OGH 14Os67/24w

OGH14Os67/24w3.9.2024

Der Oberste Gerichtshof hat am 3. September 2024 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als Vorsitzende, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Nordmeyer, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann und Dr. Setz-Hummel LL.M. sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in Gegenwart des Schriftführers Mag. Hule in der Strafsache gegen * S* und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG, § 12 dritter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten * C* gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 22. Mai 2024, GZ 44 Hv 34/24a‑269, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0140OS00067.24W.0903.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

Fachgebiet: Suchtgiftdelikte

 

Spruch:

 

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Aus ihrem Anlass werden das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch zu Punkt I/C/3, demgemäß auch im Strafausspruch betreffend den Angeklagten * B* (einschließlich der Vorhaftanrechnung), weiters im Konfiskationserkenntnis sowie der diesen Angeklagten betreffende Beschluss auf Absehen vom Widerruf einer bedingten Strafnachsicht und Verlängerung der Probezeit (insoweit ersatzlos) aufgehoben und die Sache in diesem Umfang an das Landesgericht für Strafsachen Wien verwiesen, und zwar hinsichtlich des dem aufgehobenen Schuldspruch zugrunde liegenden Verhaltens des Angeklagten B* mit dem Auftrag, nach § 37 (iVm § 35 Abs 1) SMG vorzugehen, sowie im Umfang des aufgehobenen Konfiskationserkenntnisses zu neuer Verhandlung und Entscheidung.

Die Entscheidung über die Berufung des Angeklagten C* kommt dem Oberlandesgericht Wien zu.

Diesem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurden – soweit hier von Bedeutung – * C* des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG, § 12 dritter Fall StGB (I/B/2 und II/ iVm I/B/1/c) und (richtig:) des Vergehens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 erster und zweiter Fall SMG (I/C/1/a) sowie * B* des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall SMG (I/C/3) schuldig erkannt.

[2] Danach haben in W* vorschriftswidrig Suchtgift, und zwar

C* Kokain

I/B/2/ anderen, nämlich nicht festgestellten Abnehmern, in einer das 25‑Fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge überlassen, und zwar

a/ zu nicht festgestellten Zeitpunkten insgesamt 6.000 Gramm (4.488 Gramm Cocain Reinsubstanz);

b/ am 9. September 2023 1.000 Gramm (748 Gramm Cocain Reinsubstanz);

c/ am 17. September 2023 1.000 Gramm (748 Gramm Cocain Reinsubstanz);

I/C/1/a/ in einer „das Fünfzehnfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge“ (wobei im Schuldspruch [§ 260 Abs 1 Z 2 StPO] eine Subsumtion nach § 28 Abs 2 SMG [offenbar irrtümlich: vgl US 37] unterblieb), nämlich 10.836,5 Gramm (etwa 8.670 Gramm Cocain Reinsubstanz), mit dem Vorsatz, dass es in Verkehr gesetzt werde, erworben und bis zum 4. Oktober 2023 besessen;

II/ am 4. Oktober 2023 anderen in einer das 25‑Fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge überlassen, indem er zur Übergabe von 4.046,3 Gramm (3.188,48 Gramm Cocain Reinsubstanz) durch einen Mitangeklagten an einen verdeckten Ermittler dadurch beitrug (§ 12 dritter Fall StGB), dass er das Suchtgift aus seinem „Bunker“ für die Abwicklung des Geschäftes zum Übergabeort brachte und es dort für die Übergabe an den verdeckten Ermittler bereitstellte;

B*

I/C/3/ 6,8 Gramm Cannabiskraut, erworben und bis zum 4. Oktober 2023 besessen.

Rechtliche Beurteilung

[3] Die gegen den Strafausspruch und das Verfallserkenntnis (inhaltlich nur) aus Z 11 des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten C* ist nicht im Recht.

[4] Entgegen der gegen den Verfallsausspruch gerichteten Sanktionsrüge (Z 11 erster Fall iVm Z 5 StPO) sind die zugrunde liegenden Feststellungen nicht undeutlich. Denn aus der maßgeblichen Sicht des erkennenden Senats ist für alle relevanten Urteilsadressaten unzweifelhaft erkennbar, welche Feststellungen (US 23) aus welchen Gründen (US 29 ff) getroffen wurden (RIS‑Justiz RS0117995). Daran ändert das insbesondere zu Punkt I/B/2/a des Schuldspruchs kritisierte Unterbleiben einer Konkretisierung nicht entscheidender Umstände (vgl RIS‑Justiz RS0117499), wie Tatzeit, Identität der Abnehmer sowie „in welcher Stückelung zu welchen jeweiligen Beträgen“ das Suchtgift jeweils überlassen wurde, nichts.

[5] Die Ableitung dieser Feststellungen (zu einem Überlassen von insgesamt 6 Kilogramm Kokain [4.488 Gramm Cocain Reinsubstanz] gegen ein Entgelt von 218.000 Euro [Punkt I/B/2/a]) aus mehreren Indizien, nämlich dass der Beschwerdeführer selbst das Überlassen von Kokain in (jeweils) das 25‑Fache der Grenzmenge übersteigender Menge zugestanden habe (Punkte I/B/2/b und c sowie II/), in den „von ihm betriebenen Bunkerwohnungen“ über 10 Kilogramm hochwertiges Kokain und rund 270.000 Euro Bargeld sichergestellt worden seien sowie bei der von der Kriminalpolizei durchgeführten Observation dieser Wohnungen Aktivitäten des Beschwerdeführers beobachtet worden seien, die weitere Suchtgiftübergaben nahelegten, in Zusammenschau mit der von den Tatrichtern mängelfrei als unglaubhaft verworfenen Verantwortung des Beschwerdeführers ist nicht offenbar unzureichend (Z 11 erster Fall iVm Z 5 vierter Fall; vgl RIS‑Justiz RS0098362 [T10]). Dass die Rüge diese im Einklang mit den Denkgesetzen und grundlegenden Erfahrungssätzen gezogenen Schlüsse für nicht überzeugend hält oder andere „Möglichkeiten“ ins Spiel bringt, stellt den Nichtigkeitsgrund nicht her (RIS‑Justiz RS0116732 [T6]).

[6] Die weitere Sanktionsrüge (Z 11 erster Fall) übergeht mit dem Einwand, „aus der Gesamtheit der Entscheidungsgründe“ gehe „nicht hervor, dass“ dieser Betrag „für die Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung oder durch sie erlangt wurde“, prozessordnungswidrig (RIS‑Justiz RS0099810) die genau dazu getroffenen Feststellungen (US 23).

[7] Die Kritik, der für verfallen erklärte Betrag sei „deutlich zu hoch“ und entspreche „nicht der Gesetzessystematik des § 20 Abs 3 StGB“, enthält bloß ein Berufungsvorbringen.

[8] Entgegen der gegen den Strafausspruch gerichteten Sanktionsrüge (Z 11 zweiter Fall) wertete das Erstgericht (zu Punkt I/C/1/a) den Umstand, dass das im Besitz des Beschwerdeführers befindliche Kokain „die Grenzmenge 578-Fach überschritten“ habe (US 41), zu Recht als erschwerend (RIS‑Justiz RS0088028). Im Übrigen betrifft die Kritik an dieser (ohnehin richtigen) zahlenmäßigen Konkretisierung des Überschreitens der Qualifikationsgrenze bloß das Gewicht dieses aggravierenden Umstandes (RIS‑Justiz RS0116878).

[9] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

[10] Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung des Angeklagten C* (§ 285i StPO).

