OGH 12Os35/24z

OGH12Os35/24z5.9.2024

Der Oberste Gerichtshof hat am 5. September 2024 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Oshidari, Dr. Brenner, Dr. Haslwanter LL.M. und Dr. Sadoghi in Gegenwart der Schriftführerin Richteramtsanwärterin Mag. Wachter in der Strafsache gegen R* B* und andere Angeklagte wegen des Verbrechens der Erpressung nach § 144 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten R* B* gegen das Urteil des Landesgerichts Eisenstadt als Schöffengericht vom 23. Jänner 2024, GZ 15 Hv 61/23f‑108, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0120OS00035.24Z.0905.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

Fachgebiet: Wirtschaftsstrafsachen

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Die Entscheidung über die Berufung kommt dem Oberlandesgericht Wien zu.

Dem Angeklagten R* B* fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde – soweit hier von Bedeutung – R* B* des Verbrechens der Erpressung nach § 144 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

[2] Danach hat er vom November bis zum Dezember 2017 in M* mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz * P* durch gefährliche Drohung mit einer Verletzung an der Ehre, am Vermögen und an der Freiheit, nämlich durch die an den Genannten gerichtete Äußerung, er habe Unregelmäßigkeiten bei Kreditkonten dokumentiert und * P* müsse aufpassen, deshalb nicht bald eine Strafhaft zu verbüßen, womit er die Erstattung einer Strafanzeige androhte (US 10), zur Übergabe eines Bargeldbetrags in Höhe von 70.000 Euro aus Mitteln der C* Aktiengesellschaft (kurz: „C*“) genötigt, die das genannte Bankinstitut in dieser Höhe am Vermögen schädigte.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4, 5, 5a und 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten R* B*, der keine Berechtigung zukommt.

[4] Der Erledigung der Verfahrensrüge (Z 4) ist voranzustellen, dass – wie hier – auf den Beweis der Glaubwürdigkeit der leugnenden Verantwortung des Angeklagten oder der Unglaubwürdigkeit von ihn belastenden Aussagen abzielende Beweisanträge grundsätzlich auf erhebliche Tatsachen gerichtet sind, weil die Beweisführung zur Beweiskraft von schulderheblichen Beweismitteln ihrerseits für die Schuldfrage von Bedeutung ist (RIS‑Justiz RS0028345; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 340, 350).

[5] Berechtigt ist ein solcher Antrag aber nur dann, wenn sich aus dem Antragsvorbringen konkrete Anhaltspunkte für die Annahme ergeben, der leugnende Angeklagte habe die Wahrheit oder der ihn belastende Zeuge oder Mitangeklagte die Unwahrheit jeweils in Bezug auf eine entscheidende Tatsache gesagt, wenn also etwa zum Nachweis der Unglaubwürdigkeit des Letzteren dargetan wird, dass er rechtskräftig wegen Verleumdung verurteilt worden ist, zum konkreten Verfahrensgegenstand bereits falsche Angaben gemacht hat oder eine habituelle Falschbezichtigungstendenz erkennen lässt (RIS‑Justiz RS0120109 [insbesondere T3 und T4]).

[6] Diesen Anforderungen wurden die Anträge auf zeugenschaftliche Vernehmung

‑ des Vaters des Beschwerdeführers, M* B*, zum Beweis dafür, dass auch dieser (wie vom Beschwerdeführer vorgebracht [vgl US 16 ff und US 33 f]) ihm Gold gegeben habe, damit er es in der Slowakei verkauft (ON 107 S 69),

‑ des * Ba* zum Beweis dafür, dass das S*-Café im Jahr 2017 sowohl zu den Feiertagen als auch zwischen den Weihnachtsfeiertagen geschlossen hatte und daher (entgegen der Angaben des * P*) kein zweites Treffen Ende Dezember stattgefunden haben könne und dass der Genannte das Lokal im Dezember 2017 nicht extra aufgesperrt habe (ON 107 S 77) und

‑ des * V* zum Beweis dafür, dass dieser Herrn P* zu einem Treffen am 18. Dezember 2017 ins S*-Café geführt habe, er auch als Fahrer des Herrn P* tätig gewesen und es (entgegen der Angaben des Letztgenannten) zu keinem weiteren Treffen Ende Dezember gekommen sei (ON 107 S 76 f),

nicht gerecht.

[7] Das die Anträge ergänzende Beschwerdevorbringen hat mit Blick auf das aus dem Wesen des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes resultierende Neuerungsverbot auf sich zu beruhen (RIS‑Justiz RS0099618).

