seiner Abschiebung in den Herkunftsstaat nichts zu gewinnen, zumal – wie auch schon die belangte Behörde in ihrer Entscheidungsbegründung zutreffend darlegte – er diesbezüglich den Schutz der staatlichen Behörden gegenüber strafrechtlich relevanten Tathandlungen Dritter in Anspruch nehmen könnte und, über die unbegründete Behauptung vor dem BVwG, dass er "unmittelbar nach der Ankunft im Libanon" getötet werden würde, hinaus keine stichhaltigen Anhaltspunkte für die Annahme hervorkamen bzw. von ihm nachvollziehbar dargetan wurden, dass eine Schutzfähigkeit und –willigkeit der libanesischen Behörden vor derlei Übergriffen nicht gegeben wäre.

 

Eine allfällige Gefährdung durch Handlungen staatlicher Organe, die zu einer möglichen Rechtsverletzung in diesem Sinne führen könnten, hat der BF nicht einmal behauptet.

 

Auch hat sich im Hinblick auf die allgemeine Lage im Herkunftsstaat keine relevante Änderung des Sachverhalts ergeben, die von ihm behauptet wurde oder von Amts wegen wahrzunehmen gewesen wäre.

 

Zuletzt hat sich auch im Hinblick auf die persönliche Situation des Beschwerdeführers im Falle einer Rückkehr, was die allgemeinen Lebensbedingungen im Sinne des Erwerbs des notwendigen Lebensunterhalts, der Unterbringung und der gesundheitlichen Versorgung angeht, im gg. Verfahren kein konkreter Anhaltspunkt für eine allfällige Gefährdung des BF, die in die Sphäre der EMRK reicht, ergeben. Beim Beschwerdeführer handelt es sich vielmehr um einen arbeitsfähigen und gesunden jungen Mann, bei dem die (neuerliche) Fähigkeit zur Teilnahme am Erwerbsleben vorauszusetzen war (vgl. die Feststellungen oben unter Punkt 1.). Zudem war diesbezüglich auch die oben festgestellte verwandtschaftliche Anbindung des BF im Herkunftsstaat zu berücksichtigen.

 

4.5. In Ansehung dessen gelangte das BVwG zur Feststellung, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers in den Libanon § 52 Abs. 9 iVm § 50 FPG idgF zulässig ist.

 

4.6. Sohin war auch die Beschwerde gegen Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides als unbegründet abzuweisen.

 

5.1.

 

§ 53 FPG idgF lautet:

 

(1) Mit einer Rückkehrentscheidung kann vom Bundesamt mit Bescheid ein Einreiseverbot erlassen werden. Das Einreiseverbot ist die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten.

 

(2) Ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 ist, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens fünf Jahren zu erlassen. Bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbots hat das Bundesamt das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen mit einzubeziehen und zu berücksichtigen, inwieweit der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Drittstaatsangehörige

 

1. wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 20 Abs. 2 der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO), BGBl. Nr. 159, iVm § 26 Abs. 3 des Führerscheingesetzes (FSG), BGBl. I Nr. 120/1997, gemäß § 99 Abs. 1, 1 a, 1 b oder 2 StVO, gemäß § 37 Abs. 3 oder 4 FSG, gemäß § 366 Abs. 1 Z 1 der Gewerbeordnung 1994 (GewO), BGBl. Nr. 194, in Bezug auf ein bewilligungspflichtiges, gebundenes Gewerbe, gemäß den §§ 81 oder 82 des SPG, gemäß den §§ 9 oder 14 iVm § 19 des Versammlungsgesetzes 1953, BGBl. Nr. 98, oder wegen einer Übertretung des Grenzkontrollgesetzes, des Meldegesetzes, des Gefahrengutbeförderungsgesetzes oder des Ausländerbeschäftigungsgesetzes rechtskräftig bestraft worden ist;

 

