European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0030OB00201.15B.1216.000
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
Die Streitteile sind Eigentümer benachbarter Grundstücke, die durch eine baufällige Grenzmauer getrennt sind. Die Grundstücke der Beklagten weisen ein Gefälle zur Grenzmauer auf, sodass schon aufgrund des natürlichen Gefälles das Wasser in Richtung der Grenzmauer und der Liegenschaft des Klägers abrinnt. Die Grundstücke der Beklagten sind mit verschiedenen Obstbäumen bepflanzt, ansonsten mit Gras bewachsen. Die Beklagte lagert auf ihren Grundstücken Holz, das mit Wellplatten oder Trapezflächen abgedeckt wird, die ein Gefälle zur Mitte der Grundstücke der Beklagten aufweisen. Die abgedeckten Holzlagerflächen (etwa 200 m 2 ) haben auf der linken Seite einen Abstand von etwa 11,5 m und auf der rechten Seite einen Abstand von etwa 23 m von der Liegenschaftsgrenze.
Das Alter der Grenzmauer lässt sich nicht mehr feststellen, beträgt jedoch mehr als 50 Jahre. Ebenso unbekannt ist, wer die Grenzmauer errichtet hat. Eine Vereinbarung zwischen den Streitteilen und/oder ihren Rechtsvorgängern über ein allfälliges Alleineigentum gibt es nicht.
Der gegenwärtige baufällige Zustand ist gefährlich, weil Teile der Mauer herabfallen können und die dann allenfalls ungestützte Böschung zwischen den Liegenschaften der Streitteile, die einen erheblichen Niveauunterschied aufweisen, nicht mehr standfest ist. Die Grenzmauer schneidet die vermessungstechnische Grundstücksgrenze. Sie befindet sich auf der linken Seite bis zu einer etwa mittigen Stufenausbildung (um vom Grundstück des Klägers zu jenem der Beklagten gelangen zu können) zur Gänze auf dem Grundstück der Beklagten und auf der rechten Seite nach der Abstufung teilweise auf dem Grundstück der Beklagten und teilweise auf dem Grundstück des Klägers. Nach Errichtung der Mauer wurden auf der klägerischen Liegenschaft Abgrabungen vorgenommen, um deren Nutzfläche zu vergrößern.
Aus den Niederschlägen auf den Grundstücken der Beklagten kommt aufgrund des natürlichen Gefälles auch noch Wasser aus umliegenden Einzugsgebieten auf die Parzellen der Beklagten und gelangt in weiterer Folge auf die Liegenschaft des Klägers. Ein seitliches Abfließen ist aufgrund der örtlichen Bebauung nicht möglich. Im Falle eines etwa alle fünf Jahre stattfindenden 15‑minütigen Starkregens fließen rund 10,4 Liter pro Sekunde, insgesamt (rechnerisch) 9.394 Liter Wasser über die Grenzmauer hinunter auf die Liegenschaft des Klägers. Hinzu kommt noch das Wasser, das auf die Mauer und ihre Stufenausbildung selbst fällt. Dieser Effekt wird dadurch verstärkt, dass offensichtlich auch Einzugsgebiete außerhalb der Liegenschaften der Beklagten die auf die Liegenschaft des Klägers gelangende Wassermenge vergrößern.
Die auf der Liegenschaft der Beklagten vorhandenen abgedeckten Holzstöße vergrößern den natürlichen Abfluss lediglich geringfügig, die Vergrößerung liegt rechnerisch bei weniger als 10 %. Es gibt auch keine Erosionserscheinungen auf dem unbefestigten Boden der Liegenschaft des Klägers und somit keinen Hinweis auf eine besonders konzentrierte Ableitung von Niederschlagswasser. Maßnahmen zur Rückhaltung von breitflächigem Niederschlagswasserabfluss aus einer unbebauten Liegenschaft sind in der Praxis nicht üblich. Nur bei Verbauung (Dächer, Straßen etc) ist nach dem Stand der Technik auf eine schadlose Ableitung derartiger Wässer zu achten. Die statistisch gesehen alle fünf Jahre im Zuge eines 15‑minütigen Starkregens auftretende Wassermenge, die auf die klägerische Liegenschaft rinnt, kann bei bautechnisch korrekter Ausführung keinen Schaden an der Mauer oder am Gebäude des Klägers verursachen.
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Unterlassung von Einwirkungen auf sein Grundstück durch das Abrutschen von Betonteilen der Grenzmauer und das Übertreten und Abfließen von Niederschlagswässern sowie Herüberschwemmen von Erdreich. Die Abwässer würden unmittelbar von den Grundstücken der Beklagten auf das Grundstück des Klägers geleitet. Weiters würden Betonteile der desolaten Mauer und Erdreich auf das Grundstück des Klägers eindringen. Durch all dies sei das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß überschritten und die ortsübliche Benutzung des Grundstücks wesentlich beeinträchtigt.
Die Beklagte wendete ein, die Mauer sei weder desolat noch habe es Abrutschungen von Teilen der Mauer und Ablagerungen von Mauerteilen auf dem Grundstück des Klägers gegeben. Grund für die Errichtung der Mauer sei offensichtlich gewesen, dass die Rechtsvorgänger des Klägers Abgrabungen vorgenommen und in weiterer Folge dann die Mauer errichtet hätten. Diese sei ausschließlich im Interesse der Rechtsvorgänger des Klägers errichtet worden, ihn treffe daher auch die alleinige Erhaltungspflicht. Die Flussrichtung des Wassers entspreche dem vorhandenen Gefälle.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die Grenzmauer stehe gemäß § 854 ABGB im Miteigentum der beiden Grundnachbarn. Gemäß § 856 ABGB hätten die Miteigentümer die Erhaltungskosten für die gemeinschaftlichen Scheidewände verhältnismäßig zu tragen. Das Unterlassungsbegehren sei daher nicht berechtigt. Auch der Abfluss des Regenwassers könne nach § 364 ABGB nicht verhindert werden, weil nicht von einer maßgeblichen Änderung der natürlichen Abflussverhältnisse auszugehen sei.
Das Berufungsgericht bestätigte die Klageabweisung und sprach ‑ nach Abänderungsantrag des Klägers ‑ aus, dass die ordentliche Revision (doch) zulässig sei, weil im ländlichen Bereich zahlreiche ähnlich gelagerte (alte) Grenzeinrichtungen existierten, wozu noch keine einheitliche Rechtsprechung vorliege. Der Kläger könne von der Beklagten nicht die Unterlassung des Abrutschens von Betonteilen der Grenzmauer begehren, weil diese im Miteigentum der Streitteile stehe. Er müsse sich um die Erhaltung der gemeinsamen Mauer nach den Regeln des Miteigentums bemühen. Deshalb schieden auch nachbarrechtliche Ansprüche nach § 364 ABGB aus. Auch im Hinblick auf das Niederschlagswasser sei ein nachbarrechtlicher Untersagungsanspruch nach § 364 Abs 2 ABGB wegen des natürlichen Gefälles, der bloß geringfügigen Vergrößerung des Abflusses, der Ortsunüblichkeit der Verhinderung einer Breitflächenniederschlagswasserableitung und wegen Fehlens von Erosionserscheinungen auf dem Grundstück des Klägers nicht berechtigt.
Die von der Beklagten nicht beantwortete Revision des Klägers, mit der er sein Unterlassungsbegehren weiter verfolgt, ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulassungsausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.
Rechtliche Beurteilung
1. Unter der Überschrift „vermutete Gemeinschaft“ regelt das Gesetz in den §§ 854 bis 858 ABGB die Rechtsverhältnisse an Scheidewänden. Es unterscheidet zwischen solchen im Alleineigentum und solchen, bei denen Gemeinschaft des Eigentums vermutet wird. Gemäß § 854 ABGB besteht im Zweifel „gemeinschaftliches Eigentum“ etwa an Zäunen, Mauern oder anderen Scheidewänden, die sich „zwischen“ benachbarten Grundstücken befinden. Dies wird überwiegend als ideelles Eigentum nach den §§ 825 ff ABGB verstanden (7 Ob 27/13s; 7 Ob 92/14a, je mwN). In diesen Fällen tritt das Miteigentum an der Scheidewand mit dem bis zur Grundgrenze reichenden Alleineigentum der Nachbarn an ihren Grundstücken in eine „eigentümliche“ Verbindung; dieses erscheint als Akzessorium des Alleineigentums an den benachbarten Grundstücken (RIS‑Justiz RS0013894; zuletzt 7 Ob 92/14a mwN).
Der Begriff der Grenzeinrichtung (Scheidewand) umfasst Einrichtungen, die sich im Grenzbereich zweier Grundstücke befinden, das heißt jeweils zum Teil auf beiden Grundstücken liegen. Bis zum Beweis des Gegenteils wird nach § 854 ABGB vermutet, dass auf beiden Grundstücken befindliche Grenzeinrichtungen im gemeinschaftlichen Eigentum der Liegenschaftseigentümer stehen (7 Ob 92/14a; 7 Ob 27/13s, je mwN). Zu den Eigentumsverhältnissen an Grenzmauern gibt es somit nicht nur eine klare gesetzliche Regelung sondern auch eine einheitliche Rechtsprechung.
Dass die Vorinstanzen von einer einheitlichen Grenzmauer ausgingen und nicht etwa im Sinn der Revisionsausführungen von zwei getrennten Mauern sowie einem Stiegenaufgang mit jeweils unterschiedlichen Eigentumsverhältnissen, steht im Einklang mit dem vom Kläger erhobenen einheitlichen Unterlassungsbegehren, welches von einer Grenzmauer ausgeht (Abrutschen von Betonteilen der Grenzmauer).
2. Auch die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts, auf das Nachbarrecht gestützte Unterlassungsansprüche des einen Miteigentümers gegen den anderen Miteigentümer der gemeinsamen Sache (Grenzmauer) zu versagen, entspricht den Grundsätzen der Rechtsprechung. Zwar wurde etwa § 364 Abs 2 ABGB auch im Verhältnis zwischen Wohnungseigentümern ein‑ und desselben Hauses für anwendbar befunden, wenn ein Wohnungseigentümer im Rahmen der Ausübung seines ausschließlichen Benützungsrechts an einer bestimmten Wohnung Störungen verursacht. Geht die Störung jedoch von einem der allgemeinen Benützung dienenden Teil der Liegenschaft aus, wird sie also von allen Miteigentümern insgesamt veranlasst, handelt es sich um eine Auseinandersetzung über die Art der Benützung eines der Allgemeinheit dienenden Teils der Liegenschaft zwischen Miteigentümern, welche nur im außerstreitigen Verfahren erledigt werden kann (RIS‑Justiz RS0010614). Einzelne Miteigentümer sind nur dann passiv legitimiert, wenn sie nach der im Innenverhältnis geltenden Rechts‑ und Gebrauchsordnung in der Lage sind, allein die Störung zu beseitigen (5 Ob 130/00d; Eccher/Riss in KBB 4 § 364 Rz 16). Ein nachbarrechtlicher Unterlassungs‑ oder Ausgleichsanspruch kommt aber auch dann nicht in Betracht, wenn das Grundstück, von dem die Störung ausgeht, und das beeinträchtigte Grundstück je im Miteigentum derselben Personen stehen (RIS‑Justiz RS0122861). Eine Zuordnung der Störung zu einem Miteigentümer ist im Hinblick auf das bloß ideell geteilte Miteigentum der Streitteile nicht möglich (vgl RIS‑Justiz RS0010500).
3. Gemäß § 364 Abs 2 ABGB kann der Eigentümer eines Grundstücks den Nachbarn die von dessen Grund ausgehenden Einwirkungen etwa durch Abwässer insoweit untersagen, als sie das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß überschreiten und die ortsübliche Benutzung des Grundstücks wesentlich beeinträchtigen. Unmittelbare Zuleitungen sind ohne besonderen Rechtstitel unter allen Umständen unzulässig.
Diese gesetzliche Regelung differenziert nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zwischen unmittelbaren und mittelbaren Einwirkungen (direkten und indirekten Immissionen) auf das Grundstück des Nachbarn, je nachdem, ob die Tätigkeit des anderen Eigentümers unmittelbar auf die Einwirkung gerichtet ist oder diese nur zufällig eintritt (10 Ob 45/14m mwN; 1 Ob 169/06v).
