European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0060OB00152.24G.0920.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Zivilverfahrensrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung aus anderen Gründen
Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Mit Beschluss vom 25. 5. 2024 sprach das Erstgericht aus, die vom Kinder- und Jugendhilfeträger ab 6. 5. 2024 gesetzte Gefahr-in-Verzug-Maßnahme der Unterbringung des Kindes in einer Krankenanstalt „bzw“ in einem Heilpädagogischen Zentrum sei seit 14. 5. 2024, 24 Uhr, rechtlich unwirksam. Diese Maßnahme sei vom Kinder- und Jugendhilfeträger umgehend rückgängig zu machen (Spruchpunkt 1). Dem Spruchpunkt 1 komme gemäß § 107a Abs 1 AußStrG von Gesetzes wegen vorläufige Verbindlichkeit und Vollstreckbarkeit zu (Spruchpunkt 3 erster Satz).
[2] Das Erstgericht begründete seine Entscheidung damit, dass der Antrag des Kinder‑ und Jugendhilfeträgers nach § 211 Abs 1 ABGB verfristet sei. Die Fremdunterbringung zunächst in der Krankenanstalt und dann im Heilpädagogischen Zentrum sei als eine einzige Gefahr‑in‑Verzug‑Maßnahme anzusehen, die mit 6. 5. 2024 begonnen habe. Der Antrag vom 21. 5. 2024 sei daher erst nach Ablauf der achttägigen Frist des § 211 Abs 1 zweiter Satz ABGB gestellt worden.
[3] Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Kinder- und Jugendhilfeträgers Folge, hob den Beschluss des Erstgerichts im Umfang der Spruchpunkte 1 und 3 erster Satz auf und verwies die Pflegschaftssache zur neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück.
[4] Das Rekursgericht begründete die Aufhebung damit, dass Feststellungen fehlten, auf deren Basis (bereits) die stationäre Aufnahme des Kindes in der Krankenanstalt als Maßnahme bei Gefahr im Verzug oder als bloße Gefährdungsabklärung iSd § 25 StKJHG qualifiziert werden könne. Auch für die Annahme des Erstgerichts, zwischen der Unterbringung des Kindes in der Krankenanstalt und im Heilpädagogischen Zentrum habe sich der Sachverhalt nicht geändert, fehlten doch Feststellungen insbesondere zu Art und Ergebnissen der Untersuchungen, durch die sich der Verdacht von Gewaltausübung erhärtet haben könnte.
[5] Das Rekursgericht traf keinen Ausspruch zur Zulässigkeit des Revisionsrekurses.
Rechtliche Beurteilung
[6] Der vom Kinder- und Jugendhilfeträger beantwortete Revisionsrekurs der Eltern ist nicht zulässig.
[7] 1. Gemäß § 64 Abs 1 AußStrG ist ein Beschluss, mit dem das Rekursgericht einen Beschluss des Gerichts erster Instanz aufgehoben und diesem eine neuerliche, nach Ergänzung des Verfahrens zu fällende Entscheidung aufgetragen hat, nur dann anfechtbar, wenn das Rekursgericht ausgesprochen hat, dass der Revisionsrekurs zulässig ist. Fehlt ein solcher Ausspruch, ist jedes Rechtsmittel, auch ein außerordentlicher Revisionsrekurs, jedenfalls unzulässig (RS0030814). Auch eine Zulassungsvorstellung nach § 63 AußStrG ist in diesem Fall gemäß § 64 Abs 2 AußStrG nicht zulässig (6 Ob 4/24t; 6 Ob 141/21k).
[8] 2. § 64 Abs 1 AußStrG gilt nur für „echte“ Aufhebungsbeschlüsse (6 Ob 141/21k; RS0111919 [T3]; vgl RS0007218 [T1]). Ein echter Aufhebungsbeschluss liegt vor, wenn eine bestimmte Frage, über die eine selbstständige Entscheidung zu ergehen hat, vom Gericht zweiter Instanz noch nicht abschließend erledigt wird, sondern hierüber eine neuerliche Entscheidung des Erstgerichts ergehen soll (6 Ob 141/21k; RS0044037 [T15]; vgl RS0044033 [T3]). Hingegen liegt eine in Wahrheit abändernde Entscheidung des Rekursgerichts vor, wenn in der Aufhebung des erstinstanzlichen Beschlusses zugleich auch die abschließende Entscheidung über die Unzulässigkeit oder die Unrichtigkeit der Entscheidung der ersten Instanz oder über eine in dieser Entscheidung aufgeworfene und für diese Entscheidung ausschlaggebende Frage liegt, sodass über den bisherigen Entscheidungsgegenstand nicht mehr abzusprechen ist, weil dies inhaltlich bereits durch den Beschluss des Rekursgerichts geschah (6 Ob 141/21k; RS0044035; RS0007218). Dies trifft etwa auf Beschlüsse zu, mit denen ein Antrag oder ein Rechtsmittel aus formellen Gründen, beispielsweise wegen des Fehlens von Verfahrensvoraussetzungen, zurückgewiesen (Schramm in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG² § 64 Rz 4) oder ein solcher Zurückweisungsbeschluss aufgehoben wurde (Rechberger/Klicka in Rechberger/Klicka, AußStrG³ § 64 Rz 2; 6 Ob 141/21k).
[9] 3. Im vorliegenden Fall liegt ein echter Aufhebungsbeschluss, keine abändernde Entscheidung vor, weil das Rekursgericht keine abschließende Entscheidung über die Zulässigkeit der stationären Unterbringung des Kindes in der Krankenanstalt und dem Heilpädagogischen Zentrum getroffen hat, sondern dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung darüber nach Ergänzung der Feststellungen im aufgezeigten Sinn auftrug.
[10] Der Aufhebungsbeschluss des Rekursgerichts, der keinen Zulässigkeitsausspruch enthält, ist daher absolut unanfechtbar (vgl RS0109580).
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