OGH 5Ob19/24s

OGH5Ob19/24s8.10.2024

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat Mag. Wurzer als Vorsitzenden sowie den Hofrat Mag. Painsi, die Hofrätin Dr. Weixelbraun‑Mohr und die Hofräte Dr. Steger und Dr. Weber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei W*, vertreten durch Mag. Georg Schmeissner, Rechtsanwalt in St. Gilgen, gegen die beklagten Parteien 1. L*, 2. S*, beide vertreten durch Dr. Wolfgang Lang, LL.M., Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Unterlassung (Streitwert 2.500 EUR) und Beseitigung (Streitwert 2.500 EUR), in eventu Duldung (Streitwert 5.000 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 25. Oktober 2023, GZ 21 R 181/23y‑41, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Seekirchen am Wallersee vom 20. Mai 2023, GZ 17 C 1/23t‑36, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0050OB00019.24S.1008.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit 662,48 EUR (darin 110,41 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

[1] Der Kläger und die Beklagten sind die jeweiligen Eigentümer zweierbenachbarterLiegenschaften.

[2] Im Jahr 2009 beauftragten die Beklagten einen Gärtner damit, auf ihrer Liegenschaft entlang der – zuvor von einem Geometer vermessenen – Grundstücksgrenze zwischen den Liegenschaften der Streitteile zehn junge Hainbuchen zu pflanzen.

[3] Im Jahr 2020 ließ der Kläger die Grundstücksgrenze neuerlich vermessen. Dabei ergab sich, dass sich nicht alle Hainbuchen zur Gänze auf der Liegenschaft der Beklagten befinden, sondern teilweise auf dem Grundstück des Klägers. Ob dies daran lag, dass die ursprüngliche Vermessung im Jahr 2009 unrichtig war, ob der Gärtner im Jahr 2009 die Pflanzungen nicht gemäß der vermessenen Grenze vorgenommen hat, ob durch die Hanglage und den ständigen Wassereintritt die Jungpflanzen gleichsam mit dem in Bewegung befindlichen Erdreich über die Grundstücksgrenze gerutscht sind oder ob dies schlicht Folge des natürlichen Wachstums der Bäume war, kann nicht mehr festgestellt werden.

[4] Konkret befinden sich acht von den zehn Hainbuchen in einem Abstand von 8 cm bis 36 cm zur Grundstücksgrenze auf der Liegenschaft der Beklagten (die Bäume Nr 1–8), ein Baum befindet sich um 4 cm zur Gänze auf dem Grundstück des Klägers (Baum Nr 9) und ein weiterer Baum zu 20 % auf dem Grundstück der Beklagten und zu 80 % auf dem Grundstück des Klägers (Baum Nr 10). Die Baumstämme unterliegen einem jährlichen radialen Wachstum von 0,3 cm. Ein Hineinwachsen weiterer Stämme in das klägerische Grundstück ist daher mittelfristig zu erwarten.

[5] Äste und Wurzeln der Hainbuchen ragen zwar in das Grundstück des Klägers hinein. Diese überragenden Wurzeln oder Äste beschädigen jedoch bei keiner der zehn Hainbuchen die Liegenschaft des Klägers; es sind auch zukünftig keine nachhaltigen Schäden absehbar. Im Gegenteil mindert die aktuell bestehende Durchwurzelung die Erosionsneigung der Böschung und hat einen bodenstabilisierenden Entwässerungseffekt. Infolge der nicht gesichert vorhersehbaren Wurzelausbreitung sind Schädigungen jedoch nicht gänzlich auszuschließen.

[6] Die Belichtung der Liegenschaft des Klägers ist durch die überragenden Äste nicht berührt, auch ein künftig unterbleibender seitlicher Heckenrückschnitt würde die Beschattungssituation nur geringfügig erhöhen.

[7] Ein seitlicher Kronenrückschnitt der Hainbuchen ist fachgerecht möglich. Die Entfernung von Wurzeln würde die Standsicherheit der Heckenanpflanzung nur unbedeutend und die Vitalität nur in einem geringen Maß mindern. Allerdings ist aus statischen Gründen ein Wurzelrückschnitt nur bis auf 30 cm zur Grundstücksgrenze hin vertretbar und erfordert eine fachgerechte Schnittführung. Ein Eingriff in den Stammbereich im Sinn eines Anschneidens der Baumstämme würde einen Totalschaden der Bäume bedeuten. Eine seitliche Schnittführung bis an die Grundstücksgrenze ist bei sieben der zehn Hainbuchen fachgerecht möglich.

[8] Die Heckenpflege wird durch die bestehende Heckenhöhe erschwert und bedarf wegen der erforderlichen Gerätschaft einer gärtnerischen Fremdvergabe oder einer anlassbezogenen Geräteausleihe. Der zeitliche Pflegeaufwand für den jährlichen seitlichen Heckenrückschnitt beträgt maximal vier Stunden. Der zeitliche Aufwand für die Wurzelentfernung kann nicht festgestellt werden. Der Aufwand für die bauliche Einbringung einer Wurzelsperre würde einmalig einen Zeitaufwand von circa 32 Arbeitsstunden bedeuten.

