Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer |
betroffene Normen: | OECD-MA, OECD-Musterabkommen |
Schlagworte: | Arbeitgeber, Arbeitnehmer, Arbeitskräftegestellung, Arbeitskräfteüberlassung, Gestellungsvergütung, Gestellungsnehmer, international, grenzüberschreitend |
Verweise: | VwGH 22.05.2013, 2009/13/0031 |
Im Hinblick auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ergeben sich Änderungen bei der steuerlichen Behandlung grenzüberschreitender Arbeitskräftegestellungen.
Über die gesetzlichen Bestimmungen hinausgehende Rechte und Pflichten werden dadurch nicht begründet.
(1)Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnis VwGH 22. Mai 2013, 2009/13/0031, entschieden, dass der Begriff "Arbeitgeber" in der 183-Tage-Klausel von Doppelbesteuerungsabkommen (Art. 15 Abs. 2 OECD-Musterabkommen) im Sinn eines "wirtschaftlichen Arbeitgebers" zu verstehen ist. Im Fall einer internationalen Arbeitskräfteüberlassung (Arbeitskräftegestellung) kommt daher die abkommensrechtliche Arbeitgebereigenschaft dem Beschäftiger (Gestellungsnehmer) zu. Dies hat zur Folge, dass die 183-Tage-Klausel nicht mehr wirksam werden kann, weil der Arbeitgeber des überlassenen Dienstnehmers im Tätigkeitsstaat ansässig ist.
(2)Das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes bezieht sich ausschließlich auf die Arbeitgebereigenschaft im Sinn der Doppelbesteuerungsabkommen und bewirkt keine Änderung der Arbeitgebereigenschaft auf der Ebene des innerstaatlichen Steuerrechts (LStR 2002 Rz 923). Das Erkenntnis gilt ferner nur für echte Fälle einer Arbeitskräfteüberlassung, also für eine reine "Passivleistung" des entsendenden Unternehmens, nicht hingegen für "Aktivleistungen" wie beispielsweise Beratungsleistungen, Schulungsleistungen, Überwachungsleistungen und andere Assistenzleistungen durch das entsendende Unternehmen. Zur leichteren Unterscheidung der beiden Fallgruppen werden in Anhang 1 vier Beispiele angeführt.
(3)In Besteuerungsfällen mit einem ausländischen Beschäftiger ("Outbound-Fälle") sind die auf die Auslandsentsendung des Dienstnehmers entfallenden Einkünfte bei Anwendung von Abkommen, die dem Befreiungssystem folgen, im Ansässigkeitsstaat des Dienstnehmers grundsätzlich auch dann von der Besteuerung - unter Progressionsvorbehalt - freizustellen, wenn die Entsendung die 183-Tage-Frist nicht übersteigt. Diese abkommensrechtliche Verpflichtung zur Steuerfreistellung besteht auf Grund der "Methodenartikel" der Abkommen (Art. 23A OECD-MA) allerdings nur dann, wenn auch der Tätigkeitsstaat (Beschäftigerstaat) den Beschäftiger als Arbeitgeber im Sinn der abkommensrechtlichen 183-Tage-Klausel wertet und wenn daher beide Staaten von einer Zuteilung des Besteuerungsrechtes an den Tätigkeitsstaat ausgehen. Kann eine steuerliche Erfassung im Beschäftigerstaat durch einen Besteuerungsnachweis dokumentiert werden, ist davon auszugehen, dass die genannte Voraussetzung für die Steuerfreistellung auf österreichischer Seite erfüllt ist. Erfolgt hingegen im Beschäftigerstaat keine Besteuerung, liegt die (widerlegbare) Vermutung vor, dass die Voraussetzung für die Steuerfreistellung in Österreich nicht erfüllt ist. Die Vermutung könnte beispielsweise dadurch widerlegt werden, dass die ausländische Steuerverwaltung den Beschäftiger zwar korrespondierend zur österreichischen Einstufung als Arbeitgeber im Sinn der 183-Tage-Klausel wertet, dass sich aber in Anwendung des innerstaatlichen Steuerrechtes keine Steuerleistung ergibt.
