OGH 2Ob170/23y

OGH2Ob170/23y21.11.2023

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Grohmann als Vorsitzende sowie die Hofräte Hon.‑Prof. PD Dr. Rassi, MMag. Sloboda, Dr. Kikinger und die Hofrätin Mag. Fitz als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am * 2012 verstorbenen F*, wegen Feststellung des Erbrechts zwischen den Antragstellern mj 1. L*, mj 2. A*, gesetzlich vertreten durch Univ.‑Prof. Dr. Michael Enzinger als Teilobsorgeberechtigten, Rechtsanwalt in Wien, 3. W*, vertreten durch Gibel Zirm Rechtsanwälte GmbH & Co KG in Wien, über den Revisionsrekurs des Erstantragstellers und der Zweitantragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 4. Juli 2023, GZ 44 R 194/23i, 44 R 242/23y‑951, mit welchem der Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 5. Februar 2023, GZ 9 A 203/12a‑838, bestätigt und jener vom 28. April 2023, GZ 9 A 203/12a‑907, teilweise abgeändert wurde, und über die Revisionsrekurse des Erstantragstellers und der Zweitantragstellerin sowie des Drittantragstellers gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 4. Juli 2023, GZ 44 R 195/23m‑952, mit welchem der Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 5. Februar 2023, GZ 9 A 203/12a‑839, teilweise abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0020OB00170.23Y.1121.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Erbrecht und Verlassenschaftsverfahren

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

I. Dem Revisionsrekurs des Erstantragstellers und der Zweitantragstellerin gegen den Beschluss des Rekursgerichts zu GZ 44 R 194/23i, 44 R 242/23y‑951 wird nicht Folge gegeben.

Der Einantwortungsbeschluss ON 907 wird mit der Maßgabe bestätigt, dass zusätzlich ausgesprochen wird:

Die Funktion von Univ.‑Prof. Dr. C* als Separationskurator bleibt aufrecht.

Der Erstantragsteller und die Zweitantragstellerin sind schuldig, dem Drittantragsteller binnen 14 Tagen die mit 41.902,69 EUR bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung (darin 6.983,78 EUR Umsatzsteuer) zu ersetzen.

II. Dem Revisionsrekurs des Erstantragstellers und der Zweitantragstellerin gegen den Beschluss des Rekursgerichts zu GZ 44 R 195/23m‑952 wird nicht Folge gegeben.

Hingegen wird dem Revisionsrekurs des Drittantragstellers gegen den Beschluss des Rekursgerichts zu GZ 44 R 195/23m‑952 Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass der Beschluss des Erstgerichts mit der Maßgabe wiederhergestellt wird, dass der Sicherstellungsantrag des Erstantragstellers und der Zweitantragstellerin abgewiesen (statt zurückgewiesen) wird.

 

Begründung:

[1] Strittig ist das Erbrecht nach dem 2012 verstorbenen Erblasser. Der Erstantragsteller und die Zweitantragstellerin sind seine (im Folgenden so bezeichneten) Kinder, weiters sind sie die Erben seiner Witwe, die am 2. März 2016 verstarb. Der Drittantragsteller (im Folgenden: Schwager) ist der Ehemann und eingeantwortete Erbe der am 5. März 2021 verstorbenen Schwester des Erblassers.

[2] Der Erblasser hatte mehrfach letztwillig verfügt. Sein (letztes) Testament vom 20. Juli 2012 (in der Folge: „Testament 2012“) lautete wie folgt:

„Erstens: Ich widerrufe sämtliche letztwillige Verfügungen, die ich vor diesem Testament errichtet habe, insbesondere das von Rechtsanwalt […] verwahrte Testament vom 01. 02. 2011.

Zweitens: Meine beiden Kinder […] sowie meine Ehefrau […] berufe ich zu gleichen Teilen, mithin zu je einem Drittel, zu meinen Erben.

Drittens: [...]

Viertens: Die Zuwendung jener Vermögenswerte, die ich zu meinen Lebzeiten der […] Privatstiftung übertragen habe – es sind dies im Wesentlichen von mir geschaffene Kunstwerke, Werknutzungsrechte an meinen Kunstwerken und eine Sammlung von Werken anderer Künstler –, darf von meinen Erben weder angefochten, noch zum Gegenstand von Erbteilsergänzungsforderungen gemacht werden; dies bei sonstigem Verlust des ihnen in Punkt Erstens zugedachten Erbteiles.“

[3] Im Testament vom 1. Februar 2011 (in der Folge: „Testament 2011“), das in Punkt 1 des Testaments 2012 widerrufen wurde, hatte der Erblasser die Witwe als Erbin und die Kinder als Ersatzerben eingesetzt.

[4] Ebenfalls am 20. Juli 2012 widmete der Erblasser der in Punkt 4 des Testaments 2012 genannten Privatstiftung beträchtliche Vermögenswerte. Diese Widmung war, wie sich in einem später geführten Prozess zwischen der Verlassenschaft und der Privatstiftung herausstellte, nicht formgültig (2 Ob 13/18b). Die Vermögenswerte befinden sich daher im Nachlass.

[5] Die Verlassenschaft wurde im Zeitpunkt der Klagseinbringung durch die Witwe und die (durch einen Kollisionskurator vertretenen) Kinder vertreten. Später wurde die Verlassenschaft durch einen Verlassenschaftskurator vertreten. Bei Einbringung der Klage lagen Erbantrittserklärungen der Witwe und der damals durch sie vertretenen Kinder vor. Das Prozessgericht erteilte der klagenden Verlassenschaft den Verbesserungsauftrag, die verlassenschaftsbehördliche Genehmigung der Klagsführung und die pflegschaftsbehördliche Genehmigung der Zustimmung der Kinder zur Klagsführung vorzulegen. Die Klage wurde in weiterer Folge auf neuen Antrag des Verlassenschaftskurators (nachträglich) „verlass‑ und pflegschaftsgerichtlich“ genehmigt. Die Kinder traten dem Prozess als Nebenintervenienten bei.

[6] Am 30. September 2015 (ON 195) und am 27. Jänner 2016 (ON 217) gaben die Witwe und die durch einen Kollisionskurator vertretenen Kinder aufgrund des Testaments 2012 bedingte Erbantrittserklärungen zu je einem Drittel des Nachlasses ab. Die Schwester des Erblassers gab am 12. Oktober 2017 aufgrund des Gesetzes eine bedingte Erbantrittserklärung zum gesamten Nachlass ab (ON 322). Die Schwester verpflichtete sich mit Notariatsakt vom 16. Oktober 2017 unter der aufschiebenden Bedingung der Anerkennung als Erbin des Erblassers der * Privatstiftung gegenüber, unwiderruflich sämtliche Kunstgegenstände einschließlich der Kunstsammlung des Erblassers, wie er sie der Stiftung übertragen habe wollen, unentgeltlich in die Stiftung einzubringen. Im Gegenzug verpflichtete sich die * Privatstiftung, die Schwester des Erblassers vollkommen schad- und klaglos zu halten, insbesondere hinsichtlich Abgabenforderungen, die sie im Zusammenhang mit den Kunstwerken treffen oder belasten könnten. Vereinbart wurde zudem der Übergang dieser Vereinbarung auf die Rechtsnachfolger der Schwester.