[9] Der Kläger begehrte, die Beklagten schuldig zu erkennen, die von ihrem Grundstück ausgehenden und auf sein Grundstück einwirkenden Immissionen in Form von herüberwachsenden Wurzeln, Baumstämmen, Ästen, Zweigen und Laub, die nicht durch eine leichte und einfache Ausübung des dem Kläger zustehenden Selbsthilferechts beseitigt werden können, zu unterlassen, sowie binnen 14 Tagen jene Wurzeln, Baumstämme, Äste, Zweige und Laub zu entfernen und zu beseitigen, die sich auf seinem Grundstück in jenem Bereich befinden, der auf dem in das Urteilsbegehren integrierten Luftbild schraffiert dargestellt ist, in eventu es zu dulden, dass der Kläger jene Wurzeln, Baumstämme, Äste, Zweige und Laub entfernt und beseitigt, die sich auf seinem Grundstück in jenem Bereich befinden, der auf diesem Luftbild schraffiert dargestellt ist.

[10] Der Kläger stützte dieses Klagebegehren auf die Immissionsabwehr gemäß § 364 ABGB, Eigentumsfreiheit gemäß § 523 ABGB, sowie Schadenersatz. Die Beklagten hätten einen lebenden Zaun aus Buchen gepflanzt, der unkontrolliert gewachsen sei, nicht regelmäßig zurückgeschnitten worden sei und dessen Wurzeln sich unkontrolliert ausbreiteten. Der Kläger werde dadurch in seinem Eigentumsrecht gestört und verliere 30 cm seines Grundes. Die Bäume würden das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß überschreiten und die ortsübliche Benutzung des Grundstücks des Klägers wesentlich beeinträchtigen. Er sei nicht in der Lage, den rechtswidrigen Zustand durch Ausübung seines Selbsthilferechts zu beseitigen. Auch das nachbarrechtliche Rücksichtnahmegebot gemäß § 364 Abs 1 ABGB verpflichte die Beklagten, die zu nahe an der Grenze, auf der Grenze oder sogar jenseits der Grenze eingesetzte Bepflanzung wieder zu entfernen. Soweit sich die Bäume auf dem Grundstück des Klägers befänden, handle es sich überhaupt um eine direkte Eigentumsverletzung.

[11] Die Beklagten wandten ein, dass es keine Verpflichtung gebe, einen Mindestabstand zur Grundstücksgrenze einzuhalten, und das Hinüberwachsen nicht rechtswidrig sei. Schadenersatzansprüche setzten einen eingetretenen oder unmittelbar drohenden Schaden voraus, was nicht der Fall sei. Die Nutzung des Grundstücks des Klägers sei nicht wesentlich beeinträchtigt und der Zustand nicht unzumutbar. Der Kläger könne durch die Ausübung des Selbsthilferechts gemäß § 422 ABGB Abhilfe schaffen. Aus fachlicher Sicht wäre die Entfernung der Wurzeln allerdings nicht sinnvoll, weil diese dazu beitrügen, das Wasser am Hang des Grundstücks des Klägers abzuführen. Die Rechtsverfolgung sei daher außerdem schikanös.

[12] Das Erstgericht wies sowohl die Haupt- als auch das Eventualbegehren ab.

[13] Nach der – vom Erstgericht detailliert dargestellten – Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs bestehe ein Immissionsabwehranspruch nach § 364 ABGB, wenn die Beeinträchtigung unter Bedachtnahme auf das nachbarrechtliche Rücksichtnahmegebot die ortsübliche Benutzung des Grundeigentums wesentlich beeinträchtige und einen unzumutbaren Zustand herbeiführe, der nicht durch eine leichte und einfache Ausübung des Selbsthilferechts gemäß § 422 ABGB beseitigt werden könne. Der vom Kläger monierte Zustand des Herüberwachsens von Ästen und Wurzeln könne nach den Feststellungen zwar nicht durch die Ausübung des Selbsthilferechts leicht und einfach beseitigt werden. Allerdings sei diese Erschwerung der Ausübung des Selbsthilferechts nur dann von Bedeutung, wenn durch Äste und Wurzeln unter Bedachtnahme auf das nachbarrechtliche Rücksichtnahmegebot die ortsübliche Benützung des Grundeigentums wesentlich beeinträchtigt und ein unzumutbarer Zustand herbeigeführt würde. Dies sei hier nicht der Fall. Die Hainbuchenhecke sei ortsüblich und der Umstand, dass der Kläger im Randbereich seiner Liegenschaft in 30 cm Abstand zur Liegenschaftsgrenze die Wurzeln nicht zurückschneiden lassen könne, stelle für diesen keine wesentliche Beeinträchtigung und keinen unzumutbaren Zustand dar, zumal er ohnedies keine besonderen Absichten in Bezug auf diesen 30 cm‑Grenzstreifen hege. Das nachbarrechtliche Rücksichtnahmegebot erfordere vielmehr die Duldung dieser natürlich gewachsenen Hainbuchenhecke, die nicht zuletzt auch dem Kläger selbst als Lärm- und Sichtschutz zugute komme. Daher bestehe in dieser Hinsicht kein Anspruch des Klägers auf Unterlassung oder Beseitigung.