(4)In Besteuerungsfällen mit einem inländischen Beschäftiger ("Inbound-Fälle") wird auf Grund der vom Verwaltungsgerichtshof entwickelten Auslegung des Begriffes "Arbeitgeber" auch bei Arbeitskräfteüberlassungen innerhalb der 183-Tage-Frist das österreichische Besteuerungsrecht aufrechterhalten. Dieses Besteuerungsrecht an den Einkünften der überlassenen Arbeitskräfte kann durch Option für einen (freiwilligen) Lohnsteuerabzug (LStR 2002 Rz 927) wahrgenommen werden, wobei das dabei anzuwendende Verfahren weiterhin unter Einbindung des Finanzamtes Bruck Eisenstadt Oberwart entsprechend dem Erlass des BMF vom 10. März 2006, BMF-010221/0101-IV/4/2006, AÖF Nr. 127/2006 in der durch diesen Erlass geänderten Fassung abzuwickeln ist. Andernfalls ist das inländische Besteuerungsrecht im Wege des Steuerabzuges nach § 99 Abs. 1 Z 5 EStG 1988 durch den Beschäftiger wahrzunehmen. In Fällen der konzerninternen Personalüberlassung im Sinne des Abs. 29 des Erlasses des BMF vom 10. März 2006, BMF-010221/0101-IV/4/2006, AÖF Nr. 127/2006 in der durch diesen Erlass geänderten Fassung kann die Entlastung von der Abzugsteuer nach § 99 Abs. 1 Z 5 EStG 1988 weiterhin unmittelbar an der Quelle herbeigeführt werden, wenn die ausländische Konzerngesellschaft oder alternativ der inländische Beschäftiger den freiwilligen Lohnsteuerabzug vornimmt. Findet kein freiwilliger Lohnsteuerabzug statt, kann nur der unter Art. 7 DBA fallende Teil der Gestellungsvergütung (insbesondere Lohnnebenkosten, Gemeinkosten und Gewinnaufschlag) des ausländischen Konzernunternehmens (Gestellers) aus der Bemessungsgrundlage für den Steuerabzug nach § 99 Abs. 1 Z 5 EStG 1988 ausgeschieden werden.
(5)Eine Besonderheit besteht im Verhältnis zu Deutschland, da durch Art. 15 Abs. 3 DBA-D in den Fällen von Arbeitskräfteüberlassungen die Anwendung der 183-Tage-Klausel nicht davon abhängt, ob der Arbeitgeber im Tätigkeitsstaat ansässig ist. Um der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofes auch hier größtmögliche Wirkung zu verschaffen, wird ab sofort der deutschen Auffassung gefolgt, dass sich diese Sondervorschrift nur auf die gewerbliche Arbeitskräfteüberlassung im Sinn des Arbeitskräfteüberlassungsgesetzes bezieht, nicht hingegen auf konzerninterne Personalüberlassungen. Im Fall der gewerblichen Arbeitskräfteüberlassung verbleibt daher im Rahmen der Anwendung des österreichisch-deutschen DBA bei Nichtüberschreiten der 183-Tage-Frist das Besteuerungsrecht im Ansässigkeitsstaat der grenzüberschreitend überlassenen Arbeitskräfte. Im Fall der konzerninternen Personalgestellung gilt die durch das VwGH-Erkenntnis geschaffene neue Rechtslage.
(6)Aussagen in Veröffentlichungen des Bundesministeriums für Finanzen (Richtlinien, Erlässe, Protokolle, Kundmachungen, EAS-Auskünfte), die noch auf der Gleichbehandlung der Arbeitgebereigenschaft nach österreichischem innerstaatlichen Recht und Abkommensrecht beruhen und damit der in diesem Erlass wiedergegebenen und interpretierten Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofes widersprechen, sind überholt und nicht mehr anzuwenden. Dies gilt nach Herstellung des Einvernehmens mit der Schweiz auch für Z 6 des Erlasses des BMF vom 18. Jänner 2000, 04 4282/3-IV/4/00, AÖF Nr. 34/2000.