[8] Die Kritik an der erstgerichtlichen Begründung für die Abweisung der Beweisanträge verkennt, dass die Richtigkeit einer solchen nicht unter Nichtigkeitssanktion steht (RIS‑Justiz RS0116749).

[9] Soweit die Beschwerde unter Z 4 des § 281 Abs 1 StPO einen Verstoß gegen Art 6 MRK releviert, weil eine Befragung der Mitangeklagten * P* und * K* in der Hauptverhandlung nicht möglich gewesen sei, bezieht sie sich nicht – wie aber vom geltend gemachten Nichtigkeitsgrund vorausgesetzt – auf einen in der Hauptverhandlung gestellten Antrag oder einen dort erhobenen Widerspruch (RIS‑Justiz RS0099250). Hinzugefügt sei, dass nach dem ungerügten Protokoll über die Hauptverhandlung vielmehr die Angaben des * P* einverständlich verlesen wurden (§ 252 Abs 1 Z 4 StPO; ON 107 S 39) und die Verweigerung der Beantwortung von Fragen des Beschwerdeführers (vgl § 249 StPO) durch * K* (siehe ON 107 S 4) nicht unter Nichtigkeitssanktion steht.

[10] Mit der weitwendig geäußerten Kritik an beweiswürdigenden Erwägungen des Erstgerichts wird Nichtigkeit aus Z 4 nicht angesprochen.

[11] Die tatrichterliche Beurteilung der Überzeugungskraft von Personalbeweisen (also die Glaubwürdigkeit der Angaben von Zeugen und Angeklagten) ist – soweit sie nicht undeutlich (Z 5 erster Fall) oder in sich widersprüchlich (Z 5 dritter Fall) ist – einer Anfechtung mit Nichtigkeitsbeschwerde entzogen (RIS‑Justiz RS0106588 [T13]). Unter dem Aspekt der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) kann sie nur dann mangelhaft erscheinen, wenn sich das Gericht mit gegen die Glaubwürdigkeit sprechenden Beweisergebnissen nicht auseinandergesetzt hat. Der Bezugspunkt besteht dabei jedoch nicht in der Sachverhaltsannahme der Glaubhaftigkeit oder Unglaubhaftigkeit (die ihrerseits eine erhebliche Tatsache darstellt), sondern ausschließlich in den Feststellungen über entscheidende Tatsachen (RIS‑Justiz RS0119422 [T2 und T4]; zu den Begriffen entscheidende und erhebliche Tatsachen siehe Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 398 f und 409). Erheblich, somit für den Fall ihres Vorkommens in der Hauptverhandlung (§ 258 Abs 1 StPO) erörterungsbedürftig, sind insoweit demnach Tatumstände, welche die – von den Tatrichtern als notwendige Bedingung für die Feststellung einer entscheidenden Tatsache bejahte (vgl Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 410) – Überzeugungskraft der Aussage eines Zeugen oder Angeklagten in Bezug auf diese entscheidende Tatsache ernsthaft in Frage stellen (vgl RIS‑Justiz RS0120109 [T3]; sowie Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 29).

[12] Indem die Rüge (Z 5 zweiter, dritter und vierter Fall) bloß eine Vielzahl von Erwägungen des Erstgerichts zur Glaubwürdigkeit der den Beschwerdeführer belastenden Mitangeklagten kritisiert, verfehlt sie diesen Bezugspunkt. Vielmehr bekämpft sie in unzulässiger Weise nach Art einer im schöffengerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen (§ 283 Abs 1 StPO) Schuldberufung bloß weitwendig die tatrichterliche Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO).

[13] Bezugspunkt der Mängelrüge (Z 5) und der Tatsachenrüge (Z 5a) ist der Ausspruch des Gerichts über entscheidende, also – soweit hier von Interesse (Sanktionsfragen werden insoweit nicht angesprochen) – für die Schuld‑ oder die Subsumtionsfrage bedeutsame Tatsachen (RIS‑Justiz RS0106268). Diesen Anfechtungsrahmen verfehlen die Mängel‑ (Z 5) und die Tatsachenrüge (Z 5a), soweit sie

1) die jeweils nicht entscheidende Tatsachen betreffenden Feststellungen

‑ wonach der Beschwerdeführer ein guter und zuverlässiger Mitarbeiter war, es aber trotzdem immer wieder Konflikte mit den beiden Mitangeklagten gegeben habe, wobei der Grund daran oftmals im autoritären Führungsstil des * P* gelegen sei (US 8),

‑ dazu, weshalb sich der Beschwerdeführer dazu entschloss, die C* zu verlassen, die Aussichten auf sein weiteres berufliches Fortkommen und Einkommen in naher Zukunft und seinen in diesem Zusammenhang gefassten Entschluss, aus seinem Wissen um die Malversationen Profit zu schlagen (US 8 f),

‑ zur Höhe der vom Beschwerdeführer geforderten Summe dafür, dass er die Bank „in Ruhe verlassen werde“ (US 10) sowie

2) die beweiswürdigenden Erwägungen

‑ aus welcher Quelle der Beschwerdeführer Kenntnis von den Malversationen des Erpressungsopfers hatte und

‑ wonach mit dem Beschwerdeführer befreundete Mitarbeiter nicht von einem „derart massiven Mobbing“ berichtet hätten (US 18),

bekämpfen.

