OGH 4Ob113/24g

OGH4Ob113/24g25.6.2024

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Schwarzenbacher als Vorsitzenden sowie den Vizepräsidenten Hon.‑Prof. PD Dr. Rassi, die Hofrätinnen Mag. Istjan, LL.M., und Mag. Waldstätten und den Hofrat Dr. Stiefsohn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei * GmbH, *, vertreten durch Grassner Rechtsanwalts GmbH in Linz, gegen die beklagte Partei *, vertreten durch Dr. Manfred Palkovits, Mag. Martin Sohm, Rechtsanwälte in Wien, wegen Aufkündigung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 24. April 2024, GZ 38 R 247/23i‑46, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0040OB00113.24G.0625.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Bestandrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die Vorinstanzen hoben die – ua und insoweit in dritter Instanz noch relevant – auf § 30 Abs 2 Z 6 MRG gestützte gerichtliche Aufkündigung vom 22. 9. 2021 als rechtsunwirksam auf und wiesen das auf geräumte Übergabe (der an die Beklagte vermieteten Wohnung) gerichtete Begehren ab.

Rechtliche Beurteilung

[2] In ihrer dagegen erhobenen außerordentlichen Revision zeigt die klagende Partei keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung auf.

[3] 1. Die Beklagte lebt mit ihrem minderjährigen Sohn, zeitweise auch mit ihrer 18‑jährigen Tochter in der aufgekündigten Wohnung in Wien. Sie benützt die Wohnung durchschnittlich drei Tage in der Woche, wo sie auch noch ihren Hausstand (Kleidung, persönliche Unterlagen, Dokumente etc) hat. Sie übernachtet etwa vier bis fünf Mal pro Woche in der Wohnung ihres Lebensgefährten, bei dem sie aber nicht eingezogen ist, sondern regelmäßig zurück in ihre Wohnung pendelt. Die Beklagte war vorübergehend wegen der Pflege ihres 94-jährigen Vaters in Deutschland von der aufgekündigten Wohnung abwesend, ebenso auch während der von der Klägerin durchgeführten Umbau- und Sanierungsarbeiten, die die Benutzung der Wohnung wegen der Lärm- und Staubbelastung einschränkten.

[4] 2.1 Die für die Beurteilung der Aufkündigung nach § 30 Abs 2 Z 6 MRG maßgebliche regelmäßige Verwendung zu Wohnzwecken ist dann anzunehmen, wenn der Mieter oder eintrittsberechtigte Personen die Wohnung wenigstens während eines beachtlichen Zeitraums im Jahr bzw einige Tage in der Woche als wirtschaftlichen und familiären Mittelpunkt benützen (RS0068679). Dabei reicht es aus, wenn die Wohnung zumindest in mancher Hinsicht noch Mittelpunkt der wirtschaftlichen Tätigkeit und des Familienlebens des Mieters ist (RS0068874, RS0079241), selbst wenn auch eine andere Wohnung benutzt wird (RS0079252).

[5] 2.2 Die Beurteilung der Frage, ob von einer regelmäßigen Verwendung zu Wohnzwecken gesprochen werden kann, ist von den Umständen des konkreten Einzelfalls abhängig und daher regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO, soweit nicht eine krasse Fehlbeurteilung vorliegt (RS0079241 [T13, T17]).

[6] 3.1 Ausgehend von der oben dargestellten Rechtsprechung kann im Zusammenhang mit dem festgestellten Sachverhalt in der Beurteilung des Berufungsgerichts keine krasse Fehlbeurteilung erkannt werden (vgl zuletzt 4 Ob 166/23z) und es wird eine solche auch von der Revisionswerberin nicht aufgezeigt.

[7] 3.2 Auch mit Blick auf die festgestellten Abwesenheiten der Beklagten (zur Pflege ihres hochbetagten Vaters in Deutschland bzw wegen der Sanierungsarbeiten der Klägerin) liegt kein Widerspruch zur Rechtsprechung (insb zu 10 Ob 516/95) vor, weil eine Nichtbenützung wegen einer absehbaren, nur vorübergehenden Unterbrechung den Kündigungstatbestand des § 30 Abs 2 Z 6 MRG nicht erfüllt (RS0079350, RS0079210). Die Argumentation der Klägerin, die rechnerisch von einer Nutzung im Ausmaß von weniger als 70 Tagen im Jahr ausgeht, geht daher schon deshalb ins Leere, weil dieser Rechnung als Durchschnittsbetrachtung auch die Zeit der (nachvollziehbar) vorübergehenden Nichtbenützung der Wohnung (ua wegen der Pflege des Vaters) der Beklagten zugrundeliegt.

[8] 4. Die behauptete Mangelhaftigkeit des Verfahrens wurde geprüft, sie liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

[9] 4.1 Eine mangelhafte und unzureichende Beweiswürdigung kann im Revisionsverfahren nicht angefochten werden. Ob die auf die Beweisrüge bezügliche Begründung des Berufungsgerichts richtig oder fehlerhaft ist, fällt in den Bereich der irrevisiblen Beweiswürdigung (RS0043371 [T12]). Diese Rechtsmittelbeschränkung kann auch nicht dadurch umgangen werden, dass ein unerwünschtes Ergebnis der Behandlung der Beweisrüge als Mangel des Berufungsverfahrens releviert wird (RS0043371 [T28]). Nur wenn sich das Berufungsgericht mit der Beweisfrage überhaupt nicht befasst hat (RS0043371 [T2]) oder sich mit der Beweisrüge nur unvollständig und sich mit gewichtigen Argumenten gar nicht auseinandersetzte („floskelhafte Scheinbegründung“; RS0043371 [T32]), ist das Berufungsverfahren mangelhaft. Hat das Berufungsgericht über eine Beweisrüge nachvollziehbare Überlegungen angestellt und im Berufungsurteil festgehalten, ist die Entscheidung mängelfrei (RS0043150).

[10] 4.2 Entgegen den Ausführungen im Rechtsmittel hat sich das Berufungsgericht mit der Beweisrüge umfassend befasst. Das Berufungsgericht hat sich sowohl mit den Feststellungen zur Nutzung der Wohnung als auch mit den Abwesenheiten der Beklagten inhaltlich auseinandergesetzt und ist dabei auf die in der Berufung vorgebrachten Argumente eingegangen. Der Umstand, dass das Berufungsgericht diesen nicht folgte, kann eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens nicht begründen.

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