[7] Im darauf folgenden ersten Verfahren über das Erbrecht änderten die nunmehr durch einen Rechtsanwalt gesetzlich vertretenen Kinder mit Schriftsatz vom 13. September 2018 ihre Erbantrittserklärungen dahin ab, dass sie diese – jeweils hilfsweise – auch auf das Testament 2011, ein weiteres Testament vom 10. November 2010 (samt Ergänzungen) und auf das Gesetz stützten (ON 397).

[8] Im Verfahren über das Erbrecht behaupteten die Kinder die Unwirksamkeit (!) des Testaments 2012 wegen Fehlens der Nuncupatio und eines Motivirrtums des Erblassers, wobei darüber aber erst „nach Durchführung des Erbrechtsstreits Gewissheit herrschen“ könne (ON 397). Die Schwester stützte sich demgegenüber auf die Gültigkeit des Testaments 2012 und leitete ihr Erbrecht daraus ab, dass die Erbeinsetzung der Kinder durch Verwirklichung der kassatorischen Klausel in Punkt 4 dieses Testaments weggefallen sei (ON 408).

[9] Das Erstgericht wies die Erbantrittserklärungen der Witwe und der Kinder aus dem Berufungsgrund des Testaments 2012 ab und stellte aufgrund des Gesetzes das Erbrecht der Schwester zum gesamten Nachlass fest, weil das Testament 2012 aufgrund eines wesentlichen Irrtums des Erblassers ungültig sei. Über das Erbrecht der Witwe und der Kinder aufgrund der hilfsweise geltend gemachten älteren Testamente und des Gesetzes entschied es nicht.

[10] Dieser Beschluss wurde rechtskräftig (2 Ob 90/19b), wobei keine Seite die Nichterledigung der Erbantrittserklärungen der Kinder aufgrund der älteren Testamente und des Gesetzes rügte.

[11] Mit Schriftsatz vom 10. Jänner 2019 (ON 429) gaben die Kinder neuerlich bedingte Erbantrittserklärungen aufgrund des Testaments 2011 je zur Hälfte des Nachlasses ab; hilfsweise stützten sie sich auf den Titel des Gesetzes. Diese Erbantrittserklärungen wurden (nur) in Bezug auf das Testament 2011 pflegschaftsgerichtlich genehmigt. Sie führten zum zweiten Verfahren über das Erbrecht, das mit der Entscheidung 2 Ob 122/20k beendet wurde. Der Senat bejahte dabei die Wirksamkeit des Testaments 2012 und führte aus, dass

- aufgrund der neuen Erbantrittserklärungen ein weiteres Verfahren über das Erbrecht zu führen gewesen sei, weil im Vorverfahren über den nun geltend gemachten Berufungsgrund (Testament 2011) nicht entschieden worden sei,

- die der ersten Entscheidung über das Erbrecht zugrunde liegende Annahme, dass das Testament 2012 wegen eines wesentlichen Irrtums ungültig sei, keine Bindungswirkung entfalte,

- in der Sache kein solcher Irrtum vorliege, weswegen die Aufhebung des Testaments 2011 durch das Testament 2012 wirksam sei.

[12] Aus diesem Grund wurden die Erbantrittserklärungen der Kinder abgewiesen, und es wurde (neuerlich) das Erbrecht der Schwester festgestellt.

[13] Die Kinder und die von ihnen vertretene Verlassenschaft nach der Witwe nahmen aufgrund dieser Entscheidung an, dass die Abweisung ihrer aufgrund des Testaments 2012 abgegebenen Erbantrittserklärungen im ersten Verfahren über das Erbrecht keine Rechtskraftwirkung entfalte, und gaben daher aufgrund dieses Testaments neuerlich Erbantrittserklärungen zu je einem Drittel des Nachlasses ab (ON 583). Die Abgabe der Erbantrittserklärungen wurde pflegschaftsgerichtlich genehmigt (ON 695).

[14] Die Schwester beantragte die Zurückweisung der Erbantrittserklärungen unter anderem wegen entschiedener Sache (ON 587).

[15] Dieser Verfahrensabschnitt wurde mit der Entscheidung 2 Ob 65/22f beendet, mit der die Zurückweisung der Erbantrittserklärungen durch das Erstgericht (ON 666) wiederhergestellt wurde. Der Fachsenat hielt dabei fest, dass die Kinder wegen der Einmaligkeitswirkung der Entscheidung im ersten Verfahren ihr Erbrecht mangels Änderung der Sach‑ und Rechtslage nicht mehr auf das Testament 2012 stützen könnten. Davon sei die Frage zu trennen, ob die Begründung der Entscheidung im ersten Verfahren hinsichtlich der Annahme der Ungültigkeit Bindungswirkung entfaltet, was der Senat bereits zu 2 Ob 122/20k verneint habe.

[16] Am 20. September 2022 beantragten die Kinder (erneut) die Nachlassseparation. Aufgrund des Erb‑ und Pflichtteilsverzichts der Witwe gegenüber dem Erblasser betrage der Pflichtteil jedes Minderjährigen ein Viertel des reinen Nachlasses. Sie hätten am 13. April 2022 eine Pflichtteilsklage zu 57 Cg 40/22d des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien eingebracht und die Zahlung von insgesamt 46.791.869,28 EUR begehrt. Dieser Betrag könne ohne Heranziehung der nachlasszugehörigen Kunstwerke weder vom ruhenden Nachlass selbst noch aus dem Vermögen der Schwester des Erblassers gedeckt werden.

[17] In weiterer Folge gaben die Kinder vertreten durch Univ.‑Prof. Dr. Enzinger als Teilobsorgeberechtigten am 13. Februar 2023 (ON 853) aufgrund des Gesetzes bedingte Erbantrittserklärungen je zur Hälfte des Nachlasses ab. Das zuständige Pflegschaftsgericht in Liechtenstein sprach aus, dass diese Erbantrittserklärungen keiner pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung bedürfen.

[18] Im dritten Verfahren über das Erbrecht stellte das Erstgericht im Rahmen des Einantwortungsbeschlusses vom 28. April 2023 (ON 907) das Erbrecht des Schwagers aufgrund des Gesetzes fest und antwortete ihm die Verlassenschaft ein. Die am 13. Februar 2023 abgegebene Erbantrittserklärung der Kinder wurde abgewiesen. Bereits mit Beschluss vom 5. Februar 2023 (ON 838) wies das Erstgericht die von den Kindern am 29. Juli 2022 unter Hinweis auf die Erklärung vom 11. November 2021 aufgrund des Gesetzes abgegebenen Erbantrittserklärungen mangels pflegschaftsgerichtlicher Genehmigung zurück und enthob den Verlassenschaftskurator mit Rechtskraft des Beschlusses.

[19] Mit weiterem Beschluss vom 5. Februar 2023 (ON 839) ordnete das Erstgericht (auf Antrag der Kinder) die Nachlassseparation uneingeschränkt an und sprach aus, dass dem Verlassenschaftskurator die Rechte und Pflichten eines Separationskurators zukommen. Der weitere Antrag der Kinder auf Sicherstellung ihrer Pflichtteilsansprüche von 46.791.869,28 EUR wurde zurückgewiesen.

[20] Das Erstgericht ging von der Wirksamkeit des Testaments 2012 aus. Das Aufrechterhalten des Testaments mit dem Bestreitungsverbot entspreche eher dem Willen des Erblassers als die unbeschränkte Erbfolge der Kinder (als Ersatzerben) aufgrund des Testaments 2011. Es sei der Wille des Erblassers gewesen, die Stiftung vollständig vor den Ansprüchen seiner Frau und der damals zwei- und vierjährigen Kinder abzusichern. Es könne dem Erblasser nicht unterstellt werden, dass er den Verlust des seinen Kindern vermachten Erbteils nur an eine (erst nach Volljährigkeit mögliche) eigenständige Bestreitungshandlung knüpfen habe wollen. Der maßgebliche Wille des Erblassers lasse erkennen, dass er vermögensrechtliche Begehren hintanzuhalten hoffte und gleichzeitig zur Absicherung seines Werkes Handlungsbedarf gesehen habe. Unter „Bestreiten“ falle eine Geltendmachung der Ungültigkeit durch Klage oder Einrede. Eine solche Klage hätten die durch den Kollisionskurator wirksam vertretenen Kinder im Prozess gegen die Privatstiftung (erfolgreich) erhoben. Die Unschädlichkeit der Klagsführung könne nicht aus der vorerst fehlenden (nachträglich erteilten) Genehmigung abgeleitet werden. Damit hätten die Kinder gegen die kassatorische Klausel in Punkt 4 des Testaments verstoßen. Dies habe den Verlust jener Erbteile zur Folge, die der Erblasser seiner Witwe und den Kindern im Testament zugedacht hat. Dieser auf den Verstoß gegen die kassatorische Klausel zurückzuführende Verlust der Erbteile könne weder durch die Berufung auf ein älteres Testament noch durch die Berufung auf das gesetzliche Erbrecht „saniert“ werden. Es sei daher das Erbrecht des Schwagers festzustellen.

[21] Im Beschluss ON 839 ging das Erstgericht von einem Wert des Reinnachlasses in Höhe von 63.249.435,96 EUR aus. Das Recht zur Nachlassabsonderung stehe auch den Pflichtteilsberechtigten zu. Es setze die subjektive Besorgnis der Gläubiger voraus. Ausgehend vom Notariatsakt, mit der sich die Schwester der Privatstiftung gegenüber verpflichtet habe, nachlasszugehörige Kunstwerke und Gegenstände der Kunstsammlung des Erblassers in die Stiftung unentgeltlich einzubringen, und vom Umstand, dass der Schwager keine ausreichende Sicherstellung anbieten hätte können, sei die Sorge der Kinder begründet. Die Anträge auf Sicherheitsleistung nach § 176 AußStrG seien zurückzuweisen, weil eine Einantwortung zum Zeitpunkt des Beschlusses noch nicht möglich sei.

[22] Die Anordnung der Nachlassseparation erwuchs in Rechtskraft, von den Kindern wurde nur die Zurückweisung des Antrags auf Sicherheitsleistung bekämpft.

[23] Das Rekursgericht änderte die angefochtene Entscheidung ON 907 mit Beschluss ON 951 nur insoweit ab, als es noch weitere Erbsantrittserklärungen der Kinder abwies. Es bestätigte die Feststellung des Erbrechts des Schwagers und dessen Einantwortung. Aufgrund § 808 ABGB könnten sich die Kinder nicht auf die gesetzliche Erbfolge berufen, weil dadurch die Erklärung des letzten Willens des Erblassers (im Testament 2012) vereitelt werden würde. Ein Erbprätendent könne die ihm testamentarisch auferlegte Belastung nicht durch Berufung auf sein gesetzliches Erbrecht umgehen. Die kassatorische Klausel im Testament 2012 habe nach dem Wunsch des Erblassers auf die vollständige Absicherung der Stiftung vor den Ansprüchen der Witwe und Kinder abgezielt. Mit ihrem Hinweis, dass die Klage vom Nachlass und nicht den Kindern eingebracht worden sei, interpretierten die Kinder die Klausel dahin, dass bis zur rechtskräftigen Einantwortung keinerlei Raum für irgendeinen Verstoß gegen die Klausel durch testamentarische Erben möglich sei. Ein solcher Wille könne dem Erblasser nicht unterstellt werden. Zudem seien die Kinder als Nebenintervenienten in den Prozess eingetreten und hätten dort vertreten, dass der Wille des Erblassers nicht maßgeblich sei.

Rechtliche Beurteilung

[24] Dem Rekurs der Kinder gegen den Beschluss ON 839 gab das Rekursgericht mit Beschluss ON 952 Folge und ordnete (unter Abweisung des Mehrbegehrens) eine Sicherstellung der Pflichtteile in Höhe von 16.000.000 EUR aus dem Verlassenschaftsvermögen oder einem Bankerlag oder einer Bankgarantie an. Pflichtteilsansprüche von Schutzbefohlenen (also auch von Minderjährigen) seien vor der Einantwortung nach § 176 Abs 2 AußStrG zwingend zu sichern. Durch die rechtskräftig angeordnete Nachlassseparation sei der notwendige Sicherungseffekt nicht erreicht. Es sei nämlich nicht auszuschließen, dass die Pflichtteilsansprüche der Kinder durch den Zugriff anderer Verlassenschaftsgläubiger (zB die Republik Österreich wegen Steuerschulden des Erblassers) geschmälert werden.

I. Zum Revisionsrekurs gegen ON 951 (Erbrecht und Einantwortung):

[25] 1.1 Das Rekursgericht ließ den ordentlichen Revisionsrekurs mangels höchstgerichtlicher Rechtsprechung zur Frage zu, ob eine in der letztwilligen Verfügung enthaltene kassatorische Klausel eine Anordnung iSd § 808 ABGB sei.

[26] 1.2 Gegen die Entscheidung über das Erbrecht und die Einantwortung richtet sich der Revisionsrekurs der Kinder mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss dahin abzuändern, dass die von der Schwester zum Nachlass abgegebene Erbantrittserklärung abgewiesen und das Erbrecht der Kinder jeweils zur Hälfte aufgrund des Gesetzes festgestellt werde und die Verlassenschaft den Kindern je zur Hälfte eingeantwortet werde. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

[27] 1.3 In seiner Revisionsrekursbeantwortung beantragt der Schwager, das Rechtsmittel der Kinder zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.

[28] 1.4 Der Revisionsrekurs ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig, aber nicht berechtigt.

[29] 2. Im Hinblick auf den Todestag des Erblassers ist die Rechtslage vor Inkrafttreten des ErbRÄG 2015 (BGBl I 2015/87) maßgeblich (§ 1503 Abs 7 Z 1 und 2 ABGB).

[30] 3.1 Die Kinder machen hinsichtlich des Einantwortungsbeschlusses einen schwerwiegenden Verfahrensverstoß iSd § 57 Z 6 AußStrG („Nichtigkeit“) geltend, weil die nach § 176 Abs 2 AußStrG zwingend vor Einantwortung zu erfolgende Sicherung ihrer Pflichtteilsansprüche nicht erfolgt sei.

[31] 3.2 Inhaltlich argumentieren die Kinder dahin, dass § 808 ABGB ihrem gesetzlichen Erbrecht nicht entgegenstehe. Diese Regel solle nur den testamentarisch berufenen Erben daran hindern, letztwillig auferlegte Belastungen zu umgehen. Im Anlassfall liege keine Anordnung vor, die nur von den eingesetzten Erben erfüllt werden könne, sodass die Bestimmung nicht anzuwenden sei. Die Kinder könnten sich wegen der bisher ergangenen Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs nicht wahlweise auf das Gesetz oder das Testament stützen, worauf § 808 ABGB aber abziele. Ebensowenig sei § 726 ABGB aF hier anwendbar. Punkt 4 des Testaments 2012 sei ungültig. Zudem hätten die Kinder nicht gegen die Klausel verstoßen. Die Klagsführung der Verlassenschaft sei ihnen nicht zurechenbar. Schließlich habe der Erblasser keinesfalls gewollt, dass seine Schwester erben sollte.

Dazu ist auszuführen:

[32] 4. Dem Vorwurf eines schwerwiegenden Verfahrensverstoßes ist entgegenzuhalten, dass die Pflichtteilsansprüche der Kinder bereits vor der Einantwortung durch die rechtskräftig erfolgte Nachlassabsonderung hinreichend gesichert wurden (dazu umfassend unten Punkte 10 ff), sodass die Ausführungen der Kinder hier ins Leere gehen.

5. Zur kassatorischen Klausel:

[33] 5.1 Vorweg ist festzuhalten, dass der Senat im zweiten Verfahren über das Erbrecht in der Entscheidung 2 Ob 122/20k die Wirksamkeit des Testaments 2012 bejaht hat. Daran ist anzuknüpfen, zumal auch das Rechtsmittel die Wirksamkeit des Testaments als solches nicht bestreitet, sondern sich nur gegen die Gültigkeit von Punkt 4 wendet.

[34] 5.2 In Punkt 4 enthält das Testament eine sog kassatorische Klausel (Verwirkungsklausel), das ist eine im Rahmen der Testierfreiheit grundsätzlich zulässige auflösende Bedingung oder Auflage.

[35] 5.2.1 Der Erbe, der den letzten Willen bestreitet (bzw versucht, der letztwilligen Verfügung ihre Wirksamkeit zu nehmen), um zB eine Belastung zu vermeiden, soll demnach nach dem Willen des Erblassers den letztwillig zugedachten Vorteil oder das gesetzliche Erbrecht verlieren (Apathy/Aigner/Wolkerstorfer, ZR VII ErbR7 Rz 10/19; Musger in KBB7 § 712 Rz 2; Welser in Rummel/Lukas 4 § 720 Rz 1).

[36] 5.2.2 Unter dem Begriff des „Bestreitens“ wird zwar regelmäßig bzw im Zweifel die Geltendmachung der Ungültigkeit der letztwilligen Verfügung durch Klage oder Einrede verstanden, maßgeblich kann jedoch grundsätzlich auch das Zuwiderhandeln gegen die letztwillige Verfügung sein. Es kommt nämlich vor allem darauf an, was der Erblasser mit seiner Formulierung tatsächlich anstrebte, welche Vorstellungen er also hatte. Der Begriff des Anfechtens der letztwilligen Verfügung ist dabei nicht notwendig im technischen Sinn als Setzung eines Vernichtungsaktes zu verstehen (6 Ob 10/14k = RS0129501).

[37] 5.2.3 Die Bestreitung des letzten Willens für den Fall, dass nur die Echtheit oder der Sinn der Erklärung angefochten wird, bleibt nach der hier maßgeblichen Rechtslage vor dem ErbRÄG 2015 (vgl § 720 ABGB aF) – aber auch nach neuem Recht (s § 712 Abs 2 ABGB idF ErbRÄG) – ungeachtet einer solchen Klausel sanktionslos. Bereits zur alten Rechtslage war anerkannt, dass Entsprechendes gilt, wenn sittenwidrige oder gesetzlich verbotene Anordnungen bekämpft oder Verstöße gegen zwingende Formvorschriften eingewendet werden (Welser in Rummel/Lukas 4 § 720 Rz 1), was in § 712 Abs 2 ABGB idF ErbRÄG 2015 ausdrücklich normiert wird.

[38] 5.2.4 Der Erblasser bestimmt innerhalb des Zulässigen die Reichweite des Bestreitungsverbots, was durch Auslegung der Erklärung zu erforschen ist (Eccher in Schwimann/Kodek, Praxiskommentar4 § 720 ABGB Rz 3; Welser, Die kassatorische Klausel, FS Demelius [1973] 497 f; Welser in Rummel/Lukas 4 § 720 Rz 3; 6 Ob 10/14k). Die Auslegung einer letztwilligen Verfügung richtet sich nach dem wahren Willen des Erblassers im Zeitpunkt der Verfügung (2 Ob 151/18x mwN; RS0012370 [T3]; vgl RS0012238 [T1, T2, T8]; vgl RS0012342; vgl RS0012598), der in ihrem Wortlaut zumindest angedeutet sein muss (vgl zur „Andeutungstheorie“: RS0012372). Die Auslegung einer letztwilligen Verfügung hat möglichst so zu erfolgen, dass der vom Erblasser beabsichtigte Erfolg eintritt (RS0012372 [T13]; RS0012370). Es ist also mittels Auslegung der letztwilligen Verfügung zu klären, in welchen Fällen die Resolutivbedingung wirksam sein soll.

[39] 5.3.1 Der Erblasser verfügte mit der kassatorischen Klausel in Punkt 4 seines Testaments 2012, dass die Erben im Fall einer „Anfechtung“ der Zuwendungen an die Privatstiftung das ihnen in Punkt Erstens (erkennbar richtig: Zweitens) des Testaments zugedachte Erbteil verlieren. Aus dem Wortlaut dieser Klausel ergibt sich zwar nicht, dass ein Verstoß dagegen nicht nur die testamentarische Erbfolge, sondern zusätzlich auch die gesetzliche Erbfolge ausschließt.

[40] 5.3.2 Der Senat hat aber bereits zu 2 Ob 122/20k festgehalten, dass der Erblasser mit dem Testament 2012 die Stiftung gegen Ansprüche der Witwe und der Kinder absichern wollte („vollständig zu schützen“). Es besteht nach dieser Entscheidung kein Zweifel, dass das Aufrechterhalten des Testaments mit dem Bestreitungsverbot eher dem Willen des Erblassers entspricht als die unbeschränkte Erbfolge der Kinder (als Ersatzerben) aufgrund des Testaments 2011 (Rz 37).

[41] 5.3.3 Daran ist anzuknüpfen, zumal die Vorinstanzen Feststellungen zum Willen des Erblassers in diese Richtung getroffen haben. Weder aus dem Testament noch aus den Feststellungen der Vorinstanzen lässt sich ableiten, der Erblasser hätte keinesfalls gewollt, dass seine Schwester erben solle. Die diesbezüglichen Ausführungen im Rechtsmittel gehen daher ins Leere. Durch das Bestreitungsverbot sollte die Stifung und damit auch das Lebenswerk des Erblassers vollständig und ungeteilt geschützt werden. Unter Berücksichtigung des wahren Willens des Erblassers stellt sich die vom Erblasser im vorliegenden Fall getroffene letztwillige Anordnung somit als resolutiv bedingtes „negatives Testament“ dar, somit als eine Beschränkung der Pflichtteilsberechtigten auf den ihnen zustehenden Pflichtteil (vgl 6 Ob 10/14k Pkt 4.1), weil die Anordnung sonst (mangels verfügter Ersatzerbschaft) keine praktische Wirkung hätte. Damit hat ein Verstoß gegen die Bestreitungsklausel auch den Ausschluss des gesetzlichen Erbrechts zur Folge.

[42] 5.3.4 Vor dem Hintergrund des vom Erblasser intendierten vollen Schutzes der Privatstiftung vor Ansprüchen der Witwe und der Kinder entspricht diese umfassende Anwendung der kassatorischen Klausel dem Erblasserwillen. Ihm musste klar sein, dass das Erbrecht diesfalls nicht seinen Kindern, sondern anderen (gesetzlichen) Erben zufallen würde. Geht man somit davon aus, dass die erblasserische Witwe und die Kinder gegen das Bestreitungsverbot verstoßen haben (dazu unten), wäre die Resolutivbedingung erfüllt, womit die Genannten von der Erbfolge ausgeschlossen wären (idS bereits 6 Ob 10/14k mwN).

[43] 5.3.5 Es kann daher dahinstehen, ob eine kassatorische Klausel wegen § 726 ABGB aF (der insoweit auch der Fassung nach dem ErbRÄG 2015 entspricht) als „übrige Verfügung“ im Allgemeinen auch von den gesetzlichen Erben zu beachten ist. Im Anlassfall schloss der Erblasser nämlich die testamentarisch bedachten Kinder im Falle eines Verstoßes gegen Punkt 4 des Testaments (auch) vom gesetzlichen Erbrecht aus. Ein solcher Verstoß liegt vor (dazu unten), sodass den Kindern wegen des damit wirksamen negativen Testaments kein gesetzliches Erbrecht gebührt, an das § 726 ABGB aber anknüpft. Eine Berufung auf das gesetzliche Erbrecht ist wegen des negativen Testaments daher nicht möglich, sodass auch nicht zu prüfen ist, ob eine solche Berufung (auch) an § 808 ABGB scheitern muss. Die entsprechenden Ausführungen im Rechtsmittel zu §§ 726, 808 ABGB können daher den Standpunkt der Kinder nicht stützen.

[44] 5.4 Die Kinder können sich auch nicht darauf berufen, dass mit der Klage gegen die Stiftung Verstöße gegen zwingende Formvorschriften erfolgreich eingewandt wurden. Zwar bleibt das Geltendmachen von Verstößen gegen zwingende Formvorschriften auch bei einer kassatorischen Klausel sanktionslos (siehe bereits oben zu 5.2.3). Gemeint sind hier aber die die letztwillige Verfügung betreffenden Formvorschriften (idS auch Welser, Die kassatorische Klausel, FS Demelius [1973] 502). Eine kassatorische Klausel basiert auf einer letztwilligen Verfügung. Wenn aber die Wirksamkeit der letztwilligen Verfügung wegen der Nichteinhaltung von zwingenden Formvorschriften zu verneinen ist, kann die Klausel (ebenso auch bei Fehlen der Echtheit der Klausel) wegen des Bestreitens der Wirksamkeit des letzten Willens (dessen Teil die Klausel ist) im Regelfall schon deshalb keine Sanktionen auslösen. Vorliegend wurden aber hinsichtlich des letzten Willens keine Verstöße gegen zwingende Formvorschriften behauptet. Der in der Klage gegen die Stiftung gerügte Formmangel bezog sich auf den (vom Testament unabhängigen) Notariatsakt, dessen Formmangel die Übertragung der Kunstwerke an die Stiftung verhinderte. Die Kinder können sich daher nicht darauf berufen, dass die erfolgreiche Klage gegen die Stiftung sanktionslos bleiben muss.

[45] 5.5 Auch die Ausführungen im Rechtsmittel, dass der Erblasser mit der kassatorischen Klausel Ergänzungsforderungen aus dem Erb- und Pflichtteil vorbeugen wollte, sodass die Klausel deshalb gesetzwidrig sei, haben keine Relevanz. Weder im Verfahren gegen die Stiftung noch in einem anderen Verfahren wurden solche Forderungen geltend gemacht. Ob ein Verstoß gegen die Klausel insoweit sanktionslos wäre, wenn die Kinder solche Forderungen geltend gemacht hätten, kann damit dahinstehen.

[46] 5.6 Entsprechendes gilt für die Ausführungen, dass die Klausel auch wegen einer analogen Anwendung der sozinischen Klausel (s dazu 6 Ob 10/14k) unwirksam sei, weil der Erblasser den Kindern nicht mehr als die Pflichtteilsdeckung zugewendet habe. Die den Kindern zuzurechnenden Handlungen (siehe unten), die zum Verlust des Erbrechts führten, betrafen keine Ansprüche zur Durchsetzung der Pflichtteilsdeckung, sodass es dahinstehen kann, ob die kassatorische Klausel im Hinblick auf eine sozinische Klausel unwirksam ist.

[47] 5.7 Die Vorinstanzen sind auch zutreffend davon ausgegangen, dass durch die erfolgreiche Klagsführung gegen die Stiftung gegen Punkt 4 des Testaments verstoßen wurde. Streitgegenstand der Klage gegen die Stiftung war die Frage, ob der Erblasser vor seinem Tod die Gegenstände wirksam an die Stiftung übertragen hat. Die Klausel soll aber gerade die Anfechtung der zu Lebzeiten des Erblassers durch ihn erfolgten Zuwendung von Vermögenswerten an die Stiftung sanktionieren.

[48] 5.8 Der Verstoß gegen Punkt 4 des Testaments ist den Kindern auch zurechenbar.

[49] 5.8.1 Die Witwe gab am 11. September 2012 eine Erbantrittserklärung namens ihrer minderjährigen Kinder (6 Ob 108/61) und für sich ab (in ON 33). Mit Beschluss vom 4. Oktober 2012 wurde für die Kinder ein Kollisionskurator bestellt (ON 25a). Die Bestellung des Kurators machte die Erbantrittserklärung nicht unwirksam, weil die Vertretungsmacht des Kurators erst mit der Bestellung auf ihn übergeht. Die Klage der Verlassenschaft gegen die Privatstiftung wurde am 8. Oktober 2012 eingebracht und nachträglich mit Beschluss vom 24. Jänner 2013 „verlass- und pflegschaftsgerichtlich“ genehmigt (ON 46). Mit Beschluss vom 7. Dezember 2012 wurde ein Verlassenschaftskurator bestellt (ON 37a).

[50] 5.8.2 Auf Grund der Erbantrittserklärung war die Mutter und später der Kollisionskurator namens der Minderjährigen zur Vertretung der Verlassenschaft berechtigt, bis der Verlassenschaftskurator bestellt wurde (§ 173 Abs 1 Satz 2 AußStrG). § 1017 ABGB enthält den zentralen stellvertretungsrechtlichen Grundsatz, dass das rechtliche Handeln des Machthabers mit ausreichender Vertretungsmacht für den Machtgeber die gleichen Konsequenzen hat wie dessen eigenes Agieren. Grundsätzlich muss sich also der Vertretene die dem Umfang des Auftrages entsprechende Vertretungstätigkeit seines Vertreters wie seine eigenen Handlungen zurechnen lassen (7 Ob 354/98d; P. Bydlinski in KBB7 § 1017 ABGB Rz 1). Dies gilt auch für die gesetzliche Vertretung des Kindes, soweit es sich um Maßnahmen im Rahmen des ordentlichen Wirtschaftsbetriebes handelt oder wenn bei Maßnahmen, die zum außerordentlichen Wirtschaftsbetrieb zählen, eine pflegschaftsbehördliche Genehmigung vorliegt (7 Ob 354/98d).

[51] 5.8.3 Dass die erforderliche pflegschaftgerichtliche Genehmigung erst nachträglich erteilt wurde, schadet nicht (RS0035373). Die Genehmigung der Klagsführung der Verlassenschaft gegen die Stiftung wurde vom Erstgericht ua mit Blick auf die Errichtung der Stiftung damit begründet, dass den Kindern dadurch ein Schaden entstanden sein könnte, weil die Höhe des Nachlasses entscheidend von den der Stiftung gewidmeten Kunstgegenstände abhängen könnte (ON 46).

[52] 5.8.4 Im Klagszeitpunkt lag die Antretung der Erbschaft und der Erbrechtsausweis vor (§ 810 ABGB). An der ex lege eingetretenen Vertretungsbefugnis der Verlassenschaft (ua) durch die Kinder im Zeitpunkt der Klagseinbringung ändert die spätere Zurückweisung der (früheren) Erbantrittserklärungen der Kinder nichts. Das Recht nach § 810 ABGB setzt auch keine Geschäftsfähigkeit des Erben voraus; die Verwaltung und Vertretung erfolgt unter Mitwirkung des gesetzlichen Vertreters (Nemeth in Schwimann/Kodek 5 § 810 Rz 3; Spruzina in Kletečka/Schauer 1.02 § 810 Rz 5; Welser in Rummel/Lukas 4 § 810 Rz 2). Mehreren Miterben steht die Berechtigung gemeinsam zu (RS0008124; vgl RS0008120).

[53] 5.8.5 Die erbantrittserklärten Erben (Witwe und Kinder) waren damit gemeinsam zur Vertretung der Verlassenschaft berechtigt und konnten daher eine Klage gegen die Stiftung namens der Verlassenschaft erheben. Damit ist davon auszugehen, dass den Kindern die Klage gegen die Stiftung und damit der Verstoß gegen die kassatorische Klausel zuzurechnen ist.

[54] 6. Im Ergebnis ist daher davon auszugehen, dass mit der den Kindern zuzurechnenden Klage der Verlassenschaft gegen die Stiftung gegen die wirksame Bestreitungsklausel verstoßen wurde, was dem gesetzlichen Erbrecht der Kinder im Sinn des letzten Willens des Erblassers entgegensteht. Dem Rechtsmittel der Kinder war damit nicht Folge zu geben.

[55] 7. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 78 Abs 2 iVm 185 AußStrG. Der Schwager (als Erbe der Schwester, seiner Gattin) hat zu Recht an die Bemessungsgrundlage des vorherigen Rechtsgangs (dazu 2 Ob 65/22f Rz 37) angeknüpft, in der sich die Kinder und die Schwester gegenüberstanden. Zudem ist auch das Rekursgericht in seiner Kostenentscheidung, die nicht mehr überprüfbar ist, von dieser Bemessungsgrundlage ausgegangen.

II. Zu den Revisionsrekursen gegen ON 952 (Sicherheitsleistung):

[56] 8.1 Das Rekursgericht ließ den ordentlichen Revisionsrekurs ua deshalb zu, weil höchstgerichtlich noch nicht geklärt sei, ob bereits durch eine rechtskräftig angeordnete Nachlassseparation der Zweck der Sicherstellung von Pflichtteilsansprüchen erreicht werde.

[57] 8.2 Mit seinem Revisionsrekurs strebt der Schwager die Abänderung der Rekursentscheidung dahin an, dass der Antrag auf Sicherstellung der Pflichtteilsansprüche ab- bzw zurückgewiesen werde. Bereits die Nachlassabsonderung sei ein taugliches Sicherungsinstrument für die behaupteten Pflichtteilsansprüche.

[58] 8.3 Die Kinder bekämpfen mit Revisionsrekurs die Entscheidung über die Sicherheitsleistung dahin, dass diese auf zumindest 24.000.000 EUR erhöht werde. Dabei vertreten sie (wie das Rekursgericht) die Ansicht, dass die Absonderung des Nachlassvermögens keine ausreichende Sicherheit sei.

[59] 8.4 Der Schwager und die Kinder beantragen in ihren jeweiligen Rechtsmittelbeantwortungen, dem Revisionsrekurs der Gegenseite nicht Folge zu geben.

[60] 8.5 Die Revisionsrekurse sind aus dem vom Rekursgericht angeführten Grund zulässig; es kommt jedoch nur dem Rechtsmittel des Schwagers Berechtigung zu.

Dazu ist auszuführen:

[61] 9. Pflichtteilsansprüche fallen als „erbrechtliche Ansprüche“ unter § 176 Abs 1 AußStrG (ErläutRV 224 BlgNR 24. GP  111; vgl 2 Ob 123/20g Rz 18 mwN). Vom daran anknüpfenden Abs 2 leg cit sind die minderjährigen Kinder als „schutzberechtigte Personen“ umfasst (2 Ob 104/22s Rz 22).

[62] 9.1 Es ist unstrittig, dass die Pflichtteilsansprüche der Kinder noch nicht erfüllt sind. In einem solchen Fall ist vor Einantwortung Sicherheit zu leisten (§ 56 ZPO). Wird die Sicherheit trotz fristgebundener Aufforderung nicht erlegt, so hat das Verlassenschaftsgericht den Erlag mit Beschluss aufzutragen.

[63] 9.2 Zur Art der Sicherstellung verweist § 176 Abs 2 AußStrG auf § 56 ZPO, der in seinem Abs 1 in erster Linie den gerichtlichen Erlag von Bargeld oder mündelsicheren Wertpapieren vorsieht und in Abs 2 nach Ermessen des Gerichts „insbesondere“ auch Einlagebücher oder die Einräumung einer Hypothek zulässt. Damit zählt § 56 ZPO die Mittel zur Sicherstellung nicht taxativ auf. Das Gericht kann nach § 56 ZPO im Rahmen seines am Sicherungszweck orientierten Ermessens auch alternative Sicherstellungsarten zulassen, die im Gesetz nicht ausdrücklich erwähnt sind (Fucik in Fasching/Konecny³ § 56 ZPO Rz 11 mwN; vgl 2 Ob 596/86). Auch zu vergleichbaren Bestimmungen wird judiziert, dass stets der Zweck der Sicherheitsleistung im Auge zu behalten ist (RS0002418 [T2] zu § 390 EO).

[64] 9.3 Entscheidend ist jedenfalls, dass die Sicherstellung entweder vor der Einantwortung zu erfolgen hat oder zumindest die Erfüllung des Anspruchs im Zeitpunkt der Einantwortung gehörig sichergestellt sein muss (2 Ob 104/22s Rz 24).

[65] 9.4 Das Gesetz setzt nicht voraus, dass die Sicherheit aus dem Vermögen des Erben geleistet wird. Nach Abs 3 leg cit kann die Sicherheit vielmehr auch „aus dem Verlassenschaftsvermögen“ gestellt werden. Nach den Materialien liegt Abs 3 zugrunde, dass der Erbe die Sicherstellung nicht aus eigenem aufbringen kann. Statt ihn auf Zwischenfinanzierungen zu verweisen, soll ihm die Sicherstellung aus dem Nachlass erlaubt werden (ErläutRV 224 BlgNR 24. GP  12).

[66] 10. Unter Berücksichtigung des zentralen Zwecks der Sicherheitsleistung und der Tatsache, dass das Gesetz die Art der Sicherheit nicht streng vorgibt, sondern auch eine Sicherheit aus der Verlassenschaft zulässt, erweist sich der Standpunkt des Schwagers, die Pflichtteilsansprüche der Kinder seien bereits mit der Nachlassabsonderung ausreichend gesichert, als zutreffend.

[67] 10.1 Die Absonderung der Verlassenschaft ist in § 812 ABGB geregelt, wobei im Anlassfall (auch) diese Bestimmung in der Fassung vor dem ErbRÄG 2015 anzuwenden ist, weil das Verlassenschaftsverfahren vor dem 1. Jänner 2017 anhängig gemacht wurde (§ 1503 Abs 7 Z 8 ABGB).

[68] 10.2 Die Nachlassabsonderung hat zur Folge, dass der erbantrittserklärte Erbe dem antragstellenden Gläubiger nicht mehr mit dem eigenen Vermögen, sondern nur mehr mit dem Sondervermögen haftet (§ 812 S 2 ABGB aF) und daher (nur) mit der Sache selbst (Haftungsbeschränkung cum viribus, vgl Apathy/Aigner/Wolkerstorfer, ZR VII ErbR7 Rz 6/14). Mit der Antragstellung verzichtet der Gläubiger daher auch darauf, in das Vermögen des Erben Exekution zu führen (3 Ob 195/91z = RS0115985).

[69] 10.3 Die in § 812 ABGB geregelte Nachlassseparation bezweckt als Sicherungsmittel für die Verlassenschaftsgläubiger im Wesentlichen, den Nachlass gegen Zugriffe der Erben und Erbengläubiger zu sichern (RS0013073). Auch der Noterbe (Pflichtteilsberechtigte) ist zur Stellung eines Antrags auf Nachlassseparation berechtigt (RS0013052). Durch die Absonderung der Verlassenschaft vom Vermögen des Erben gemäß § 812 ABGB soll eine rechtliche und faktische Vermögenstrennung zwischen dem Erben und der Verlassenschaft erreicht werden. Zweck der Nachlassseparation ist nicht nur die Abwehr von Gefahren, die dem Gläubiger durch Vermengung der Nachlassaktiven mit solchen des Erben drohen. Die Trennung soll vielmehr allen denkbaren Gefahren vorbeugen, die sich aus der tatsächlichen Verfügungsgewalt des Erben ergeben (RS0013073; RS0105648). Nach § 812 ABGB aF muss die Separation immer die gesamte Verlassenschaft betreffen, einzelne Bestandteile können nicht separiert werden (RS0013079).

[70] 10.4 Die Separation endet nicht mit der – durch sie auch nicht gehinderten – Einantwortung, sondern besteht auch nach der Einantwortung solange fort, bis ihr Zweck erreicht ist, also entweder feststeht, dass die Absonderungsforderung nicht bestanden hat oder durch Zahlung oder auf andere Weise untergegangen ist oder eine ausreichende Sicherstellung des Absonderungsgläubigers vorgenommen wurde (2 Ob 148/10v mwN). Demnach kann der Erbe die aus dem Nachlass stammenden Vermögensbestandteile nicht veräußern, auch wenn er durch die Einantwortung Eigentum erworben hat, solange die Nachlassabsonderung nicht aufgehoben ist. Soll während der Fortdauer der Separation eine Veräußerung der zum Sondervermögen, das auch nach der Einantwortung vom sonstigen Vermögen des Erben getrennt bleibt, gehörenden Liegenschaft stattfinden, muss für eine dem Wert des der Sondermasse entzogenen Vermögensbestandteils entsprechende Sicherheit vorgesorgt sein (2 Ob 148/10v mwN).

[71] 10.5 Der Separationskurator hat die Aufgabe, den Befriedigungsfonds für die Pflichtteilsberechtigten (bzw Gläubiger) zu sichern und zu erhalten (RS0001309; vgl Verweijen in Schneider/Verweijen, § 175 AußStrG Rz 22; Sailer in Gitschthaler/Höllwerth 2 § 175 AußStrG Rz 9). Im Anlassfall besteht kein Zweifel, dass das entsprechende Nachlassvermögen durch den Kurator gesichert ist und damit auch vor einem Zugriff durch den Erben geschützt ist. An der verlassenschaftszugehörigen Liegenschaft wurde die Nachlassabsonderung im Grundbuch angemerkt (ON 841). Aus dem Akteninhalt ergibt sich, dass der bisher als Verlassenschaftskurator agierende Separationskurator mit wenigen Ausnahmen die Verwahrung der Kunstwerke des Erblassers administriert und sie damit auch vor dem Zugriff Dritter schützen kann (siehe etwa den Bericht des Kurators vom 15. November 2022 samt Beilagen). Unter anderem befinden sich sämtliche Kunstwerke, die der Verlassenschaft von der Privatstiftung übergeben wurden, in Obhut eines Kunstspeditions- und Lagerunternehmens, wobei der Lagervertrag mit diesem Unternehmen vom Kurator verwaltet wird. Entsprechendes gilt für die Kunstwerke, die sich in der verlassenschaftszugehörigen Liegenschaft befunden haben. Weitere Kunstwerke sind bei Galeristen bzw Kommissionären, wobei der Bestand auch dort gesichert ist, weil sie im Einflussbereich des Kurators sind (vgl dessen Bericht vom 15. November 2022, Rz 79 ff). Das wird auch durch mehrere Beschlüsse des Erstgerichts dokumentiert, wonach zur Deckung der laufenden Kosten der Verlassenschaft einzelne Kunstwerke auf Initiative des Kurators veräußert wurden (zB ON 844, 845, 964, 966).

[72] 11. Aus dem Gesagtem ergibt sich, dass bereits mit der – zugunsten der Kinder bewirkten – Nachlassabsonderung die Befriedigung ihrer Pflichtteilsansprüche iSd § 176 Abs 2 AußStrG sichergestellt ist. Mit der Absonderung wird allen denkbaren Gefahren vorgebeugt, die sich aus der tatsächlichen Verfügungsgewalt des Erben ergeben. Die Sicherung durch Absonderung endet erst, wenn ihr Zweck erreicht ist, also entweder feststeht, dass die Absonderungsforderung nicht bestanden hat oder durch Zahlung oder auf andere Weise untergegangen ist oder eine ausreichende Sicherstellung des Absonderungsgläubigers vorgenommen wurde. Wegen des Absonderungsantrags sind die Kinder auf das Verlassenschaftsvermögen als (einzigen) Haftungsfonds für ihre Pflichtteilsansprüche beschränkt, dieser Haftungsfonds bleibt aber auch nach Einantwortung erhalten. Gerade diesen Zweck verfolgt die Sicherstellung nach § 176 AußStrG – es soll durch die Einantwortung den Pflegebefohlenen nicht der Haftungsfonds entzogen werden, bevor ihre Ansprüche sichergestellt sind.

[73] 12.1 Diesem Ergebnis kann – entgegen der Rechtsansicht des Rekursgerichts – nicht entgegengehalten werden, dass das abgesonderte Vermögen durch den Zugriff anderer Verlassenschaftsgläubiger geschmälert werden könnte. Zu den aktenkundigen Gläubigern gehört die Republik Österreich, die Steuerforderungen in der Höhe von 7.352.079,41 EUR geltend macht. Auch zu ihrem Gunsten wurde mit Beschluss des Erstgerichts vom 9. Juli 2023 (ON 955) die Absonderung bewilligt.

[74] 12.2 Zu beachten ist, dass Schulden des Verstorbenen („Erblasserschulden“) von den Verlassenschaftsaktiven abzuziehen sind (Apathy/Aigner/Wolkerstorfer, ZR VII ErbR7 Rz 4/9). Die Bemessungsgrundlage für den Pflichtteil ist (abgesehen von Hinzurechnungen) damit (nur) die „reine Verlassenschaft“. Damit wird die Rechtsstellung der Kinder durch das Hinzukommen eines Verlassenschaftsgläubigers als weiteren Absonderungsgläubiger nicht beeinträchtigt. Die mit der Nachlassabsonderung verbundene Sicherstellung des Pflichtteilsanspruchs kann somit durch weitere Verlassenschaftsgläubiger im Ergebnis nicht verschlechtert werden.

[75] 13.1 Damit war die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, dass der Beschluss des Erstgerichts wiederhergestellt wird. Dies mit der Maßgabe, dass der Antrag auf Auferlegung einer Sicherheitsleistung abzuweisen war. Wegen der bereits bestehenden Sicherheit durch Nachlassseparation erweist sich der weitere Antrag auf Auferlegung einer Sicherheitsleistung nämlich als (inhaltlich) unbegründet.

[76] 13.2 Zur Klarstellung war auch der Einantwortungsbeschluss ON 907 mit der Maßgabe zu bestätigen, dass die Separationskuratel aufrecht bleibt. Nach der Rechtsprechung bleibt bei einer über die Einantwortung hinauswirkenden Nachlassseparation (RS0008318, RS0013094, RS0105543) der Separationskurator weiterhin im Amt (vgl zB 8 Ob 244/02v, 5 Ob 224/08i). Dessen (konstitutive) Enthebung hat losgelöst von der Einantwortung zu erfolgen (Mondel, Das Recht der Kuratoren3 Rz 3.180). Ungeachtet des Umstands, dass das Erstgericht Univ.‑Prof. Dr. C* als Verlassenschaftskurator mit Rechtskraft des Beschlusses ON 838 enthoben wurde, bleibt seine Funktion als Separationskurator aufrecht (s ON 839). Dies entspricht auch dem Entscheidungswillen des Erstgerichts, weil dieses in seiner Begründung davon ausgegangen ist, dass die Separation bis zur Befriedigung oder Sicherstellung auch nach der Einantwortung weiterwirkt.

[77] 14. Die Kinder sind mit ihrem Rechtsmittel auf diese Entscheidung zu verweisen.

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