[14] Auch der zweite Fall, in dem die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs einen Anspruch nach § 364 ABGB gewähre, nämlich wenn es durch die Pflanzenteile zu einem die Güter des Nachbarn konkret gefährdenden und deshalb rechtswidrigen Zustand komme, liege nicht vor. Keine der Hainbuchen beschädige die Liegenschaft des Klägers und auch zukünftig seien keine nachhaltigen Schäden absehbar. Allein der Umstand, dass Schädigungen nicht gänzlich ausgeschlossen werden könnten, führe nicht zu einem konkret gefährdenden Zustand. Auch dass ein weiteres Hereinwachsen der Hecke in die Liegenschaft des Klägers zu erwarten sei, stelle für sich genommen keine konkrete Gefährdung dar. Ganz im Gegenteil stabilisierten die Wurzeln den Hang, während ein Wurzelrückschnitt eine wenn auch nur unbedeutende Verminderung der Standsicherheit der Heckenanpflanzung bedeuten würde. Eine Entfernung von Stämmen oder Ästen würde hingegen die Heckenstruktur auflösen, den Sichtschutz mindern und bei einem Eingriff im Stammbereich sogar einen Totalschaden der Hecke bedeuten. Es liege somit kein rechtswidriger Zustand vor, weshalb auch aus diesem Rechtsgrund kein Anspruch des Klägers auf Unterlassung oder Beseitigung bestehe.

[15] Das Herüberwachsen von Ästen und Wurzeln auf das klägerische Grundstück sei auch keine unmittelbare Zuleitung gemäß § 364 Abs 2 letzter Satz ABGB, weil es Ausfluss des natürlichen Wachstums sei und an einem menschlichen Zutun fehle. Auch aus diesem Grund habe der Kläger keine Unterlassungs- oder Beseitigungsansprüche gegen die Beklagten.

[16] Der Kläger könne den geltend gemachten Anspruch auf Unterlassung von Immissionen und Beseitigung der Hecke oder ihrer Bestandteile auch nicht aus einer unmittelbaren Eigentumsverletzung ableiten. Es habe nämlich nicht festgestellt werden können, dass die Beklagten oder der von ihnen beauftragte Gärtner die zwei Bäume, die sich auf der Liegenschaft des Klägers befänden, ursprünglich dorthin gesetzt gehabt hätten, weil diese etwa auch durch Hangrutschung dorthin gelangt sein könnten. Es habe nur festgestellt werden können, dass zwei Bäume jetzt zumindest zum Teil am Grund des Klägers stünden, wodurch diese gemäß § 421 ABGB im Alleineigentum und Miteigentum des Klägers stünden. Mit dem Baum in seinem Alleineigentum könne der Kläger aufgrund seines Eigentumsrechts grundsätzlich – im Rahmen des nachbarschaftsrechtlichen Rücksichtnahmegebots – tun und lassen, was er wolle; er habe jedoch keine Ansprüche gegen die Beklagten. Beim Baum im Miteigentum sei eine Verfügung darüber ohnehin nur gemeinsam möglich.

[17] Auch das Eventualbegehren, die Beklagten hätten es zu dulden, dass der Kläger die auf seinem Grundstück befindlichen Teile der Hecke entferne und beseitige, bestehe nicht zu Recht. In Bezug auf die im Alleineigentum und Miteigentum des Klägers stehenden Bäume sei auf das soeben Ausgeführte zu verweisen. Im Hinblick auf die restlichen acht Bäume, die ihren Stammaustritt am Beklagtengrundstück hätten, sei der Kläger zwar gemäß § 422 Abs 1 ABGB berechtigt, eindringende Wurzeln zu entfernen und über seinem Luftraum hängende Äste abzuschneiden, aber eben nur soweit, als er dabei fachgerecht vorzugehen habe und die Pflanze möglichst zu schonen sei. Der Kläger begehre dies für die gesamte schraffierte Fläche, also bis zur Grundstücksgrenze. Laut Sachverständigengutachten sei es jedoch notwendig, die Wurzeln maximal bis auf 30cm zur Grundstücksgrenze hin zu entfernen. Ein solcher Duldungsanspruch könnte außerdem nur bestehen, wenn überhaupt die Gefahr künftiger Rechtsverletzungen bestehe. Der Kläger bringe jedoch nicht schlüssig vor, dass die Beklagten ihm die Ausübung des nachbarrechtlichen Selbsthilferechts verweigerten.

[18] Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung.

