European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0070OB00072.24Z.0828.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)
Spruch:
Der Revision wird teilweise Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen, die im Umfang einer Abweisung von 28.226,90 EUR sA in Rechtskraft erwuchsen, werden im darüber hinausgehenden Umfang (Abweisung von 55.000 EUR sA) einschließlich der Kostenentscheidungen aufgehoben und die Rechtssache insoweit zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Begründung:
[1] Die Klägerin und der Beklagte lebten von Ende des Jahres 2015 bis Ende April 2022 in einer Lebensgemeinschaft. Im Oktober 2020 verstarb die Mutter der Klägerin, sodass diese im Sommer 2021 rund 400.000 EUR erbte.
[2] Im Frühjahr 2016 zog die Klägerin in das Haus des Beklagten. Von Beginn an beglich der Beklagte die liegenschaftsbezogenen Aufwendungen von monatlich etwa 350 EUR. Darüber hinaus bediente er die Raten für den auf der Liegenschaft besicherten Kredit für das Haus. Der Beklagte forderte die Klägerin zu keinem Zeitpunkt auf, sich an diesen Kosten zu beteiligen, es war vielmehr gelebte Praxis, dass der Beklagte die Wohnkosten trug.
[3] Als die Klägerin im Sommer 2021 das Erbe ihrer Mutter antrat, ging es dem Beklagten psychisch nicht gut. Er rechnete damit, in Frühpension geschickt zu werden. Nachdem die Klägerin aufgrund der Erbschaft nunmehr wirtschaftlich wesentlich besser gestellt war als der Beklagte, wollte sie ihren damaligen Lebensgefährten unterstützen und schuldenfrei stellen. Dabei war sie von dem Gedanken getragen, den Beklagten von den Banken und den Schwankungen des Finanzmarkts unabhängig zu stellen.
[4] Der Beklagte verdiente zunächst 1.900 EUR netto monatlich und seit Antritt der Frühpension im Herbst 2021 2.050 EUR netto monatlich. Er hatte zu keinem Zeitpunkt Schwierigkeiten, seinen Lebensunterhalt bzw seine (Fix-)Kosten zu bestreiten.
[5] Der Beklagte hatte im Sommer 2021 einen mit etwa 27.000 bis 28.000 EUR aushaftenden Bankkredit, der mit seiner Liegenschaft besichert war, zu bedienen. Diesbezüglich bat die Klägerin den Beklagten, ihr bekannt zu geben, in welcher Höhe der Kredit noch offen war.
[6] Im selben Zeitraum überlegten die Parteien auch, ein neues Auto anzuschaffen. Die Klägerin, die das Fahrzeug des Beklagten für marode und unsicher befand, wollte überdies vermeiden, dass der Beklagte einen Leasingvertrag für ein neues Auto abschließt und sich neuerlich finanziell abhängig macht. Deshalb kam sie für die Anschaffungskosten eines neuen Fahrzeugs auf. Da der Vater des Beklagten vor seiner Pensionierung bei einer Versicherung gearbeitet hatte, entschieden die Parteien einvernehmlich, den Wagen auf den Beklagten anzumelden, um bessere Versicherungskonditionen zu erhalten.
[7] In beiden Fällen wollte die Klägerin den Beklagten aufgrund derselben Motivation unterstützen und ihn finanziell unabhängig stellen, sodass sie ihm für den offenen Kredit und das Fahrzeug insgesamt 55.000 EUR zur Verfügung stellte und den Betrag auf das Konto des Beklagten überwies.
[8] Eine Absprache, dass dieser Betrag generell oder bei Trennung zurückzuzahlen ist bzw dass es sich um Schenkungen handelte, gab es zwischen den Parteien nicht. Ganz allgemein blieben die finanziellen Belange zwischen den Parteien während aufrechter Partnerschaft ungeklärt und wurden schlichtweg nicht angesprochen.
[9] Der Grund für die Trennung der Parteien kann nicht festgestellt werden.
[10] Nach der Trennung kommunizierten die Parteien darüber, dass das Fahrzeug zurückgestellt werden sollte, womit sich der Beklagte einverstanden zeigte. Es kann nicht festgestellt werden, warum die Übergabe bislang unterblieb.
