OGH 6Ob161/22b

OGH6Ob161/22b23.10.2023

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer, Dr. Faber, Mag. Pertmayr und Dr. Weber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei DI M*, vertreten durch Poduschka Partner Anwaltsgesellschaft mbH in Linz, gegen die beklagte Partei V* AG, *, Deutschland, vertreten durch Pressl Endl Heinrich Bamberger Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, wegen 33.592,92 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz vom 25. September 2019, GZ 2 R 133/19w‑32, mit dem das Urteil des Landesgerichts Linz vom 17. Mai 2019, GZ 1 Cg 148/17f‑28, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0060OB00161.22B.1023.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

I. Das mit Beschluss vom 25. 3. 2020, AZ 6 Ob 235/19f, unterbrochene Verfahren wird fortgesetzt.

Der Fortsetzungsantrag der klagenden Partei wird, soweit er (weitere) Ausführungen enthält, zurückgewiesen.

Die Eingabe der beklagten Partei vom 18. 4. 2023 wird zurückgewiesen.

II. Der Revision wird Folge gegeben. Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

 

Begründung:

Zu I.:

[1] Mit Beschluss vom 25. 3. 2020, 6 Ob 235/19f, wurde das Verfahren bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) über den vom Obersten Gerichtshof am 17. 3. 2020 zu 10 Ob 44/19x gestellten Antrag auf Vorabentscheidung unterbrochen. Der EuGH hat darüber mit Urteil vom 14. 7. 2022 (C‑145/20 , Porsche Inter Auto und Volkswagen) entschieden. Das Verfahren über die Revision des Klägers ist daher fortzusetzen.

[2] Soweit im Fortsetzungsantrag darüber hinaus auch weitere Ausführungen (Anregung zum Auftrag eines Schriftsatzwechsels „vor der nächsten Tagsatzung“) enthalten sind, verstößt dies gegen den Grundsatz der Einmaligkeit des Rechtsmittels, nach dem auch Nachträge oder Ergänzungen unzulässig sind (RS0041666). Aus dem gleichen Grund ist auch die Eingabe der Beklagten vom 18. 4. 2023 zurückzuweisen.

Zu II.:

[3] Der Kläger kaufte am 27. 8. 2014 von einer Fahrzeughändlerin einen PKW der Marke Skoda, Modell Skoda Superb Combi 4x4 Elegance Business TDI DSG, zum Preis von 43.350 EUR. Das Fahrzeug ist mit einem Dieselmotor des Typs EA189 der Abgasklasse Euro 5 ausgestattet.

[4] Die Beklagte ist die Entwicklerin und Herstellerin des im PKW verbauten Motors und für die darin verbaute Software verantwortlich.

[5] Das Fahrzeug des Klägers enthielt eine Software, die die Abgasrückführung über das Motorsteuergerät nach zwei Betriebsmodi regelte. In einem Modus, der nur im Rahmen des Emissionsprüfungsverfahrens unter Laborbedingungen zum Einsatz kam, war die Abgasrückführungsrate relativ hoch, während die Rate im zweiten Modus, der im Fahrbetrieb unter normalen Fahrbedingungen zur Anwendung gelangte, geringer war („Umschaltlogik“). Die Abgasrückführung dient vor allem der Reduktion der NOx‑(Stickoxid‑)Werte; zur Funktionsweise kann auf die Feststellungen in der einen Motor gleichen Typs betreffenden Entscheidung 10 Ob 2/23a vom 21. 2. 2023 (Rz 3) verwiesen werden.

[6] Die EG‑Typengenehmigung wurde nur erteilt, weil der zuständigen Typengenehmigungsbehörde, der britischen Vehicle Certification Agency (künftig: VCA), im Zeitpunkt der Genehmigung die „Umschaltlogik“ nicht bekannt war. Das deutsche Kraftfahrt‑Bundesamt (künftig: KBA) wertete die „Umschaltlogik“ als verbotene Abschalteinrichtung. Das infolge dessen von der Beklagten entwickelte Software‑Update wurde von der VCA am 5. 5. 2017 freigegeben. Es ersetzte die „Umschaltlogik“ durch ein „Thermofenster“, nach welchem der emissionsmindernde Modus nun nicht mehr nur im Prüfbetrieb unter Laborbedingungen zum Einsatz gelangt, sondern auch im Fahrbetrieb bei Außentemperaturen zwischen 15 Grad Celsius und 33 Grad Celsius.

[7] Der Kläger wurde zur Durchführung des Software‑Updates aufgefordert und ließ es im Juli 2017 durchführen.

[8] Bei Kenntnis vom „Umschaltmechanismus“ hätte er das Fahrzeug „unter der Voraussetzung der Behebung“ trotzdem gekauft.

[9] Der Kläger begehrt von der Beklagten aus dem Titel des deliktischen Schadenersatzes, § 874 und § 1295 Abs 2 ABGB, ihn so zu stellen, als hätte er das klagegegenständliche Fahrzeug nicht erworben, konkret die Zahlung von 33.592,92 EUR (Kaufpreis abzüglich eines vom Kläger angenommenen Benützungsentgelts) samt 4 % Zinsen ab Klageeinbringung Zug um Zug gegen Übergabe des Fahrzeugs, hilfsweise die Zahlung von 6.000 EUR samt Zinsen, hilfsweise dazu die Feststellung der Haftung der Beklagten für jeden Schaden des Klägers aus dem Kauf des Fahrzeugs. Der Schaden liege darin, ein Fahrzeug in seinem Vermögen zu haben, das er bei Kenntnis der Umstände nicht gewollt hätte. Er habe darauf vertraut, ein manipulationsfreies Fahrzeug zu erwerben, dass den gesetzlichen Bestimmungen entspreche. Darüber habe die Beklagte vorsätzlich getäuscht. Bei Kenntnis der wahren Umstände hätte er das Fahrzeug nicht gekauft. Durch das Software‑Update sei der gesetzeskonforme Zustand nicht hergestellt worden, weil auch das „Thermofenster“ eine unzulässige Abschalteinrichtung sei. Daher habe er Anspruch auf Schadenersatz durch Naturalrestitution.

[10] Die Beklagte bestritt die Ansprüche. Für den Fall deren Berechtigung erhob sie eine Gegenforderung von 23.250 EUR an Benützungsentgelt. Der Kläger habe keinen Schaden erlitten, weil das Fahrzeug über eine aufrechte EG‑Typengenehmigung verfüge und im Straßenverkehr uneingeschränkt benutzbar sei. Sie habe den Kläger nicht über vertragsrelevante Umstände getäuscht, das Fahrzeug habe dem vertraglich Geschuldeten entsprochen. Es fehlten auch der Kausalzusammenhang zwischen der behaupteten Täuschung und dem Vertragsabschluss sowie ein Verschulden der Beklagten. Mit der Durchführung des Software‑Updates sei ein allfälliger – bestrittener – Mangel beseitigt worden, weil das „Thermofenster“ von den zuständigen Behörden als rechtskonforme Maßnahme zum Bauteilschutz eingestuft worden sei. Dem Kläger stünden keine Rückabwicklungsansprüche gegen die Beklagte zu, weil sie weder Vertragspartnerin noch die Herstellerin des Fahrzeugs sei. Sie sei für Ansprüche, die nur gegen den Hersteller geltend gemacht werden könnten, nicht passiv legitimiert.

[11] Die Umschaltlogik sei keine verbotene Abschalteinrichtung iSd Art 5 Abs 2 VO 715/2007/EG . Diese Norm bezwecke auch nicht die Verhinderung von Vermögensschäden individueller Fahrzeughalter. Eine sittenwidrige Schädigung liege nicht vor, weil es an der Schädigungsabsicht der Beklagten fehle.

[12] Die Vorinstanzen wiesen die Klage ab. Das Berufungsgericht ließ die Revision wegen des Fehlens höchstgerichtlicher Rechtsprechung zum Vorliegen eines unbehebbaren Rechtsmangels zu. Rechtlich beurteilte es die ursprüngliche „Umschaltlogik“, nicht aber das „Thermofenster“ als gemäß Art 5 Abs 2 VO 715/2007/EG verbotene Abschalteinrichtung. Nach der Durchführung des Software‑Updates befinde sich das Fahrzeug in einem genehmigungsfähigen Zustand. Soweit der Kläger die Unzulässigkeit des „Thermofensters“ daraus ableite, dass die Abgasrückführung nur in weniger als der Hälfte des Jahres aktiv sei, sei auf die Zulassung durch das KBA und die VCA zu verweisen. Der Schutzzweck des Art 5 VO 715/2007/EG erfasse nicht die vermögensrechtlichen Dispositionen, die im Vertrauen auf die Einhaltung der Emissionsgrenzwerte getätigt worden seien. Jedenfalls sei der Kläger durch das Software‑Update klaglos gestellt.