2. wegen einer Verwaltungsübertretung mit einer Geldstrafe von mindestens 1 000 Euro oder primären Freiheitsstrafe rechtskräftig bestraft wurde;

 

3. wegen einer Übertretung dieses Bundesgesetzes oder des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtskräftig bestraft worden ist, sofern es sich dabei nicht um eine in Abs. 3 genannte Übertretung handelt;

 

4. wegen vorsätzlich begangener Finanzvergehen oder wegen vorsätzlich begangener Zuwiderhandlungen gegen devisenrechtliche Vorschriften rechtskräftig bestraft worden ist;

 

5. wegen eines Verstoßes gegen die Vorschriften, mit denen die Prostitution geregelt ist, rechtskräftig bestraft worden ist;

 

6. den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag;

 

7. bei einer Beschäftigung betreten wird, die er nach dem AuslBG nicht ausüben hätte dürfen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige hätte nach den Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes für denselben Dienstgeber eine andere Beschäftigung ausüben dürfen und für die Beschäftigung, bei der der Drittstaatsangehörige betreten wurde, wäre keine Zweckänderung erforderlich oder eine Zweckänderung zulässig gewesen;

 

8. eine Ehe geschlossen oder eine eingetragene Partnerschaft begründet hat und sich für die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels, für den Erwerb oder die Aufrechterhaltung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts, für den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft, zwecks Zugangs zum heimischen Arbeitsmarkt oder zur Hintanhaltung aufenthaltsbeendender Maßnahmen auf diese Ehe oder eingetragene Partnerschaft berufen, aber mit dem Ehegatten oder eingetragenen Partner ein gemeinsames Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK nicht geführt hat oder

 

9. an Kindes statt angenommen wurde und die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels, der Erwerb oder die Aufrechterhaltung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts, der Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft, der Zugang zum heimischen Arbeitsmarkt oder die Hintanhaltung aufenthaltsbeendender Maßnahmen ausschließlicher oder vorwiegender Grund für die Annahme an Kindes statt war, er jedoch das Gericht über die wahren Verhältnisse zu den Wahleltern getäuscht hat.

 

(3) Ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 ist für die Dauer von höchstens zehn Jahren, in den Fällen der Z 5 bis 9 auch unbefristet zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt. Als bestimmte Tatsache, die bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes neben den anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen relevant ist, hat insbesondere zu gelten, wenn

 

1. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mindestens drei Monaten, zu einer bedingt oder teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist;

 

2. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht wegen einer innerhalb von drei Monaten nach der Einreise begangenen Vorsatztat rechtskräftig verurteilt worden ist;

 

3. ein Drittstaatsangehöriger wegen Zuhälterei rechtskräftig verurteilt worden ist;

 

4. ein Drittstaatsangehöriger wegen einer Wiederholungstat oder einer gerichtlich strafbaren Handlung im Sinne dieses Bundesgesetzes oder des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtskräftig bestraft oder verurteilt worden ist;

 

5. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mindestens fünf Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;

 

6. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Drittstaatsangehörige einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) angehört oder angehört hat, terroristische Straftaten begeht oder begangen hat (§ 278c StGB), Terrorismus finanziert oder finanziert hat (§ 278d StGB) oder eine Person für terroristische Zwecke ausbildet oder sich ausbilden lässt (§ 278e StGB) oder eine Person zur Begehung einer terroristischen Straftat anleitet oder angeleitet hat (§ 278f StGB);

 

7. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Drittstaatsangehörige durch sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale Sicherheit gefährdet oder

 

8. ein Drittstaatsangehöriger öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt oder

 

9. der Drittstaatsangehörige ein Naheverhältnis zu einer extremistischen oder terroristischen Gruppierung hat und im Hinblick auf deren bestehende Strukturen oder auf zu gewärtigende Entwicklungen in deren Umfeld extremistische oder terroristische Aktivitäten derselben nicht ausgeschlossen werden können, oder auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass er durch Verbreitung in Wort, Bild oder Schrift andere Personen oder Organisationen von seiner gegen die Wertvorstellungen eines europäischen demokratischen Staates und seiner Gesellschaft gerichteten Einstellung zu überzeugen versucht oder versucht hat oder auf andere Weise eine Person oder Organisation unterstützt, die die Verbreitung solchen Gedankengutes fördert oder gutheißt.

