OGH 15Os107/24k

OGH15Os107/24k13.11.2024

Der Oberste Gerichtshof hat am 13. November 2024 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl als Vorsitzenden, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski und Dr. Sadoghi sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Mag. Riffel und Dr. Farkas in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Wachter in der Strafsache gegen * M* wegen mehrerer Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Leoben als Schöffengericht vom 25. Juni 2024, GZ 34 Hv 26/24g‑21a, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0150OS00107.24K.1113.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

Fachgebiet: Sexualdelikte

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde sowie die Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung gegen den Strafausspruch und gegen den Privatbeteiligtenzuspruch werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * M* des Vergehens der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1 StGB (I.) und mehrerer Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB (II.) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er in D*

I. von 2019 bis 20. Mai 2023 eine längere Zeit hindurch fortgesetzt Gewalt gegen seine Ehegattin * M* ausgeübt, „dies durch eine Vielzahl von regelmäßigen vorsätzlichen Misshandlungen (häufiges Herumstoßen, Versetzen von Schlägen mit der flachen Hand gegen das Gesicht, festes Zudrücken bei Umarmungen, Versetzen einer Kopfnuss) und vorsätzliches Verletzen am Körper, dies durch festes Zudrücken bei Umarmungen [Hämatome an den Oberarmen], das Versetzen eines Schlags auf die rechte Hand [Hämatom: 25. 7. 2022], starkes Festhalten am Unterarm [Hämatom am linken Unterarm: 12. 1. 2023] und das Versetzen von Schlägen [Hämatom am rechten Oberarm: 20. 5. 2023])“;

II. von 2020 bis 21. Mai 2023 die Genannte mit Gewalt zur Duldung des Beischlafs genötigt, indem er sie in mehrfachen Angriffen an den Armen oder den Hüften packte oder an den Haaren zog, am Rücken und beiden Hüften festhielt und sie sodann jeweils gegen ihren ausdrücklich geäußerten Willen vaginal penetrierte.

Rechtliche Beurteilung

[3] Die gegen dieses Urteil aus § 281 Abs 1 Z 5, 5a und 9 lit a StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ist nicht berechtigt.

[4] Der Ausspruch des Gerichtshofs über entscheidende Tatsachen ist nur dann im Sinn des § 281 Abs 1 Z 5 dritter Fall StPO mit sich selbst im Widerspruch, wenn entweder zwischen den Feststellungen (in den Entscheidungsgründen) und deren zusammenfassender Wiedergabe im Urteilsspruch oder zwischen zwei oder mehreren Feststellungen (in den Entscheidungsgründen) oder zwischen Feststellungen und den dazu in der Beweiswürdigung angestellten Erwägungen oder zwischen in der Beweiswürdigung angestellten Erwägungen ein Widerspruch besteht (RIS‑Justiz RS0119089).

[5] Die Mängelrüge vermag einen solchen Widerspruch nicht aufzuzeigen, indem sie argumentiert, der Tatzeitraum von mehr als 1600 Tagen und die „festgestellten 10 Mal von Schlägen und/oder zu festen Umarmungen auf den vorgenannten Tatzeitraum aufgeteilt“ ergäben „einen Abstand von jeweils 160 Tagen zwischen den einzelnen angeblichen Vorfällen“. Das Beschwerdevorbringen unterlässt prozessordnungswidrig die Berücksichtigung der Gesamtheit der Entscheidungsgründe (vgl RIS‑Justiz RS0119370). Das Schöffengericht konstatierte nämlich, dass der Rechtsmittelwerber dem Opfer zumindest monatlich, „vielfach sogar wöchentlich“ Misshandlungen sowie Körperverletzungen – wie im Urteilsspruch dargestellt – zufügte (US 4 ff).

[6] Das Vorbringen der weiteren Mängelrüge (neuerlich Z 5 dritter Fall), die körperliche Einschränkung des Angeklagten während des Tatzeitraums „schließe eine Gewaltausübung jeglicher Art aus, also sowohl ein zu festes Zudrücken bei Umarmungen als auch eine Vergewaltigung einer sich wehrenden Frau“, übt unzulässige Beweiswürdigungskritik nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung. Das gilt auch für das Vorbringen, wonach insgesamt lediglich von drei Anlassfällen Fotos über Hämatome vorgelegt worden wären.

[7] Der „Zweifelsgrundsatz“ (in dubio pro reo) kann niemals Gegenstand des Nichtigkeitsgrundes nach § 281 Abs 1 Z 5 StPO sein (RIS‑Justiz RS0102162).

[8] Entgegen dem weiteren Vorbringen (nominell Z 5a, inhaltlich Z 5 zweiter Fall) haben sich die Tatrichter mit dem Umstand, dass die Zeugin in einem zivilgerichtlichen Verfahren und bei ihrer polizeilichen Vernehmung angegeben hatte, dass der Angeklagte sie nie vergewaltigt hätte, auseinandergesetzt (US 11 ff).

[9] Mit den Hinweisen auf dieses Aussageverhalten der Zeugin, die körperliche Einschränkung des Angeklagten und die Angaben der als Zeugen vernommenen Kinder des Angeklagten und des Opfers, wonach sie nur fallweise Hämatome bei der Mutter wahrgenommen hätten, weckt die Tatsachenrüge (Z 5a) beim Obersten Gerichtshof keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen (RIS‑Justiz RS0118780).

[10] Weshalb ein Hämatom keine Verletzung am Körper darstellen sollte, legt die Rechtsrüge (Z 9 lit a) nicht dar (vgl Fabrizy/Michel‑Kwapinski/Oshidari, StGB14 § 83 Rz 2). Im Übrigen stellt auch eine Misshandlung am Körper ohne den Eintritt einer Körperverletzung Gewalt im Sinn des § 107b Abs 2 StGB dar.

[11] Die Ausführungen (neuerlich Z 9 lit a), zu I. des Schuldspruchs, der Angeklagte hätte lediglich alle „5 1/3“ Monate Tätlichkeiten gegen seine Ehefrau geübt, nehmen prozessordnungswidrig nicht Maß am festgestellten Sachverhalt (US 4 ff; RIS‑Justiz RS0099810).

[12] Die weitere Rechtsrüge (Z 9 lit a), wonach „eine etwas kräftiger ausgeführte Umarmung ... nichts anderes als ein Zeichen der Zuneigung“ sei, übt neuerlich bloß unzulässige Kritik an der den Tatrichtern vorbehaltenen Beweiswürdigung nach Art einer Schuldberufung. Das gilt auch für das weitere Vorbringen, wonach der Angeklagte seine Ehefrau „betrogen“ habe, weshalb „die volle Übung einer Vergewaltigung“ ausscheide, weilsein Geschlechtstrieb „ohnedies ordnungsgemäß befriedigt worden“ sei, sowie die Argumentation, das Opfer hätte ihn aus Erzürnung darüber und, um sich eine bessere Position im Scheidungsverfahren zu verschaffen, fälschlich belastet.

[13] Der Rechtsmittelwerber wirft dem Erstgericht einen Verstoß gegen die Pflicht zur materiellen Wahrheitsfindung durch Unterlassen der Beischaffung eines Grundbuchauszugs vor (nominell Z 9 lit a, inhaltlich Z 5a als Aufklärungsrüge), erklärt jedoch nicht, weshalb er selbst an einer darauf abzielenden Antragstellung (Z 4) gehindert war (vgl RIS‑Justiz RS0115823).

[14] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Das gilt auch für die angemeldete Berufung gegen den Ausspruch über die Schuld (ON 23.2; § 283 Abs 1 StPO; §§ 296 Abs 2, 294 Abs 4 StPO). Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung betreffend den Strafausspruch und den Privatbeteiligtenzuspruch (§ 285i StPO).

[15] Der Kostenausspruch beruht auf § 390 Abs 1 StPO.

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