[11] Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde überzeugte sich der Oberste Gerichtshof, dass das Urteil vom Angeklagten B* nicht geltend gemachte Nichtigkeit (Z 10a) zu dessen Nachteil aufweist, die von Amts wegen wahrzunehmen war. Zu Punkt I/C/3 des Schuldspruchs liegt diesem zur Last, 6,8 Gramm (Delta‑9‑THC und THCA‑haltiges) Cannabiskraut erworben und besessen zu haben. Dazu findet sich einerseits die Feststellung, B* habe „dabei nicht zum ausschließlich persönlichen Gebrauch“ gehandelt (US 19). Aus einer weiteren Urteilspassage, derzufolge B* in der Hauptverhandlung „auf explizite Nachfrage“ angegeben habe, „er hätte das Suchtgift auch mit anderen geteilt“ (US 28), im Zusammenschau mit der dort zitierten Fundstelle im Akt (ON 268, 7 f [„das war mein Eigenkonsum“, „ich habe den Joint herumgereicht“]) ergibt sich jedoch deutlich genug, dass das Erstgericht (verfehlt) „persönlichen Gebrauch“ mit „Eigenkonsum“ (des Täters) gleichsetzte. Ein Feststellungswille dahingehend, dass B* das Suchtgift zu anderen Zwecken (etwa durch Erzielung eines Vorteils aus der Weitergabe des Suchtgifts [vgl RIS‑Justiz RS0124624, RS0131952) als zum eigenen oder eines anderen persönlichen Gebrauch erworben und besessen habe, ist dem Urteil solcherart nicht zu entnehmen (RIS‑Justiz RS0117228; Ratz, WK‑StPO Rz 19).

[12] Der Urteilssachverhalt trägt daher die Nichtanwendung der (unter den dortigen Voraussetzungen nach § 37 iVm § 35 Abs 1 SMG obligatorischen) Diversion nicht (RIS‑Justiz RS0113620 [T6]; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 659), weshalb mit Aufhebung des Urteils in diesem Schuldspruch, demgemäß auch im B* betreffenden Strafausspruch (§§ 285e, 290 Abs 1 erster Satz zweiter Fall StPO), und Auftragserteilung im Sinn des § 288 Abs 2 Z 2a StPO vorzugehen war.

[13] Die Beseitigung des hinsichtlich dieses Angeklagten gemäß § 494a Abs 1 Z 2 und Abs 6 StPO gefassten Beschlusses war Konsequenz der Aufhebung des Strafausspruchs (RIS‑Justiz RS0100194 [T5]).

[14] Das Konfiskationserkenntnis war aufzuheben, weil das Erstgericht begründend (bloß) ausführte, dass alle konfiszierten Mobiltelefone „für die Durchführung der [...] festgestellten, mit Strafe bedrohten Handlungen“ verwendet worden seien. Zwar könne „nicht mehr betreffend aller sichergestellten und angeführten Mobiltelefone gesichert festgestellt werden“, „welchem der Angeklagten welche konkreten Gerät[e] zuzuordnen sind“, es stehe jedoch fest, „dass jedes davon im Eigentum eines der Angeklagten steht“ (US 24 f).

[15] Solcherart hat aber das Erstgericht die Konfiskation von 17 Mobiltelefonen als Strafe (RIS‑Justiz RS0129178) keinem der acht Angeklagten konkret zugeordnet (vgl 13 Os 124/18m; 13 Os 1/20a), weshalb es etwa eine den Kriterien des § 19a Abs 2 StGB (arg: „zur Bedeutung der Tat oder zu dem den Täter treffenden Vorwurf“) entsprechende Verhältnismäßigkeitsprüfung nicht in Bezug auf jeden einzelnen Täter (vgl hingegen US 43) durchführen konnte (vgl RIS‑Justiz RS0088035).

[16] Zudem konnte auf Basis dieser Feststellungen nicht ausgeschlossen werden, dass der Konfiskationsausspruch zum Nachteil des Angeklagten B* in dessen Eigentum stehende Mobiltelefone erfasst, ohne dass diesem – infolge Aufhebung des ihn betreffenden Schuldspruchs – die Begehung einer vorsätzlichen Straftat (urteilsmäßig) zur Last liegt (vgl im Übrigen zu den – hier nicht gegebenen – Voraussetzungen des Konfiskationsausspruchs in einem selbständigen Verfahren nach § 445 Abs 2a StPO).

[17] Das solcherart mit Nichtigkeit (Z 11 erster Fall) belastete Konfiskationserkenntnis war daher gleichermaßen – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – von Amts wegen aufzuheben und das Verfahren zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zu verweisen, wobei das weitere Verfahren vom Einzelrichter zu führen ist (zur Kompetenz in Bezug auf den Konfiskationsausspruch vgl RIS‑Justiz RS0100271 [T16]).

[18] Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO. Die Ersatzpflicht erstreckt sich nicht auf die mit der amtswegigen Maßnahme verbundenen Kosten (RIS‑Justiz RS0101558).

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