[11] Die Klägerin begehrt Zahlung von 83.226,90 EUR sA. Sie habe dem Beklagten während aufrechter Lebensgemeinschaft vier Darlehen gewährt, nämlich am 18. Juni 2021 über 17.000 EUR, am 29. Juni 2021 über 4.250 EUR, am 6. August 2021 über 55.000 EUR und am 11. August 2021 über 6.976,90 EUR. Nach der Beendigung der Lebensgemeinschaft habe der Beklagte zunächst die Rückzahlung zugesagt. In der Folge habe er diese Zusage jedoch nicht eingehalten. Sofern die Zahlungen der Klägerin nicht als Darlehen zu qualifizieren seien, sei der Beklagte dadurch aber jedenfalls infolge Zweckverfehlung durch die Beendigung der Partnerschaft bereichert. Es handle sich um außergewöhnliche Zuwendungen, die von der Klägerin erkennbar in der Erwartung des Fortbestehens der Lebensgemeinschaft gemacht worden seien.
[12] Der Beklagte beantragt Klageabweisung. Die Klägerin habe ihm die Geldbeträge geschenkt, weil sie ihn finanziell unterstützen habe wollen. Die Zahlungen seien mit der Intention erfolgt, den Beklagten von den Banken finanziell unabhängig zu machen. Von einem Darlehen sei nie die Rede gewesen. Darüber hinaus wendete der Beklagte einen Mietkostenbeitrag in Höhe von 49.400 EUR als Gegenforderung ein, weil die Klägerin während der aufrechten Beziehung für mehrere Jahre in seinem Haus gewohnt habe, ohne sich – entgegen der anderslautenden Vereinbarung – an den Wohnkosten beteiligt zu haben.
[13] Das Erstgericht wies die Klage ab. Es führte – soweit für das Revisionsverfahren relevant – aus, dass in Ermangelung einer Schenkung oder eines Darlehens die bereicherungsrechtlichen Regelungen zur Anwendung kämen. Da jedoch die Klägerin die Intention gehabt habe, den Beklagten dauerhaft lastenfrei zu stellen und ihn finanziell zu unterstützen, könne von einer Zweckverfehlung keine Rede sein. Die Motivation der Klägerin sei über das Bestehen der Lebensgemeinschaft hinausgegangen.
[14] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin keine Folge. Der Klägerin sei es nicht gelungen, aufzuzeigen, inwieweit die von ihr gemachten Zuwendungen in der für den Beklagten erkennbaren Erwartung des dauerhaften, in alle Zukunft reichenden Fortbestehens der Lebensgemeinschaft erbracht worden sein sollten.
[15] Dagegen richtet sich die Revision der Klägerin mit dem Antrag, diese Entscheidung im Sinn einer Klagestattgebung abzuändern. Hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag.
[16] Der Beklagte beantragt in seiner vom Obersten Gerichtshof freigestellten Revisionsbeantwortung, das Rechtsmittel der Gegenseite zurückzuweisen, in eventu ihm nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
[17] Die Revision ist zur Wahrung der Rechtssicherheit zulässig, sie ist auch teilweise im Sinn des Aufhebungsantrags berechtigt.
[18] 1. Vorauszuschicken ist, dass aufgrund des Beschlusses des Obersten Gerichtshofs vom 24. Jänner 2024 und des Zurückweisungsbeschlusses des Berufungsgerichts vom 15. März 2024 nur mehr die Forderung über 55.000 EUR (Kredit und Kfz) revisionsgegenständlich ist.
[19] 2. Die behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wurde geprüft, liegt jedoch nicht vor (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).
[20] 3. Im Revisionsverfahren ist ausschließlich der Anspruch nach § 1435 ABGB strittig. Die Klägerin hat nämlich die Verneinung des Vorliegens eines Darlehensvertrags durch das Erstgericht im Berufungsverfahren nicht in Zweifel gezogen, sodass dieser abschließend erledigte Streitpunkt in der Revision nicht mehr aufgegriffen werden kann (vgl RS0043573 [T33]). Tatsachenbehauptungen zum Vorliegen eines konstitutiven Anerkenntnisses des Beklagten hat die Klägerin schon in erster Instanz nicht erstattet, sodass die Revision insoweit gegen das Neuerungsverbot verstößt.
[21] 4.1. Die von einem Lebensgefährten während der Lebensgemeinschaft erbrachten Leistungen und Aufwendungen sind in der Regel unentgeltlich und können daher grundsätzlich nicht zurückgefordert werden (RS0033705 [T2]). Leistungen und Aufwendungen, die keinen in die Zukunft reichenden Zweck aufweisen, sondern ihrer Natur nach für den entsprechenden Zeitraum der bestehenden Lebensgemeinschaft bestimmt sind, haben bei einer späteren Aufhebung der Lebensgemeinschaft ihren Zweck nicht verfehlt (RS0033701). Dies gilt etwa für laufende Zahlungen für den gemeinsamen Unterhalt, die gemeinsame Wohnung (RS0033701 [T1, T2]) oder ganz allgemein für die Anschaffung von Sachen, die zum sofortigen Verbrauch bestimmt sind (RS0033701 [T2, T3]).
[22] 4.2. Ein Partner kann allerdings nach dem Ende der Lebensgemeinschaft nach § 1435 ABGB außergewöhnliche (vgl 5 Ob 174/09p) Leistungen (zB Erwerb einer Wohnung oder Errichtung eines Hauses [vgl RS0033921] oder Anschaffung eines PKW [7 Ob 600/81]) zurückfordern, die er erkennbar im Hinblick auf das Weiterbestehen der Gemeinschaft erbracht hat (vgl RS0033698; RS0033914 [T2]), soweit ein die Lebensgemeinschaft überdauernder Nutzen verbleibt (vgl RS0033921 [insb auch T10]). Der Anwendungsbereich dieser Kondiktion erstreckt sich auf all jene Fälle, in denen eine Leistung in der Erwartung erbracht wird, dass der Empfänger seinerseits eine Gegenleistung erbringt, zu der er sich aber nicht verbindlich verpflichten kann oder nicht verpflichten will. Ein solcher Zweck kann der weitere Bestand der Lebensgemeinschaft oder auch die gemeinsame Nutzung eines gemeinsam gebauten Hauses sein (RS0033952 [T12]). Die Kondiktion ist zulässig, wenn sich der Leistungsempfänger über den Zweck und den Charakter der Leistungen im Klaren war oder sich hätte im Klaren sein müssen (RS0033952 [T15]).
[23] 4.3. Die Zahlungen der Klägerin an den Beklagten für den Kredit und das neue Fahrzeug in Höhe von insgesamt 55.000 EUR sind nicht als laufende Zahlungen, die ihrer Natur nach nur für den Zeitraum der bestehenden Lebensgemeinschaft bestimmt waren, sondern als außergewöhnliche Zuwendungen zu qualifizieren. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts musste sich der Beklagte bei Zahlungen für die Tilgung eines liegenschaftsbezogenen Kredits und für den Ankauf eines Neuwagens angesichts der lang‑ oder zumindest längerfristigen Nutzungsmöglichkeit dieser finanzierten Gegenstände und der Höhe des Aufwands im Verhältnis zum Vermögen der Klägerin auch im Klaren sein, dass die Klägerin diese lediglich in Erwartung des Fortbestehens der von ihnen geführten jahrelangen Lebensgemeinschaft erbracht hatte (vgl 1 Ob 173/15w). Daran ändert auch die Feststellung des Erstgerichts nichts, dass die Klägerin diese dem Beklagten dauerhaft zuwenden und ihn damit schuldenfrei stellen wollte, weil sich daraus gerade nicht ergibt, dass die Klägerin diese Leistungen dem Beklagten unabhängig vom Bestehen der Lebensgemeinschaft endgültig zukommen lassen wollte. Der Beklagte musste nach Ansicht des Senats vielmehr hier erkennen, dass die Klägerin ihn nur deshalb schuldenfrei stellen wollte, weil sie den Fortbestand der Lebensgemeinschaft erwartete. Sie wollte in Zukunft mit einem „schuldenfreien Lebensgefährten“ zusammenleben.
