VwGH 2006/18/0263

VwGH2006/18/026314.6.2007

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Eisner, über die Amtsbeschwerde der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 17. Mai 2006, Zl. UVS-FRG/28/798/2006/8, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes (mitbeteiligte Partei: HS, geboren 1957, W), zu Recht erkannt:

Normen

FremdenG 1993;
FremdenG 1997;
FrPolG 1954;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
FremdenG 1993;
FremdenG 1997;
FrPolG 1954;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Begründung

I.

1. Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien (die belangte Behörde) hat mit Bescheid vom 17. Mai 2006 der Berufung der mitbeteiligten Partei gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 25. März 2003, mit welchem gegen die mitbeteiligte Partei gemäß § 36 und § 39 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen worden war, gemäß § 66 Abs. 4 AVG Folge gegeben und den angefochtenen Bescheid behoben.

Die mitbeteiligte Partei sei seit 3. Juni 1978 mit dem tschechischen Staatsangehörigen S. verheiratet. Ihr Ehemann und ihre beiden ehelichen Kinder (26 und 21 Jahre alt) lebten in Tschechien. Zur Erlangung einer Arbeitsmöglichkeit sei die mitbeteiligte Partei am 9. April 1994 nach Österreich eingereist. Sie habe in Tschechien eine Ausbildung zur Krankenpflegerin absolviert, die mit Bescheid des "Amtes der Wiener Landesregierung" vom 27. April 1995 als einem österreichischen Diplom über die Berechtigung zur Ausübung des Berufes "diplomierte Krankenschwester" gleichwertig anerkannt worden sei. Vom 9. März 1994 bis zum 8. März 1996 und vom 17. Mai 1996 bis zum 15. Dezember 2001 sei sie als vollbeschäftigte Krankenschwester in einem privatrechtlichen Dienstverhältnis zur Stadt Wien gestanden.

Mit Urteil vom 25. April 2002 habe das Landesgericht für Strafsachen (Wien) die mitbeteiligte Partei für schuldig erkannt, folgende Straftaten begangen zu haben:

"(Die Mitbeteiligte) ist schuldig, sie hat in Wien gewerbsmäßig I./ im Zeitraum von 14.10.2001 bis zum 19.10.2001 in

insgesamt zehn Angriffen fremde bewegliche Sachen in einem Euro 2.000,-- übersteigenden Gesamtwert, nämlich Bargeldbeträge in der Höhe von insgesamt S 90.000,--, Verfügungsberechtigten der Bank Austria AG mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern;

II./ mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, Nachgenannte durch die Vorspiegelung der Verfügungsberechtigung über das Konto der Edith

B. bei der Bank Austria AG, Kto.-Nr. ..., verbunden mit der missbräuchlichen Verwendung der entfremdeten Bankomatkarte der Genannten, somit durch Täuschung über Tatsachen, zur Ausfolgung von Waren, mithin zu Handlungen verleitet, die Verfügungsberechtigte der nachgenannten Unternehmungen an ihrem Vermögen schädigten, und zwar

1.) am 14.10.2001 Verfügungsberechtigte der Bank Austria AG zur Ausfolgung von Waren im Werte von S 20.000.--;

2.) am 16.10.2001 Verfügungsberechtigte der Fa. DM Parfumeriewarenhandel AG, Filiale 0536, zur Ausfolgung von Waren im Gesamtwert von S 2.752.50;

3.) am 16.10.2001 Angestellte der Fa. H & M zur Ausfolgung von Waren im Wert von S 1.668.--;

4.) am 16.10.2001 Angestellte der Fa. New Yorker zur Ausfolgung von Waren im Gesamtwert von S 949.--;

5.) am 18.10.2001 Angestellte der Fa. Bipa Parfumeriewarenhandels AG, Filiale Wien 19., Döblinger Hauptstraße 76, zur Ausfolgung von Waren im Gesamtwert von

S 1.018.80;

6.) am 18.10.2001 Angestellte der Fa. Spar Warenhandel AG, Filiale Wien 19., Döblinger Hauptstraße 80, zur Ausfolgung von Waren im Gesamtwert von S 429.45."

