OGH 2Ob26/21v

OGH2Ob26/21v5.8.2021

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Veith als Vorsitzenden sowie den Hofrat Dr. Musger, die Hofrätin Dr. Solé und die Hofräte Dr. Nowotny und MMag. Sloboda als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach G***** T*****, verstorben am ***** 2017, *****, über den Revisionsrekurs der Verlassenschaft nach G***** T*****, vertreten durch den Verlassenschaftskurator Mag. G***** S*****, dieser vertreten durch Held Berdnik Astner & Partner Rechtsanwälte GmbH in Klagenfurt, gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt als Rekursgericht vom 7. Dezember 2020, GZ 3 R 142/20x‑109, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Villach vom 21. August 2020, GZ 15 A 449/17p‑105, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0020OB00026.21V.0805.000

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

 

Begründung:

[1] Der Verstorbene hinterließ keine Erben und keine letztwillige Verfügung. Zur Vertretung des ruhenden Nachlasses und zur Verwertung der Fahrnisse wurde gemäß § 157 Abs 4 AußStrG (nach einer Umbestellung) der einschreitende Verlassenschaftskurator bestellt. Der durch die Finanzprokuratur vertretene Bund äußerte die Absicht, „nach Abschluss der Realisation“ des Verlassenschaftsvermögens den Antrag auf dessen Übergabe zu stellen.

[2] In den Nachlass fällt unter anderem ein Motorboot samt „Wörthersee‑Zulassung“. Der Verkehrswert des Motorboots beträgt 6.500 EUR. Zur „Wörthersee-Zulassung“ führte ein Sachverständiger aus, dass von der Landesregierung schon seit Jahrzehnten keine neuen Zulassungen ausgegeben würden, weshalb solche erheblich an Wert gewonnen hätten und im Bereich von 250.000 bis 300.000 EUR gehandelt würden. Der Landeshauptmann habe mit der Verordnung vom 27. Juli 2016 (LGBl 53/2016) versucht, die Weitergabe von Kennzeichen zu unterbinden. Es gebe zwar Möglichkeiten, dies zu umgehen, im vorliegenden Fall werde aber das Kennzeichen an das Land zurückfallen, weshalb der Wert der Zulassung nicht zu berücksichtigen sei.

[3] Ungeachtet dessen beantragte der Verlassenschaftskurator die verlassenschaftsgerichtliche Genehmigung des gleichzeitig vorgelegten Gesellschaftsvertrags der D***** KG vom 1. April 2020, abgeschlossen zwischen der durch den Kurator vertretenen Verlassenschaftals Komplementärin und einer weiteren Person als Kommanditist. Sinn der Gesellschaftsgründung sei die Einbringung und gewinnbringende Verwertung des im Eigentum der Verlassenschaft stehenden Motorboots samt der auf die Verlassenschaft lautenden „Wörthersee-Zulassung“, was den Wert des Boots von 6.500 EUR auf zumindest 250.000 EUR steigen lasse, da die Gesellschaftsanteile gehandelt werden könnten. Nach verlassenschaftsgerichtlicher Genehmigung werde bei der Schifffahrtsbehörde eine neue „Lizenz“, lautend auf die KG, eingeholt und anschließend ein Kauf- und Abtretungsvertrag mit einem Dritten (dem Kommanditisten) geschlossen werden, in welchem die Verlassenschaft ihre Anteile an der KG zu einem Kaufpreis von 256.500 EUR veräußern bzw abtreten werde. Dieser gesellschaftsrechtliche Vorgang unterliege dann keiner weiteren Prüfung durch die Schifffahrtsbehörde mehr. Diese Form der Verwertung sei zum wirtschaftlichen Vorteil der Verlassenschaft.

[4] Nach dem vorgelegten Vertrag wäre die Verlassenschaft unbeschränkt haftende Gesellschafterin, die den Wert des Boots samt „Wörthersee-Zulassung“ einbrächte und die natürliche Person Kommanditist mit einer Einlage von 100 EUR. Die Verlassenschaft haftete nicht nur für den rechtswirksamen Übergang des Eigentums am genannten Boot, sondern auch für jenen der Zulassung. Gewinn, Verlust und die Substanz der Gesellschaft würden im Verhältnis von 99,961 % zu 0,039 % zwischen der Verlassenschaft als Komplementärin und dem Kommanditisten geteilt. Für den Fall der nicht erfolgreichen Umschreibung auf die Gesellschaft binnen drei Monaten aber wäre vorgesehen, dass sich die Verlassenschaft von ihrer Einlagepflicht nur durch Zahlung von 900 EUR befreien könne und dann Gewinn, Verlust und Substanz der Gesellschaft im Verhältnis 90 % (Verlassenschaft) zu 10 % (Kommanditist) verteilt werden würden.

[5] Das Erstgericht wies den Antrag unter Hinweis auf die Gesetzwidrigkeit der Übertragung von Schiffszulassungen und die Nichtigkeit des angestrebten Umgehungsgeschäfts ab. Im Übrigen sei der Vertrag aufgrund der darin enthaltenen Haftungsbestimmungen zu Lasten der Verlassenschaft auch nicht zu deren Vorteil.

[6] Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.

[7] Die Bestimmungen des Schifffahrtsgesetzes und die Verordnung des Landeshauptmanns vom 27. Juli 2016, LGBl 53/2016, mit der die Schifffahrt auf Kärntner Seen geregelt werde, hätten zur Folge, dass dann, wenn ein Motorboot seinen Eigentümer im Wege eines Verkaufs wechsle, der neue Eigentümer keinen Anspruch auf die Zulassung habe, sondern diese auf Basis eines Vormerklistensystems vergeben werde. Der zur Genehmigung vorgelegte Gesellschaftsvertrag sei im Zusammenhalt mit der bekanntgegebenen weiteren Vorgangsweise als Konstruktion zur gesetzwidrigen Umgehung des Vormerklistensystems zu werten. Die Konstruktion laufe der Absicht des Gesetzgebers, „Wörthersee-Zulassungen“ entweder an einen Rechtsnachfolger oder nach dem Vormerklistensystem zu vergeben, zuwider. Die Gründung der Kommanditgesellschaft führe zu keinem Vorteil für den ruhenden Nachlass, sodass die Genehmigung des Vertrags zu versagen sei. Im Übrigen sei der Verlassenschaftskurator nach § 157 Abs 4 AußStrG zur Vertretung des ruhenden Nachlasses und zur Verwertung der Fahrnisse bestellt worden. Eine Bootszulassung sei kein Fahrnis, sondern ein Recht, sodass mit der gewählten Vorgangsweise auch der Handlungsspielraum des Verlassenschaftskurators überschritten werden würde.

[8] Das Rekursgericht ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu, weil oberstgerichtliche Rechtsprechung zum Umfang der Befugnisse des nach § 157 Abs 4 AußStrG bestellten Verlassenschaftskurators fehle, vor allem zur Frage, wie weit seine Befugnisse zur Verwertung vorhandenen Verlassenschaftsvermögens reichten.

[9] Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs der durch den Kurator vertretenen Verlassenschaft mit dem Abänderungsantrag, den Gesellschaftsvertrag zu genehmigen.

Rechtliche Beurteilung

[10] Der Revisionsrekurs ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig; er ist aber nicht berechtigt.

[11] 1. Die Rechtsmittelwerberin bezweifelt nicht, dass der Abschluss des Gesellschaftsvertrags als Maßnahme der außerordentlichen Verwaltung der Genehmigung durch das Verlassenschaftsgericht bedarf. Für Vertretungshandlungen des Kurators ist jedoch nach mittlerweile gefestigter Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs nicht die – auf die Vertretung durch die Erben (Gesamtrechtsnachfolger) zugeschnittene – Regelung des § 810 Abs 2 ABGB einschlägig, sondern es ist vielmehr § 167 Abs 3 ABGB idF KindNamRÄG 2013 (sinngemäß) anzuwenden, der die Fremdvertretung nicht (ausreichend) Geschäftsfähiger regelt. Demnach können Handlungen des Kurators nur dann genehmigt werden, wenn sie im Interesse der Verlassenschaft liegen, für diese also von Vorteil sind. Hingegen genügt es – entgegen der Rechtsansicht der Rechtsmittelwerberin – nicht, wenn diese Handlungen für die Verlassenschaft nur „nicht offenbar nachteilig“ sind (vgl 1 Ob 245/12d; 2 Ob 45/15d; RS0129074).

[12] 2. Nach den Bestimmungen des in Aussicht genommenen Gesellschaftsvertrags haftete die Verlassenschaft nicht nur für den rechtswirksamen Übergang des Eigentums am Boot, sondern auch für den rechtswirksamen Übergang der Zulassung. Von dieser Verpflichtung könnte sie sich einerseits nur durch eine Abstandszahlung von 900 EUR befreien; andererseits würde sie bei der folgenden Abwicklung der Gesellschaft nur 90 % der Substanz der Gesellschaft erhalten, obwohl sie mehr als 99 % des Vermögens eingebracht hätte. Mit dieser Vertragsgestaltung läge das Risiko der Zulässigkeit der Übertragung der „Wörthersee-Lizenz“ allein bei der Verlassenschaft.

[13] 3. Die §§ 102 ff des Bundesgesetzes über die Binnenschifffahrt (Schifffahrtsgesetz – SchFG) regeln die Zulassung und das amtliche Kennzeichen:

[14] Nach § 102 Abs 1 SchFG wird die Zulassung eines Fahrzeugs über Antrag des Verfügungsberechtigten durch die Behörde erteilt; sie ist an den Verfügungsberechtigten und das Fahrzeug gebunden. Verfügungsberechtigter ist gemäß § 2 Z 27 SchFG ein aufgrund eines Rechtstitels zur Benützung einer Sache Berechtigter (zB Eigentümer, Bestandnehmer, Leasingnehmer, Entlehner).

[15] Der Verfügungsberechtigte eines zugelassenen Fahrzeugs hat nach § 105 Abs 1 SchFG und andere jede Änderung in der Verfügungsberechtigung unter Beischluss der entsprechenden Nachweise und der Zulassung unverzüglich der Behörde anzuzeigen. Die Zulassung eines Fahrzeugs erlischt nach § 106 Abs 1 SchFG ua durch Verlust der Verfügungsberechtigung (Z 3) und mit rechtskräftiger Beendigung des Verlassenschaftsverfahrens im Falle des Todes des Verfügungsberechtigten (Z 4).

[16] 4. Verkauft und übergibt also ein Zulassungsbesitzer sein Motorboot, verliert er den Rechtstitel (Eigentum) und damit seine Verfügungsberechtigung. Der neue Eigentümer des Motorboots muss sich um eine neue Zulassung bemühen.

[17] Wie dem Sachverhalt der Entscheidung 1 Ob 28/09p zu entnehmen ist, wurde bei der erörterten Rechtslage von den zuständigen Behörden früher eine Vorgangsweise dahingehend akzeptiert, dass bei Verkauf eines Boots mit Seezulassung und Rücklegung der Zulassung durch den vormaligen Verfügungsberechtigten dem neuen Verfügungsberechtigten die Seezulassung ausgestellt wurde (vgl auch den Hinweis auf die insofern „gelebte Verwaltungspraxis“ in VwGH Ro 2017/15/0043 in einem Umsatzsteuerfall). Bereits in der erwähnten Entscheidung hat der Oberste Gerichtshof dazu ausgesprochen, dass die Normen des Schiffszulassungsrechts keinesfalls dazu dienten, einem Zulassungsinhaber die Möglichkeit zu eröffnen, Ablösen für das „Zurverfügungstellen“ der Zulassungen (als höchstpersönliches Recht: vgl VwGH 95/03/0014) zu erhalten. Die Praxis des Handels mit Lizenzen sei gesetzwidrig.

[18] 5. Offenbar um diese Praxis zu unterbinden, wurde mittlerweile mit der Verordnung des Landeshauptmanns vom 27. Juli 2016, mit der die Schifffahrt auf Kärntner Seen geregelt wird (LGBl 53/2016), in § 11 das System der Vormerklisten eingeführt, wonach nun die Käufer von Motorbooten auch unter den geschilderten Umständen kein Vorrecht mehr haben. Nach dieser Bestimmung wird seit 3. 10. 2016, 14:00 Uhr, für eine künftig angestrebte Ausübung der Schifffahrt im Rahmen der vorgesehenen Höchstzahlen von Fahrzeugen (vgl dazu § 3 Abs 3 der VO) – vorbehaltlich der Einhaltung gesetzlicher Bestimmungen sowie der Beachtung sachlicher Kriterien, insbesondere der Rechtsnachfolge in die Verfügungsberechtigung über Fahrzeuge – ein Vormerklistensystem nach den Grundsätzen der Transparenz und Chancengleichheit auf elektronischem Weg geführt, in das Interessenbekundungen an der künftig angestrebten Ausübung der Schifffahrt, gereiht nach dem Zeitpunkt ihres Einlangens, mit Zustimmung der Betroffenen aufzunehmen sind; Betroffenen ist auf Verlangen auf elektronischem Wege Einsicht über ihre Reihung auf der Vormerkliste zu ermöglichen.

[19] 6. Auf dieser Grundlage ist eine Weitergabe der Zulassung vom früheren auf einen neuen Verfügungsberechtigten – wie die Rechtsmittelwerberin in ihrem Revisionsrekurs selbst zugesteht – „gesetzlich nicht vorgesehen“. Versprechen, deren Erfüllung die Rechtsordnung aber schon ihrer Art nach nicht kennt, sind rechtlich unmöglich. Sie können nicht Gegenstand eines gültigen Vertrags werden (§ 878 ABGB; vgl Bollenberger/P. Bydlinski in KBB6 § 878 Rz 3).

[20] Die Rechtsmittelwerberin versucht, diese Rechtsfolge durch die dem Erstgericht zur Genehmigung vorgeschlagene Gesellschaftsgründung, der die Einbringung der „Wörthersee‑Zulassung“ in die Gesellschaft und die entgeltliche Abtretung der Gesellschaftsanteile nachfolgen soll, zu umgehen.

[21] Nach ständiger Rechtsprechung zum Umgehungsgeschäft wäre dieses aber wie das eigentlich angestrebte Geschäft zu behandeln (vgl RS0016469 [T8]; RS0038675 [T7]; RS0038705 [T5]; RS0045196). Das wäre hier die entgeltliche Übertragung der „Wörthersee-Zulassung“ an den neuen Verfügungsberechtigten des Boots, die nach der geschilderten Rechtslage gemäß § 878 erster Satz ABGB ungültig ist. Sie wäre rechtlich nicht möglich, weil die Landesregierung nach § 11 VO mangels sachlicher Rechtfertigung (Rechtsnachfolger) keine neue Zulassung erteilen dürfte. Die Verhinderung eines solchen Kaufs war Zweck der VO. Dann muss das aber auch für das hier angestrebte Umgehungsgeschäft gelten.

[22] 7. Der Abschluss eines Vertrags, der auf rechtlich Unmögliches abzielt, liegt nicht im Interesse der Verlassenschaft, gereicht dieser also nicht zum Vorteil (vgl Punkt 1.). Die Vorinstanzen haben daher richtig erkannt, dass der vom Kurator vorgelegte Gesellschaftsvertrag nicht verlassenschaftsgerichtlich genehmigt werden kann.

[23] 8. Letztlich ist noch darauf zu verweisen, dass sich der Bund nach § 184 AußStrG und § 750 ABGB „die Verlassenschaft“ mit Wirkung einer Gesamtrechtsnachfolge aneignet (RS0008104) und grundsätzlich keinen Anspruch darauf hat, diesen in Form eines realisierten Geldbetrags übergeben zu bekommen (vgl jüngst 2 Ob 46/20h). Ein Erfordernis der Realisierung, um überhaupt das Bestehen eines reinen Nachlasses beurteilen zu können (RS0008110 [T1]), ist im vorliegenden Fall angesichts des Umfangs des Nachlassesnicht ersichtlich.

[24] Zwar wurde der vom Erstgericht gemäß § 157 Abs 4 AußStrG, also zur Vorbereitung der Aneignung der erblosen Verlassenschaft durch den Bund, bestellte Verlassenschaftskurator rechtskräftig auch mit der Verwertung der Fahrnisse beauftragt. Nach dem nunmehr dem Verlassenschaftsgericht unterbreiteten Vertragskonstrukt, dessen erster Teil der zu genehmigende Gesellschaftsvertrag sein soll, sind aber weder das Motorboot noch die „Wörthersee‑Zulassung“ Gegenstand der Verwertung, sondern die Anteile der Gesellschaft, in die beides eingebracht werden soll. Diese Anteile gehören aber ohne Zweifel nicht zum Verlassenschaftsvermögen und sind auch keine Fahrnisse, weil sie keine körperlichen Sachen sind (vgl § 249 Abs 1 EO iVm § 292 ABGB; Holzner in Rummel/Lukas, ABGB4 § 292 Rz 2). Nur Fahrnisse sind aber vom Verwertungsauftrag des Gerichts umfasst.

[25] 9. Der Revisionsrekurs muss daher erfolglos bleiben.

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