European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0040OB00051.24I.0625.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Familienrecht (ohne Unterhalt)
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Die außerordentlichen Revisionsrekurse werden mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Die Mutter ist rumänische Staatsangehörige, der Vater maltesischer Staatsangehöriger, ihr minderjähriger Sohn ist Doppelstaatsangehöriger. Alle drei leben in Österreich.
[2] Zum Zeitpunkt der Geburt des Minderjährigen lebten seine Eltern in Lebensgemeinschaft. Obwohl damals (kraft Gesetzes) nur die Mutter die Obsorge hatte, entschieden die Eltern gemeinsam, dass ihr Sohn ausschließlich den Nachnamen des Vaters führen soll. Den Nachnamen der Mutter führt er als dritten Vornamen, was nun regelmäßig zur Verwirrung Dritter führt.
[3] Rund zwei Jahre nach der Geburt trennten sich die Eltern, der Minderjährige wird seither hauptsächlich im Haushalt der Mutter betreut. Der Vater rief nach der Trennung das Pflegschaftsgericht an und setzte eine gemeinsame Obsorge sowie mehrfach angepasste Kontaktrechtsregeln durch.
[4] Beide Elternteile stellten seither zahlreiche Anträge an das Pflegschaftsgericht, weil sie in vielen Belangen des Minderjährigen keine Einigung erzielten.
[5] Gegenstand dieses Revisionsrekursverfahrens sind ein Antrag der Mutter auf Ersatz der Zustimmung des Vaters durch das Pflegschaftsgericht zur Änderung des Namens des Minderjährigen, sodass er den Nachnamen der Mutter nicht mehr als dritten Vornamen, sondern als Teil eines Doppelnachnamens (gemeinsam mit dem schon bisher geführten Nachnamen des Vaters) führt; sowie ein Antrag des Vaters auf Verhängung einer Beugestrafe über die Mutter zur Einhaltung gerichtlich geregelter Kontakte. Diese sei mit dem Minderjährigen für eine Woche verreist, obwohl ein Antrag des Vaters beim Pflegschaftsgericht anhängig gewesen sei, die Reise zu untersagen, damit der Vater sein Regelkontaktrecht am Wochenende wie gewohnt ausüben könne.
[6] Das Erstgericht ersetzte die Zustimmung des Vaters zur Änderung des Namens des Minderjährigen und verhängte gegen die Mutter eine Beugestrafe von 500 EUR. Die Zulässigkeit der Namensänderung beurteilte es gemäß § 13 Abs 1 iVm § 9 Abs 1 Satz 3 IPRG nach maltesischem Recht als dem Recht der effektiven Staatsangehörigkeit des Minderjährigen.
[7] Das Rekursgericht bestätigte die Entscheidung zur Namensänderung im Ergebnis, prüfte die Voraussetzungen für die Namensänderung jedoch nach rumänischem Recht, zu dem der Minderjährigen aufgrund des Aufwachsens im Haushalt der Mutter eine geringfügig stärkere Bindung habe. Die Beugestrafe reduzierte es auf 100 EUR.
[8] Mit ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs strebt die Mutter die Aufhebung der Beugestrafe an.
[9] Der außerordentliche Revisionsrekurs des Vaters richtet sich gegen die Ersetzung seiner Zustimmung zur Namensänderung sowie gegen die Herabsetzung der Beugestrafe.
Rechtliche Beurteilung
[10] Beide Rechtsmittel zeigen keine Rechtsfragen von erheblicher Bedeutung auf und sind deshalb nicht zulässig.
[11] 1.1. Das Gericht hat zur Durchsetzung von Kontaktrechtsregelungen auf Antrag oder von Amts wegen denjenigen, der den Vollzug der Regelung vereitelt, durch die Verhängung angemessener Zwangsmittel nach § 79 Abs 2 AußStrG zur Einhaltung der Regelung zu bewegen (RS0047955 [T8]).
[12] 1.2. Bei Beugestrafen ist derBeschwerdegegenstand – selbst im Fall der Verhängung einer Geldstrafe – nicht deren Geldwert, sondern die Bestrafung als solche (vgl RS0038625). Der Ausspruch einer Beugestrafe ist deshalb nie rein vermögensrechtlicher Natur. Der Revisionsrekurs ist daher unabhängig von der Höhe der Beugestrafe zu behandeln, sofern eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG vorliegt (RS0038625 [T2]).
[13] 1.3. Die Zwangsmittel des § 79 Abs 1 AußStrG sind keine Strafe für die Missachtung einer gerichtlichen Verfügung, sondern sollen dazu dienen, der Anordnung in Zukunft zum Durchbruch zu verhelfen (RS0007330 [T3]). Ob eine Zwangsmaßnahme zu verhängen ist, kann immer nur nach den Umständen des konkreten Einzelfalls beurteilt werden, sodass dieser Frage in der Regel keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (RS0008614 [T4]; RS0007330 [T6]).
[14] 1.4. Die Mutter argumentiert, dass die Vorinstanzen von der ständigen Rechtsprechung abgewichen seien, sodass ihre Entscheidung im Sinn der Rechtseinheit ausnahmsweise dennoch einer Korrektur im Einzelfall bedürfe. Sie habe das Kontaktrecht des Vaters nämlich nicht systematisch verkürzt. Eine Urlaubsreise sei eine begründete Verhinderung des Minderjährigen für den Entfall eines einzelnen Kontaktrechtstermins.
[15] Sie verweist dafür auf die Entscheidungen 3 Ob 87/07a und 8 Ob 63/23g, in denen keine Ordnungsstrafen verhängt wurden. Aus diesen Zurückweisungen im Einzelfall ist jedoch keineswegs abzuleiten, dass der Domizilelternteil die gerichtliche Besuchsrechtsregelung nach Gutdünken abändern oder Besuchstermine infolge von Kurzurlauben entfallen lassen könnte (so in 3 Ob 87/07a sogar ausdrücklich klargestellt).
[16] Dass die Vorinstanzen im vorliegenden Fall aufgrund der besonders konfliktreichen Elternbeziehung eine akribische Einhaltung der gerichtlich festgesetzten Kontaktregeln für zentral hielten und durch eine Ordnungsstrafe weiteren einseitigen Abänderungen vorzubeugen trachteten, steht deshalb nicht in (gar korrekturbedürftigem) Widerspruch zu den oben angeführten Judikaten. Der Rechtsstandpunkt der Mutter, dass auf ihren Wunsch hin eine Änderung des Kontaktrechts – sei es durch Zustimmung des Vaters, sei es durch gerichtlichen Beschluss – erfolgen müsse, wenn sie mit dem Minderjährigen zu anderen Zeiten auf Urlaub fahren wolle, spricht vielmehr für eine Beugestrafe, um das künftige Funktionieren der Kontakte in der inzwischen bereits bis ins kleinste Detail festgelegten Form zu gewährleisten.
[17] 1.5. Der Vater kritisiert in seinem Rechtsmittel die Herabsetzung der Beugestrafe.
[18] Gerade die Strafhöhe wirft aber regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage auf (RS0007330 [T4]).
[19] 2.1. Der Vater zweifelt in seinem Revisionsrekurs nicht an, dass sich das anzuwendende Recht für die Ersetzung der Zustimmung zur Namensänderung nicht nach dem KSÜ 1996, BGBl III 2011/49, sondern nach österreichischem Kollisionsrecht bestimmt (vgl 4 Ob 41/21i Rz 13 ff).
[20] 2.2. Bei Bestimmung der dafür ausschlaggebenden „effektiven Staatsangehörigkeit“ eines Mehrstaaters kommt es gemäß § 9 Abs 1 Satz 3 IPRG auf die stärkste Beziehung zu einem der Staaten an. Dabei ist nach der Rechtsprechung allen in Betracht kommenden Umständen und tatsächlichen Lebensverhältnissen im Einzelfall Rechnung zu tragen, wie etwa dem Wohnsitz bzw gewöhnlichen Aufenthalt, der Muttersprache, den verwandtschaftlichen oder gesellschaftlichen Beziehungen, der nationalen Einstellung, dem Zeitpunkt des Erwerbs der einzelnen Staatsangehörigkeiten, dem ius sanguinis, dem Militärdienst, dem Beruf usw, aber auch auf die Zukunft weisenden Argumenten (vgl RS0009222 [T1]; RS0117332).
[21] Sie kann nur einzelfallbezogen ermittelt werden (1 Ob 2/03f; 4 Ob 41/21i Rz 16).
[22] 2.3. Das Rekursgericht meinte, dass hier bei einem Vorschulkind, das beide Staatsangehörigkeiten durch Abstammung von seinen Eltern besitzt und in einem Drittstaat aufwächst, die geringfügig stärkere Beziehung zum Staat seiner Mutter als Domizilelternteil bestehe. Dass die Staatsangehörigkeit nach dem Vater schon bald nach der Geburt, jene nach der Mutter erst um den dritten Geburtstag herum beantragt wurde, hielt es für nicht ausschlaggebend.
[23] Das Rechtsmittel des Vaters argumentiert, dass der Minderjährige die maltesische Staatsangehörigkeit somit schon doppelt so lang besitze wie die rumänische. Außerdem spreche der Minderjährige Deutsch, Englisch, Rumänisch und etwas Maltesisch. Damit könne er zwei Amtssprachen von Malta, aber nur eine von Rumänien. Schließlich besuche er häufiger Verwandte des Vaters in Malta als Verwandte der Mutter in Rumänien.
[24] Keine dieser Überlegungen zeigt überzeugend auf, dass eine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende grobe Fehlbeurteilung vorliege. Es ist jedenfalls vertretbar anzunehmen, dass für ein Kind im Kindergarten- oder Volksschulalter das Dokument eines Staatsbürgerschaftsnachweises in der Regel noch keine identitätsstiftende Bedeutung habe; dass die Bindung zu einem Staat nicht automatisch mit der Anzahl der Amtssprachen zunimmt, die man erlernen kann und erlernt; und dass für ein so junges Kind die unmittelbare Kernfamilie und insbesondere der Domizilelternteil eine größere Bedeutung hat als gelegentliche Besuche bei entfernteren Verwandten.
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