[19] Es bestehe grundsätzlich keine Verpflichtung, bei Pflanzungen einen bestimmten Mindestabstand zur Grundstücksgrenze einzuhalten. Das Hinüberwachsen von Ästen und Wurzeln alleine sei nicht rechtswidrig. Dass das Wachsenlassen von Pflanzen an der oder über die Grenze die Annahme einer Besitz- oder Eigentumsstörung generell ausschließe – so die Rechtslage vor Inkrafttreten des ZivRÄG 2004 –, treffe allerdings infolge der Einführung des § 364 Abs 3 ABGB nicht mehr zu. Es bestehe also kein Recht, dass sich ein Baum „ungestört“ auf den Nachbargrund ausdehnen dürfe. Bei hereinragenden Pflanzen gewähre der Oberste Gerichtshof vielmehr Ansprüche nach § 364 ABGB (abgesehen von einer allfälligen direkten Zuleitung) zum einen dann, wenn es durch die Pflanzenteile zu einem die Güter des Nachbarn konkret gefährdenden und deshalb rechtswidrigen Zustand komme, und zum anderen dann, wenn die Beeinträchtigung unter Bedachtnahme auf das nachbarrechtliche Rücksichtnahmegebot die ortsübliche Nutzung des Grundeigentümers wesentlich beeinträchtige und einen unzumutbaren Zustand herbeiführe. Keine Ansprüche nach § 364 ABGB gewähre die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, wenn der gefährdende bzw beeinträchtigende Zustand durch die Ausübung des Selbsthilferechts beseitigt werden könne, oder die Ausübung des vorrangigen Selbsthilferechts unmöglich, unzumutbar, erschwert oder nicht zielführend sei, weil der Nachbar auch bei Ausübung der Selbsthilfe im Wesentlichen in der gleichen beeinträchtigten Situation verbliebe.

[20] Nach den getroffenen Feststellungen lägen die Voraussetzungen für Ansprüche nach § 364 ABGB hier nicht vor. Keine der zehn Hainbuchen habe durch überragende Wurzeln oder Äste die Liegenschaft des Klägers beschädigt. Es seien zukünftig keine nachhaltigen Schäden absehbar, auch wenn ein gänzlicher Ausschluss von möglichen Schädigungen infolge der nicht gesichert vorhersehbaren Wurzelausbreitung nicht möglich sei. Im Gegenteil mindere die aktuell bestehende Durchwurzelung die Erosionsneigung der Böschung und bedinge einen bodenstabilisierenden Entwässerungseffekt. Die Belichtung der klägerischen Liegenschaft sei durch überragende Äste nicht berührt, auch ein künftig unterbleibender seitlicher Heckenrückschnitt würde die Beschattungssituation nur geringfügig erhöhen. Der Kläger verfolge keine konkreten Absichten, entlang der Grundstücksgrenze oder in einem 30 cm‑Abstand dazu in absehbarer Zeit ein Bauwerk zu errichten, oder diesen Bereich seines Grundstücks sonst einer speziellen Verwendung zuzuführen.

[21] Obwohl ein Hineinwachsen in das klägerische Grundstück nach den Feststellungen mittelfristig zu erwarten sei, müsse das Unterlassungsbegehren auch insoweit scheitern, weil das Wachsen von Bäumen oder Pflanzen grundsätzlich als natürlicher Vorgang gesehen werde. Das Wachsenlassen der Wurzeln und Äste an der oder über die Grenze könne weder eine Besitz- oder Eigentumsstörung begründen, noch stelle dies eine unmittelbare Zuleitung iSd § 364 Abs 2 ABGB dar. Die Unterlassung des Anpflanzens an oder nahe der Grenze oder des Hinüberwachsenlassens von Ästen und Wurzeln könne der Nachbar ebenso wenig verlangen wie die Entfernung oder Beseitigung störender Pflanzenteile durch den Eigentümer. Mangels rechtswidrigen Verhaltens der Beklagten könne der Kläger daher insoweit auch keine Schadenersatzansprüche durchsetzen.

[22] Der Kläger müsse gemäß § 422 Abs 1 ABGB beim Entfernen der eindringenden Wurzeln und Äste für die Pflanze möglichst schonend vorgehen. Im vorliegenden Fall sei nach den Feststellungen aus statischen Gründen nur ein Wurzelrückschnitt bis auf 30 cm zur Grundstücksgrenze hin vertretbar, wobei eine fachgerechte Schnittführung zwingend erforderlich sei. Soweit die Pflanzen durch das Schneiden der Äste und Wurzeln keinen Schaden nähmen, habe das Erstgericht zum eventualiter erhobenen Duldungsbegehren zutreffend darauf verwiesen, dass der Kläger nicht einmal schlüssig vorgebracht habe, dass die Beklagten ihm die Ausübung des nachbarrechtlichen Selbsthilferechts gemäß § 422 ABGB verweigern würden. Insoweit erweise sich auch der Schikaneeinwand als berechtigt, weil durch den Bewuchs keine Einschränkung der vom Kläger derzeit geplanten Nutzung der Liegenschaft gegeben sei.

[23] Dass die Bäume am Grund der Beklagten zunächst unmittelbar bzw beinahe an der Grenze gepflanzt worden seien, sei nach dem Vorgesagten noch nicht rechtswidrig gewesen. Die Beklagten hätten daher das Recht gehabt, die Baumstämme in das Grundstück des Klägers hineinwachsen zu lassen. Zuletzt habe sich der Baum Nr 9 um 4 cm auf dem Grund des Klägers und der Baum Nr 10 zu 80 % auf dem Grundstück des Klägers befunden. Durch diesen Wuchs sei der Kläger gemäß § 421 Satz 2 ABGB Miteigentümer an den über die Grundgrenze gewachsenen Bäumen geworden. Selbsthilfe im Rahmen des § 422 Abs 1 ABGB sei insoweit nicht möglich, weil ein Eingriff in den Stammbereich im Sinn eines Anschneidens der Baumstämme einen Totalschaden des Baumes bedeute.

[24] Das Berufungsgericht bewertete den Entscheidungsgegenstand mit 5.000 EUR, nicht jedoch 30.000 EUR übersteigend und ließ die ordentliche Revision zu. Es gebe keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage, ob sich der Grundeigentümer in Bezug auf die vom Nachbargrundstück in sein Grundstück hineingewachsenen Baumstämme mit der Eigentumsfreiheitsklage zur Wehr setzen könne.

[25] Gegen diese Entscheidung des Berufungsgerichts richtet sich die Revision des Klägers. Als Revisionsgründe macht er Nichtigkeit und unrichtige rechtliche Beurteilung geltend. Er beantragt, das angefochtene Urteil abzuändern und dem Klagebegehren (dem Haupt- oder dem Eventualbegehren) stattzugeben. Hilfsweise stellt er einen Aufhebungsantrag.

[26] Die Beklagten beantragen in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, in eventu dieser nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[27] Die Revision ist zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.

[28] 1. Die vom Revisionswerber behauptete Nichtigkeit aufgrund eines Begründungsmangels iSd §§ 503 Z 1 iVm 477 Abs 1 Z 9 ZPO liegt nicht vor.

[29] Dieser Nichtigkeitsgrund ist nur dann gegeben, wenn die Entscheidung gar nicht oder so unzureichend begründet ist, dass sie sich nicht überprüfen lässt (RS0007484; vgl auch RS0042133; RS0042206). Anders als in der Revision vorgebracht, liegt dieser Mangel auch betreffend die Bäume Nr 9 und 10 nicht vor. Das Berufungsgericht nimmt in seinem Urteil auf sie explizit Bezug und begründet, dass und weshalb das „Wachsenlassen“ dieser Bäume über die Grenze nicht rechtswidrig sei.

[30] 2.1. Die Bestimmungen der §§ 364, 364a und 364b ABGB regeln die Kollision zwischen gleichrangigen Eigentumsrechten und sehen Einschränkungen der Befugnisse jedes Eigentümers im Interesse eines friedlichen Zusammenlebens der Nachbarn vor (RS0010501 [T2]).

[31] 2.2. Die Ausübung des Eigentumsrechts darf weder in die Rechte eines Dritten eingreifen, noch die in den Gesetzen zur Erhaltung und Beförderung des allgemeinen Wohles vorgeschriebenen Einschränkungen übertreten. Im Besonderen haben die Eigentümer benachbarter Grundstücke bei der Ausübung ihrer Rechte aufeinander Rücksicht zu nehmen (§ 364 Abs 1 ABGB).

[32] Der Eigentümer eines Grundstücks hat gegenüber seinem Nachbarn aufgrund von dessen Grund ausgehenden Einwirkungen durch Abwässer, Rauch, Gase, Wärme, Geruch, Geräusch, Erschütterung einen Anspruch auf Beseitigung und/oder Unterlassung, soweit diese Immissionen das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß überschreiten und die ortsübliche Benutzung des Grundstücks wesentlich beeinträchtigen. Unmittelbare Zuleitung ist ohne besonderen Rechtstitel unter allen Umständen unzulässig (§ 364 Abs 2 ABGB). Die Klage nach § 364 Abs 2 ABGB ist dabei ein Anwendungsfall der negatorischen Eigentumsklage (RS0010526 [T4]).

[33] Ebenso kann der Grundstückseigentümer einem Nachbarn die von dessen Bäumen oder anderen Pflanzen ausgehenden Einwirkungen durch den Entzug von Licht oder Luft insoweit untersagen, als diese das Maß des § 364 Abs 2 ABGB überschreiten und zu einer unzumutbaren Beeinträchtigung der Benutzung des Grundstücks führen (§ 364 Abs 3 ABGB).

[34] 2.3. Das Wachsen von Bäumen wird in der Rechtsprechung grundsätzlich als natürlicher Vorgang gesehen. Es besteht keine Verpflichtung, Bäume oder andere Pflanzen nicht in Grenznähe oder an der Grundgrenze zu pflanzen oder Wurzeln und Äste „rechtzeitig“ abzuschneiden (2 Ob 119/23y; vgl RS0010641).

[35] Gemäß § 422 Abs 1 ABGB kann jeder Eigentümer die in seinen Grund eindringenden Wurzeln eines fremden Baumes oder einer anderen fremden Pflanze aus seinem Boden entfernen und die über seinem Luftraum hängenden Äste abschneiden. Dabei hat er aber fachgerecht vorzugehen und die Pflanze möglichst zu schonen.

[36] Für bestimmte, zuvor allein dem § 422 ABGB unterstellte Sachverhaltskonstellationen hat die Rechtsprechung nach dem Inkrafttreten des ZivRÄG 2004 den Anwendungsbereich des § 364 ABGB geöffnet (2 Ob 119/23y).

[37] Das Herüberwachsen(‑lassen) von Wurzeln und Ästen ist dabei in der Regel nicht als unmittelbare Zuleitung iSd § 364 Abs 2 ABGB zu qualifizieren, weil es an einem menschlichen Zutun fehlt (2 Ob 119/23y; 10 Ob 22/21i; vgl auch 8 Ob 79/13w). Aus einem bloßen Naturwirken kann allerdings durch bewusstes Aufrechterhalten dieses Zustands eine unmittelbare Zuleitung werden, wenn dadurch eine Gefährdung für Personen und Sachen begründet wird (10 Ob 22/21i [Wurzeltriebe eines Schlehdornbewuchses]; 4 Ob 43/11v [Abbruch eines Starkastes]). In diesem Sinn hat die Rechtsprechung insbesondere auch das zwangsläufige und überdies beabsichtigte Emporranken von Kletterpflanzen (Veitschi) an einer im Eigentum des Nachbarn stehenden Grenzmauer als Eigentumseingriff im Sinn einer unmittelbaren Zuleitung qualifiziert (10 Ob 22/21i; RS0010327; RS0010608 [T1]).

[38] Bei bloß „hereinragenden“ Pflanzen gewährt der Oberste Gerichtshof in nunmehr ständiger Rechtsprechung Ansprüche auf Unterlassung und/oder Beseitigung nach § 364 ABGB einerseits dann, wenn es durch die Pflanzenteile zu einem die Güter des Nachbarn konkret gefährdenden und deshalb rechtswidrigen Zustand kommt, und andererseits, wenn die Beeinträchtigung unter Bedachtnahme auf das nachbarrechtliche Rücksichtnahmegebot die ortsübliche Benützung des Grundeigentums wesentlich beeinträchtigt und einen unzumutbaren Zustand herbeiführt. Allerdings besteht insoweit nach wie vor ein Vorrang des § 422 ABGB, als keine Ansprüche nach § 364 ABGB bestehen, wenn der gefährdende oder sonst beeinträchtigende Zustand durch die Ausübung des Selbsthilferechts leicht und einfach beseitigt werden kann (2 Ob 119/23y; 10 Ob 22/21i; RS0122902 [zu § 364 Abs 3 ABGB]). Um § 422 ABGB nicht völlig zu entwerten, kann diese Voraussetzung für Ansprüche nach § 364 ABGB erst dann angenommen werden, wenn die Ausübung des (vorrangigen) Selbsthilferechts unmöglich, unzumutbar erschwert oder nicht zielführend ist, weil der Nachbar auch bei Ausübung der Selbsthilfe im Wesentlichen in der gleichen beeinträchtigenden Situation verbliebe (10 Ob 22/21i).

[39] Diese Sonderkonstellationen ändern jedoch nichts daran, dass im Allgemeinen das Herüberwachsen von Ästen und Wurzeln über die Grundgrenze auch weiterhin nicht untersagt werden kann (10 Ob 22/21i; ErläutRV 173 BlgNR 22. GP 15).

[40] 2.4. Ausgehend von den schon von den Vorinstanzen zutreffend hervorgehobenen, für die Beurteilung einer allfälligen Beschädigung und Gefährdung der Güter des Klägers einerseits und der Nutzungsbeeinträchtigung und deren (Un-)Zumutbarkeit andererseits maßgeblichen Feststellungen liegt hier keine jener Sonderkonstellationen vor, in der die Rechtsprechung für den Überhang Ansprüche nach § 364 Abs 2 oder 3 ABGB gewährt.

[41] In Bezug auf die Bäume an der Grenze (die Bäume Nr 1–8) hat der Kläger daher aus diesem Grund weder Unterlassungs- noch Beseitigungsansprüche. Ein Beseitigungsanspruch lässt sich aber auch aus dem Rechtsgrund des Schadenersatzes nicht ableiten. Das Verhalten der Beklagten ist auf Basis des festgestellten Sachverhalts weder als rechtswidrig noch als schuldhaft zu qualifizieren.

