OGH 3Ob560/84; 14Ob140/86 (RS0038222)

OGH3Ob560/84; 14Ob140/8620.2.2024

Rechtssatz

Bei möglicherweise mit ärztlichen Behandlungsfehlern zusammenhängenden Gesundheitsschäden von Patienten sind wegen der besonderen Schwierigkeiten eines exakten Beweises an den Kausalitätsbeweis geringere Anforderungen zu stellen, zumal ein festgestellter schuldhafter Behandlungsfehler auf einen nachteiligen Kausalverlauf geradezu hinweist.

Normen

ABGB §1295 Ia3a
ABGB §1295 Ia3b
ABGB §1299 B
ABGB §1313a IIIa
KAG §8

3 Ob 560/84OGH02.10.1985
14 Ob 140/86OGH16.09.1986

Vgl auch; Beisatz: Hier: Unterlassungen (T1)

8 Ob 525/88OGH16.03.1989

Vgl auch; Veröff: SZ 62/53 = RZ 1990/101 S 276

8 Ob 1527/90OGH19.04.1990
2 Ob 538/92OGH17.06.1992

Auch; Beisatz: Ansteckung eines Kindes während eines Krankenhausaufenthaltes mit einem gefährlichen Krankheitserreger. (T2)

8 Ob 581/92OGH31.08.1992

Auch

2 Ob 590/92OGH08.07.1993
4 Ob 554/95OGH07.11.1995

nur: Bei möglicherweise mit ärztlichen Behandlungsfehlern zusammenhängenden Gesundheitsschäden von Patienten sind wegen der besonderen Schwierigkeiten eines exakten Beweises an den Kausalitätsbeweis geringere Anforderungen zu stellen. (T3) <br/>Veröff: SZ 68/207

7 Ob 337/98dOGH01.12.1998

Vgl auch; nur T3; Beis wie T1; Beisatz: Hier: Anästhesie. (T4)

7 Ob 321/00gOGH17.05.2001

Vgl auch

9 Ob 3/05iOGH24.10.2005

nur T3

6 Ob 240/06xOGH21.12.2006

Beisatz: Die Feststellung, die Verursachung könne nicht ausgeschlossen werden, reicht trotz Beweiserleichterung nicht aus. (T5)

7 Ob 255/07mOGH12.12.2007

Beisatz: Anscheinsbeweis (prima-facie-Beweis) ist ausreichend, es genügt eine bloß „deutlich überwiegende" Wahrscheinlichkeit. (T6)

1 Ob 138/07mOGH29.01.2008

Vgl auch; Beisatz: Steht ein ärztlicher Behandlungsfehler fest und ist es unzweifelhaft, dass die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts durch den ärztlichen Kunstfehler nicht bloß unwesentlich erhöht wurde, hat der Belangte (Arzt oder Krankenanstaltenträger) zu beweisen, dass die ihm zuzurechnende Sorgfaltsverletzung „mit größter Wahrscheinlichkeit" nicht kausal für den Schaden des Patienten war. Es kehrt sich folglich die Beweislast für das (Nicht-)Vorliegen der Kausalität um. (T7)

1 Ob 226/07bOGH26.02.2008

Auch; Beisatz: Für den vom Patienten zu führenden Beweis der Kausalität des ärztlichen Behandlungsfehlers genügt eine (sehr) hohe Wahrscheinlichkeit. (T8)<br/>Beisatz: Für den dem Kläger obliegenden Beweis der Kausalität zwischen Behandlungsfehler und Gesundheitsschaden genügt der Nachweis, dass die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts durch den Fehler der Ärzte nicht bloß unwesentlich erhöht wurde. Dem Beklagten obliegt in diesem Fall der volle Beweis, dass die erwiesene Vertragsverletzung im konkreten Fall für die nachteiligen Folgen mit größter Wahrscheinlichkeit unwesentlich geblieben ist. (T9)<br/>Beisatz: Hier: Unterlassen einer sofortigen Infusionstherapie bei eingetretenem Hörsturz. (T10)