Die Mitberteiligte habe dadurch das Verbrechen des schweren gewerbsmäßigen Diebstahls nach den § 127, § 128 Abs. 1 Z. 4, § 130

1. Deliktsfall StGB und das Verbrechen des gewerblichen Betruges nach den § 146, § 148 1. Deliktsfall StGB begangen, wofür eine Freiheitsstrafe von zwölf Monaten verhängt und der Vollzug unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen worden sei. Der Mitbeteiligten sei aufgetragen worden, dem Gericht binnen drei Monaten unaufgefordert einen Nachweis der Schadensgutmachung hinsichtlich der Geschädigten, Edith B., zu erbringen, widrigenfalls sie mit dem Widerruf der bedingten Strafnachsicht zu rechnen hätte. Mildernd sei bei der Strafbemessung das offene und reumütige Geständnis, die Unbescholtenheit und die teilweise Schadensgutmachung berücksichtigt worden, erschwerend das Zusammentreffen von zwei Verbrechen, die Tatwiederholungen und der Umstand, dass die Mitbeteiligte sehr kranke Menschen bestohlen und das zu ihnen bestehende Vertrauensverhältnis missbraucht habe.

Seit dem 1. Februar 2002 sei die Mitbeteiligte beim Kuratorium der Wiener Pensionisten-Wohnhäuser als diplomierte Gesundheits- und Krankenschwester beschäftigt. Seit 16. November 2000 verfüge sie über eine unbefristete Aufenthaltsbewilligung im Bundesgebiet. Sie habe an die Geschädigte, Edith B., ungefähr EUR 4.700,-- an Schadenersatz geleistet.

Am 2. September 2005 habe das Landesgericht für Strafsachen (Wien) die Mitbeteiligte wie folgt des Vergehens nach den § 223 Abs. 2 und § 224 StGB für schuldig erkannt:

"(Die Mitbeteiligte) hat im Juni 2004 in Wien einen durch Einsetzen ihres Namens und eines neuen Ausstellungsdatums verfälschten Bescheid des Amtes der Wiener Landesregierung ... mithin eine inländische öffentliche Urkunde, ihrem Arbeitgeber, Fa. Z. zum Beweis einer Tatsache, nämlich der Bewilligung der freiberuflichen Ausübung der allgemeinen Gesundheits- und Krankenpflege, vorgelegt und damit gebraucht."

Deswegen sei über die Mitbeteiligte eine Freiheitsstrafe von sieben Monaten verhängt worden, wovon ein Teil (fünf Monate) unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren vorläufig bedingt nachgesehen und der restliche Teil (zwei Monate) in eine Geldstrafe, nämlich in 120 Tagessätze a EUR 30,-- umgewandelt worden sei. Vom Widerruf der vormaligen bedingten Nachsicht sei Abstand genommen und die Probezeit auf fünf Jahre verlängert worden.

Zur erstgenannten strafrechtlichen Verurteilung habe die Mitbeteiligte im Berufungsverfahren angegeben, sie hätte seinerzeit einer Patientin die Bankomatkarte entwendet und diese dann für Einkäufe verwendet. Die Patientin hätte den Bankomatcode auf die Bankomatkarte geschrieben. Der Gesamtschaden in Höhe von

S 90.000,-- wäre mittlerweile wieder gut gemacht worden. Auf Grund des Vorfalles hätte sie bei der Gemeinde Wien gekündigt und nach einem Monat Urlaub die Anstellung beim Kuratorium der Wiener Pensionistenheime erhalten. Seitdem wäre sie im Haus Neubau im

7. Bezirk als diplomierte Krankenschwester tätig. Dabei würde es sich um eine betreute Wohneinheit mit Pflegestation handeln. Im Jahr 2002 hätte sie bei der Firma Z. eine Nebenbeschäftigung angetreten. Diese Firma hätte Krankenschwestern an private Organisationen vermittelt. Dies wäre vorerst ohne eine Berechtigung möglich gewesen. Sie hätte daraus Einkünfte zwischen EUR 100,-- und EUR 1.000,-- monatlich lukriert. Mit diesen zusätzlichen Einkünften hätte sie die Absicht verfolgt, den verursachten Schaden rascher wieder gut zu machen. Herr Z. hätte ihr dann jedoch eröffnet, dass sie eine Berechtigung für eine freiberufliche Tätigkeit als Krankenschwester benötigen würde. Zur Erlangung dieser Berechtigung hätte sie einen Strafregisterauszug benötigt. Da darin die strafrechtliche Verurteilung aufgeschienen wäre, hätte sie diese Berechtigung nicht erhalten. Sie hätte daher einen Bescheid einer Kollegin genommen, ihren Namen eingefügt und Herrn Z. damit ihre Berechtigung vorgetäuscht. Zu diesem Zeitpunkt hätte sie schon ca. zwei Jahre für Herrn Z. gearbeitet. Obwohl sie in der Folge die Tätigkeit bei Herrn Z. eingestellt hätte, hätte sie ihm den erwähnten Bescheid vorgelegt, um ausstehende Bezüge von ca. EUR 1.000,-- zu erhalten.

(In der Berufung hatte die Mitbeteiligte folgendes ausgeführt:

"Es ist mir bewusst, dass ich im Herbst 2001 eine strafbare Handlung beging, welche ich sehr bereue und versuche sie wieder gutzumachen. Es war damals eine Kurzschlusshandlung aufgrund einer verzweifelten Lebenssituation. Ich wurde nie vorher gerichtlich verurteilt und bin sicher, dass dieser Fall die einzige Ausnahme in meinem Leben war.

Wie aus den beigefügten Ablichtungen ersichtlich ist, bezahlte ich bereits ungefähr zwei Drittel des verursachten Schaden zurück und habe selbstverständlich vor auch den Rest zu begleichen. Außerdem musste ich auf Grund der Erkrankung meines

Mannes einen Kredit nehmen, welchen ich auch ... ordnungsgemäß

zurückzahle. Musste ich Österreich verlassen, gibt es für mich keine Möglichkeit mehr meine Schulden zu bezahlen. Ich lebe in Österreich seit 1994 und habe nur hier eine Lebensgrundlage. Ich unterstütze zwar meinen kranken Mann in der tschechischen Republik, aber auch meine Beziehungen habe ich nunmehr in Österreich. (...) Ich glaube, dass ich bereits bewiesen habe, dass ich den Willen zur Beachtung der österreichischen Rechtsordnung habe und vor allem den Willen sowohl den Schaden als auch meine Schulden ordnungsgemäß zurückzubezahlen. Ich bitte daher um die Aufhebung des gegenständlichen Bescheides, oder zumindest um Aufschiebung bis zu dem Zeitpunkt des Begleichens aller meiner Verpflichtungen in diesem Land.")

Derzeit verdiene die Mitbeteiligte - so die belangte Behörde weiter- ca. EUR 1.700,-- bis EUR 1.800,-- netto monatlich und bewohne eine vom Kuratorium zur Verfügung gestellte Personalwohnung. Einen Teil des Kredits verwende sie für die Renovierung des Hauses in Tschechien. Ihr Ehemann sei im Alter von 50 Jahren wegen Invalidität erwerbsunfähig.

Die strafrechtliche Verurteilung der Mitbeteiligten, die dem im erstinstanzlichen Bescheid verhängten Aufenthaltsverbot zu Grunde liege, stelle insbesondere unter Berücksichtigung der festgestellten Tatumstände zweifellos eine Störung der öffentlichen Ordnung dar. Die Verhängung des erstinstanzlichen Aufenthaltsverbotes sei unter den seinerzeitigen Prämissen vom Gesetz gedeckt gewesen.

Da die Mitbeteiligte nunmehr EWR-Bürgerin sei, sei zu prüfen, ob ihr persönliches Verhalten darüber hinaus eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstelle, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre. Die Mitbeteiligte habe den durch die Tat verursachten Schaden wieder gut gemacht. Ihr Verhalten stelle unter Berücksichtigung der Tatumstände zwar eine erhebliche Störung der öffentlichen Ordnung dar, von ihrem Weiterverbleib im Bundesgebiet gehe auf Grund dieses Fehlverhaltens jedoch keine tatsächliche und vor allem gegenwärtige Gefahr mehr aus.

Was die weitere strafrechtliche Verurteilung der Mitbeteiligten vom 6. September 2005 betreffe, so beruhe diese Tat nicht auf der gleichen schädlichen Neigung wie das vormalige Fehlverhalten. Das Gericht habe vom Widerruf der bedingten Strafnachsicht Abstand genommen, was hier - weil bei der gegenständlichen Entscheidung ausschließlich fremdenrechtliche Aspekte und keine strafrechtlichen zu berücksichtigten seien - für sich genommen nicht ausschlaggebend sei. Für das künftige Verhalten der Mitbeteiligten lasse sich jedoch eine für sie günstigere Prognose ableiten. Durch die missbräuchliche Verwendung einer öffentlichen Urkunde habe die Mitbeteiligte zweifellos die öffentliche Ordnung empfindlich gestört, auf Grund des spezifischen Motivs (Ausüben einer Nebenbeschäftigung zur Aufbesserung des Einkommens, wovon ein Teil der Schadensgutmachung dienen sollte) für die Tat sei jedoch davon auszugehen, dass aus diesem Verhalten keine tatsächliche und gegenwärtige Gefahr abzuleiten sei. Dies habe auch der persönliche Eindruck, den die Mitbeteiligte bei ihrer Einvernahme in der mündlichen Verhandlung hinterlassen habe, bestätigt. Der belangten Behörde sei von dieser die Bereitschaft vermittelt worden, dass sie nunmehr gewillt sei, die österreichischen Rechtsvorschriften zu beachten.

Die Voraussetzungen des § 86 FPG seien nicht erfüllt. Dabei sei berücksichtigt worden, dass die Mitbeteiligte seit nunmehr zwölf Jahren in Österreich aufhältig sei und seit diesem Zeitpunkt ununterbrochen einer geregelten und qualifizierten Beschäftigung nachgehe. Das Aufenthaltsverbot würde somit einen erheblichen Eingriff in ihr Privatleben darstellen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die beim Verwaltungsgerichtshof am 23. Juni 2006 eingelangte Amtsbeschwerde der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien mit dem Antrag, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Die beschwerdeführende Sicherheitsdirektion bringt vor, die belangte Behörde habe sich über die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinweggesetzt. Gerade die neuerliche Verurteilung der Mitbeteiligten bringe zum Ausdruck, dass sie keinerlei Bedenken habe, sich über strafrechtliche Vorschriften ihres Gastlandes hinwegzusetzen. Von einem Wohlverhalten könne in diesem Zusammenhang keine Rede sein. Sie habe sich neuerlich zu einem strafbaren Verhalten hinreißen lassen und dokumentiert, dass sie nicht nur in fremdes Eigentum eingreife, sondern auch nicht davor zurückschrecke, eine öffentliche inländische Urkunde zu verfälschen. Auch der Umstand, dass sie den von ihr verursachten Schaden wieder gut gemacht habe, könne nicht entscheidend zu ihren Gunsten ins Treffen geführt werden, weil sie dadurch lediglich eine vom Gericht auferlegte Verpflichtung erfüllt habe. Das persönliche Verhalten der Mitbeteiligten stelle eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr dar, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre.

1.2. Gegen die mitbeteiligte Partei als freizügigkeitsberechtigte EWR-Bürgerin ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gemäß § 86 Abs. 1 FPG nur zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne Weiteres diese Maßnahme begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Für die Beantwortung der Frage, ob die oben umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, ist demnach zu prüfen, ob sich aus dem gesamten Fehlverhalten des Fremden ableiten lässt, dass sein weiterer Aufenthalt die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet. Dabei ist nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen. Bei der Beurteilung der genannten Gefährdung kann auf den Katalog des § 60 Abs. 2 FPG als "Orientierungsmaßstab" zurückgegriffen werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. November 2006, Zl. 2006/18/0275).