[13] Die von der Beklagten beantwortete Revision des Klägers ist zulässig und im Sinn des hilfsweise gestellten Aufhebungsantrags berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

[14] 1. Das Fahrzeug fällt unstrittig in den Anwendungsbereich der VO (EG) Nr 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. 6. 2007 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur‑ und Wartungsinformationen für Fahrzeuge (ABl L 171/1 vom 29. 6. 2007; künftig: VO 715/2007/EG ) fällt.

[15] 2.1. Der Oberste Gerichtshof hat gestützt auf die Rechtsprechung des EuGH bereits ausgesprochen, dass die auch beim gegenständlichen Fahrzeug zum Übergabezeitpunkt vorhandene „Umschaltlogik“ als unzulässige Abschalteinrichtung iSd Art 3 Z 10 und Art 5 Abs 2 VO 715/2007/EG zu qualifizieren ist (10 Ob 2/23a vom 21. 2. 2023 [Rz 47]).

[16] Darüber hinaus wurde auch ein denselben Temperaturbereich wie im vorliegenden Fall (Außentemperaturen zwischen 15 Grad Celsius und 33 Grad Celsius) umfassendes „Thermofenster“ als Abschalteinrichtung iSd Art 3 Z 10 VO 715/2007/EG qualifiziert, die nicht nach dem Ausnahmetatbestand des Art 5 Abs 2 Satz 2 lit a VO 715/2007/EG zulässig ist (10 Ob 2/23a vom 21. 2. 2023 [Rz 55 ff]; 10 Ob 16/23k [Rz 23 f]).

[17] Infolge der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache C‑100/21 , QB gegen Mercedes Benz Group AG, wurde weiteres klargestellt, dass der Schutzzweck von (unter anderem) Art 5 Abs 2 VO 715/2007/EG auch die Einzelinteressen des individuellen Käufers eines mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestatteten Fahrzeugs umfasst (10 Ob 2/23a vom 25. 4. 2023 [Rz 10 ff]; 10 Ob 16/23k [Rz 25 ff]). Ein Verstoß gegen Art 5 der VO 715/2007/EG kann den Hersteller daher auch dann ersatzpflichtig machen, wenn er in keinem Vertragsverhältnis mit dem Käufer steht (10 Ob 2/23a vom 25. 4. 2023 [Rz 18]; 10 Ob 16/23k [Rz 33]).

[18] 2.2. Ein Schaden, der darin besteht, dass die Nutzungsmöglichkeit des Fahrzeugs eingeschränkt ist und sich das Vermögen des Erwerbers eines mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestatteten Fahrzeugs infolge einer unrichtigen Übereinstimmungsbescheinigung nicht entsprechend den objektiv berechtigten Verkehrserwartungen oder einem von diesen Verkehrserwartungen konkret abweichenden Willen des Erwerbers zusammensetzt (vgl 10 Ob 17/23k [Rz 25]; 10 Ob 27/23b [Rz 15]), steht im Rechtswidrigkeitszusammenhang mit den Schutzgesetzen der Art 18 Abs 1, Art 26 Abs 1, Art 46 RL 2007/46/EG iVm Art 5 Abs 2 der VO 715/2007/EG (10 Ob 2/23a vom 25. 4. 2023 [Rz 29]; RS0031143 [T39] = RS0008775 [T21]).

[19] 2.3. Ein konkreter, von den Verkehrserwartungen abweichender Wille ergibt sich aus den Feststellungen im vorliegenden Fall nicht, weil der Kläger das Fahrzeug, sofern er Kenntnis von der „Umschaltlogik“ gehabt hätte, nur unter der Voraussetzung der Behebung gekauft hätte.

[20] 3.1. Soweit der Kläger seinen Schadenersatzanspruch auf die Verletzung von Schutzgesetzen (die bereits angeführten Bestimmungen der VO 715/2007/EG ) stützte, ist allerdings der von der Beklagten erhobene Einwand der mangelnden Passivlegitimation zu beachten:

[21] 3.2. Der EuGH bejahte in der Entscheidung C‑100/21 , QB gegen Mercedes Benz Group AG, den Schutz der Einzelinteressen des Käufers eines mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestatteten Kraftfahrzeugs gegenüber dem Hersteller des Fahrzeugs.

[22] Hersteller ist nach der Legaldefinition des Art 3 Z 27 der Rahmen‑RL (RL 2007/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. 9. 2007 zur Schaffung eines Rahmens für die Genehmigung von Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeuganhängern sowie von Systemen, Bauteilen und selbstständigen technischen Einheiten für diese Fahrzeuge; künftig: RL 2007/46 ) die Person oder Stelle, die gegenüber der Typengenehmigungsbehörde für alle Belange des Typengenehmigungs- oder Autorisierungsverfahrens sowie für die Sicherstellung der Übereinstimmung der Produktion verantwortlich ist; diese Person oder Stelle muss nicht notwendiger Weise an allen Stufen der Herstellung des Fahrzeugs, des Systems des Bauteils oder der selbständigen technischen Einheit, das bzw die Gegenstand des Genehmigungsverfahrens ist, unmittelbar beteiligt sein.

[23] „Übereinstimmungsbescheinigung“ ist nach Art 3 Z 36 RL 2007/46 das in Anhang IX wiedergegebene, vom Hersteller ausgestellte Dokument, mit dem bescheinigt wird, dass ein Fahrzeug aus der Baureihe eines nach dieser Richtlinie genehmigten Typs zum Zeitpunkt seiner Herstellung allen Rechtsakten entspricht (vgl die korrespondierende Bestimmung in Anhang IX Abschnitt 0 RL 2007/46 ).

[24] Nach Art 18 Abs 1 RL 2007/46 hat der Hersteller „in seiner Eigenschaft als Inhaber der EG‑Typengenehmigung“ jedem Fahrzeug, das in Übereinstimmung mit dem genehmigten Typ hergestellt wurde, eine Übereinstimmungsbescheinigung beizulegen. Die Übereinstimmungsbescheinigung ist nach Art 26 Abs 1 RL 2007/46 für die Zulassung, den Verkauf oder die Inbetriebnahme von Fahrzeugen zwingend vorgeschrieben.

[25] 3.3. Der EuGH leitet den Schutz von Einzelinteressen des individuellen Käufers durch Art 5 Abs 2 VO 715/2007/EG maßgeblich aus den genannten Vorschriften über die Übereinstimmungsbescheinigung ab, weil ein Käufer aus dem Inhalt der Übereinstimmungsbescheinigung vernünftiger Weise erwarten kann, dass die unionsrechtlichen Vorschriften bei diesen Fahrzeugen eingehalten werden (EuGH C‑100/21 , QB gegen Mercedes Benz Group AG [Rz 78–81]).

[26] Da der Hersteller eines Fahrzeugs bei der Aushändigung der Übereinstimmungsbescheinigung an den individuellen Käufer des Fahrzeugs für die Zulassung, den Verkauf oder die Inbetriebnahme dieses Fahrzeugs die sich aus Art 5 der VO 715/2007/EG ergebenden Anforderungen beachten muss, ermöglicht diese Bescheinigung insbesondere, den Käufer davor zu schützen, dass der Hersteller seine Pflicht, im Einklang mit dieser Bestimmung stehende Fahrzeuge auf den Markt zu bringen, nicht einhält (EuGH C‑100/21 , QB gegen Mercedes Benz Group AG [Rz 82]).

[27] 3.4. Daraus folgt, dass ein individueller Fahrzeugkäufer nur die Person oder Stelle für einen deliktischen Schadenersatzanspruch aus der (bloß schuldhaften) Verletzung des als Schutzgesetz zu qualifizierenden Art 5 Abs 2 VO 715/2007/EG in Anspruch nehmen kann, die im Typengenehmigungsverfahren als Herstellerin des Fahrzeugs auftrat und die Übereinstimmungsbescheinigung ausstellte (vgl 3 Ob 40/23p [Rz 32 ff]; vgl auch BGH VIa ZR 1119/22).

[28] 3.5. Der vom Kläger selbst vorgelegte Datenauszug weist nicht die Beklagte, sondern eine andere Gesellschaft als Herstellerin des gegenständlichen Fahrzeugs aus. Das steht mit der Feststellung im Einklang, wonach die Beklagte lediglich den Motor samt der darin verbauten Software herstellte.

[29] Auf die Schutzgesetzverletzung kann daher der Kläger seinen Schadenersatzanspruch gegen die Beklagte, die nicht Herstellerin des Fahrzeugs ist, nicht stützen.

[30] 4.1. Die Rechtssache ist aber nicht entscheidungsreif, weil der Kläger seine Ansprüche auch auf § 874 ABGB und eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung nach § 1295 Abs 2 ABGB stützte.

[31] 4.2. Der Kläger brachte dazu vor, die Beklagte hafte als nicht am Vertrag beteiligte Dritte, weil sie die vorsätzlich vorgenommenen Manipulationen am Fahrzeug vorsätzlich verschwiegen und in der Werbung, in den Verkaufsunterlagen und „durch den Verkäufer“ bewusst unrichtige Angaben gemacht habe, um sich Vorteile, nämlich den gesteigerten Absatz ihrer Fahrzeuge, zu verschaffen. Die (namentlich genannten) Leiter der Aggregate-Entwicklung der Beklagten hätten bewusst die Entscheidung getroffen, die Abschalteinrichtung zu verbauen. Diese Personen sowie der (ebenfalls namentlich genannte) Leiter der Motorenentwicklung der Beklagten hätten bei der Entwicklung des streitgegenständlichen Motors führende Rollen eingenommen und seien der Beklagten als Repräsentanten zuzurechnen.

[32] Die Beklagte hielt dem entgegen, sie habe mit dem Marketing und Verkauf des Fahrzeugs nichts zu tun; es träfen sie keine Aufklärungspflichten gegenüber dem Kläger. Eine allfällige Haftung der Beklagten für Repräsentanten richte sich nach deutschem Recht. Selbst bei Anwendung österreichischen Rechts ergebe sich aus dem Klagevorbringen keine Repräsentantenhaftung.

[33] 4.3. Die Schadenersatzpflicht nach § 874 ABGB greift auch dann Platz, wenn die arglistige Irreführung nicht durch den Vertragspartner, sondern durch einen Dritten erfolgt ist (RS0016298; 6 Ob 186/21b [Rz 60]).

[34] 4.4. List iSd § 870 ABGB ist rechtswidrige, vorsätzliche Täuschung (RS0014821), wobei dolus eventualis ausreicht(6 Ob 186/21b [Rz 62]; 6 Ob 244/17a; RS0014837). Das Verhalten des Täuschenden und damit der Irrtum muss für den Vertragsabschluss kausal sein (RS0014790; RS0014821 [T3]): Der Vertragsschließende wird durch die Vorspiegelung falscher Tatsachen in Irrtum geführt oder durch Unterdrückung wahrer Tatsachen in seinem Irrtum belassen oder bestärkt und dadurch zum Vertragsabschluss bestimmt (6 Ob 186/21b [Rz 62]; RS0014827 [T4, T5]).

[35] 4.5. Nach § 1295 Abs 2 ABGB ist schadenersatzpflichtig, wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise absichtlich Schaden zufügt. Auch dafür genügt bedingter Vorsatz (6 Ob 61/21w [Rz 37]; RS0026603).

[36] 4.6. Entgegen dem Beklagtenvorbringen hat die Klägerin konkretes Vorbringen dazu erstattet, welchen Funktionsträgern innerhalb des Unternehmens der Beklagten (den Leitern der Aggregate‑Entwicklung sowie der Motorenentwicklung) sie ein arglistiges und sittenwidriges Verhalten, nämlich die Entwicklung eines – offenkundig für den Markt bestimmten – „manipulierten“ Motors mit verbotener Abschalteinrichtung vorwirft.

[37] Darin kann eine für den Vertragsabschluss des Fahrzeugkäufers kausale Täuschung liegen, wenn der Käufer das Fahrzeug sonst nicht erworben hätte (vgl 6 Ob 158/22m ErwGr IV.2.1.; 3 Ob 40/23p).

[38] 4.7. Ausgehend von der unrichtigen Rechtsansicht, dass sich das Fahrzeug nach der Durchführung des Software‑Updates trotz des Vorhandenseins des „Thermofensters“ in einem normkonformen Zustand befinde, bejahte das Berufungsgericht die Schadensbehebung und Klaglosstellung des Klägers und wies die Klage ab.

[39] Die Rechtssache ist jedoch noch nicht entscheidungsreif, weil keine Feststellungen getroffen wurden, die die Berechtigung des Klagebegehrens auf den Anspruchsgrundlagen des § 874 und § 1295 Abs 2 ABGB zulassen. Dies macht die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Zurückverweisung der Rechtssache an das Erstgericht erforderlich.

[40] 5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 ZPO.

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