(7)Nachstehende EAS sind zur Gänze unanwendbar geworden: EAS 476, EAS 495, EAS 567, EAS 801, EAS 969, EAS 1111, EAS 1140, EAS 1242, EAS 1314, EAS 1483, EAS 1532, EAS 1597, EAS 1838, EAS 1864, EAS 1908, EAS 1923, EAS 1934, EAS 2010, EAS 2029, EAS 2032, EAS 2069, EAS 2078, EAS 2084, EAS 2171, EAS 2463, EAS 2890, EAS 3096, EAS 3108, EAS 3201, EAS 3206, EAS 3271, EAS 3284, EAS 3305, EAS 3313.
(8)Der Erlass des BMF vom 16. Februar 1998, 04 1482/6-IV/4/98, AÖF Nr. 70/1998, sowie die Erlässe des BMF vom 18. Oktober 2010 zum Salzburger Steuerdialog 2010, BMF-010221/2575-IV/4/2010, AÖF Nr. 208/2010 idF AÖF Nr. 71/2011, betreffend den Arbeitgeberbegriff des Art. 15 DBA-CSSR, und vom 18. Oktober 2012 zum Salzburger Steuerdialog 2012, BMF-010221/0627-IV/4/2012, AÖF Nr. 234/2012, betreffend die Umsetzung des OECD-Update zur kurzfristigen Personalentsendung werden aufgehoben.
(9)Im Erlass des BMF vom 10. März 2006, BMF-010221/0101-IV/4/2006, AÖF Nr. 127/2006, werden dem letzten Satz des Abs. 29 unter Beifügung eines Beistrichs die Worte angefügt: "wenn durch die entsendende ausländische Konzerngesellschaft ein freiwilliger Lohnsteuerabzug (LStR 2002 Rz 927) durchgeführt wurde". Weiters entfällt der vorletzte Satz des Abs. 30. Das dem Erlass des BMF vom 10. März 2006, BMF-010221/0101-IV/4/2006, AÖF Nr. 127/2006, als Anhang beigefügte Informationsblatt wird durch das diesem Erlass als Anhang 2 beigefügte Informationsblatt ersetzt.
(10)Dieser Erlass ist grundsätzlich auf alle im Zeitpunkt der Kundmachung des Erlasses offenen Fälle anzuwenden. Vom Finanzamt Bruck Eisenstadt Oberwart gemäß Abs. 30 des Erlasses des BMF vom 10. März 2006, BMF-010221/0101-IV/4/2006, AÖF Nr. 127/2006, erteilte Freistellungsbescheide bleiben unberührt. In Fällen von Konzernentsendungen im Sinne des Abs. 29 des Erlasses des vom 10. März 2006, BMF-010221/0101-IV/4/2006, AÖF Nr. 127/2006, die zum Zeitpunkt der Kundmachung dieses Erlasses bereits bestehen, bestehen keine Bedenken, die vor Ergehen des VwGH-Erkenntnisses übliche Verwaltungspraxis hinsichtlich der Qualifikation des Arbeitgebers ausnahmsweise vorübergehend weiterhin beizubehalten, sofern die für die Anwendung der Sonderregelung für kurzfristig beschäftigte Arbeitnehmer maßgebliche Frist von 183 Tagen nicht überschritten wird und der Nachweis erbracht wird, dass die auf die in Österreich erbrachten Dienstleistungen entfallenden Arbeitslöhne im Ansässigkeitsstaat der Arbeitnehmer der Besteuerung unterliegen.
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Materie: | Steuer |
betroffene Normen: | OECD-MA, OECD-Musterabkommen |
Schlagworte: | Arbeitgeber, Arbeitnehmer, Arbeitskräftegestellung, Arbeitskräfteüberlassung, Gestellungsvergütung, Gestellungsnehmer, international, grenzüberschreitend |
Verweise: | VwGH 22.05.2013, 2009/13/0031 |