Der Verwaltungsgerichtshof hat wiederholt zum Ausdruck gebracht, dass der Umstand, dass ein Fremder trotz Erlassung eines erstinstanzlichen Aufenthaltsverbotsbescheides (bzw. trotz Anhängigseins eines Aufenthaltsverbotsverfahrens, trotz Androhung eines Aufenthaltsverbots oder trotz Ermahnung) neuerlich straffällig geworden ist, ein besonders starkes Indiz dafür ist anzunehmen, dass der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet (vgl. etwa das zum Fremdenpolizeigesetz 1954 ergangene Erkenntnis vom 20. Jänner 1992, Zl. 91/19/0310, die zum Fremdengesetz 1992 ergangenen Erkenntnisse vom 29. September 1994, Zl. 94/18/0556, vom 19. Februar 1997, Zl. 96/21/0910, vom 18. Jänner 2000, Zl. 96/18/0502, sowie die zum Fremdengesetz 1997 ergangenen Erkenntnisse vom 18. Jänner 2000, Zl. 99/18/0253, vom 7. November 2003, Zl. 99/18/0415, vom 27. Jänner 2004, Zl. 2000/18/0109, vom 28. September 2004, Zl. 2001/18/0187, vom 28. September 2004, Zl. 2001/18/0100, vom 15. November 2005, Zl. 2005/18/0602, vom 15. Dezember 2005, Zl. 2005/18/0632, und vom 8. November 2006, Zl. 2004/18/0030). Hat ein Fremder in der bezeichneten Weise gleichsam insistierend gegen die österreichische Rechtsordnung verstoßen und so seine besondere Gleichgültigkeit gegenüber den in Österreich rechtlich geschützten Werten zum Ausdruck gebracht, so müssen ganz besondere Umstände dafür sprechen, dass dennoch ausnahmsweise von einem künftigen Wohlverhalten des Fremden ausgegangen werden kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Mai 2004, Zl. 2000/18/0233). An dieser Rechtsprechung hat der Verwaltungsgerichtshof auch in den Fällen des § 86 Abs. 1 erster bis vierter Satz FPG (vgl. das Erkenntnis vom 27. Juni 2006, Zl. 2006/18/0138) und in den Fällen des § 86 Abs. 1 fünfter Satz FPG (vgl. das Erkenntnis vom 14. Dezember 2006, Zl. 2006/18/0421) festgehalten.

1.3. Die mitbeteiligte Partei hat in der Zeit vom 14. bis zum 19. Oktober 2001 mit einer entfremdeten Bankomatkarte der Edith B. in zehn Angriffen Bargeldbeträge abgehoben und in sechs Fällen Waren eingekauft. Deswegen wurde sie am 25. April 2002 vom Landesgericht für Strafsachen Wien wegen schweren gewerbsmäßigen Diebstahls und gewerblichen Betruges zu einer bedingten Freiheitsstrafe von zwölf Monaten verurteilt. In der Folge wurde gegen sie mit Bescheid vom 25. März 2003 von der Bundespolizeidirektion Wien gemäß § 36 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 1 und § 39 FrG ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren verhängt. Weder die (erstinstanzliche) Verhängung dieses Aufenthaltsverbotes noch die Beteuerung in ihrer Berufung, sich künftig rechtstreu zu verhalten, hat die Beschwerdeführerin davon abgehalten, neuerlich straffällig zu werden. Im Juni 2004 hat sie einen durch Einsetzen ihres Namens und eines neuen Ausstellungsdatums verfälschten Bescheid, mithin eine inländische öffentliche Urkunde, ihrem Arbeitgeber zum Beweis der Bewilligung der freiberuflichen Ausübung der allgemeinen Gesundheits- und Krankenpflege vorgelegt. Deswegen wurde sie am 2. September 2005 durch das Landesgericht für Strafsachen Wien wegen des Vergehens nach § 223 Abs. 2 und § 224 StGB für schuldig erkannt und mit einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten bestraft, wovon ein Teil bedingt nachgesehen und der restliche Teil in eine Geldstrafe umgewandelt worden ist.

Entgegen der Ansicht der belangten Behörde muss daraus - im Sinn der oben dargestellten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - der Schluss gezogen werden, dass von der Beschwerdeführerin in Anbetracht ihres beharrlichen Fehlverhaltens und ihres sich daraus ergebenden Persönlichkeitsbildes eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr ausgeht, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Dies lässt (auch) künftig erwarten, dass sie die öffentliche Ordnung und Sicherheit in dem von § 86 Abs. 1 FPG geforderten besonderen Ausmaß gefährden werde. Daran können die dargestellten Bemühungen der Beschwerdeführerin, den von ihr verursachten Schaden wieder gut zu machen, nichts ändern.

2. Der angefochtenen Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.

Wien, am 14. Juni 2007

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte