European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0070OB00210.20P.0224.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
[1] 1.1. Redlicher Bauführer iSd § 418 ABGB ist der, der im Zeitpunkt der Bauführung aus plausiblen Gründen a) über die Eigentumsverhältnisse am verbauten Grund irren durfte oder b) aufgrund irgendwelcher Umstände, etwa einer allenfalls auch konkludent zustande gekommenen Vereinbarung, annehmen durfte und angenommen hat, dass ihm der Bau vom Eigentümer gestattet worden sei (RS0103699, RS0011075). Eine Voraussetzung für den Eigentumsverlust bildende Unredlichkeit des Grundeigentümers iSd § 418 Satz 3 ABGB läge darin, dass er den redlichen Bauführer bauen lässt, obwohl er selbst weiß, dass dieser auf fremdem Grund baut; für die Verwirkung des Eigentumsrechtes am Grund ist daher das Verhalten des Grundeigentümers wesentlich, der in Kenntnis seines eigenen Rechts zusieht, wie dem Bauführer aus Unkenntnis dieses Rechts Vermögensnachteile zu erwachsen drohen (vgl RS0011074 [T1, T3]). Die Frage, ob die Voraussetzungen des § 418 Satz 3 ABGB generell erfüllt sind, und insbesondere die Beurteilung der Redlichkeit des Bauführers nach dieser Bestimmung hängen von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab, womit sie regelmäßig keine erheblichen Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO sind (vgl RS0103699 [T5]; RS0011074 [T7]).
[2] Zudem schließt nach ständiger Rechtsprechung das Vorliegen einer Vereinbarung über die Bauführung die Anwendung der subsidiären Vorschriften des § 418 ABGB überhaupt aus (RS0011052; RS0011074 [T4]). Es hängt in einem solchen Fall von der (Auslegung der) Vereinbarung ab, ob das Bauwerk dem Grundeigentümer oder dem Bauführer zufällt (10 Ob 17/09m). Ob ein Vertrag im Einzelfall richtig ausgelegt wurde, ist aber nur dann eine erhebliche Rechtsfrage, wenn infolge einer Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt wurde (vgl RS0042936; RS0042871).
[3] 1.2. Erhebliche Rechtsfragen stellen sich hier nicht:
[4] Die Rechtsvorgänger der Parteien haben sich nach den Feststellungen schon vor Jahrzehnten dahin geeinigt, dass die auf beiden Seiten bewusst mittig auf die Grenze gesetzte, auf beiden Seiten über die Grundstücksgrenze hinausreichende Mauer eine ihnen gemeinsame sein sollte, sodass § 418 ABGB nicht zur Anwendung kommt. Die Rechtsansicht, dass die Klägerinnen daher nicht zufolge § 418 Satz 3 ABGB Eigentümerinnen des gesamten Grundstücksteils geworden sind, hält sich im Rahmen der Rechtsprechung. Warum die Auslegung der Vereinbarung dahin, dass sich durch den Mauerbau an der Grenze und den Eigentumsverhältnissen am Grund nichts ändern sollte, unvertretbar wäre, zeigt die Revision nicht nachvollziehbar auf.
[5] 2.1. Ein sich „zwischen benachbarten Grundstücken‟ – das heißt jeweils zum Teil auf beiden Grundstücken (RS0128837) – befindender Zaun ist nach § 854 ABGB als gemeinschaftliches Eigentum anzusehen, wenn nicht das Gegenteil bewiesen wird. Dies ist als Miteigentum iSd §§ 828 ff ABGB zu verstehen; dass das Alleineigentum an jedem der aneinandergrenzenden Grundstücke bis zur gemeinsamen Grenze reicht, beseitigt nicht die im § 854 ABGB vorgesehene Vermutung, wonach jener Teil, auf dem sich die Grenzanlage befindet, im Miteigentum beider Grenznachbarn steht (RS0013894).
[6] 2.2. Die Entscheidungen der Vorinstanzen halten sich auch in dieser Hinsicht im Rahmen der Rechtsprechung.
[7] Zwar kann nach § 855 ABGB jeder Miteigentümer eine gemeinschaftliche Mauer auf seiner Seite bis zur Hälfte in der Dicke benützen. Hier haben die Klägerinnen jedoch nach den Feststellungen im Zuge eines späteren Bauverfahrens Erklärungen zur Nutzung der gemeinsamen Mauer durch den Beklagten abgegeben und insbesondere einer Aufstockung der an der Grundstücksgrenze errichteten gemeinsamen Mauer – wenngleich unter bestimmten Auflagen – ausdrücklich zugestimmt. Die Vorinstanzen haben dies dahin ausgelegt, dass dabei keine Einschränkung auf bestimmte Mauerteile vorlag und der Beklagte daher nur über die Mauerkante hinaus in das Grundstück der Klägerinnen hineinragende Gebäudeteile entfernen muss, nicht aber solche auf der Mauer. Die Argumentation der Klägerinnen, ihre Zustimmung habe sich nur auf ihren Anteil bezogen, überzeugt nicht, weil der Beklagte zur Nutzung „seiner‟ Mauerhälfte nach § 855 ABGB ohnehin auch ohne Zustimmung der Klägerinnen berechtigt gewesen wäre. Im Übrigen haben die Vorinstanzen bei der Auslegung auch die „Vorgeschichte“ der Mauererrichtung mit dem langjährig guten Einvernehmen der Parteien bzw ihrer Rechtsvorgänger berücksichtigt (
vgl RS0044298 [T38]).
[8] 3. Die Frage, ob die Auslegung des Klagebegehrens durch das Berufungsgericht nach der Aktenlage zwingend ist, hat ebenfalls nicht die Bedeutung einer über den Einzelfall hinausgehenden erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO (RS0037440 [T6]).
[9] Das Berufungsgericht hat den Schriftsatz vom 25. 11. 2016, ON 83, dahin ausgelegt, dass dadurch das – mit Schriftsatz vom 2. 9. 2014, ON 10, erhobene und mit 10.000 EUR bewertete – Feststellungsbegehren als Pkt 3. des Urteilsbegehrens aufrecht erhalten wurde und über dieses daher urteilsmäßig abzusprechen war. Dies ist nicht zuletzt im Lichte dessen, dass die Klägerinnen dieses Begehren auch für den Verfahrensabschnitt nach ON 83 ihrer Kostenverzeichnung zugrundelegten, zumindest gut vertretbar.
[10] Eine angebliche Unrichtigkeit der Kostenentscheidung kann zudem in dritter Instanz grundsätzlich nicht geltend gemacht werden (§ 528 Abs 2 Z 3 ZPO; RS0044233), woran auch ein Interesse an der Beseitigung einer ungünstigen Kostenentscheidung des Rechtsmittelgerichts nichts ändert (vgl RS0043815 [T2]).
[11] 4. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).
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