[42] 3.1. Der Stamm eines Baumes (Nr 10) befindet sich nach den Feststellungen zu 80 % auf dem Grundstück des Klägers, zu 20 % auf jenem der Beklagten. Gemäß § 421 ABGB bestimmt sich das Eigentum an einem Baum nach dem Stamm, der aus dem Grund hervorragt. Steht der Stamm auf den Grenzen mehrerer Eigentümer, so ist ihnen der Baum gemein. Aus diesem Umstand lässt sich jedoch für den Prozessstandpunkt des Klägers in Bezug auf den geltend gemachten Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch nichts gewinnen.

[43] 3.2. Nach herrschender Auffassung steht ein solcher Grenzbaum in ideellem Miteigentum, er bildet also kein real geteiltes Eigentum (10 Ob 47/13d; statt vieler Holzner in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, ABGB3 § 421 Rz 2 mwN, der sich zudem gegen eine Differenzierung nach dem Verhältnis der jeweiligen Stammflächen und für Miteigentum zu gleichen Teilen ausspricht). Dies ist – wie bei den „Grenzeinrichtungen“ iSd § 854 ABGB (7 Ob 210/20p; 3 Ob 201/15b mwN; RS0013894) – als Miteigentum iSd §§ 825 ff ABGB zu verstehen. Nach § 421 ABGB kann also durch Pflanzen an der Grenze Miteigentum (Zuwachs) entstehen (10 Ob 47/13d).

[44] Im Gegensatz zum deutschen Recht (§ 923 Abs 2 S 1 BGB) fehlt im österreichischen Privatrecht eine Regelung, wonach jeder Miteigentümer die Fällung des Grenzbaumes verlangen kann. Aus dem Bestehen ideellen Miteigentums an dem Grenzbaum folgt, dass sich eine Handlung oder sonstige Maßnahme der Nachbarn (als Miteigentümer) nach den einschlägigen Vorschriften der §§ 825 ff ABGB richtet. Die Kompetenz, Änderungen an diesem vornehmen zu dürfen, bestimmt sich also nach den Bestimmungen über die Verfügung (§ 828 ABGB) oder über die Verwaltung (§§ 834, 835 ABGB) des gemeinsamen Guts.

[45] Da jede Maßnahme in Bezug auf den im Miteigentum stehenden Grenzbaum, die über jene der Selbsthilfe iSd § 422 ABGB hinausgeht, jedenfalls nicht Gegenstand der ordentlichen Verwaltung sein kann, bedarf es hierzu im Ergebnis des Einvernehmens der Miteigentümer oder einer Entscheidung des Richters in einem Außerstreitverfahren (§§ 834, 835 ABGB). Bei Uneinigkeit zweier Hälfteeigentümer wäre immer, also auch bei Maßnahmen der ordentlichen Verwaltung die Entscheidung des Außerstreitrichters notwendig (8 Ob 43/24t mwN). Ist die mit der Maßnahme verbundene Veränderung tatsächlicher Natur – wie etwa das Entfernen des Grenzbaumes – überhaupt als Verfügung iSd § 828 ABGB zu qualifizieren, kann die fehlende Zustimmung eines Miteigentümers auch nicht durch einen Beschluss des Außerstreitrichters ersetzt werden (RS0117159).

[46] Angesichts dieser Beschränkungen der Rechtsstellung eines Miteigentümers stellt sich die Frage, ob sich der Alleineigentümer einer Liegenschaft gegen das „Überwachsen“ des Stammes und damit gegen das „aufgezwungene“ Miteigentum an einem solchen Grenzbaum wehren kann.

[47] Die Eigentumsfreiheitsklage kann grundsätzlich gegen jeden unberechtigten Eingriff in das Eigentumsrecht erhoben werden (RS0012040). Auch dann, wenn der Anspruchsgegner zwar nicht unmittelbar selbst handelt, aber den Eingriff veranlasst hat, den unerlaubten Zustand aufrecht hält oder sonst von ihm Abhilfe zu erwarten wäre (RS0012110). Voraussetzung ist jedoch jedenfalls die Rechtswidrigkeit des Eingriffs in die Eigentumsrechte des Anspruchstellers. Jeder Grundeigentümer ist aber – wie oben erläutert – grundsätzlich berechtigt, an der Grundstücksgrenze Pflanzungen vorzunehmen und Äste und Wurzeln in fremden Luftraum bzw Boden wachsen zu lassen. Derartige Eingriffe in das Eigentumsrecht des angrenzenden Grundeigentümers sind daher grundsätzlich hinzunehmen.

[48] Ob die von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zum Überwuchs von Ästen und Wurzeln entwickelten Grundsätze auch auf den durch „Überwuchs“ des Stamms im Miteigentum stehenden Baumstamm zu übertragen ist, einen solchen Eingriff also rechtswidrig machen könnten, ist hier aus tatsächlichen Gründen nicht zu klären. Selbst im Fall der Anwendbarkeit dieser Rechtsprechung auch auf den im Miteigentum stehenden Stamm des Grenzbaumes läge nach dem festgestellten Sachverhalt – aus denselben Erwägungen wie zu den im Alleineigentum der Beklagten stehenden Bäumen Nr 1–8 – keine der besonderen Konstellationen vor, in denen die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs Unterlassungs- und/oder Beseitigungsansprüche nach § 364 ABGB gewährt.

[49] Auch auf die in der Lehre strittige Frage, ob auf den Stamm eines im Miteigentum stehenden Grenzbaumes das Selbsthilferecht des § 422 ABGB zur Anwendung gelangt, kommt es für die Entscheidung hier daher nicht an (dafür etwa Karner in Rummel/Lukas, ABGB4 [2016] § 422 Rz 2; Illedits-Lohr in Illedits/Illedits-Lohr, Handbuch zum Nachbarrecht4 [2021] Rz 13/85; hingegen dagegen etwa Holzner in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, ABGB3 § 422 Rz 6 und Fn 28; Wall in Schwimann/Kodek, ABGB5 § 422 Rz 1 [Anwendbarkeit des § 422 ABGB nur bei einen fremden Baum]).

[50] Das Hauptbegehren des Klägers ist demnach auch in Bezug auf den Grenzbaum Nr 10 mangels Rechtswidrigkeit des Wachsenlassens zu verneinen.

[51] 4.1. Der Stamm eines Baumes (Baum Nr 9) befindet sich nach den Feststellungen des Erstgerichts zur Gänze auf dem Grundstück des Klägers. Es handelt sich somit um keinen „Grenzbaum“, dieser Baum steht vielmehr im Alleineigentum des Klägers.

[52] 4.2. In Bezug auf einen im Alleineigentum des Klägers stehenden Baum kommt ein nachbarrechtlicher Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch schon von vornherein nicht in Frage. In Bezug auf diesen Baum kommt zwar theoretisch ein Schadenersatzanspruch des Klägers in Betracht. Allerdings fehlt es auf Basis des festgestellten Sachverhalts auch insoweit an der Rechtswidrigkeit und dem Verschulden. Zumindest Ersteres wäre nur allenfalls zu bejahen, wenn der Baum bereits auf der Liegenschaft des Klägers gesetzt worden wäre. Das steht aber gerade nicht fest.

[53] 5.1. Auch das Eventualbegehren auf Duldung besteht in Bezug auf keinen der Bäume zu Recht.

[54] 5.2. Das Klagebegehren einer Duldungsklage ist darauf gerichtet, dem Beklagten die Duldung bestimmter Handlungen aufzutragen. Dieses Dulden besteht in der Unterlassung der Behinderung bestimmter Handlungen, also von Widerstand (Geroldinger in Fasching/Konecny 3 III/1 § 226 ZPO Rz 27; zur Frage der nach § 226 ZPO erforderlichen Bestimmtheit: RS0037874; RS0000966: RS0037420).

[55] Die Rechtsprechung lässt ausnahmsweise auch vorbeugende Duldungsklagen zu, wenn dies zum Schutz vor Eingriffen in dingliche Rechte oder im Rahmen bestehender Schuldverhältnisse erforderlich ist oder wenn sie im Gesetz ausdrücklich vorgesehen sind (RS0037501). Dafür ist aber, wie bei den vorbeugenden Unterlassungsklagen, ein drohendes Zuwiderhandeln des Beklagten erforderlich. Diese konkrete Gefährdung durch zu erwartende Abwehrhandlungen muss der Kläger behaupten und beweisen (2 Ob 546/93; 8 Ob 60/04p; RS0037501 [T1]; Geroldinger in Fasching/Konecny 3 III/1 § 226 ZPO Rz 30).

[56] Eine solche konkrete Gefährdung hat der Kläger weder im Verfahren vor dem Erstgericht noch im Rechtsmittelverfahren dargetan. Allein der Umstand, dass die Beklagten das Duldungsbegehren, pauschal und nicht differenziert, also insbesondere auch im Bezug auf den im Alleineigentum des Klägers stehenden Baum Nr 10 bestritten haben, ohne auf die fehlende Gefährdung mangels Widerstandsabsicht ausdrücklich hinzuweisen, genügt nicht.

[57] 5.3. Damit erübrigt sich eine Auseinandersetzung mit der Problematik, dass (auch) das Klagebegehren nicht nach Bäumen differenziert. Das (Berufungs‑)Gericht kann zwar unter Berücksichtigung des erkennbaren Rechtsschutzziels einen Urteilsspruch an den sachlichen Inhalt des Begehrens von Amts wegen anpassen und diesem eine klarere und deutlichere Fassung geben, darf dabei aber kein Aliud zusprechen (vgl 5 Ob 187/20s; RS0041254).

[58] 6. Der Revision war daher insgesamt nicht Folge zu geben.

[59] Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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