[24] Die vom Berufungsgericht zitierte Entscheidung 1 Ob 16/13d ist hier nicht einschlägig: Dort verneinte der Oberste Gerichtshof, dass der dortige Revisionswerber die erkennbare „Erwartung des (ewigen?) Fortbestehens der Lebensgemeinschaft" aufzeigen konnte. Tragende Begründung dieser Entscheidung war aber, dass die Lebensgemeinschaft nach der Zuwendung noch „rund 13 Jahre lang“ fortbestand, während hier die Lebensgemeinschaft schon rund ein dreiviertel Jahr nach den Zuwendungen der Klägerin endete. Der Sachverhalt dieser Entscheidung ist daher nicht mit der vorliegenden vergleichbar (ähnlich auch 4 Ob 152/16f).
[25] Gleiches gilt für die Entscheidung 6 Ob 44/02t. Dort führte der Oberste Gerichtshof zwar aus, dass die (dortige) Beklagte die mit den Zuwendungen verfolgte Absicht des (dortigen) Klägers auch so deuten konnte, dass es ihm eine besondere Freude und Genugtuung bereite, ihr als eine in finanziellen Schwierigkeiten lebende junge Frau in großzügiger Weise zu helfen und sich dadurch auch über ihren ständigen Lebensgefährten zu stellen, dem entweder die finanziellen Mittel oder aber eine solche Großzügigkeit offenbar fehlten. Allerdings war dort entscheidungswesentlich, dass die Zuwendungen in einer „Phase des intensiven Werbens“ des (dortigen) Klägers um die in einer anderen Bindung lebende (dortige) Beklagte erfolgten, was hier gerade nicht der Fall war.
[26] 4.4. Die Rückforderung im Rahmen einer condictio causa data causa non secuta ist ausgeschlossen, wenn der Leistende selbst die Erreichung des von ihm verfolgten Zwecks wider Treu und Glauben vereitelt (vgl RS0033767 [T15]), was hier jedoch nicht feststeht, sodass der Kondiktionsanspruch der Klägerin dem Grunde nach zu Recht besteht.
[27] 5.1. Der Geschäftszweck fällt aber nur bezüglich eines die Auflösung überdauernden Nutzens weg. Werden die zur gemeinsamen Verwendung angeschafften Sachen von den Lebensgefährten zunächst gemeinsam genutzt und fällt der Geschäftszweck erst später weg, kann nur der dem Leistungsempfänger verbleibende Restnutzen zurückgefordert werden (9 Ob 17/18t; 8 Ob 12/22f; RS0033921; RS0009341; aM möglicherweise 4 Ob 197/18a). Dabei handelt es sich um eine vom sonstigen Bereicherungsrecht abweichende Besonderheit der condictio causa data causa non secuta im Zusammenhang mit der Abwicklung beendeter Lebensgemeinschaften ausgehend von der Annahme, dass bis dahin der Wertverlust der Leistung durch die (teilweise) Zweckerreichung ausgeglichen wurde (Linder in Gitschthaler/Höllwerth, Ehe- und Partnerschaftsrecht2 § 1435 ABGB Rz 36). Wohnte daher etwa der die Leistung erbracht habende Lebensgefährte einige Jahre im Haus der Lebensgefährtin, so ist dies bei der Ermittlung der Höhe des Rückforderungsanspruchs zu berücksichtigen (6 Ob 135/99t; 9 Ob 17/18t; vgl RS0033921 [T1, T8]).
[28] 5.2. Da die Frage des dem Beklagten verbleibenden Restnutzens bislang im Verfahren unerörtert blieb, ist die Aufhebung der Entscheidung der Vorinstanzen im Umfang des nicht rechtskräftig erledigten Teils der Klageforderung unumgänglich. Dabei wird schon an dieser Stelle zu der vom Beklagten eingewendeten Gegenforderung hingewiesen, dass die von ihm behauptete Zusage der Klägerin, sich an den Wohnkosten zu beteiligen nicht feststeht und das Wohnen der Klägerin im Haus des Beklagten ohnehin bei der Bemessung des Restnutzens zu berücksichtigen ist.
[29] 6. Die Revision ist daher teilweise im Sinn des eventualiter gestellten Aufhebungsantrags berechtigt.
[30] 7. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.
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