Vom Begriff einer direkten oder indirekten Immission nicht erfasst ist die natürliche Beschaffenheit des Nachbargrundstücks. Daher lösen etwa die natürlichen Abflussverhältnisse keine nachbarrechtliche Haftung aus. Der Grundeigentümer ist auch nicht verpflichtet, Hangwasser oder eine Hangquelle einzufangen oder den natürlichen Wasserablauf zu verändern, damit das Wasser nicht auf das Nachbargrundstück gelangt. Dagegen müssen die Maßnahmen anderer, die unmittelbar auf eine Zuleitung abzielen, nicht hingenommen werden. Dies betrifft etwa erdbautechnische Änderungen auf einem Grundstück, als deren Folge die für das Niederschlagswasser bis dahin bestehenden natürlichen Abflussverhältnisse geändert wurden. Demgemäß gelten erdbautechnische Veränderungen am höher gelegenen Grundstück wie Geländekorrekturen durch Aufschüttungen und Planierungen, die eine maßgebliche Änderung der natürlichen Abflussverhältnisse des Niederschlagswassers zum Nachteil des Unterliegers bewirken, als unmittelbare Zuleitungen nach § 364 Abs 2 zweiter Satz ABGB. Gelangt daher infolge der Änderung einer natürlichen Regenabflusssituation bei extrem starken Regenfällen Wasser auf der Erdoberfläche der Hangneigung folgend in nicht unbeträchtlichen Mengen auf das Grundstück des Unterliegers, so ist darin eine unmittelbare Zuleitung zu erblicken (10 Ob 45/14m; 1 Ob 169/06v, je mwN).
Im vorliegenden Fall wurden die natürlichen Abflussverhältnisse des Niederschlagswassers durch die Abdeckung der Holzlagerungen auf dem Grundstück der Beklagten nicht verändert. Die das Regenwasser sammelnde Abdeckung der Holzlagerungen führte nicht zu einer direkten Zuleitung des Wassers (wie etwa im Fall einer Carportabdeckung zu 2 Ob 111/07y); sind die Holzablagerungen doch 11,5 m und 23 m von der Grenze zum klägerischen Grundstück entfernt. Selbst bei einem Starkregenereignis (statistisch alle fünf Jahre mit 15 Minuten Dauer) wird lediglich die Gesamtwassermenge, die von der Liegenschaft der Beklagten in Folge der natürlichen Geländeneigung auf die Liegenschaft des Klägers fließt, geringfügig erhöht (unter 10 %).
Auch hier ist in der Rechtsansicht des Berufungsgerichts, das Unterlassungsbegehren des Klägers sei nicht berechtigt, weil die Auswirkungen auf sein Grundstück bloß geringfügig seien und für ihn keine nennenswerten Nachteile entstünden, keine vom Obersten Gerichtshof unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls korrekturbedürftige Fehlbeurteilung zu erblicken (vgl 10 Ob 45/14m). Auch fehlen Erosionsspuren und selbst die leicht erhöhte Wassermenge im Fall seltener (fünfjähriger) Starkregenereignisse gefährdet die Liegenschaftsbebauung des Klägers festgestelltermaßen nicht.
Die Beurteilung der Niederschlagswässer als unmittelbare oder doch bloß mittelbare Zuleitung ist im vorliegenden Fall aber ohnehin nicht von entscheidender Bedeutung. Eine Ortsunüblichkeit sah das Berufungsgericht bei breitflächigen Niederschlagswasserableitungen ebenso wenig erfüllt, wie eine Beeinträchtigung der ortsüblichen Nutzung (keine Gebäudeschäden). Selbst bei Beurteilung des Zuflusses bei Starkregen als unmittelbare Zuleitung wären Unterlassungsansprüche des Klägers daher wegen der Geringfügigkeit der Zuleitung vertretbar zu verneinen (vgl 10 Ob 45/14m).
Die Revision des Klägers ist daher mangels erheblicher Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.
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