OGH 7Ob125/24v

OGH7Ob125/24v23.9.2024

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Solé als Vorsitzende und die Hofrätinnen und die Hofräte Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich, Dr. Weber und Mag. Fitz als weitere Richter in der Pflegschaftssache der Minderjährigen 1. A* J*, und 2. S* J*, vertreten durch das Land Niederösterreich (Bezirkshauptmannschaft L* als Kinder- und Jugendhilfeträger, *), wegen Unterhalt, über den Revisionsrekurs des Vaters D* J*, vertreten durch Mag. Michael Stanzl, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts St. Pölten als Rekursgericht vom 18. April 2024, GZ 23 R 114/24y‑50, mit dem der Rekurs des Vaters gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Lilienfeld vom 11. März 2024, GZ 1 Pu 108/19t‑45, zurückgewiesen wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0070OB00125.24V.0923.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Unterhaltsrecht inkl. UVG

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die Revisionsrekursbeantwortung vom 2. Juli 2024 wird zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die beiden Minderjährigen sind dieKinder von B* und D* J*; sie leben im Haushalt der Mutter. Der Vater ist seit 2019 verpflichtet, für mj A* 210 EUR und mj S* 190 EUR monatlich an Unterhalt zu bezahlen.

[2] DieMinderjährigenbeantragen eine Unterhaltserhöhung ab Jänner 2024 auf monatlich 355 EUR für die mj A* und auf monatlich 300 EUR für die mj S*. Der arbeitssuchende Vater sei in der Lage, ein Einkommen von 1.600 EUR (14 x jährlich) zu verdienen.

[3] Der Vater sprach sich gegen den Antrag aus. Er sei finanziell nicht in der Lage, höhere Unterhaltsbeiträge zu bezahlen.

[4] Das Erstgericht setzte die monatlichen Unterhaltsbeiträge antragsgemäß fest. Der Vater habe seine Bemühungen zum Erlangen einer Arbeitsstelle nicht dargetan und sei daher seiner Behauptungs- und Beweislast nicht nachgekommen. Da er als Hilfsarbeiter ein durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen von 1.867 EUR erzielen könne, sei er auf dieses Einkommen anzuspannen.

[5] Dieser Beschluss wurde dem Vater am 18. März 2024 durch Hinterlegung zugestellt. Er erhob dagegen am 2. April 2024 Rekurs.

[6] Das Rekursgericht wies den Rekurs wegen Verspätung zurück, weil dieser spätestens am 1. April 2024 einzubringen gewesen wäre. Dem Rechtsmittel wäre aber auch bei rechtzeitiger Erhebung keine Folge zu geben. Der Vater sei knapp 30 Jahre alt, gesund und gehe seit Jahren keiner Beschäftigung nach. Er spreche gut deutsch, habe unbeschränkten Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt, habe aber keinen einzigen Nachweis zu Arbeitsplatzsuche oder Bewerbungen erbracht, sodass ihn das Erstgericht zu Recht angespannt habe. Auch das der Erhöhung zugrunde gelegte Anspannungseinkommen aus einer Hilfsarbeitertätigkeit, das im Rechtsmittel gar nicht konkret bekämpft werde, sei nicht überhöht.

[7] Das Rekursgericht ließ den ordentlichen Revisionsrekurs nachträglich mit der Begründung zu, die unrichtige Berechnung der Rekursfrist könne andernfalls nicht saniert werden.

[8] Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs des Vaters mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss zu beheben und dem Rekursgericht eine neuerliche Entscheidung unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufzutragen.

Rechtliche Beurteilung

[9] Die Minderjährigen beantragen in ihrer Revisionsrekursbeantwortung, dem Rechtsmittel des Vaters den Erfolg zu versagen. Wegen des Grundsatzes der Einmaligkeit des Rechtsmittels war die weitere Revisionsrekursbeantwortung zurückzuweisen (RS0007007).

[10] 1. Gemäß § 46 Abs 1 AußStrG beträgt die Frist für den Rekurs 14 Tage. Sie beginnt mit der Zustellung der schriftlichen Ausfertigung des selbständig anfechtbaren Beschlusses, hier also mit der Zustellung des erstgerichtlichen Beschlusses an den Vater am 18. März 2024. Der letzte Tag der Rekursfrist war gemäß § 23 AußStrG iVm § 126 Abs 2 ZPO entgegen der Ansicht des Rekursgerichts nicht der 1. April 2024 (Ostermontag), sondern der 2. April 2024. Der Rekurs des Vaters war daher rechtzeitig, dessen Zurückweisung durch das Rekursgericht erfolgte zu Unrecht.

[11] 2.1. Hat das Rekursgericht einen Rekurs als unzulässig zurückgewiesen, ist es dem Obersten Gerichtshof verwehrt, anlässlich der Entscheidung über diesen – seiner Ansicht nach verfehlten – Zurückweisungsbeschluss gleich in der Sache selbst zu erkennen (vgl RS0007037). Dies gilt auch im Außerstreitverfahren (RS0007037 [T17]). Nimmt das Gericht jedoch eine Sachprüfung vor, obgleich es zunächst seine Entscheidungsbefugnis verneint, so ist ein solcher Beschluss als Sachentscheidung anzusehen; der formale Teil ist dann unbeachtlich (RS0044232; 2 Ob 157/22k). Es genügt somit, wenn die meritorische Überprüfung im Rahmen einer Hilfsbegründung erfolgt (vgl RS0044232 [T17]).

[12] 2.2. Dieser Fall liegt hier vor, weil das Rekursgericht in seiner Begründung zwar zunächst die Rechtzeitigkeit verneint, in der Folge aber auch die inhaltliche Berechtigung des Rekurses geprüft hat. Der Oberste Gerichtshof ist daher befugt, den Revisionsrekurs in der Sache zu prüfen (2 Ob 53/19m):

[13] 3.1. Der Unterhaltsschuldner hat alle Kräfte anzuspannen, um seiner Verpflichtung nachkommen zu können; er muss alle persönlichen Fähigkeiten, insbesondere seine Arbeitskraft so gut wie möglich einsetzen (RS0047686). Tut er dies nicht, wird er so behandelt, als bezöge er Einkünfte, die er bei zumutbarer Erwerbstätigkeit hätte erzielen können, sofern den Unterhaltsschuldner ein Verschulden daran trifft, dass er keine Erwerbstätigkeit ausübt (RS0047495). Der Mangel an zielstrebiger und tatkräftiger Arbeitsplatzsuche löst den Anspannungsgrundsatz aus (RS0106230 [T2]). Die bloße Anmeldung bei der Geschäftsstelle des AMS reicht grundsätzlich nicht aus, sondern hat der Unterhaltsschuldner zur Erzielung eines angemessenen Einkommens auch Eigeninitiativen zu entfalten (RS0108616 [T1]; RS0106230 [T4]; 7 Ob 61/24g). Dabei gilt, dass der Unterhaltsschuldner darzutun hat, dass und wie er seinen Verpflichtungen, nach Kräften zum Unterhalt beizutragen nachgekommen ist (RS0047536; 1 Ob 65/16i). Ob die Voraussetzungen für eine Anspannung im konkreten Fall gegeben sind oder nicht, richtet sich nach den konkreten Umständen des jeweiligen Einzelfalls (RS0113751). Auch die Frage, ob den Unterhaltsschuldner ein Verschulden daran trifft, dass er keine Erwerbstätigkeit ausübt, begründet in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG (vgl RS0007096 [T5]).

[14] 3.2. Im vorliegenden Fall steht fest, dass das letzte Arbeitsverhältnis des Vaters mehr als zwei Jahre zurückliegt. Der Vater hat keine krankheitsbedingten Einschränkungen. Er ist zwar beim AMS als arbeitssuchend gemeldet, hat aber darüber hinaus keine Eigeninitiativen (zB Bewerbungen) entfaltet, was er im Revisionsrekurs auch nicht bestreitet. Weiters steht (disloziert) fest, dass der Vater als Hilfsarbeiter ein durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen in Höhe von 1.867 EUR (1.600*14/12) erzielen könnte. Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, die den Unterhalt auf Basis dieser Bemessungsgrundlage festgesetzt haben, findet somit Deckung in der dargestellten Rechtsprechung, hat der Vater doch keine zielstrebige und tatkräftige Arbeitsplatzsuche dargetan.

[15] 4. Der Revisionsrekurs ist daher im Ergebnis mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückzuweisen.

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