OGH 2Ob112/24w

OGH2Ob112/24w10.9.2024

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Grohmann als Vorsitzende und die Hofräte MMag. Sloboda, Dr. Thunhart und Dr. Kikinger sowie die Hofrätin Mag. Fitz als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am * 2012 verstorbenen F*, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Kinder 1. mj L*, und 2. mj A*, gesetzlich vertreten durch Univ.‑Prof. Dr. Michael Enzinger, Rechtsanwalt in Wien, als Teilobsorgeberechtigten, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 29. März 2024, GZ 44 R 49/24t‑1038, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 2. November 2023, GZ 9 A 203/12a‑985, in Folge Rekurses des Kurators und des Alleinerben abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0020OB00112.24W.0910.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Erbrecht und Verlassenschaftsverfahren

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass der Beschluss des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

 

Begründung:

[1] Der 2012 verstorbene Erblasser hinterließ zwei (noch minderjährige) Kinder und eine (im Jahr 2016 verstorbene) Witwe. Sein Nachlass wurde mit Beschluss des Senats vom 21. November 2023 dem Ehemann und eingeantworteten Erben der 2021 verstorbenen Schwester des Erblassers rechtskräftig eingeantwortet (2 Ob 170/23y [2 Ob 171/23w]).

[2] Die Verlassenschaft wurde ab Ende 2017 von einem Rechtsanwalt als Verlassenschaftskurator vertreten. Mit Beschluss vom 5. Februar 2023 (ON 838) wies das Erstgericht Erbantrittserklärungen der Kinder zurück und sprach aus, dass der Verlassenschaftskurator mit Rechtskraft dieses Beschlusses seines Amtes enthoben werde. Zur Begründung verwies das Erstgericht darauf, dass einander (mit Rechtskraft des Beschlusses) keine widerstreitenden Erbantrittserklärungen mehr gegenüber stünden und es daher keines Verlassenschaftskurators mehr bedürfe. Dieser Beschluss erwuchs (erst) durch die Entscheidung des Senats vom 21. November 2023 in Rechtskraft.

[3] Mit weiterem Beschluss vom 5. Februar 2023 (ON 839) ordnete das Erstgericht – insoweit unbekämpft – die Nachlassseparation zu Gunsten der pflichtteilsberechtigten Kinder „uneingeschränkt“ an und sprach aus, dass dem Verlassenschaftskurator die Rechte und Pflichten eines Separationskurators zukommen. Zur Begründung verwies das Erstgericht auf die Pflichtteilsansprüche der Kinder und die gelungene Bescheinigung von deren subjektiver Besorgnis (§ 812 ABGB aF). Der Senat sprach in der Entscheidung vom 21. November 2023 klarstellend aus, dass die Funktion des Rechtsanwalts als Separationskurator über die Einantwortung hinaus aufrecht bleibt.

[4] Mit in Rechtskraft erwachsenem Beschluss vom 9. Juli 2023 ordnete das Erstgericht die Nachlassabsonderung auch zu Gunsten der Republik Österreich aufgrund deren Stellung als Gläubigerin einer Abgabenforderung an (ON 955).

[5] Am 30. Juni 2023 stellte der (damalige) Verlassenschaftskurator einen Antrag auf verlassenschaftsgerichtliche Genehmigung einer Klagsführung. In dem dem Antrag angeschlossenen Entwurf der Klage war der ruhende Nachlass als Kläger und der Verlassenschaftskurator als dessen Vertreter ausgewiesen, als Beklagte waren die Kinder und deren Adoptivvater genannt. Das Klagebegehren war gegen alle drei Beklagten auf Herausgabe von 45 nachlasszugehörigen Kunstgegenständen gerichtet, die Kinder sollten darüber hinaus nach Art XLII Abs 1 1. Fall EGZPO zu einer Rechnungslegung über ihre Verwaltungs‑ und Vertretungstätigkeit verpflichtet werden. Der Adoptivvater habe nach Art XLII Abs 1 2. Fall EGZPO ebenfalls Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen, er hafte auch für die Vereitelung eines sicheren Gewinns aus der Veräußerung eines Kunstwerks. Nach der Klagserzählung vertraten die Kinder als damals alleine Erbantrittserklärte im Zeitraum Juli 2016 bis November 2017 die Verlassenschaft, verweigern nunmehr (ebenso wie ihr Adoptivvater) die Herausgabe von in diesem Zeitraum „verschwundenen“ Kunstwerken und sind nicht zu einer Rechnungslegung bereit.

[6] Die Kinder sprachen sich gegen die beabsichtigte Klagsführung aus, weil sie ohnehin einen umfassenden Verjährungsverzicht abgegeben hätten.

[7] Das Erstgericht wies den Antrag auf Genehmigung der Klagsführung ab. Das gegen die Kinder gerichtete Rechnungslegungsbegehren habe keine Aussicht auf Erfolg, weil die Kinder nur dem Verlassenschaftsgericht gegenüber zu einer Abrechnung im Hinblick auf ihre Tätigkeit nach § 810 ABGB verpflichtet seien und damit kein Fall des Art XLII Abs 1 1. Fall EGZPO vorliege.

[8] Das Rekursgericht gab Rekursen des Kurators und des Alleinerben Folge und genehmigte die beabsichtigte Klagsführung. Die Kinder seien als Verwalter fremden Vermögens anzusehen und daher rechnungslegungspflichtig.

[9] Dagegen richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Kinder mit dem Antrag auf Abänderung im Sinn einer Abweisung des Antrags; hilfsweise werden Aufhebungsanträge gestellt.

[10] Der Alleinerbe beantragt in der freigestellten Revisionsrekursbeantwortung, den Revisionsrekurs zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben. Der Separationskurator enthält sich in der freigestellten Revisionsrekursbeantwortung eines Rechtsmittelgegenantrags.

Rechtliche Beurteilung

[11] Der Revisionsrekurs ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig und im Sinn des Abänderungsantrags auch berechtigt.

[12] Die Kinder argumentieren, dass die beabsichtigte Klagsführung nicht vom Wirkungskreis und damit der Vertretungsbefugnis des Separationskurators umfasst sei.

Dazu hat der Fachsenat erwogen:

[13] 1. Der als Teilobsorgeberechtiger der Kinder einschreitende Rechtsanwalt ist nach der Aktenlage – unter Beachtung des mit dem außerordentlichen Revisionsrekurs vorgelegten, vorläufig verbindlichen und vollstreckbaren Beschlusses des liechtensteinischen fürstlichen Landgerichts – im hier interessierenden Umfang vertretungsbefugt, kommt ihm doch weiterhin die Teilobsorge „im Zusammenhang mit der Wahrung der Interessen [der Kinder] als sonst Berechtigte nach [dem Erblasser]“ zu.

[14] 2. Den pflichtteilsberechtigten Kindern, zu deren Gunsten die Nachlassseparation angeordnet wurde, kommt in der hier vorliegenden Fallkonstellation Rechtsmittellegitimation zu, behaupten sie doch einen Eingriff in ihre Rechte als Absonderungsgläubiger (RS0006639; vgl auch S. Kropiunig, Ausgewählte Fragen der Nachlassseparation [1993], 184 FN 49).

[15] 3. Für Vertretungshandlungen des Verlassen-schaftskurators ist nicht die auf die Vertretung durch die Erben (Gesamtrechtsnachfolger) zugeschnittene Regelung des § 810 ABGB einschlägig, sondern aufgrund der Verweisung in § 281 Abs 3 ABGB iVm § 258 Abs 4 ABGB die Regelung des § 167 Abs 3 ABGB anzuwenden (RS0129074). Nach § 167 Abs 3 ABGB bedürfen Vertretungshandlungen des Kurators in Vermögensangelegenheiten damit der Genehmigung des Gerichts, sofern die Angelegenheit nicht zum ordentlichen Wirtschaftsbetrieb gehört. Unter dieser Voraussetzung gehören dazu insbesondere die „Erhebung einer Klage und alle verfahrensrechtlichen Verfügungen, die den Verfahrensgegenstand an sich betreffen“ (1 Ob 148/16w Punkt 4. mwN). Handlungen des Verlassenschaftskurators können nur dann genehmigt werden, wenn sie im Interesse der Verlassenschaft liegen, für diese also von Vorteil sind. Hingegen genügt es nicht, wenn diese Handlungen für die Verlassenschaft nur „nicht offenbar nachteilig“ sind (2 Ob 26/21v Rz 11 mwN).

[16] Vergleichbares muss auch für Vertretungshandlungen des Separationskurators gelten, sodass diese nur dann zu genehmigen sind, wenn sie von Vorteil für die Separationsmasse sind (vgl Mondel, Das Recht der Kuratoren³ Rz 11.126 [„analog zu den Ausführungen beim Verlassenschaftskurator“]; vgl auch 5 Ob 568/84 [Rechtsgeschäft „zweckmäßig oder sogar notwendig“]).

[17] 4. Die Entscheidung des Rekursgerichts, mit der die Klagsführung des damaligen Verlassenschaftskurators genehmigt wurde, übergeht den Umstand, dass dessen Tätigkeit als Verlassenschaftskurator rechtskräftig beendet wurde und der Kurator damit (nach der Einantwortung) nur noch als Separationskurator agieren kann. Diese im Rechtsmittelverfahren über die grundsätzlich auch von Amts wegen mögliche Genehmigung einer Rechtshandlung (vgl RS0005755 [T11]) ausnahmsweise zu berücksichtigende Tatsache (vgl G. Kodek in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG I² § 49 Rz 24) führt im Ergebnis zur Wiederherstellung der Entscheidung des Erstgerichts.

[18] 5. Eine Genehmigung der noch vom Verlassenschaftskurator beantragten Klagsführung kommt – wie der nunmehrige Separationskurator in seiner Revisionsrekursbeantwortung zutreffend betont – nämlich schon unter Bedachtnahme auf die in Punkt 4. genannten Entwicklungen nicht in Betracht, weil zwischenzeitlich die als klagende Partei genannte Verlassenschaft nicht mehr existiert und auch die Vertretungsbefugnis des im Klagsentwurf als deren Vertreter bezeichneten Verlassenschaftskurators beendet ist. Ein vom Separationskurator gestellter Antrag auf Genehmigung einer Klagsführung liegt nicht vor.

[19] 6. Im Übrigen würde es dem Separationskurator aus folgenden Erwägungen an der Aktivlegitimation für die (noch vom Verlassenschaftskurator) beabsichtigte Klagsführung fehlen:

[20] 7. Die Frage der Nachlassseparation ist im vorliegenden Fall nach § 812 ABGB idF vor dem ErbRÄG 2015 zu beurteilen (§ 1503 Abs 7 Z 8 ABGB).

[21] 7.1. Durch die Nachlassseparation soll eine rechtliche und faktische Vermögenstrennung zwischen dem Erben und der Verlassenschaft erreicht werden. Es kommt zu einem getrennt verwalteten Sondervermögen, das ausschließlich zur Befriedigung der Nachlassgläubiger zu verwenden ist (2 Ob 90/15x Punkt 1. mwN). Damit soll allen denkbaren Gefahren vorgebeugt werden, die sich aus der tatsächlichen Verfügungsgewalt der Erben über die Verlassenschaft ergeben (RS0013073). Als solche Gefahr wird in der Rechtsprechung regelmäßig die Verringerung des Nachlassgläubigern zur Verfügung stehenden Haftungsfonds angesehen (2 Ob 90/15x Punkt 1. mwN).

[22] 7.2. Der Separationskurator ist der Verwalter des durch die Nachlassseparation geschaffenen Sondervermögens. Seine Befugnisse ergeben sich aus Anlass und Zweck seiner Bestellung. Dies gilt auch für die Frage, in welchen Verfahren der Kurator zur Vertretung des Nachlasses befugt ist. Der Kurator vertritt die Verlassenschaft daher in jenen Verfahren, die innerhalb des Bereichs der Gefahren liegen, zu deren Abwehr er bestellt wurde (2 Ob 90/15x Punkt 2. mwN). Hingegen ist es nicht seine Aufgabe, die Verlassenschaft in Rechtsstreitigkeiten und Exekutionen zu vertreten, die außerhalb des Bereichs der Gefahr liegen, zu deren Abwehr ein Absonderungskurator bestellt werden kann. Insoweit ist weiterhin der Erbe zur Vertretung des Nachlasses berufen (RS0013100).

[23] Die Bestellung des Kurators ändert daher im Allgemeinen nichts am Recht des Erben, den Nachlass in Prozessen zu vertreten, die nur dessen Vermehrung oder Verminderung bewirken können (RS0012295; 2 Ob 90/15x Punkt 2.1.). Der Grund dafür liegt darin, dass bei solchen Prozessen die Interessen des Erben und des Nachlasses regelmäßig übereinstimmen, die Gefahr einer „Vermengung“ – also eines nachteiligen Einwirkens von Erbeninteressen auf den Nachlass und damit auf die Interessen der Gläubiger – daher typischerweise nicht gegeben ist (2 Ob 90/15x Punkt 2.1.). Im Interesse der Rechtssicherheit bleibt die Vertretungsbefugnis des Erben in solchen Aktiv‑ und Passivprozessen der Verlassenschaft damit trotz Separation im Zweifel bestehen. Anderes gilt nur dann, wenn dem die Separation anordnenden Beschluss eindeutig zu entnehmen ist, dass die Besorgnis einer Gefährdung des Antragstellers gerade im Hinblick auf ein Verhalten des Erben in solchen Verfahren angenommen wurde. Nur in diesem Fall erstreckt sich die Vertretungsbefugnis des Kurators auch auf solche Verfahren, sonst ist weiterhin von der Vertretungsbefugnis des Erben auszugehen (2 Ob 90/15x Punkt 2.2. und 2.3.).

[24] Hier bieten weder der Separationsantrag der Kinder noch der Beschluss des Erstgerichts über die Bewilligung der Nachlassseparation Anhaltspunkte dafür, dass die Nachlassseparation im konkreten Fall anderen Gefahren als jenen vorbeugen sollte, die sich aus der tatsächlichen Verfügungsgewalt des Erben über die Verlassenschaft ergeben. Nur in diesem Umfang bestehen daher Befugnisse des Separationskurators, der damit auch nur in solchen Verfahren vertretungsbefugt ist, die mit der Gefahr der Vermengung des Vermögens in Zusammenhang stehen.

[25] Dies ist bei der zu beurteilenden Klagsführung nicht der Fall, weil insoweit die Interessen des Erben und des Nachlasses (bzw der Separationsmasse) übereinstimmen.

[26] 7.3. Zu bedenken ist überdies, dass der Separationskurator nach der Rechtsprechung nach § 810 ABGB vorgenommene, vor seiner Bestellung erfolgte Verwaltungs- und Vertretungstätigkeiten nicht zu überprüfen hat. Seine Tätigkeit hat sich auf die Verwaltung des (bei seiner Bestellung) gegenwärtigen Vermögens zu beschränken. Die Aufklärung von Abgängen vom ursprünglichen Nachlass fällt damit nicht in seinen Pflichtenkreis, weil die Absonderung der Verlassenschaft nicht zurückwirkt (2 Ob 103/98f; vgl bereits 3 Ob 935/33 NZ 1934, 190).

[27] 7.4. Im Übrigen geht nach der Aktenlage auch der Separationskurator selbst davon aus, dass (potentiell) „streitverfangene mögliche Ansprüche“ – damit auch jene, die der beabsichtigten Klagsführung zu Grunde liegen – nicht zum Separationsgut und damit nicht zu seiner Zuständigkeit gehören.

[28] 7.5. Insgesamt argumentieren die Kinder damit zutreffend, dass die beabsichtigte Klagsführung nicht vom Wirkungskreis und damit der Vertretungsbefugnis des Separationskurators umfasst ist.

[29] 8. Ein Eingehen auf die weiteren Argumente im Revisionsrekurs ist nicht erforderlich. Dem außerordentlichen Revisionsrekurs war Folge zu geben und die Entscheidung des Erstgerichts im Ergebnis wiederherzustellen.

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