 

(4) Die Frist des Einreiseverbotes beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise des Drittstaatsangehörigen.

 

(5) Eine gemäß Abs. 3 maßgebliche Verurteilung liegt nicht vor, wenn sie bereits getilgt ist. § 73 StGB gilt.

 

(6) Einer Verurteilung nach Abs. 3 Z 1, 2 und 5 ist eine von einem Gericht veranlasste Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher gleichzuhalten, wenn die Tat unter Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustandes begangen wurde, der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad beruht.

 

5.2. § 53 FPG idgF hat im Vergleich zur Rechtslage vor dem 01.01.2014 keine inhaltliche Änderung erfahren. Daraus ist zu schließen, dass auch in Bezug auf die vom VwGH statuierten Kriterien, die bei der Verhängung des Einreiseverbots und seiner Dauer zur Anwendung gelangen sollen, kein Wandel stattgefunden hat. Aus diesem Grund erachtet das Gericht die Judikatur zum Einreiseverbot auch nach wie vor als anwendbar.

 

Der VwGH hat in seinem Erkenntnis vom 15.12.2011, 2011/21/0237, zur Rechtslage vor dem FPG erwogen, dass bei der Festsetzung der Dauer des Einreiseverbotes nach dem FrÄG 2011 eine Einzelfallprüfung vorzunehmen ist (vgl ErläutRV, 1078 BlgNR 24. GP 29 ff und Art 11 Abs 2 Rückführungs-RL). Dabei hat die Behörde das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen zu beurteilen und zu berücksichtigen, ob (bzw. inwieweit über die im unrechtmäßigen Aufenthalt als solchen zu erblickende Störung der öffentlichen Ordnung hinaus) der (weitere) Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 MRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Eine derartige Gefährdung ist nach der Gesetzessystematik insbesondere in den Fällen der Z 1 bis 9 des § 53 Abs. 2 FrPolG 2005 idF FrÄG 2011 anzunehmen. In den Fällen des § 53 Abs. 3 Z 1 bis 8 FrPolG 2005 idF FrÄG 2011 ist das Vorliegen einer schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit indiziert, was dann die Verhängung eines Einreiseverbotes in der Dauer von bis zu zehn Jahren und, liegt eine bestimmte Tatsache im Sinn der Z 5 bis 8 vor, von unbefristeter Dauer ermöglicht. Dass bei Vorliegen der letztgenannten Konstellation - wie die ErläutRV formulieren - "jedenfalls" ein unbefristetes Einreiseverbot zu erlassen ist, findet im Gesetz aber keine Deckung und stünde auch zu Art. 11 Abs. 2 der Rückführungs-RL (arg.: "kann") in Widerspruch. Dagegen ist festzuhalten, dass - wie schon nach bisheriger Rechtslage (vgl. E 20. November 2008, 2008/21/0603) - in Bezug auf strafgerichtliche Verurteilungen nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern immer auf das zugrunde liegende Verhalten (arg.: Einzelfallprüfung) abzustellen ist. Maßgeblich sind Art und Schwere der zugrunde liegenden Straftaten und das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild; darauf kommt es bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbots an.

 

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die fremdenpolizeilichen Beurteilungen unabhängig von den das Strafgericht für die Strafbemessung, die bedingte Strafnachsicht und den Aufschub des Strafvollzugs leitenden Erwägungen zu treffen sind (vgl. Erkenntnis des VwGH v. 6.Juli 2010, Zl. 2010/22/0096). Es obliegt daher dem erkennenden Gericht festzustellen, ob eine Gefährdung im Sinne des FPG vorliegt oder nicht. Es geht bei der Erlassung eines (hier:) Aufenthaltsverbotes auch nicht um eine Beurteilung der Schuld des Fremden an seinen Straftaten und auch nicht um eine Bestrafung (vgl. Erkenntnis des VwGH vom 8. Juli 2004, 2001/21/0119).

 

Im Fall der Verhängung eines Einreiseverbots ist im Rahmen einer Gefährlichkeitsprognose das Gesamt(fehl)verhalten des Fremden in Betracht zu ziehen. Bei dieser Beurteilung kommt es demnach nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf das diesen zugrunde liegende Fehlverhalten, die Art und Schwere der begangenen Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild an. (vgl. VwGH 19.2.2013, 2012/18/0230)

 

Solche Gesichtspunkte, wie sie in einem Verfahren betreffend Rückkehrentscheidung und Einreiseverbot zu prüfen sind, insbesondere die Intensität der privaten und familiären Bindungen in Österreich, können nicht auf die bloße Beurteilung von Rechtsfragen reduziert werden (vgl. VwGH 7.11.2012, 2012/18/0057).

 

Abgesehen von der Bewertung des bisherigen Verhaltens des Drittstaatsangehörigen ist bei der Entscheidung über die Länge des Einreiseverbotes im Sinn der bisherigen Judikatur zu § 63 FPG alt (vgl. etwa die VwGH-Erkenntnisse vom 8. November 2006, Zl. 2006/18/0323 und vom 18. Februar 2009, Zl. 2008/21/0048) darauf abzustellen, wie lange die von ihm ausgehende Gefährdung zu prognostizieren ist; außerdem ist auch auf die privaten und familiären Interessen des Drittstaatsangehörigen Bedacht zu nehmen. Das ergibt sich nicht zuletzt aus § 60 Abs. 1 FPG, der die Herabsetzung der Dauer des Einreiseverbotes unter Berücksichtigung

"der für seine Erlassung ... maßgeblichen Umstände" - und damit in

der Formulierung angelehnt an § 63 Abs. 2 FPG alt - vorsieht. Der Verwaltungsgerichthof betont in diesem Zusammenhang, dass das Ausschöpfen der vorgesehenen Höchstfristen nicht regelmäßig schon dann erfolgen darf, wenn einer der Fälle des § 53 Abs. 2 Z 1 bis 8 bzw. des Abs. 3 Z 1 bis 8 FPG vorliegt. Eine einzelfallbezogene Bemessung ist vielmehr, wie sich aus dem Gesagten ergibt, unabdingbar. (VwGH, 22.05.2013, 2011/18/0259 sowie VwGH 15.12.2011, 2011/21/0237)

 

5.3.1. Im gegenständlichen Fall war der Behörde im Hinblick auf die jüngste strafgerichtliche Verurteilung des BF zu einer unbedingten Haftstrafe von drei Jahren vorweg insofern zu folgen, als damit der Tatbestand des § 53 Abs. 3 Z 1 FPG erfüllt war.

 

5.3.2. Dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften kommt aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu.

 

Gegen dieses öffentliche Interesse hat der BF nicht nur durch seine illegale Einreise in das Bundesgebiet, sondern insbesondere durch seinen beharrlichen unrechtmäßigen Verbleib nach Abschluss des Verfahrens über seinen Antrag auf internationalen Schutz entgegen der gegen ihn ausgesprochenen Ausweisung aus dem Bundesgebiet verstoßen.

 

Ein Fehlverhalten kann auch dann zur Beurteilung der Gefährdungsprognose herangezogen werden, wenn es nicht zu einer gerichtlichen oder verwaltungsbehördlichen Bestrafung geführt hat (VwGH vom 22.01.2014, Zl. 2012/22/0246; vgl. auch VwGH vom 26. Jänner 2010, 2008/22/0890, sowie schon zur Rechtslage nach dem Fremdengesetz 1997 VwGH vom 12. Jänner 2000, 99/21/0357). Unter diesem Aspekt war auch der diversionell erledigte Eingriff des BF in das Vermögen anderer durch das von ihm begangene Delikt eines – nicht nur geringfügigen - Ladendiebstahls im Jahr 2009 mit zu berücksichtigen.

 

Vor allem jedoch misst der Verwaltungsgerichthof der Hintanhaltung der Begehung strafbarer Handlungen gegen die Sittlichkeit ein großes öffentliches Interesse zu (vgl. VwGH vom 14.6.2005, Zl. 2005/18/0111). Nach der Judikatur des VwGH fallen unter den Begriff des "besonders schweren Verbrechens" (im Rahmen der Asylaberkennung) nur Straftaten, die objektiv besonders wichtige Rechtsgüter verletzen. Typischerweise schwere Verbrechen sind etwa Tötungsdelikte, Vergewaltigung, Kindesmisshandlung, Brandstiftung, Drogenhandel, bewaffneter Raub und dergleichen. In diesem Sinne hat der VwGH in seiner Entscheidung vom 16.12.2015, Ra2015/21/0198, über die Verhängung eines unbefristeten Einreiseverbotes (der BF wurde nach §§ 15, 201 Abs. 1, 105 Abs. 1, 15, 83 Abs. 1, 105 Abs. 1, 106 Abs. 1 Z 3, 15, 229 StGB zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt und nach §§ 223 Abs. 2, 224, 15, 105 Abs. 1, 201 Abs. 1 und 107 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt) die Revision zurückgewiesen. In seiner Entscheidung vom 31.08.2017, Ra 2017/21/0127-7, hat der VwGH im Zusammenhang mit dem Vergehen der geschlechtlichen Nötigung und der sexuellen Belästigung sowie der gefährlichen Drohung und des versuchten räuberischen Diebstahls ein Einreiseverbot mit einer Dauer von 10 Jahren als angemessen angesehen.

 

5.3.3. Die belangte Behörde hat in ihrer Entscheidung über die Verhängung eines Einreiseverbots gegen den BF in Dauer von acht Jahren darauf abgestellt, dass der BF insbesondere durch sein jüngstes in Österreich gesetztes strafbares Verhalten in Form der Vergewaltigung einer Minderjährigen und der in Zusammenhang damit versuchten Bestimmung zur Falschaussage in hohem Maße seinen Unwillen zur Befolgung der österreichischen Gesetze zum Ausdruck gebracht und das Grundinteresse der Gesellschaft an Ruhe, Sicherheit und körperlicher Unversehrtheit von Personen und an sozialem Frieden beeinträchtigt hat.

 

Auch das BVwG erachtete die näheren Tatumstände gerade im Hinblick auf das vom Strafgericht festgestellte Verhalten des BF bei der Tatbegehung als maßgeblich, insoweit der BF seine überlegene Körperkraft dazu einsetzte um ein bis dahin noch unberührtes minderjähriges, in einer besonderen Einrichtung für Jugendliche aus schwierigen sozialen und familiären Verhältnissen untergebrachtes bzw. betreutes Mädchen zum Geschlechtsverkehr zu zwingen. Dem Versuch des anwaltlichen Vertreters, in der Beschwerde wie auch in mündlichen Verhandlung vor dem BVwG die vom BF begangene Vergewaltigung als eine "untypische", im Sinne einer weniger verwerflichen, darzustellen, offenbar weil es nicht zu schweren körperlichen Misshandlungen o.ä. gekommen war und Täter und Opfer vor und nach der Tat in Kontakt waren, vermochte sich das BVwG gerade im Lichte der besonderen Vulnerabilität des Opfers und nicht zuletzt auch der im Strafverfahren gutachterlich festgestellten psychischen Folgen für das Opfer nicht anzuschließen, darüber hinaus war es im gg. Fall offenkundig hinreichend für den BF das Opfer durch bloße Kraftanwendung zum Geschlechtsverkehr zu nötigen, ohne dass es zu noch größerer Gewaltanwendung gekommen war, was aus Sicht des BVwG die besondere Verwerflichkeit seines Handelns dem Opfer gegenüber aber nicht schmälerte. Im Übrigen hatte der BF im Strafverfahren die Tat verleugnet bzw. verharmlost und zuvor noch versucht einen Zeugen in diesem Zusammenhang zur Falschaussage zu bestimmen. Nicht zuletzt auch dieses an die Vergewaltigung anschließende Verhalten indizierte ein erhebliches Gefährdungspotential auf Seiten des BF.

 

An diesen Erwägungen vermochten auch die Tatsachen, dass sich BF zwischenzeitig in der Haft taufen ließ, sich dort wohlverhalten und nun im unmittelbaren Gefolge der bedingten Haftentlassung die Beziehung mit seiner Verlobten wieder aufgenommen hat, nicht Maßgebliches zu ändern. Es bedarf nämlich nicht zuletzt eines hinreichenden Zeitraums des Wohlverhaltens auf Seiten eines Straftäters außerhalb der Anhaltung in der Haft um von einem Wegfall oder einer wesentlichen Minderung der von ihm ausgehenden Gefährlichkeit ausgehen zu können (vgl. VwGH 22.05.2013, 2013/18/0041). Die Zeiten der Haft haben bei der Beurteilung des Wohlverhaltens außer Betracht zu bleiben (VwGH 26.11.2009, 2009/18/0460).

 

Das BVwG gelangte sohin in Übereinstimmung mit dem BFA zum Ergebnis, dass im gg. Fall in Anbetracht des bisherigen, zuletzt äußerst gravierenden Fehlverhaltens des BF während seines Aufenthalts im Bundesgebiet von einer von ihm ausgehenden schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Ordnung auszugehen war.

 

Im Hinblick auf eine ergänzende Berücksichtigung der persönlichen Interessen des BF im Bundesgebiet iSd Art. 8 EMRK ist auf die Feststellungen oben iZm der Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG zu verweisen. Gerade im Lichte des besonderen Unrechtsgehalts der jüngsten Straftat des BF konnte das BVwG jedoch nicht von einem Überwiegen seiner privaten Interessen im Bundesgebiet gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Verhängung eines Einreiseverbots iZm mit der gegen den BF erlassenen Rückkehrentscheidung ausgegangen werden.

 

5.3.4. § 53 Abs. 3 FPG sieht die Verhängung eines Einreiseverbots mit einer Dauer von bis zu zehn Jahren vor.

 

Unter der Voraussetzung, dass die Gründe für die Verhängung eines Einreiseverbotes erst nach einem ausreichend langen Zeitraum als weggefallen anzusehen sein können, war der Annahme der belangten Behörde, dass hierfür in Konstellationen wie im gg. Fall eine Dauer von acht Jahren als angemessen anzusehen sei, aus Sicht des erkennenden Gerichtes nicht entgegenzutreten.

 

5.4. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt III des erstinstanzlichen Bescheides war daher als unbegründet abzuweisen.

 

6.1.

 

§ 55 FPG lautet:

 

(1) Mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 wird zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt.

 

(1a) Eine Frist für die freiwillige Ausreise besteht nicht für die Fälle einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 AVG sowie wenn eine Entscheidung auf Grund eines Verfahrens gemäß § 18 BFA-VG durchführbar wird.

 

(2) Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.

 

6.2. Die im angefochtenen Bescheid festgelegte Frist von zwei Wochen für die freiwillige Ausreise ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung entspricht § 55 Abs. 2 erster Satz FPG. Dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hätte, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen würden, wurde nicht vorgebracht.

 

6.3. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt IV war daher abzuweisen.

 

7. Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.

 

Zu B)

 

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

 

Die Revision ist im gegenständlichen Fall gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung, weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

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