European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0080OB00070.24P.0826.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit 2.487,23 EUR (darin enthalten 414,54 EUR an USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
[1] Die Vorinstanzen wiesen die mit dem Erwerb eines (angeblich) vom sogenannten Abgasskandal betroffenen Fahrzeugs im Jahr 2014 begründete, von der Fahrzeugkäuferin gegen die erstbeklagte Fahrzeugverkäuferin, eine Fahrzeughändlerin, und gegen die zweitbeklagte Motorenherstellerin im Jahr 2021 erhobene Klage ab. Das Berufungsgericht ließ die Revision mit der Begründung zu, der Oberste Gerichtshof habe noch nicht konkret zur Frage Stellung genommen, ob ein Thermofenster wie das hier vorliegende im Bereich von -24 Grad Celsius bis +33 Grad Celsius eine zulässige Abschalteinrichtung darstellt.
Rechtliche Beurteilung
[2] Die Revision ist mangels einer Rechtsfrage von der in § 502 Abs 1 ZPO geforderten Qualität zurückzuweisen.
[3] 1. Die Klägerin begründet die Unrichtigkeit der Abweisung ihrer Klage in Hinsicht auf die Erstbeklagte zum einen damit, dass entgegen der Ansicht der Vorinstanzen hier kein Sach-, sondern ein Rechtsmangel vorliege, sodass ihre Gewährleistungsansprüche noch nicht verjährt seien. Selbst bei Annahme eines Sachmangels sei zudem die Gewährleistungsfrist bei Klageeinbringung noch offen gewesen, weil ihr das Nichtvorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung zugesichert worden sei.
[4] 1.1. Richtig ist, dass sich die Klägerin mit Aussicht auf Erfolg dann auf Gewährleistungsrecht berufen könnte, wenn ein Rechtsmangel vorläge. Nach § 933 Abs 1 ABGB in der hier aufgrund des vor dem 1. 1. 2022 geschlossenen Kaufvertrags noch anwendbaren Fassung vor dem GRUG, BGBl I 2021/175 (§ 1503 Abs 20 ABGB, § 29 Abs 2 VGG) beginnt nämlich bei einem eine bewegliche Sache betreffenden Rechtsmangel die hier zweijährige Gewährleistungsfrist „erst mit dem Tag, an dem der Mangel dem Übernehmer bekannt wird“. Nach den Feststellungen stellte sich erst „vor etwa einem Jahr […] für die Klägerin die Frage, ob ihr Fahrzeug auch irgendwie vom sogenannten Abgasskandal betroffen sein könnte“.
[5] Ein Rechtsmangel ist aber nicht ersichtlich. Insbesondere ist die bloß befürchtete mangelnde Rechtsbeständigkeit der EG‑Typengenehmigung bzw die bloß befürchtete, also nicht konkret drohende Aufhebung der Zulassung kein solcher (eingehend 3 Ob 40/23p [Rz 22 ff]). Dies ist mittlerweile gesicherte Rechtsprechung (RS0134605; 8 Ob 70/23m [Rz 14] ua). Die angefochtene Entscheidung steht hiermit im Einklang.
[6] 1.2. Bei einem Sachmangel beginnt die Gewährleistungsfrist nach § 933 Abs 1 ABGB in der hier noch anzuwenden Fassung vor dem GRUG mit der körperlichen Übergabe zu laufen. Ihr Beginn wird nicht dadurch hinausgeschoben, dass in diesem Zeitpunkt die Entdeckung des Mangels noch nicht möglich war (RS0018982; RS0018937). Abweichend davon wird der Fristbeginn zwar – worauf die Klägerin mit ihren Revisionsausführungen abzielt – bei Zusicherung bestimmter Eigenschaften, deren Nichtvorliegen erst später erkannt wird, auf den Zeitpunkt der Mangelerkennbarkeit hinausgeschoben (RS0018982 [T10, T11]; RS0018909). Das Nichtvorhandensein einer unzulässigen Abschalteinrichtung in einem Fahrzeug ist aber grundsätzlich – und so auch hier – nur eine gewöhnlich vorausgesetzte, nicht notwendigerweise eine zugesicherte Eigenschaft im Sinne des § 922 ABGB (3 Ob 148/22v [Rz 17 f] = RS0110191 [T8]; 9 Ob 55/23p [Rz 24]).
[7] Die behaupteten Gewährleistungsansprüche der Klägerin gegen die Erstbeklagte sind daher bereits verjährt.
[8] 1.3. Schadenersatzansprüche gegen die Erstbeklagte scheitern daran, dass sie hinsichtlich einer allfällig vorhandenen unzulässigen Abschalteinrichtung kein (eigenes) Verschulden trifft und ihr auch ein allfälliges Verschulden der Zweitbeklagten oder der (von der Klägerin nicht geklagten) Fahrzeugherstellerin nicht zugerechnet werden kann (eingehend 8 Ob 70/23m [Rz 20] mwH).
[9] Bereits mangels einer Anspruchsgrundlage erweist sich zusammengefasst die Klageabweisung in Hinsicht auf die Erstbeklagte als keiner Korrektur bedürftig.
[10] 2. Die Zweitbeklagte ist nach den Feststellungen nicht Herstellerin des von der Klägerin gekauften Fahrzeugs, sondern nur Herstellerin des darin verbauten Motors.
[11] Nach der Rechtsprechung kann nur demjenigen eine Verletzung des Art 5 VO 715/2007/EG zur Last gelegt werden, der im Typengenehmigungsverfahren als Hersteller des Fahrzeugs auftrat und die Übereinstimmungsbescheinigung ausstellte (ausführlich 6 Ob 161/22b [Rz 20 ff]; 6 Ob 16/23f [Rz 19]; 3 Ob 40/23p [Rz 32 f]). Der vom Fahrzeughersteller verschiedene Motorenhersteller ist folglich nicht Adressat dieses Schutzgesetzes (10 Ob 31/23s [Rz 48] mwH).
[12] Eine (unmittelbare) Haftung der Herstellerin eines Motors ist zwar nach § 1295 Abs 2 und § 874 ABGB möglich (10 Ob 31/23s [Rz 50] mwH). Der Klägerin ist aber nicht der Beweis gelungen, dass Repräsentanten der Zweitbeklagten ein qualifiziertes Verschulden im Sinne dieser Vorschriften zur Last fällt. Gegen die Ansicht des Berufungsgerichts, sie habe zum Teil vor dem Erstgericht die dazu notwendigen Beweisanträge gar nicht gestellt, zum anderen das Unterbleiben beantragter Einvernahmen nicht in der Berufung gerügt, trägt die Klägerin in der Revision nichts Stichhaltiges vor. Soweit sie darin ausführt, es sei nicht anzunehmen, dass „die Täuschung – jedenfalls hinsichtlich der Abschaltvorrichtung – nur auf unterster Ebene vorgenommen wurde“, sondern vielmehr „davon auszugehen, dass Machthaber vorsätzlich handelten und insofern Verschulden der [zweit]beklagten Partei gegeben ist“, ist sie darauf hinzuweisen, dass der Oberste Gerichtshof nicht Tatsacheninstanz ist. Entgegen der Ansicht der Klägerin steht auch nicht fest, dass sich (irgend)ein Repräsentant fehlerhaft verhalten haben muss (vgl Schacherreiter in Kletečka/Schauer, ABGB‑ON1.09 [2023] § 1315 Rz 28 mwH).
[13] Weil damit auch in Hinsicht auf die Zweitbeklagte keine Anspruchsgrundlage für die erhobenen Begehren besteht, kommt der vom Berufungsgericht als Begründung für die Zulassung der Revision genannten Rechtsfrage keine Entscheidungsrelevanz zu. Auch die von der Klägerin genannten Rechtsfragen, zu deren Klärung sie die Initiierung einer Vorabentscheidung des EuGH anregt, erweisen sich mangels einer Anspruchsgrundlage als nicht entscheidungswesentlich.
[14] 3. Die Revision war daher zurückzuweisen.
[15] Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagten haben in der Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen und damit Anspruch auf Kostenersatz.
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