OGH 4Ob166/23z

OGH4Ob166/23z17.10.2023

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Kodek als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Schwarzenbacher und MMag. Matzka sowie die Hofrätinnen Mag. Istjan, LL.M., und Mag. Waldstätten als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Y*, vertreten durch Mag. Stefan Oberlojer, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei J*, vertreten durch Mag. Barbara Seebacher, Rechtsanwältin in Wien, wegen Aufkündigung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 5. Juli 2023, GZ 40 R 23/23p‑28, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0040OB00166.23Z.1017.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die Klägerin ist Eigentümerin einer vom Beklagten gemieteten Wohnung. Sie erklärte die Kündigung gemäß § 30 Abs 2 Z 4 1. Fall und Z 6 MRG (Weitergabe und fehlendes dringendes Wohnbedürfnis).

[2] Die Vorinstanzen hoben die gerichtliche Aufkündigung auf und wiesen das Räumungsbegehren ab.

[3] Mit ihrer außerordentlichen Revision beantragt die Klägerin, die Aufkündigung für rechtswirksam zu erklären.

Rechtliche Beurteilung

[4] Die Revision ist in Ermangelung von erheblichen Rechtsfragen nicht zulässig und somit zurückzuweisen:

[5] 1. Der Beklagte ist Pensionist und wohnt in der aufgekündigten Wiener Wohnung, wo sich bis auf sein Arbeitsgewand und zwei Jeanshosen alle seine Sachen befinden, auch wenn er sich nur an zwei von sieben Tagen dort aufhält. Die restliche Zeit verbringt er bei seiner Freundin in Sollenau. Eine Weitergabe seiner Wohnung konnte nicht festgestellt werden. Der Beklagte bezieht dort Fernseh- und Internetleistungen und verfügt über das „Parkpickerl“ für den entsprechenden Bezirk.

[6] 2. Die Vorinstanzen verneinten die geltend gemachten Kündigungsgründe, weil die wöchentliche Nutzung der Wohnung zwar am unteren Limit des geforderten Mindestmaßes liege, den Feststellungen aber immer noch eine ausreichende Nahebeziehung des Beklagten zur aufgekündigten Wohnung insofern zu entnehmen sei, als deren Verwendung über die Qualität eines Absteigquartiers hinausgehe. Zumindest in mancher Beziehung stelle die aufgekündigte Wohnung auch einen Mittelpunkt der Lebensgestaltung des Beklagten dar.

[7] 3. Diese Beurteilung hält sich im Rahmen oberstgerichtlicher Rechtsprechung, wonach die regelmäßige Verwendung zu Wohnzwecken im Sinne des geltend gemachten Kündigungsgrundes voraussetzt, dass die gekündigte Wohnung vom Gekündigten wenigstens während eines beträchtlichen Zeitraumes im Jahr (bzw einige Tage in der Woche) zumindest in mancher Beziehung als wirtschaftlicher oder familiärer Mittelpunkt (RS0079240; RS0068679) oder als Mittelpunkt seiner Lebenshaltung benützt wird (RS0079241 [T1]), wobei bei der Lebensführung von (älteren) Alleinstehenden kein allzu strenger Maßstab anzulegen ist (3 Ob 565/95, 7 Ob 220/17d mwN) und die Benützung mehrerer Wohnungen noch nicht den Kündigungstatbestand erfüllt, solange der Mittelpunkt der Lebenshaltung zumindest zum Teil in der aufgekündigten Wohnung liegt (RS0079252). Entgegen den Revisionsausführungen haben die Vorinstanzen auch nicht bloß Feststellungen für den Zeitpunkt des Lokalaugenscheins getroffen, sondern einen dauerhaften, bereits zum – rechtlich maßgeblichen (RS0070282) – Zeitpunkt der Zustellung der Aufkündigung vorliegenden Dauerzustand festgestellt.

[8] 4. Die Beurteilung der Frage, ob von einer regelmäßigen Verwendung zu Wohnzwecken gesprochen werden kann, hängt von den Umständen des konkreten Einzelfalls ab und begründet daher regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO, soweit nicht eine krasse Fehlbeurteilung vorliegt (7 Ob 220/17d mwN; RS0079241 [T13]). Ausgehend von der oben dargestellten Rechtsprechung kann im Zusammenhang mit dem festgestellten Sachverhalt – der Beklagte ist Pensionist, hat eine Freundin, die über ein Haus in Sollenau verfügt, wo er sich fünf Tage die Woche aufhält, aber keineswegs bei ihr eingezogen ist, sondern regelmäßig zurück in seine Wohnung pendelt, wo er auch noch weitestgehend seinen Hausstand (Kleidung, Dokumente etc) hat und sich in der Wohnung selbst versorgt (Kochen, Wäsche waschen) – in der Beurteilung des Berufungsgerichts keine krasse Fehlbeurteilung erkannt werden und es wird eine solche auch von der Revisionswerberin nicht aufgezeigt.

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