OGH 14Os100/24y

OGH14Os100/24y5.11.2024

Der Oberste Gerichtshof hat am 5. November 2024 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als Vorsitzende, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Nordmeyer, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann und Dr. Setz‑Hummel LL.M. sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in Gegenwart des Schriftführers Karnaus LL.M. (WU) in der Strafsache gegen * P* wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter und sechster Fall, Abs 4 Z 3 SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 24. Juni 2024, GZ 65 Hv 20/23w‑179, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0140OS00100.24Y.1105.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

Fachgebiet: Suchtgiftdelikte

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Die Entscheidung über die Berufungen kommt dem Oberlandesgericht Wien zu.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

G r ü n d e:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * P* – soweit hier von Bedeutung – jeweils eines Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter und sechster Fall, Abs 4 Z 3 SMG (A/I), nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 4 Z 3 SMG, § 12 zweiter und dritter Fall (A/II) und nach § 28a Abs 1 vierter Fall, Abs 4 Z 3 SMG StGB (A/III) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er in W* und an anderen Orten

A/ zwischen 2019 und Februar 2021 vorschriftswidrig Suchtgift, nämlich Kokain, Marihuana, Methamphetamin und Heroin in einer das 25‑Fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge

I/ anderen überlassen (Punkte a/ bis h/) und verschafft (Punkte i/ und k/), nämlich insgesamt 525 Gramm Kokain (210 Gramm Cocain Reinsubstanz), 8.400 Gramm Marihuana (386,4 Gramm THCA und 33,6 Gramm Delta‑9‑THC Reinsubstanz), 1.499,91 Gramm Methamphetamin (1.061,34 Gramm Reinsubstanz) und 203 Gramm Heroin (27,04 Gramm Heroin/Diacetylmorphin Reinsubstanz) im Urteil teils namentlich genannten Abnehmern, und zwar unter anderem

h/ am 12. August 2020 einem unbekannt gebliebenen Abnehmer 1.000 Gramm Methamphetamin (707,60 Gramm Reinsubstanz);

k/ am 14. Jänner 2021 einem unbekannt gebliebenen Abnehmer 5.000 Gramm Marihuana (230 Gramm THCA und 20 Gramm Delta‑9‑THC Reinsubstanz);

II/ ein- und ausgeführt, und zwar

a/ am 22. Jänner 2020 2.000 Gramm Marihuana (92 Gramm THCA und 8 Gramm Delta‑9‑THC Reinsubstanz), indem er einen unbekannten Täter dazu bestimmte, das Suchtgift von Tschechien nach W* zu bringen, und es einem abgesondert verfolgten weiteren Täter zum Zweck des Weitertransports nach Ungarn übergab;

b/ zwischen 11. und 12. August 2020 (die zu A/I/h genannten) 1.000 Gramm Methamphetamin (707,60 Gramm Reinsubstanz), indem er sie mit dem Pkw von Tschechien nach Österreich transportierte;

III/ anderen angeboten, nämlich insgesamt 1.020 Gramm Kokain (408 Gramm Cocain Reinsubtanz), 61.000 Gramm Marihuana (2.806 Gramm THCA und 244 Gramm Delta-9-THC Reinsubtanz) und 1.000 Gramm Methamphetamin (707,60 Gramm Reinsubstanz), und zwar unter anderem

a/4/ am 21. November 2020 einem namentlich genannten Abnehmer 12.000 Gramm Marihuana (552 Gramm THCA und 48 Gramm Delta-9-THC Reinsubstanz);

e/ am 14. Jänner 2021 einem unbekannten Abnehmer 45.000 Gramm Marihuana (2.070 Gramm THCA und 180 Gramm Delta-9-THC Reinsubstanz).

Rechtliche Beurteilung

[3] Die dagegen aus § 281 Abs 1 Z 3, 4 und 5 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ist nicht im Recht.

[4] Die Verfahrensrüge (Z 3) kritisiert – ersichtlich gemeint – das Vorkommen der Ergebnisse aus einer Überwachung der auf dem Mobiltelefon („SKY-ECC-Handy“) des Beschwerdeführers durchgeführten verschlüsselten Kommunikation in der Hauptverhandlung durch Vortrag gemäß § 252 Abs 2a StPO (ON 173.2 S 13).

[5] Dabei ging das Erstgericht erkennbar (vgl ON 115, 19 und 33; vgl auch US 8) davon aus, dass die kritisierte Ermittlungsmaßnahme von ausländischen Ermittlungsorganen ohne Veranlassung inländischer Strafverfolgungsbehörden durchgeführt wurde und diesen lediglich die Ergebnisse der Überwachung (ex post) übermittelt wurden. Auf Basis dieser – vom Beschwerdeführer nicht nach den Kriterien der Z 5 oder Z 5a in Frage gestellten – (prozessualen) Sachverhaltsgrundlage (vgl RIS‑Justiz RS0118977; vgl Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 49 ff) erweist sich das zu diesem Nichtigkeitsgrund erstattete Vorbringen als nicht berechtigt, weil es sich bei den in Rede stehenden Kommunikationsdaten nicht um Ergebnisse einer nach dem fünften Abschnitt des achten Hauptstücks der StPO durchgeführten Ermittlungsmaßnahme handelt. Das in § 140 Abs 1 StPO normierte, vom (taxativen [RIS‑Justiz RS0099118]) Nichtigkeitsgrund der Z 3 abgesicherte Verwendungsverbot findet daher vorliegend keine Anwendung (RIS‑Justiz RS0119110 [insbesondere T11 zur Verwendung von Ergebnissen einer Überwachung sogenannter „SKY-ECC-Handys“]; vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 182 [zur Z 2]; Reindl‑Krauskopf, ebd § 140 Rz 30 f).

[6] Soweit die weitere Rüge (nominell Z 3, der Sache nach Z 4) die Abweisung in diesem Zusammenhang gestellter Anträge (auf „Beischaffung des Rechtshilfeaktes“ sowie der „Korrespondenz zwischen EUROJUST, den französischen Behörden und dem BKA“) moniert, scheitert sie schon daran, dass sie die Fundstelle des kritisierten Vorgangs im (hier) umfangreichen Aktenmaterial nicht bezeichnet (RIS‑Justiz RS0124172).

[7] Der (fundstellenmäßig konkretisierte) Antrag auf „Einholung eines Gutachtens aus dem Bereich der IT, um festzustellen, ob die Daten- und Informationsintegrität dieser Daten gegeben ist, oder ob Manipulationen bei der Datenübertragung stattgefunden haben“ (ON 179.2, 5), war – wie schon aus seinem Wortlaut ersichtlich – auf im Hauptverfahren unzulässige Erkundungsbeweisführung gerichtet (vgl RIS‑Justiz RS0099353).

[8] Eine eingehende Begründung, weshalb die begehrte Maßnahme das behauptete Ergebnis (einer Datenmanipulation) hätte erbringen sollen, war insbesondere deshalb erforderlich, weil im Antragszeitpunkt vorliegende Verfahrensergebnisse die Authentizität hinsichtlich einzelner Kommunikationsdaten nahelegten (vgl RIS-Justiz RS0099618, RS0118444 [T6 und T9]). So identifizierte ein Sachverständigengutachten (ON 137) einerseits den Beschwerdeführer als Sprecher auf mehreren Audiodateien, andererseits ergab sich aus dessen Verantwortung, dass er der Autor mehrerer Textnachrichten war (vgl ON 160, 21 ff).

[9] Diese dem Beschwerdeführer (aufgrund obiger Verfahrensergebnisse eindeutig) zuordenbaren Audio- und Textnachrichten waren Grundlage für die Feststellungen zu den Punkten A/I/h und k, II/b, III/a/4/, d und e des Schuldspruchs (vgl US 13 f, 15 und 18 f). Soweit der Antrag (nicht konkretisierte) andere Nachrichten im Blick hatte, betraf er auch keine (für die Schuld- oder die Subsumtionsfrage oder die Strafbefugnisgrenze) erhebliche Tatsache (vgl aber RIS‑Justiz RS0118319), weil der Beschwerdeführer nach dem Urteilssachverhalt (US 6 f) den zu A/I bis III angelasteten Suchtgifthandel jeweils in Form einer tatbestandlichen Handlungseinheit beging und sich die zu den oben genannten Punkten inkriminierten Teilhandlungen (bei allen Tatbestandsvarianten) schon für sich auf eine das 25‑Fache der Grenzmenge (§ 28a Abs 4 Z 3 SMG) übersteigende Suchtgiftmenge bezogen.

[10] Aus den gleichen Gründen scheitert auch das Vorbringen, welches die Abweisung der Anträge kritisiert, weitere Audiodateien von einem Sachverständigen auf die Übereinstimmung des Sprechers mit dem Beschwerdeführer (oder mit anderen Personen) untersuchen zu lassen und zwei Personen zeugenschaftlich (zusammengefasst) dazu zu vernehmen, dass das gegenständliche Mobiltelefon „nicht ausschließlich“ vom Beschwerdeführer verwendet worden sei (ON 179.2, 3 f).

[11] Soweit die Rüge eine „Einschränkung von Verteidigungsmöglichkeiten“ wegen „sprachlicher Barrieren“ des Beschwerdeführers behauptet, konnte ihr schon mangels Bezugnahme auf einen in der Hauptverhandlung gestellten Antrag (oder einen Widerspruch) kein Erfolg beschieden sein (RIS‑Justiz RS0099112).

[12] Die von der Mängelrüge unter dem Aspekt der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) ins Treffen geführte Aussage der Zeugin * B* hat das Erstgericht ohnehin erörtert (US 12). Indem der Beschwerdeführer die Erwägungen der Tatrichter, weshalb sie den Angaben der Zeugin vor der Kriminalpolizei größere Glaubhaftigkeit zusprachen als jenen in der Hauptverhandlung, kritisiert, argumentiert er nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen (§ 283 Abs 1 StPO) Schuldberufung. Eine (von der Rüge behauptete) Beweisregel dahingehend, dass in der Hauptverhandlung getätigte Aussagen mit Blick auf den „Grundsatz der Unmittelbarkeit“ stets „höher zu gewichten“ seien als die im Ermittlungsverfahren, ist dem Verfahrensrecht fremd.

[13] Die Verantwortung des abgesondert verfolgten * M*, die das Erstgericht übergangen habe, bezeichnet die weitere Rüge abermals nicht konkret anhand der Fundstelle im Akt (erneut RIS‑Justiz RS0124172). Im Übrigen wurden dessen Depositionen in der Hauptverhandlung gerade nicht verlesen oder vorgetragen (vgl ON 173.2, 13 und ON 179.2, 3), weshalb sie im Urteil nicht zu erörtern waren (vgl § 258 Abs 1 StPO; RIS‑Justiz RS0118316).

[14] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

[15] Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen (§ 285i StPO).

[16] Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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