10 Ob 62/08bOGH09.09.2008

Beis wie T8

9 Ob 64/08iOGH04.08.2009

Vgl auch; Beisatz: Die bei Vorliegen ärztlicher Fehler angenommene Beweislastumkehr zu Lasten des behandelnden Arztes gelangt erst dann zur Anwendung, wenn vorher der geschädigte Patient - wenn auch im Rahmen eines erleichterten Kausalitätsbeweises - den Nachweis erbracht hat, dass die Wahrscheinlichkeit eines Schadeneintritts durch den ärztlichen Fehler (hier: Verletzung der Aufklärungspflicht) nicht bloß unwesentlich erhöht wurde. (T11)<br/>Beisatz: Erst dann liegt es am Arzt zu beweisen, dass die ihm zuzurechnende Sorgfaltsverletzung mit größter Wahrscheinlichkeit nicht kausal war. (T12)

4 Ob 145/10tOGH05.10.2010

Auch

6 Ob 259/10xOGH28.01.2011

Vgl; Beis wie T9

8 Ob 30/11mOGH22.03.2011

nur T3; Beis wie T6

3 Ob 128/11mOGH24.08.2011

Auch; Beis wie T6

2 Ob 97/11wOGH22.06.2011

Vgl; Vgl Beis wie T6

5 Ob 186/11fOGH09.11.2011

Auch; Beis auch wie T6

1 Ob 172/12vOGH11.10.2012

Vgl

7 Ob 191/12gOGH14.11.2012

Auch

2 Ob 227/12iOGH14.03.2013

Vgl auch

8 Ob 133/12kOGH29.04.2013

Auch; Beis wie T5; Beis wie T6; Beis wie T7; Beis wie T12

3 Ob 233/13fOGH19.12.2013

Beis wie T11; Beisatz: Hier: Behauptete Verletzung im Zuge einer Fußpflege. (T13)

8 Ob 129/13yOGH27.02.2014
1 Ob 41/16kOGH28.04.2016

Vgl auch; Beis wie T7; Beis wie T11

9 Ob 6/16xOGH29.09.2016
1 Ob 244/16pOGH31.01.2017

Auch; Beisatz: Hier: Fehldiagnose. (T14)

7 Ob 88/17tOGH27.09.2017

Beis wie T11; Beis wie T7

9 Ob 80/17fOGH30.01.2018

Vgl auch; Beis wie T7; Beis wie T9; Beis wie T11; Beis wie T12

1 Ob 111/19hOGH29.08.2019

Beisatz: Hier: Bei Einhaltung der gebotenen Sorgfalt in der orthopädischen Abteilung wäre ein Neurologe beizuziehen gewesen, da neurologische Schädigungen mit einer nicht zu vernachlässigenden Wahrscheinlichkeit Komplikationen der konkret durchgeführten Operation sind. (T14a)<br/>Anm: Änderung der versehentlich ein zweites Mal vergebenen Beisatznummer (T14) auf (T14a) - April 2023 (T14b)

8 Ob 68/19mOGH24.09.2019
4 Ob 176/19iOGH24.10.2019

Beisatz: Liegt ein ärztlicher Behandlungsfehler vor, so genügt für den Kausalitätsbeweis der Anscheinsbeweis der überwiegenden Wahrscheinlichkeit durch den Patienten. Gelingt dieser, so obliegt es dem Beklagten, die Kausalität der Pflichtwidrigkeit ‑ durch Entkräftung des ihn belastenden Anscheinsbeweises ‑ ernsthaft zweifelhaft zu machen. Dazu muss er darlegen, dass andere Schadensursachen wahrscheinlicher sind als die ihm unterlaufene Sorgfaltswidrigkeit. (T15)

4 Ob 28/20aOGH20.05.2020

Vgl; Beis wie T3; Beis wie T9; Beisatz: Hier: Die Verbesserung der Chancen für ein Überleben mit gutem neurologischen Erfolg durch die Lysetherapie von 30,1 % auf 35,3 % (also um rund 17% oder 5,2 Prozentpunkte), ist nicht mehr bloß unwesentlich und kann daher im Rahmen der Prognose des Heilungserfolgs ohne den unterlaufenen Behandlungsfehler nicht unbeachtet bleiben. (T16)

6 Ob 137/20wOGH29.09.2020

Vgl; nur T3; Beisatz: Hier: Neben dem ärztlichen Behandlungsfehler besteht eine weitere gleich wahrscheinliche potenzielle Schadensursache. (T17)<br/>Beisatz: Ablehnung der Beisätze T7, T9, T11 und T16. (T18)<br/>Beisatz: Ablehnung des Beisatzes T15: Der Anscheinsbeweis lässt sich bereits durch Darlegung der ernsthaften, konkreten Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufs entkräften; gelingt dies – etwa aufgrund des Nachweises, dass die Gesundheitsbeeinträchtigung ernstlich auch auf eine Komplikation oder eine körperliche Vorschädigung zurückzuführen sein könnte –, muss der Patient den Vollbeweis des Kausalzusammenhangs zwischen Sorgfaltsverstoß und Gesundheitsschädigung führen. (T19)<br/>Beisatz: Angesichts der Beweisschwierigkeiten des mit dem Kausalitätsnachweis belasteten Patienten erscheint es sachgerecht, in Abkehr vom Regelbeweismaß der ZPO den Nachweis der überwiegenden Wahrscheinlichkeit genügen zu lassen. (T20)

1 Ob 189/20fOGH27.11.2020

nur T3; Beisatz wie T7; Beisatz wie T12; Beisatz wie T5; Beisatz wie T11<br/>Beisatz: Dass es zunächst am Patienten liegt, nachzuweisen, dass der Behandlungsfehler die Wahrscheinlichkeit des Schadeneintritts nicht bloß unwesentlich erhöht hat, gilt auch bei Unterlassung einer Operation zu einem (fachlich gebotenen) früheren Zeitpunkt. (T21)<br/>Anm: Änderung der versehentlich vergebenen Beisatznummer (T26) auf (T21) - April 2023 (T21a)

1 Ob 11/21fOGH23.03.2021

Beisatz wie T7; Beisatz wie T9; Beisatz wie T11; Beisatz wie T12; Beisatz wie T16<br/>Beisatz: Diese Rechtsprechung ist ohne Bedenken als herrschend zu bezeichnen; 6 Ob 137/20w ist vereinzelt geblieben. (T22)

9 Ob 1/22wOGH17.02.2022

Vgl; Beis wie T7; Beis wie T9

4 Ob 35/22hOGH29.03.2022

Vgl; nur T3; Beis wie T7; Beis wie T9; Beis wie T11

1 Ob 6/23yOGH21.03.2023

vgl; Beisatz wie T7; Beisatz wie T12<br/>Beisatz: Die gegenteilige Entscheidung 6 Ob 137/20w ist vereinzelt geblieben. (T23)

1 Ob 36/23kOGH25.04.2023

Beisatz nur wie T3; Beisatz wie T7; Beisatz wie T9; Beisatz wie T11<br/>Beisatz: Die Beweislastumkehr für das (Nicht-)Vorliegen der Kausalität setzt aber voraus, dass der Patient neben dem Behandlungsfehler auch die nicht bloß unwesentliche Erhöhung der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts durch einen ärztlichen Fehler nachweist. (T24)<br/>Beisatz: Dass im Allgemeinen die Gabe von Benzodiazepinen einer Selbstmordgefahr bei schweren Depressionen entgegenwirkt, ist unerheblich und zeigt keine konkrete Gefahrerhöhung auf. (T25)<br/>Beisatz: Die mangelnde Risikoerhöhung des Schadenseintritts durch den Behandlungsfehler steht einer Teilhaftung wegen Ursachenzweifeln entgegen, weil die Teilhaftung ebenfalls die konkrete Gefährlichkeit des Behandlungsfehlers für den Schadenseintritt erfordert. (T26)<br/>Beisatz: Die Entscheidung 6 Ob 137/20w (Punkt 6.2.), in der dem geschädigten Patienten der Nachweis abverlangt wurde, dass der Schaden mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auf die ärztliche Fehlbehandlung zurückzuführen ist, ist vereinzelt geblieben. (T27)<br/>Anm: Vgl bereits 1 Ob 11/21f (Rz 15).

4 Ob 183/23zOGH20.02.2024

nur T3; nur T7; nur T9; nur T11

Dokumentnummer

JJR_19841002_OGH0002_0030OB00560_8400000_002

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