[14] Die Tatrichter haben eingehend dargelegt, warum sie die Verantwortung des Beschwerdeführers als Schutzbehauptung werteten, und sich insbesondere auch mit seinen Angaben zur Herkunft der auf seinem Konto einbezahlten Gelder und zu Goldverkäufen auseinandergesetzt (US 16 f und 33 ff). Zu einer Erörterung sämtlicher Details seiner Aussage waren sie gemäß dem Gebot zur gedrängten Darstellung der Entscheidungsgründe nicht verhalten (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO; RIS‑Justiz RS0098778 und RS0106295).

[15] Soweit die Rüge (nominell Z 5, der Sache nach Z 9 lit a) Feststellungen dazu vermisst, dass

‑ abgesehen von der Höhe der Konventionalstrafe die Formulierung der Verschwiegenheitsverpflichtung des Beschwerdeführers mit den Verschwiegenheitserklärungen zweier namentlich genannter Zeugen wortgleich sei (vgl US 12),

‑ der Beschwerdeführer * P* darauf angesprochen habe, dass die falsche Einstufung in den Kollektivvertrag erfolgt sei sowie dass Provisionen aus dem Bauspar‑ und Versicherungsgeschäft und auch eine falsche Abrechnung durch die C* erfolgt seien (vgl US 9 f),

bleibt offen, warum die geforderten Feststellungen der rechtsrichtigen Subsumtion nach § 144 Abs 1 StGB entgegenstehen sollten (RIS‑Justiz RS0116565).

[16] Der Einwand, die festgestellte Kenntnis des Beschwerdeführers von den Malversationen könne sich auf kein Beweisergebnis stützen, bringt die Tatsachenrüge (Z 5a) nicht zu prozessförmiger Darstellung (RIS‑Justiz RS0128874).

[17] Mit dem Vorwurf, die erstgerichtlichen Feststellungen zum Vorgehen und Verhalten des Beschwerdeführers seien lebensfremd und nicht nachvollziehbar, weitwendiger Kritik an den beweiswürdigenden Erwägungen des Schöffengerichts und eigenständiger Würdigung der Verfahrensergebnisse weckt die Beschwerde beim Obersten Gerichtshof keine sich aus den Akten ergebenden erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen.

[18] Soweit die Rechtsrüge (Z 9 lit a) eine Vielzahl von beweiswürdigenden Erwägungen anführt und kritisiert, das Erstgericht habe mit diesen gegen den Grundsatz „in dubio pro reo“ verstoßen, verkennt sie grundlegend den im Urteilssachverhalt liegenden Bezugspunkt materiell‑rechtlicher Nichtigkeit (RIS‑Justiz RS0099810).

[19] Ihre ohne jede Bezugnahme auf die erstgerichtlichen Feststellungen aufgestellte Behauptung, bei richtiger rechtlicher Beurteilung liege „mangels Gefährlichkeit der Drohung und mangels Eignung den Bedrohten in Furcht und Unruhe zu versetzen keine Erpressung“ vor, entbehrt der methodengerechten Ableitung aus dem Gesetz (RIS‑Justiz RS0116565).

[20] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – gemäß § 285d Abs 1 StPO bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

[21] Die Entscheidung über die Berufung kommt dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).

[22] Mit Blick auf § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO bleibt hinzuzufügen, dass – wie auch die Generalprokuratur in ihrer Stellungnahme zutreffend ausführt – das Erstgericht durch den Hinweis auf die Vernehmung des Beschwerdeführers als Beschuldigten zum urteils-gegenständlichen Vorwurf am 24. August 2022 (US 14 mit Bezug auf ON 52) und somit innerhalb der fünfjährigen Verjährungsfrist (§ 57 Abs 3 dritter Fall StGB) die erforderliche Feststellungsbasis für die rechtliche Beurteilung, dass die Tat nicht verjährt ist (§ 58 Abs 3 Z 2 StGB), getroffen hat (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 19).

[23] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte